Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 53 R 526/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 50/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Der am 27. April 1955 geborene Kläger hat – eigenen Angaben zufolge – nach dem Besuch der Hauptschule die Seefahrtsschule besucht, den Beruf des Kochs erlernt und diesen vorübergehend ausgeübt. Danach ist er mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Strafhaft bis zur Mitte der 1980er Jahre zur See gefahren. Zeiten der Arbeitslosigkeit, des Sozialhilfebezugs und eine erneute Haftstrafe vom 3. Mai 2002 bis zum 25. April 2004 schlossen sich an. Aus der Haft heraus wurde er erstmalig am 11. Juli 2002 nach § 12 Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten mit der Diagnose Verdacht auf paranoid-halluzinatorische Psychose unklarer Genese im Klinikum Nord aufgenommen, jedoch alsbald in das Zentralkrankenhaus der Haftanstalt überstellt. Von dort erfolgte am 16. Juli 2002 eine erneute Überweisung in das Klinikum Nord wegen einer akuten Psychose und nicht ausschließbarer Fremd- und Selbstgefährdung. Stationäre Behandlung bis zum 12. August 2003 schloss sich an. Im Zeitraum vom 23. Juni 2003 – 12. September 2003 nahm der Kläger erfolgreich an einem Grundlehrgang Elektrotechnik/EDV beim Berufsfortbildungswerk teil. Am 22. April 2004 wurde er aus der Haft entlassen.
Bereits seit 15. April 2004 war der Kläger mehrfach wegen Verschlusses der hirnversorgenden Gefäße (Carotisverschluss beidseits) in stationärer Behandlung gewesen. Am 21. Januar 2005 wurde er im Krankenhaus A. erneut stationär aufgenommen, weil es zu einer Akzentuierung der aufgrund rezidivierender linkshirniger Infarkte seit April 2004 vorbestehenden rechtsseitigen Hemiparese und einer Sprach-störung gekommen war. Im Bericht des Krankenhauses A. vom 24. Februar 2005 heißt es zu den abschließenden Diagnosen: Verdacht auf funktionell bedingte Akzentuierung einer vorbestehenden Symptomatik bei Zustand nach linkshirnigen Infarkten im Mediastromgebiet, Verdacht auf filiforme Stenose der Arteria carotis interna (ACI) links, ACI-Verschluss rechts, Nikotinabusus, Hypercholesterinämie, subcorticale arterio¬sklero-tische Encephalopathie.
Nachdem der Kläger seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB III) bezogen hatte, wurde er mit Blick auf bestehende Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit von Dr. E ... untersucht. Diese fand Wortfindungsstörungen und eine erhebliche Artikulationsbeeinträchtigung, Nachziehen des rechten Beins, der rechte Arm werde nicht bewegt. Im psychischen Befund hielt sie ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlichen kognitiven Defiziten, erhöhter Reizbarkeit, psychomotorischer Verlangsamung sowie Haften an Gesprächsinhalten fest. Die Kooperation sei eingeschränkt. Dr. E. hielt das Leistungsvermögen des Klägers vor dem Hintergrund eines Zustandes nach mehreren linkshirnigen Infarkten für dauerhaft aufgehoben. Das Versorgungsamt Hamburg stellt mit Wirkung vom 21. Januar 2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "RF" fest. Der Kläger bezieht seit 1. August 2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe.
Am 10. Juli 2007 begehrte der Kläger von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung wies er auf einen Zustand nach Schlaganfall hin. Die Beklagte lehnte die Gewährung der begehrten Rente mit Bescheid vom 3. August 2007 ab, weil in dem maßgeblichen Zeitraum vom 10. Juli 2007 bis zum 9. Juli 2002 nur zwei Jahre und 9 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien, so dass die aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) folgenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Nachdem der Kläger mit seinem Widerspruch darauf hingewiesen hatte, dass zusätzlich die Zeit der Teilnahme an dem Grundlehrgang Elektrotechnik/EDV beim Berufsfortbildungswerk als Pflichtbeitragszeit anzurechnen sei, so dass hierdurch die versicherungs¬rechtlichen Voraussetzungen erfüllt würden, holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes zur Frage ein, ab wann bei dem Kläger das Leistungsvermögen aufgehoben sei. In ihrer Stellungnahme vom 20. März 2009 gelangte die Fachärztin für innere Medizin N. zu der Einschätzung, dass aufgrund mehrerer Schlaganfälle mit Multiinfarktsyndrom mit hirnorganischem Psychosyndrom, Sprachstörung und Hemiparese seit der stationären Aufnahme am 15. April 2004 das Leistungsvermögen auf Dauer aufgehoben sei. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Mai 2009 zurück und führte zur Begründung unter Hinweis auf die Einschätzung ihres sozialmedizinischen Dienstes aus, bei einem bereits seit 14. April 2004 aufgehobenen Leistungsvermögen berechne sich der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 15. April 1999 bis zum 14. April 2004. In diesem Zeitraum seien aber lediglich 1 Jahr und 2 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Die Ausnahme-tatbestände der §§ 241 Abs. 2, 53 SGB VI lägen nicht vor.
Zur Begründung seiner daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, für den Fünfjahreszeitraum sei abzustellen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung. In dem danach sich ergebenden Zeitraum vom 10. Juli 2007 bis zum 9. Juli 2002 aber seien neben den von der Beklagten anerkannten 2 Jahren und 9 Monaten Pflichtbeitragszeit weitere 3 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, so dass er mit 36 Monaten die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 SGB VI erfülle. Es sei willkürlich nach dem erfolgten Nachweis weiterer Beitragszeiten auf einen früheren Zeitpunkt für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit abzustellen.
Das Sozialgericht hat zu der Frage, ab wann die Leistungseinschränkungen bei dem Kläger bestehen, Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet durch Dr. H ... Dieser hat die Auffassung vertreten, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits mit Eintritt der Haftunfähigkeit am 16. Juli 2002 aufgehoben gewesen sei. Auf das schriftliche Gutachten vom 4. Oktober 2010 wird ergänzend Bezug genommen. Der Kläger ist dem Gutachten unter Hinweis auf die erfolgreiche Teilnahme an dem Grundlehrgang Elektro¬technik/EDV beim Berufsfortbildungswerk und den Bezug von Arbeitslosengeld II bis 31. Juli 2007 zum entgegengetreten. Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichts¬gesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten auf dem neurologischen Fachgebiet von Dr. F. eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger spätestens zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft im April 2004 außerstande gewesen sei, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in einem Umfang von drei Stunden täglich und mehr nachzugehen. Dies ergebe sich aus dem für diesen Zeitpunkt durch die Anstaltsärztin niedergelegten psychopathologischen Befund. Auf das Gutachten vom 20. Oktober 2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Durch Urteil vom 4. April 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus dem Versicherungsverlauf des Klägers ergebe sich, dass innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht drei Jahre Pflichtbeiträge vorlägen. Dies sei nur bei einem Leistungsfall bis Dezember 1989 und danach erst wieder frühestens im August 2006 der Fall. Sowohl Dr. H. als auch Dr. F. seien aber nach Untersuchung und Auswertung aller vorliegenden Befunde davon ausgegangen, dass der Versicherte spätestens im April 2004 voll erwerbsgemindert war. Dieser Annahme stehe nicht entgegen, dass der Kläger noch bis Juli 2007 Arbeitslosengeld II bezogen habe. Hieraus ließen sich keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Leistungsvermögen ziehen. Tatsächlich sei es zur Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II nach dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. E. nur gekommen, weil der Träger der Sozialhilfe der Einschätzung des SGB II-Trägers widersprochen habe. Erst nach Durchführung weiterer Untersuchungen sei es dann zur Übernahme des Falles durch das Sozialamt M. gekommen. Auf die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. April 2014 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 23. Mai 2014 Berufung eingelegt, mit der er erneut geltend macht, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente hätten zum Antragszeitpunkt vorgelegen. Er sei erst in 2007 erwerbsunfähig geworden. Auf die Gutachten der Dres. H. und F. könne die Entscheidung nicht gegründet werden, weil diese im Widerspruch zu den Feststellungen der Anstaltsärztin stünden, die im April 2004 eine Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt, vielmehr nur eine Betreuung angeregt habe. Überdies erfülle er – der Kläger – die Voraussetzungen von § 241 Abs. 2 SGB VI, wonach Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung vor Eintritt der Erwerbsminderung für Versicherte nicht erforderlich seien, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Dies sei bei ihm der Fall.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspuchsbescheides vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Juli 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig. Auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI lägen nicht vor, denn im Versicherungsverlauf des Klägers befänden sich etliche Lücken für den Zeitraum ab 1. Januar 1984.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter des Senats gemachten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG der Berichterstatter allein entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Wie die Beklagte und das Sozialgericht übereinstimmend und zutreffend ausgesprochen haben, steht dem Kläger die begehrte Rente nicht zu.
Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Es ist nicht zweifelhaft und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede genommen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung voll erwerbsgemindert im Sinne dieser Vorschrift war und dies auch noch ist. Jedoch setzt die Gewährung einer Rente nach dieser Vorschrift neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) zusätzlich das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Abzustellen ist für die Erfüllung dieser besonderen versicherungs¬rechtlichen Voraussetzungen danach nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Renten¬antrages, sondern auf den Eintritt der die Erwerbsminderung bewirkenden Umstände. Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist er spätestens seit dem erneuten Hirninfarktgeschehen im Januar 2005 voll erwerbs¬gemindert. Dies folgt aus dem Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Klemperer vom 8. Dezember 2005, der durch den medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit ausgewertet wurde und welcher Dr. E. im Rahmen der für die Bundesagentur für Arbeit durchgeführten Begutachtung in der Zusammenschau mit dem Bericht des Krankenhauses A. und ihren eigenen, zu der von ihr selbst durchgeführten Untersuchung niedergelegten Befunden zu der Einschätzung gelangen ließ, der Kläger sei mit Blick auf dieses Infarktgeschehen voll erwerbsgemindert. Diese sozialmedizinische Einschätzung macht sich das Berufungsgericht zu eigen. Damit rechnet der Zeitraum, in dem Pflichtbeiträge vorliegen müssen, von Januar 2005 bis Januar 2000. Bei dieser Sachlage muss nicht entschieden werden, ob – wie Dres. H. und F. meinen und wofür mit der vom Sozialgericht gegebenen Begründung viel spricht – der Zustand voller Erwerbsminderung bereits im April 2004 eingetreten war. Denn ausweislich seines Versicherungsverlaufs hat der Kläger im Zeitraum vom Januar 2005 bis Januar 2000 nur 22 Monate Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und erreicht damit bei weitem nicht die erforderliche Anzahl von 36 Monaten. Weitere Pflichtbeitragszeiten weist der Versicherungsverlauf – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – dann erst wieder für Zeiträume vor Dezember 1989 aus.
Dem Kläger kommen auch die in § 241 Abs. 2 SGB VI normierten Erleichterungen nicht zugute, weil er zwar die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 erfüllt hat, sein Versicherungsverlauf aber erhebliche Lücken aufweist, so dass nicht jeder Kalender¬monat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbs¬minderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Der am 27. April 1955 geborene Kläger hat – eigenen Angaben zufolge – nach dem Besuch der Hauptschule die Seefahrtsschule besucht, den Beruf des Kochs erlernt und diesen vorübergehend ausgeübt. Danach ist er mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Strafhaft bis zur Mitte der 1980er Jahre zur See gefahren. Zeiten der Arbeitslosigkeit, des Sozialhilfebezugs und eine erneute Haftstrafe vom 3. Mai 2002 bis zum 25. April 2004 schlossen sich an. Aus der Haft heraus wurde er erstmalig am 11. Juli 2002 nach § 12 Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten mit der Diagnose Verdacht auf paranoid-halluzinatorische Psychose unklarer Genese im Klinikum Nord aufgenommen, jedoch alsbald in das Zentralkrankenhaus der Haftanstalt überstellt. Von dort erfolgte am 16. Juli 2002 eine erneute Überweisung in das Klinikum Nord wegen einer akuten Psychose und nicht ausschließbarer Fremd- und Selbstgefährdung. Stationäre Behandlung bis zum 12. August 2003 schloss sich an. Im Zeitraum vom 23. Juni 2003 – 12. September 2003 nahm der Kläger erfolgreich an einem Grundlehrgang Elektrotechnik/EDV beim Berufsfortbildungswerk teil. Am 22. April 2004 wurde er aus der Haft entlassen.
Bereits seit 15. April 2004 war der Kläger mehrfach wegen Verschlusses der hirnversorgenden Gefäße (Carotisverschluss beidseits) in stationärer Behandlung gewesen. Am 21. Januar 2005 wurde er im Krankenhaus A. erneut stationär aufgenommen, weil es zu einer Akzentuierung der aufgrund rezidivierender linkshirniger Infarkte seit April 2004 vorbestehenden rechtsseitigen Hemiparese und einer Sprach-störung gekommen war. Im Bericht des Krankenhauses A. vom 24. Februar 2005 heißt es zu den abschließenden Diagnosen: Verdacht auf funktionell bedingte Akzentuierung einer vorbestehenden Symptomatik bei Zustand nach linkshirnigen Infarkten im Mediastromgebiet, Verdacht auf filiforme Stenose der Arteria carotis interna (ACI) links, ACI-Verschluss rechts, Nikotinabusus, Hypercholesterinämie, subcorticale arterio¬sklero-tische Encephalopathie.
Nachdem der Kläger seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB III) bezogen hatte, wurde er mit Blick auf bestehende Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit von Dr. E ... untersucht. Diese fand Wortfindungsstörungen und eine erhebliche Artikulationsbeeinträchtigung, Nachziehen des rechten Beins, der rechte Arm werde nicht bewegt. Im psychischen Befund hielt sie ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlichen kognitiven Defiziten, erhöhter Reizbarkeit, psychomotorischer Verlangsamung sowie Haften an Gesprächsinhalten fest. Die Kooperation sei eingeschränkt. Dr. E. hielt das Leistungsvermögen des Klägers vor dem Hintergrund eines Zustandes nach mehreren linkshirnigen Infarkten für dauerhaft aufgehoben. Das Versorgungsamt Hamburg stellt mit Wirkung vom 21. Januar 2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "RF" fest. Der Kläger bezieht seit 1. August 2007 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe.
Am 10. Juli 2007 begehrte der Kläger von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung wies er auf einen Zustand nach Schlaganfall hin. Die Beklagte lehnte die Gewährung der begehrten Rente mit Bescheid vom 3. August 2007 ab, weil in dem maßgeblichen Zeitraum vom 10. Juli 2007 bis zum 9. Juli 2002 nur zwei Jahre und 9 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien, so dass die aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) folgenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Nachdem der Kläger mit seinem Widerspruch darauf hingewiesen hatte, dass zusätzlich die Zeit der Teilnahme an dem Grundlehrgang Elektrotechnik/EDV beim Berufsfortbildungswerk als Pflichtbeitragszeit anzurechnen sei, so dass hierdurch die versicherungs¬rechtlichen Voraussetzungen erfüllt würden, holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes zur Frage ein, ab wann bei dem Kläger das Leistungsvermögen aufgehoben sei. In ihrer Stellungnahme vom 20. März 2009 gelangte die Fachärztin für innere Medizin N. zu der Einschätzung, dass aufgrund mehrerer Schlaganfälle mit Multiinfarktsyndrom mit hirnorganischem Psychosyndrom, Sprachstörung und Hemiparese seit der stationären Aufnahme am 15. April 2004 das Leistungsvermögen auf Dauer aufgehoben sei. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Mai 2009 zurück und führte zur Begründung unter Hinweis auf die Einschätzung ihres sozialmedizinischen Dienstes aus, bei einem bereits seit 14. April 2004 aufgehobenen Leistungsvermögen berechne sich der maßgebliche Fünfjahreszeitraum vom 15. April 1999 bis zum 14. April 2004. In diesem Zeitraum seien aber lediglich 1 Jahr und 2 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Die Ausnahme-tatbestände der §§ 241 Abs. 2, 53 SGB VI lägen nicht vor.
Zur Begründung seiner daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, für den Fünfjahreszeitraum sei abzustellen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung. In dem danach sich ergebenden Zeitraum vom 10. Juli 2007 bis zum 9. Juli 2002 aber seien neben den von der Beklagten anerkannten 2 Jahren und 9 Monaten Pflichtbeitragszeit weitere 3 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, so dass er mit 36 Monaten die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 SGB VI erfülle. Es sei willkürlich nach dem erfolgten Nachweis weiterer Beitragszeiten auf einen früheren Zeitpunkt für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit abzustellen.
Das Sozialgericht hat zu der Frage, ab wann die Leistungseinschränkungen bei dem Kläger bestehen, Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet durch Dr. H ... Dieser hat die Auffassung vertreten, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits mit Eintritt der Haftunfähigkeit am 16. Juli 2002 aufgehoben gewesen sei. Auf das schriftliche Gutachten vom 4. Oktober 2010 wird ergänzend Bezug genommen. Der Kläger ist dem Gutachten unter Hinweis auf die erfolgreiche Teilnahme an dem Grundlehrgang Elektro¬technik/EDV beim Berufsfortbildungswerk und den Bezug von Arbeitslosengeld II bis 31. Juli 2007 zum entgegengetreten. Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichts¬gesetz (SGG) hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten auf dem neurologischen Fachgebiet von Dr. F. eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger spätestens zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Haft im April 2004 außerstande gewesen sei, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in einem Umfang von drei Stunden täglich und mehr nachzugehen. Dies ergebe sich aus dem für diesen Zeitpunkt durch die Anstaltsärztin niedergelegten psychopathologischen Befund. Auf das Gutachten vom 20. Oktober 2012 wird ergänzend Bezug genommen.
Durch Urteil vom 4. April 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus dem Versicherungsverlauf des Klägers ergebe sich, dass innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht drei Jahre Pflichtbeiträge vorlägen. Dies sei nur bei einem Leistungsfall bis Dezember 1989 und danach erst wieder frühestens im August 2006 der Fall. Sowohl Dr. H. als auch Dr. F. seien aber nach Untersuchung und Auswertung aller vorliegenden Befunde davon ausgegangen, dass der Versicherte spätestens im April 2004 voll erwerbsgemindert war. Dieser Annahme stehe nicht entgegen, dass der Kläger noch bis Juli 2007 Arbeitslosengeld II bezogen habe. Hieraus ließen sich keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Leistungsvermögen ziehen. Tatsächlich sei es zur Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II nach dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. E. nur gekommen, weil der Träger der Sozialhilfe der Einschätzung des SGB II-Trägers widersprochen habe. Erst nach Durchführung weiterer Untersuchungen sei es dann zur Übernahme des Falles durch das Sozialamt M. gekommen. Auf die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. April 2014 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 23. Mai 2014 Berufung eingelegt, mit der er erneut geltend macht, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente hätten zum Antragszeitpunkt vorgelegen. Er sei erst in 2007 erwerbsunfähig geworden. Auf die Gutachten der Dres. H. und F. könne die Entscheidung nicht gegründet werden, weil diese im Widerspruch zu den Feststellungen der Anstaltsärztin stünden, die im April 2004 eine Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt, vielmehr nur eine Betreuung angeregt habe. Überdies erfülle er – der Kläger – die Voraussetzungen von § 241 Abs. 2 SGB VI, wonach Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung vor Eintritt der Erwerbsminderung für Versicherte nicht erforderlich seien, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten. Dies sei bei ihm der Fall.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2007 in der Gestalt des Widerspuchsbescheides vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Juli 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig. Auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI lägen nicht vor, denn im Versicherungsverlauf des Klägers befänden sich etliche Lücken für den Zeitraum ab 1. Januar 1984.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter des Senats gemachten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG der Berichterstatter allein entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Wie die Beklagte und das Sozialgericht übereinstimmend und zutreffend ausgesprochen haben, steht dem Kläger die begehrte Rente nicht zu.
Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Es ist nicht zweifelhaft und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede genommen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung voll erwerbsgemindert im Sinne dieser Vorschrift war und dies auch noch ist. Jedoch setzt die Gewährung einer Rente nach dieser Vorschrift neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) zusätzlich das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Abzustellen ist für die Erfüllung dieser besonderen versicherungs¬rechtlichen Voraussetzungen danach nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Renten¬antrages, sondern auf den Eintritt der die Erwerbsminderung bewirkenden Umstände. Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist er spätestens seit dem erneuten Hirninfarktgeschehen im Januar 2005 voll erwerbs¬gemindert. Dies folgt aus dem Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Klemperer vom 8. Dezember 2005, der durch den medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit ausgewertet wurde und welcher Dr. E. im Rahmen der für die Bundesagentur für Arbeit durchgeführten Begutachtung in der Zusammenschau mit dem Bericht des Krankenhauses A. und ihren eigenen, zu der von ihr selbst durchgeführten Untersuchung niedergelegten Befunden zu der Einschätzung gelangen ließ, der Kläger sei mit Blick auf dieses Infarktgeschehen voll erwerbsgemindert. Diese sozialmedizinische Einschätzung macht sich das Berufungsgericht zu eigen. Damit rechnet der Zeitraum, in dem Pflichtbeiträge vorliegen müssen, von Januar 2005 bis Januar 2000. Bei dieser Sachlage muss nicht entschieden werden, ob – wie Dres. H. und F. meinen und wofür mit der vom Sozialgericht gegebenen Begründung viel spricht – der Zustand voller Erwerbsminderung bereits im April 2004 eingetreten war. Denn ausweislich seines Versicherungsverlaufs hat der Kläger im Zeitraum vom Januar 2005 bis Januar 2000 nur 22 Monate Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und erreicht damit bei weitem nicht die erforderliche Anzahl von 36 Monaten. Weitere Pflichtbeitragszeiten weist der Versicherungsverlauf – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – dann erst wieder für Zeiträume vor Dezember 1989 aus.
Dem Kläger kommen auch die in § 241 Abs. 2 SGB VI normierten Erleichterungen nicht zugute, weil er zwar die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 erfüllt hat, sein Versicherungsverlauf aber erhebliche Lücken aufweist, so dass nicht jeder Kalender¬monat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbs¬minderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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