Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 894/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 35/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung.
Der am xxxxx 1953 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser und anschlie-ßend ein Studium zum Kfz-Ingenieur absolviert, in diesem Beruf jedoch nicht gearbeitet. Stattdessen war er bis etwa 2008 als Taxifahrer tätig.
Das Fachklinikum B. vertrat im Abschlussbericht über die medizinischen Rehabilitati-onsmaßnahme vom 4. Januar bis 1. Februar 2010 die Auffassung, der Kläger sei in seiner Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit so deutlich eingeschränkt, dass er sogar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen aufweise. Die-sen Bericht wertete der Neurologe/Psychiater A. für die Beklagte aus und kam im Gut¬achten vom 22. Oktober 2010 zu dem Ergebnis, es liege ein Erschöpfungssyndrom mit aus¬geprägter Fehlhaltung und eine Somatisierungstendenz ohne Nachweis gravierender de¬pressiver Phänomene vor. Der Kläger sei in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich Arbei¬ten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Nachdem der Kläger unter dem 30. Dezember 2010 einen Antrag auf Gewährung einer Er-werbsminderungsrente gestellt hatte, schloss sich der Facharzt für Innere Medizin Dr. T1 in seiner gutachterlichen Äußerung vom 7. Januar 2011 der Leistungseinschätzung des Nervenarztes A. an. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 24. Januar 2011 ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2011 zurück, nachdem der Internist Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 11. April 2011 unter Auswertung des Attestes des behandelnden Arztes Dr. G. vom 9. Februar 2011 ebenfalls die Auffassung vertreten hatte, es liege noch ein Leistungsvermö¬gen vom mindestens 6 Stunden täglich für den allgemeinen Arbeitsmarkt (mit qualitativen Einschränkungen) vor.
Im Klageverfahren ist der Orthopäde Dr. N. nach Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 27. April 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus orthopädischer Sicht keine relevanten Einschränkungen bestünden. Es liege eine Minderbelastbarkeit der Wirbel-säule bei degenerativen Bandscheibenschäden vor. Darüber hinaus bestehe ein subjektives Beschwerdebild im Sinne eines Chronic-Fatigue-Syndroms. Der Kläger könne jedoch (ab Antragstellung) leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den betriebsüblichen Pausen regelmä-ßig und vollschichtig verrichten. Nur schwere Arbeiten sowie Tätigkeiten in häufigen und an-haltenden Wirbelsäulenzwangshaltungen seien nicht mehr zuzumuten. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Der Endokrinologe, Internist und Diabetologe Prof. Dr. S. hat nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 19. September 2013 ein chronisches Müdigkeits-Erschöp¬fungssyndrom, Verdacht auf eine frühere Herzminderdurchblutung, eine Fettstoffwechselstö¬rung, einen Drang zum häufigen Wasserlassen, eine rezidivierende depressive Störung, eine Dysthymia, eine spezifische Phobie, Verdacht auf eine schizotype Störung, Verdacht auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule bei de-generativen Bandscheibenschäden, Verdacht auf Fibromyalgie sowie eine fragliche Kohlen-hydratstoffwechselstörung festgestellt. Der Kläger sei aber noch in der Lage, leichte bis mit-telschwere Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung überwiegend im Sit-zung und im Wechsel der Körperhaltung, ohne Tragen und Heben sowie Bücken, ohne Schicht- und Nachtarbeit, zu ebener Erde, ohne zusätzliche Pausen, vollschichtig zu ver-richten. Die Einschränkungen bestünden seit Antragstellung. Der Kläger scheine jedoch in-folge einer neurotischen Störung oder psychischen Fehlhaltung von Krankheitswert trotz zumutbarer Willensanspannung nicht in der Lage zu sein, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Dies müsse jedoch aus neurologisch/psychiatrischer Sicht beurteilt werden.
Der Neurologe/Psychiater Dr. R. hat den Kläger untersucht und in seinem Gutachten vom 14. Januar 2014 eine kompensierte Persönlichkeitsstörung mit dependenter Struktur und damit verbundener Versagenstendenz mit durchaus auch psychosomatisch geformten Beschwerden diagnostiziert. Der Kläger sei in jedem Fall in der Lage, leichte Arbeiten eher einfacher geistiger Art mit eher geringer Verantwortung ohne Heben und Tragen von schwe-ren Lasten über 7 kg nicht unter besonderem Zeitdruck, nicht in Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, nicht unter Einfluss von Witterung, Staub, Dämpfen und Geräuschen und che-mischen Duftstoffen zu ebener Erde, durchaus mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Auch könne der Kläger trotz der seit Antragstellung beste-henden Einschränkungen möglicherweise bestehende Hemmungen gegenüber einer Tätig-keit aus eigenem Antrieb überwinden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ist neben Dr. R. auch der berufs-kundige Sachverständige M. gehört worden, der ausgeführt hat, der Kläger könne mit seinem Restleistungsvermögen zwar nicht mehr als Taxifahrer tätig sein, aber diese Arbeit sei dem angelernten Bereich zuzuordnen und es gebe noch auf dem allgemeinen Arbeits¬markt ausreichend Verweisungstätigkeiten, die der Kläger ausüben könne.
Auf diese sachverständigen Äußerungen sich stützend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Rentenanspruch, weil er weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert sei. Es bestehe vielmehr noch ein ausreichen¬des Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr täglich für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen gebe es einen für den Kläger zugänglichen offenen Arbeitsmarkt. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfä-higkeit komme wegen fehlendem Berufsschutz nicht in Betracht.
Gegen das ihm am 11. März 2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts, auf welches Bezug genommen wird, hat der Kläger am 10. April 2014 Berufung eingelegt und durch seinen (neuen) Prozessbevollmächtigten vortragen lassen: Er (der Kläger) sei erwerbsunfähig. Der Einschätzung des Fachklinikums B. aus dem Jahre 2010 sei zu folgen, weil diese Be¬urteilung auf einer vierwöchigen Behandlung beruhe und der Bericht sorgfältig erstellt sei. Daher sei es schon nicht nachvollziehbar, sogar am Rande des "Anstößigen", dass die Be¬klagte nicht sogleich eine Rente bewilligt habe. Die Stellungnahme des Facharztes für Neu-rologie/Psychiatrie A. sei dann, wie bei einem Gefälligkeitsgutachten zu erwarten, für den Kläger negativ ausgefallen. Gegen das orthopädische Gutachten von Dr. N. sei unter den Gesichtspunkten des orthopädischen Fachbereichs nichts einzuwenden. Das gelte auch für das internistische Gutachten von Prof. Dr. S ... Dem Gutachten des Neurolo¬gen/Psychiaters Dr. R. sei zu widersprechen. Zwar gebe es einige sorgfältig erstellte Teile, aber das Ergebnis werde unzureichend begründet, insbesondere fehle die Einsetzung spezifischer Testverfahren wie zur Testung von Depressionen. Der Gutachter lasse sich von seinem Ärger darüber, dass er (der Kläger) nicht in Behandlung sei, leiten und trenne die Feststellungsebene und die Behandlungsebene unzureichend. Es wolle ihn (den Kläger) nicht in die Rente schicken, weil er meine, das sei nicht gut für diesen. Auf so ein Gutach¬ten hätte das Sozialgericht seine Entscheidung nicht stützen dürfen, denn es sei Tatsache, dass er (der Kläger) es nicht "auf die Reihe kriegt, zu arbeiten".
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, die Kritik des Klägers am Gutachten von Dr. R. für unsachlich und in keinem Punkt für berechtigt.
Im Berufungsverfahren hat der Neurologe/Psychiater Dr ... im Gutachten vom 4. März 2015 nach Untersuchung des Klägers die Auffassung vertreten, beim Kläger liege eine kom¬binierte Persönlichkeitsstörung, eine Dysthymia und eine Somatisierungsstörung mit soma¬toformer Schmerzstörung vor. Aus diesen Erkrankungen resultiere jedoch keine relevante Leistungseinschränkung. Vielmehr liege noch seit Antragstellung ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten einfacher bis durchschnittlicher geistiger Art mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung, aber nicht unter besonderem Zeitdruck, unter Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen und mit besonderen Anforderungen an die Kon¬flikt- und Teamfähigkeit, vor. Diese Arbeiten könnten regelmäßig 6 Stunden und mehr aus¬geübt werden. Wegefähigkeit und die Fähigkeit, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleis¬tung zu überwinden, seien vorhanden.
Dieses Gutachten hat der Kläger kritisiert. Es werde nicht ausreichend dargelegt, wie der Gutachter zu seinem Ergebnis komme, es fehle an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Einschätzung des Fachklinikums B. und es werde insbesondere nicht erklärt, wie denn die "Abwärtsbewegung" in seinem Leben (dem des Klägers) zustande komme, dass er (der Kläger) aus psychischen Gründen trotz seiner Ausbildung zum Kfz-Ingenieur nie in diesem Beruf gearbeitet habe und seine Tätigkeit als Taxifahrer auch inzwischen habe aufgeben müssen.
Der Neurologe/Psychiater Dr. T. kommt in seinen gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten vom 25. August 2015 zum Ergebnis, es liege ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor. Als Diagnosen benennt er eine Dysthymia, eine andere spezifische Persönlichkeitsstörung und Somatisierung als Reaktion auf affektive Inanspruchnahme. Eine leichte Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen könne der Kläger nur noch im Umfang von unter 3 Stunden leisten, weil seine Kompensationsmechanismen als erschöpft zu betrachten seien. Eine zumutbare Willensanstrengung zur Überwindung der psychischen Störung sei dem Kläger nicht möglich. Zwar seien die Störungen von nur mittelgradigem Ausmaß, jedoch über viele Jahre chronifiziert und vor allem liege keine Bewusstseinsnähe von motivationa¬len Faktoren vor. Die Befunderhebung im Gutachten entspricht weitgehend der von Dr ... Dr. T. sieht insoweit selbst keine relevanten Unterschiede. Die Testungen, die Dr. T. darüber hinaus durchführt, belegen nach seinen eigenen Ausführungen keine relevan¬ten Einschränkungen. Der beim Kläger zu findende "Knick" in der Biografie werde jedoch in den anderen Gutachten unzureichend gewertet. Wenn der Kläger eine Taxifahrertätigkeit, die nach eigener Einschätzung als "ganz unten, unterste Schublade" bewertet werde, aus¬übe und dann sogar aufgeben müsse, zeige dies eine zunehmende Leistungseinschränkung. Die eigentliche Einschränkung resultiere aus der nicht einer Form zuordenbaren Persönlich¬keitsstörung, die unter diesen Umständen nicht als kompensiert aufgefasst werden könne. Der Kläger schaffe die Überwindung der Hindernisse nicht mehr und sei daher glaubhaft erschöpft.
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme dieses Gutachten kritisiert, insbesondere weil ange-sichts des weitgehend mit dem Gutachten von Dr ... übereinstimmenden Befundes nicht nachvollziehbar sei, warum Dr. T. ein aufgehobenes Leistungsvermögen annehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 21. Juni 2016 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewe-sen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Dem Kläger steht weder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger nicht nur in qualitativer Hinsicht, sondern auch in seinem quantitativen Leistungsvermögen beschränkt ist.
Nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes we-nigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1). Ist der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Be-dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so ist er voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Diese Voraussetzungen lassen sich auch im Berufungsverfahren nicht mit der erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit feststellen. Nachdem sämtliche im Verwaltungsverfahren und auf Veranlassung der Gerichte zweier Rechtszüge durchgeführten medizinischen Begutachtungen zu dem Ergebnis gelangen, dass ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen mit nur solchen qualitativen Einschrän¬kungen bei erhaltener Wegefähigkeit vorliegt, welches nach den auch den Senat überzeu¬genden Ausführungen des berufskundigen Sachverständigen M. eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiter zulässt und allein Dr. T. unter Erhebung eines fast iden¬tischen Befundes wie Dr ... und ohne in seinen Testungen einen Beleg für relevante Einschränkungen zu finden, den Umstand, dass der Kläger statt als Kfz-Ingenieur nur als Taxifahrer gearbeitet sowie letztendlich diese Tätigkeit aufgegeben hat, als Indiz dafür nimmt, dass eine gravierend Leistungseinschränkung eingetreten sein muss, vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass eine quantitative Leistungseinschränkung vor¬liegt. Soweit Dr. T. in seiner Untersuchung im Gegensatz zu den Voruntersuchungen feststellt, dass das Konzentrationsvermögen des Klägers nach etwa 2,5 Stunden erschöpft sei und auf dieser Basis es für glaubhaft hält, dass die Persönlichkeitsstörung des Klägers nicht mehr kompensierbar ist, kann dies zwar zutreffen, jedoch kann der Gutachter einen Beleg für seine Einschätzung nicht nennen. Es könnte ebenso sein, dass der Kläger die Er¬schöpfbarkeit zeigte, weil in den Vorgutachten dieser Punkt ausdrücklich als Beleg gegen eine quantitative Leistungseinschränkung thematisiert worden war. Damit ist es zwar möglich, dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgehoben ist, erwie-sen ist es indessen nicht. Die Folgen dieser Nichterweislichkeit trägt der Kläger, denn ihm obliegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der begehrten Rente.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung.
Der am xxxxx 1953 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser und anschlie-ßend ein Studium zum Kfz-Ingenieur absolviert, in diesem Beruf jedoch nicht gearbeitet. Stattdessen war er bis etwa 2008 als Taxifahrer tätig.
Das Fachklinikum B. vertrat im Abschlussbericht über die medizinischen Rehabilitati-onsmaßnahme vom 4. Januar bis 1. Februar 2010 die Auffassung, der Kläger sei in seiner Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit so deutlich eingeschränkt, dass er sogar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen aufweise. Die-sen Bericht wertete der Neurologe/Psychiater A. für die Beklagte aus und kam im Gut¬achten vom 22. Oktober 2010 zu dem Ergebnis, es liege ein Erschöpfungssyndrom mit aus¬geprägter Fehlhaltung und eine Somatisierungstendenz ohne Nachweis gravierender de¬pressiver Phänomene vor. Der Kläger sei in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich Arbei¬ten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Nachdem der Kläger unter dem 30. Dezember 2010 einen Antrag auf Gewährung einer Er-werbsminderungsrente gestellt hatte, schloss sich der Facharzt für Innere Medizin Dr. T1 in seiner gutachterlichen Äußerung vom 7. Januar 2011 der Leistungseinschätzung des Nervenarztes A. an. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 24. Januar 2011 ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2011 zurück, nachdem der Internist Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 11. April 2011 unter Auswertung des Attestes des behandelnden Arztes Dr. G. vom 9. Februar 2011 ebenfalls die Auffassung vertreten hatte, es liege noch ein Leistungsvermö¬gen vom mindestens 6 Stunden täglich für den allgemeinen Arbeitsmarkt (mit qualitativen Einschränkungen) vor.
Im Klageverfahren ist der Orthopäde Dr. N. nach Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 27. April 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass aus orthopädischer Sicht keine relevanten Einschränkungen bestünden. Es liege eine Minderbelastbarkeit der Wirbel-säule bei degenerativen Bandscheibenschäden vor. Darüber hinaus bestehe ein subjektives Beschwerdebild im Sinne eines Chronic-Fatigue-Syndroms. Der Kläger könne jedoch (ab Antragstellung) leichte bis mittelschwere Arbeiten mit den betriebsüblichen Pausen regelmä-ßig und vollschichtig verrichten. Nur schwere Arbeiten sowie Tätigkeiten in häufigen und an-haltenden Wirbelsäulenzwangshaltungen seien nicht mehr zuzumuten. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Der Endokrinologe, Internist und Diabetologe Prof. Dr. S. hat nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 19. September 2013 ein chronisches Müdigkeits-Erschöp¬fungssyndrom, Verdacht auf eine frühere Herzminderdurchblutung, eine Fettstoffwechselstö¬rung, einen Drang zum häufigen Wasserlassen, eine rezidivierende depressive Störung, eine Dysthymia, eine spezifische Phobie, Verdacht auf eine schizotype Störung, Verdacht auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule bei de-generativen Bandscheibenschäden, Verdacht auf Fibromyalgie sowie eine fragliche Kohlen-hydratstoffwechselstörung festgestellt. Der Kläger sei aber noch in der Lage, leichte bis mit-telschwere Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung überwiegend im Sit-zung und im Wechsel der Körperhaltung, ohne Tragen und Heben sowie Bücken, ohne Schicht- und Nachtarbeit, zu ebener Erde, ohne zusätzliche Pausen, vollschichtig zu ver-richten. Die Einschränkungen bestünden seit Antragstellung. Der Kläger scheine jedoch in-folge einer neurotischen Störung oder psychischen Fehlhaltung von Krankheitswert trotz zumutbarer Willensanspannung nicht in der Lage zu sein, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Dies müsse jedoch aus neurologisch/psychiatrischer Sicht beurteilt werden.
Der Neurologe/Psychiater Dr. R. hat den Kläger untersucht und in seinem Gutachten vom 14. Januar 2014 eine kompensierte Persönlichkeitsstörung mit dependenter Struktur und damit verbundener Versagenstendenz mit durchaus auch psychosomatisch geformten Beschwerden diagnostiziert. Der Kläger sei in jedem Fall in der Lage, leichte Arbeiten eher einfacher geistiger Art mit eher geringer Verantwortung ohne Heben und Tragen von schwe-ren Lasten über 7 kg nicht unter besonderem Zeitdruck, nicht in Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, nicht unter Einfluss von Witterung, Staub, Dämpfen und Geräuschen und che-mischen Duftstoffen zu ebener Erde, durchaus mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Auch könne der Kläger trotz der seit Antragstellung beste-henden Einschränkungen möglicherweise bestehende Hemmungen gegenüber einer Tätig-keit aus eigenem Antrieb überwinden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ist neben Dr. R. auch der berufs-kundige Sachverständige M. gehört worden, der ausgeführt hat, der Kläger könne mit seinem Restleistungsvermögen zwar nicht mehr als Taxifahrer tätig sein, aber diese Arbeit sei dem angelernten Bereich zuzuordnen und es gebe noch auf dem allgemeinen Arbeits¬markt ausreichend Verweisungstätigkeiten, die der Kläger ausüben könne.
Auf diese sachverständigen Äußerungen sich stützend hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Rentenanspruch, weil er weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert sei. Es bestehe vielmehr noch ein ausreichen¬des Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr täglich für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen gebe es einen für den Kläger zugänglichen offenen Arbeitsmarkt. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfä-higkeit komme wegen fehlendem Berufsschutz nicht in Betracht.
Gegen das ihm am 11. März 2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts, auf welches Bezug genommen wird, hat der Kläger am 10. April 2014 Berufung eingelegt und durch seinen (neuen) Prozessbevollmächtigten vortragen lassen: Er (der Kläger) sei erwerbsunfähig. Der Einschätzung des Fachklinikums B. aus dem Jahre 2010 sei zu folgen, weil diese Be¬urteilung auf einer vierwöchigen Behandlung beruhe und der Bericht sorgfältig erstellt sei. Daher sei es schon nicht nachvollziehbar, sogar am Rande des "Anstößigen", dass die Be¬klagte nicht sogleich eine Rente bewilligt habe. Die Stellungnahme des Facharztes für Neu-rologie/Psychiatrie A. sei dann, wie bei einem Gefälligkeitsgutachten zu erwarten, für den Kläger negativ ausgefallen. Gegen das orthopädische Gutachten von Dr. N. sei unter den Gesichtspunkten des orthopädischen Fachbereichs nichts einzuwenden. Das gelte auch für das internistische Gutachten von Prof. Dr. S ... Dem Gutachten des Neurolo¬gen/Psychiaters Dr. R. sei zu widersprechen. Zwar gebe es einige sorgfältig erstellte Teile, aber das Ergebnis werde unzureichend begründet, insbesondere fehle die Einsetzung spezifischer Testverfahren wie zur Testung von Depressionen. Der Gutachter lasse sich von seinem Ärger darüber, dass er (der Kläger) nicht in Behandlung sei, leiten und trenne die Feststellungsebene und die Behandlungsebene unzureichend. Es wolle ihn (den Kläger) nicht in die Rente schicken, weil er meine, das sei nicht gut für diesen. Auf so ein Gutach¬ten hätte das Sozialgericht seine Entscheidung nicht stützen dürfen, denn es sei Tatsache, dass er (der Kläger) es nicht "auf die Reihe kriegt, zu arbeiten".
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, die Kritik des Klägers am Gutachten von Dr. R. für unsachlich und in keinem Punkt für berechtigt.
Im Berufungsverfahren hat der Neurologe/Psychiater Dr ... im Gutachten vom 4. März 2015 nach Untersuchung des Klägers die Auffassung vertreten, beim Kläger liege eine kom¬binierte Persönlichkeitsstörung, eine Dysthymia und eine Somatisierungsstörung mit soma¬toformer Schmerzstörung vor. Aus diesen Erkrankungen resultiere jedoch keine relevante Leistungseinschränkung. Vielmehr liege noch seit Antragstellung ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten einfacher bis durchschnittlicher geistiger Art mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung, aber nicht unter besonderem Zeitdruck, unter Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen und mit besonderen Anforderungen an die Kon¬flikt- und Teamfähigkeit, vor. Diese Arbeiten könnten regelmäßig 6 Stunden und mehr aus¬geübt werden. Wegefähigkeit und die Fähigkeit, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleis¬tung zu überwinden, seien vorhanden.
Dieses Gutachten hat der Kläger kritisiert. Es werde nicht ausreichend dargelegt, wie der Gutachter zu seinem Ergebnis komme, es fehle an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Einschätzung des Fachklinikums B. und es werde insbesondere nicht erklärt, wie denn die "Abwärtsbewegung" in seinem Leben (dem des Klägers) zustande komme, dass er (der Kläger) aus psychischen Gründen trotz seiner Ausbildung zum Kfz-Ingenieur nie in diesem Beruf gearbeitet habe und seine Tätigkeit als Taxifahrer auch inzwischen habe aufgeben müssen.
Der Neurologe/Psychiater Dr. T. kommt in seinen gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten vom 25. August 2015 zum Ergebnis, es liege ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor. Als Diagnosen benennt er eine Dysthymia, eine andere spezifische Persönlichkeitsstörung und Somatisierung als Reaktion auf affektive Inanspruchnahme. Eine leichte Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen könne der Kläger nur noch im Umfang von unter 3 Stunden leisten, weil seine Kompensationsmechanismen als erschöpft zu betrachten seien. Eine zumutbare Willensanstrengung zur Überwindung der psychischen Störung sei dem Kläger nicht möglich. Zwar seien die Störungen von nur mittelgradigem Ausmaß, jedoch über viele Jahre chronifiziert und vor allem liege keine Bewusstseinsnähe von motivationa¬len Faktoren vor. Die Befunderhebung im Gutachten entspricht weitgehend der von Dr ... Dr. T. sieht insoweit selbst keine relevanten Unterschiede. Die Testungen, die Dr. T. darüber hinaus durchführt, belegen nach seinen eigenen Ausführungen keine relevan¬ten Einschränkungen. Der beim Kläger zu findende "Knick" in der Biografie werde jedoch in den anderen Gutachten unzureichend gewertet. Wenn der Kläger eine Taxifahrertätigkeit, die nach eigener Einschätzung als "ganz unten, unterste Schublade" bewertet werde, aus¬übe und dann sogar aufgeben müsse, zeige dies eine zunehmende Leistungseinschränkung. Die eigentliche Einschränkung resultiere aus der nicht einer Form zuordenbaren Persönlich¬keitsstörung, die unter diesen Umständen nicht als kompensiert aufgefasst werden könne. Der Kläger schaffe die Überwindung der Hindernisse nicht mehr und sei daher glaubhaft erschöpft.
Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme dieses Gutachten kritisiert, insbesondere weil ange-sichts des weitgehend mit dem Gutachten von Dr ... übereinstimmenden Befundes nicht nachvollziehbar sei, warum Dr. T. ein aufgehobenes Leistungsvermögen annehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 21. Juni 2016 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewe-sen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Dem Kläger steht weder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger nicht nur in qualitativer Hinsicht, sondern auch in seinem quantitativen Leistungsvermögen beschränkt ist.
Nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte unter weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes we-nigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs. 1). Ist der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Be-dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so ist er voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Diese Voraussetzungen lassen sich auch im Berufungsverfahren nicht mit der erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit feststellen. Nachdem sämtliche im Verwaltungsverfahren und auf Veranlassung der Gerichte zweier Rechtszüge durchgeführten medizinischen Begutachtungen zu dem Ergebnis gelangen, dass ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen mit nur solchen qualitativen Einschrän¬kungen bei erhaltener Wegefähigkeit vorliegt, welches nach den auch den Senat überzeu¬genden Ausführungen des berufskundigen Sachverständigen M. eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiter zulässt und allein Dr. T. unter Erhebung eines fast iden¬tischen Befundes wie Dr ... und ohne in seinen Testungen einen Beleg für relevante Einschränkungen zu finden, den Umstand, dass der Kläger statt als Kfz-Ingenieur nur als Taxifahrer gearbeitet sowie letztendlich diese Tätigkeit aufgegeben hat, als Indiz dafür nimmt, dass eine gravierend Leistungseinschränkung eingetreten sein muss, vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass eine quantitative Leistungseinschränkung vor¬liegt. Soweit Dr. T. in seiner Untersuchung im Gegensatz zu den Voruntersuchungen feststellt, dass das Konzentrationsvermögen des Klägers nach etwa 2,5 Stunden erschöpft sei und auf dieser Basis es für glaubhaft hält, dass die Persönlichkeitsstörung des Klägers nicht mehr kompensierbar ist, kann dies zwar zutreffen, jedoch kann der Gutachter einen Beleg für seine Einschätzung nicht nennen. Es könnte ebenso sein, dass der Kläger die Er¬schöpfbarkeit zeigte, weil in den Vorgutachten dieser Punkt ausdrücklich als Beleg gegen eine quantitative Leistungseinschränkung thematisiert worden war. Damit ist es zwar möglich, dass das Leistungsvermögen des Klägers aufgehoben ist, erwie-sen ist es indessen nicht. Die Folgen dieser Nichterweislichkeit trägt der Kläger, denn ihm obliegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der begehrten Rente.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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