L 3 U 13/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 49/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 13/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Kläger ist 1954 geboren und war bei der Firma P2 in H. beschäftigt. Am 8. September 1995 geriet er beim (Gummi-) Mischungsschneiden an einer Walze mit dem rechten Fuß zwischen Walze und Auffangband. Hierbei zog er sich eine offene Unterschenkelfraktur rechts zu, die mit einem Fixateur extern und einem Marknagel mehrfach operativ versorgt wurde. Nach zunächst postoperativ komplikations¬losen Verlauf klagte der Kläger weiter über Schmerzen. Eine Untersuchung bei Dr. L. im B. H. im Juni 1996 ergab, dass die Muskulatur des rechten Beines gegenüber links deutlich vermindert und der Bruch immer noch nicht richtig und komplett verheilt war. Zumindest partiell müsse – so Dr. L. – von einer Pseudarthrose gesprochen werden. Das Beschwerdebild im Bereich des Beines werde vor allen Dingen durch die nicht ausreichende knöcherne Stabilität wie aber auch durch den Nagelkopf innerhalb des Kniegelenkes hervorgerufen. Nach einem stationären Aufenthalt vom 7. Mai bis zum 18. Juni 1996 im b. Unfallkrankenhaus H. und erneuter ambulanter Behandlung im R. H. wurde schließlich am 20. März 1997 eine autologe Spongiosaplastik im Frakturbereich durchgeführt. Nach einer Arbeits- und Belastungs-erprobung nahm der Kläger schließlich am 2. Juni 1997 seine Arbeit wieder auf.

Am 7. Juli 1997 erstellte der Chirurg und Unfallchirurg Dr. P. das erste Rentengutachten im Auftrag der Beklagten und führte aus, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Verletzungsfolgen betrage 20 vom Hundert (v.H.) für die Zeit vom 2. Juni 1997 bis zum 22. Juni 1997 und vom 23. Juni 1997 bis zum Ablauf des zweiten Unfalljahres, danach voraussichtlich noch 10 v.H ... Mit Bescheid vom 4. November 1997 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit ab 2. Juni 1997 bis auf weiteres. Auf den Widerspruch des Klägers hin erstellte der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. ein weiteres Gutachten für die Beklagte, in welchem es heißt, vom 2. Juni 1997 bis 30. März 1998 werde die MdE mit 20 v.H. eingeschätzt, danach bis auf weiteres mit 10 v.H ... Mit Bescheid vom 28. Juli 1998 entzog die Beklagte daraufhin die Rente mit Ablauf des Monats Juli 1998. Die Widersprüche gegen beide Bescheide blieben erfolglos, die gegen den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid gerichtete Klage nahm der Kläger zurück.

Im Februar 2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit einem "Antrag auf ein erneutes Gutachten". Die Knie würden nach und nach immer mehr schmerzen, sein Chirurg Dr. K. habe ihm empfohlen, ein neues Gutachten zu beantragen. Das daraufhin auf Antrag des Klägers durch Dr. K. erstellte Gutachten vom 5. April 2004 weist erstmals als Unfallfolge Angstzustände und Depressionen als posttraumatische Belastungsreaktion aus. Auf orthopädischem Fachgebiet habe sich eine deutliche schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes entwickelt im Sinne einer beginnenden posttraumatischen Arthrose mit retropatellarer Chondropathie, Ansatztendinopartie und Sklerosierung des Kniescheibenbandes. Die MdE durch die Unfallfolgen betrage 20 v.H. Zur Klärung des Unfallzusammenhangs bezüglich der Angstzustände und der Depression solle ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt werden.

Auf die daraufhin veranlasste Stellungnahme des Dr. W., der ausführte, der Kläger habe sich einen offenen Unterschenkelbruch am rechten Bein ohne Gelenksbeteiligung zugezogen, es bestünden daher erhebliche Bedenken, dass die festgestellte Arthrose im rechten Kniegelenk und im rechten Sprunggelenk ursächlich auf den erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen sei, nahm zunächst der seinerzeit mit Dr. K. in Praxisgemeinschaft arbeitende Dr. K1 Stellung, indem er ausführte, zwischen der von Dr. K. dokumentierten Arthrose im Bereich des Knie- und Sprunggelenkes und dem Unfallereignis vom 8. September 1995 bestehe kein Zusammenhang. Es habe sich um eine offene Unterschenkelfraktur ohne Gelenksbeteiligung behandelt, insofern sei nach Würdigung der Anamnese und des Alters des Versicherten die Verschleißumformung im Bereich des Knie- und Sprunggelenkes nicht als unfallbedingt anzusehen. Hierzu nahm nochmals Dr. K. Stellung und führte aus, durch die Operation und die Implantation eines Marknagels sei es zu einer Verletzung im so genannten vorderen Knieraum gekommen, dies könne im weiteren Verlauf zu solchen Veränderungen führen, dass die Rückfläche der Kniescheibe des Kniescheibenbandes nicht mehr optimal funktioniere und sich über diesen Mechanismus letztendlich ein Knorpelschaden hinter der Kniescheibe entwickele. Hinsichtlich des Sprunggelenkes sei es so, dass schon bei einer geringen Achsabweichung im Frakturbereich es zu einer Fehlkonfiguration der Winkel im Bereich des oberen und später auch des unteren Sprunggelenks komme. Dies führe zu einer Fehlbelastung in diesem Bereich, was wiederum zu umschriebenen Knorpelschäden führen könne. Damit sei die Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose im Sprunggelenk durchaus denkbar.

Ein Befundbericht der Fachärztin für psychotherapeutische Medizin Dr. H1 von September 2005 ergab, dass sich der Kläger dort im August 2005 vorgestellt und von seinem Arbeitsunfall berichtet hatte. Der Kläger leide unter einer schweren depressiven Episode, teilweise mit paranoiden Zügen, insbesondere auch mit deutlichen hypochon¬drischen Tendenzen. Es liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor, inzwischen mit Zügen einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung.

Nach weiteren Stellungnahmen des Dr. K. und des Dr. W. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2006 in Antrag des Klägers auf Rentenzahlung ab und stellte fest, dass die von dem Kläger geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Knies und Fußgelenkes sowie auf psychiatrischem Gebiet nicht auf die Folgen des Arbeitsunfalles zurückzuführen sein. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2007).

Mit der am 13. Februar 2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren fortgeführt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Y. eingeholt, in welchem es heißt, der Kläger sei ihm im März 2005 überwiesen worden. Der Vorbehandler habe berichtet, dass er seit Dezember 2001 erfolglos psychiatrisch behandle und keine Besserung des Zustands des Klägers habe erreicht werden können. Zunächst sei von einer Depression ausgegangen worden, später habe sich ein eher wahnhaftes Bild gezeigt. Der Kläger selbst habe von Befindlichkeitsstörungen seit 1985 berichtet (Schlafstörungen, psychosomatische Störungen), die er auch habe psychiatrisch behandeln lassen. Seit dem schweren Unfall 1995 habe er das Gefühl, sich als Mensch geändert zu haben, weiterhin habe er anhaltende Albträume und Ängste. Er habe in der T. mehrfach Elektroschock-behandlungen erhalten. Dr. Y. gab als Diagnosen an, der Kläger leide gesichert unter einer andauernden Persönlichkeitsänderung bei Zustand nach posttraumatischer Belastungsstörung, einer atypischen schweren Depression und sozialen Phobien, darüber hinaus unter psychotischer/wahnhafter Symptomatik. Ein Bericht der A. Klinik A1 vom 28. Mai 2007 berichtet von einer Panikattacke bei bekannter Panikstörung.

Das Sozialgericht hat nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachchirurgisches Gutachten des Dr. K2 veranlasst, welcher am 18. September 2008 berichtet hat, der Kläger habe durch den Unfall eine Unterschenkelfraktur im Übergangsbereich vom mittleren zum körperfernen Drittel erlitten. Die Heilung der Fraktur sei verzögert erfolgt. Sie sei schließlich knöchern völlig belastungsstabil ohne messbare Achsenabweichung durchbaut. Das Unfallereignis habe zu einer direkten Verletzung der benachbarten Gelenksstrukturen weder am Sprunggelenk noch am Kniegelenk geführt. Die Veränderungen am Kniescheibengleitlager, die festgestellt worden seien, stünden mit dem Unfallereignis in keinem ursächlichen Zusammenhang. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Veränderungen schicksalhafter Natur seien. Es gebe keine Hinweise dafür, dass die Verletzung des rechten Unterschenkels die Gelenkfläche oder die Kniebinnenstrukturen ebenso wie auch die Sprunggelenkstrukturen verletzt habe. Zu den Ausführungen des Dr. K. sei zu sagen, dass eine Marknagelosteosynthese am Unterschenkel für einen gewissen Zeitraum zwar Beschwerden auch in den angrenzenden Gelenken verursachen könne, diese Schmerzausstrahlungen selbst jedoch zu keiner morphologische Veränderungen der Kniebinnenstrukturen und der Kniescheiben¬rückfläche führten. Die Unfallfolgen rechtfertigten eine MdE aufgrund der objektiven Befunde von unter 10 v.H.

Auf Antrag des Klägers ist ein Gutachten nach § 109 SGG auf dem chirurgischen Fachgebiet eingeholt worden, welches Dr. K. am 14. September 2009 erstellt hat. Dieser hat ausgeführt, es gebe Veröffentlichungen, in denen die Rede sei von Komplikationen nach Marknagelung. Die Komplikationsrate bei Tibiamarknägeln liege zwischen 12,5 % und 20,2 %. Als häufigste Komplikation entwickle sich eine Pseudarthrose gefolgt von einer Fehlstellung und einer Infektion. Im vorliegenden Fall sei der Heilungsverlauf überdurchschnittlich lang gewesen. Hinsichtlich des Sprunggelenkes sei darauf hinzuweisen, dass die übliche Technik die sei, dass der Marknagel platziert, verriegelt und zurückgeschlagen werde. Das könne durchaus zu einer Verletzung des spongiösen Bereiches unmittelbar oberhalb des oberen Sprunggelenkes führen. Er, der Gutachter, gehe davon aus, dass hier der Nagel letztendlich zu lang gewesen sei, weshalb es vorstellbar sei, dass der Nagel wieder zurückgeschlagen worden sei, um erst dann weiter verriegelt zu werden. Dies sei zugegebenermaßen eine Vermutung, der dezidierte Operationsbericht liege leider nicht vor. Im Übrigen sei zu dem Thema der schmerzhaft eingeschränkten OSG-Beweglichkeit die wissenschaftliche Dokumentation noch mangelhaft. Der Verlauf der posttraumatischen Entwicklung des Patienten sei gut dokumentiert. Es finde sich allenfalls eine Dokumentationslücke zwischen dem 17. März 1999 und dem 12. Februar 2004. Insofern sei allerdings eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung erforderlich. Auf unfallchirurgischem Gebiet schätze er die MdE auf 10 v.H. ab 5. April 2004 ein.

Auf Veranlassung des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 SGG durch den Neurologen und Psychiater Dr. Gülbeyaz veranlasst, der am 23. Mai 2011 ausgeführt hat, der Kläger habe geschildert, seit 1985 Schlafstörungen und depressive Verstimmungen gehabt zu haben und aus diesem Grunde einige Male einen Nervenarzt aufgesucht zu haben. Nach dem Unfall habe sich sein Wesen deutlich verändert. Er sei seit der Zeit gereizt, reagiere aggressiv, leide unter depressiven Verstimmungen, Ein- und Durchschlafstörungen, Antriebslosigkeit, Albträumen, wiederkehrenden und sich auf-drängenden Bildern des Unfalles, Angst- und Panikattacken. Er habe den Kontakt zu seinen Arbeitskollegen komplett eingestellt, da ihn die Gespräche mit ihnen an seinen Arbeitsplatz und den Unfall erinnern würden, was er nicht mehr ertrage. Ab ca. 2001 sei er ambulant psychiatrisch behandelt worden.

Psychopathologisch sei bei dem Kläger eine schwere depressive Episode mit paranoiden und wahnhaften Symptomen festzustellen. Darüber hinaus bestehe eine erhebliche Somatisierungstendenz. Der Kläger sei auf die Beschwerden in seinem Bein fixiert und wirke hilflos und verzweifelt. Unter Berücksichtigung des Verlaufes und des Gesamtbildes müsse seine aktuelle psychische Störung als komplexe posttraumatische Belastungs-störung (andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, F 62.0 ICD 10) betrachtet werden. Nach einem schweren, existenzbedrohenden Trauma komme es zunächst zu einer akuten Belastungsreaktion. Bei fehlender Genesungsfolge entstehe eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern könne. Der Verlauf sei wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle könne jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nehme die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und gehe dann in die andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung über. Die Kriterien einer posttrauma¬tischen Belastungsstörung seien erfüllt. Der Kläger habe durch den Unfall ein schweres Trauma erlitten, seine Reaktion sei von Entsetzen und Hilflosigkeit geprägt gewesen. Hinsichtlich des B-Kriteriums komme es zu wiederkehrenden Bildern und Gedanken sowie zu wiederkehrenden belastenden Träumen. Im C-und D- Kriterium erfülle der Kläger sechs von sieben bzw. vier von fünf Kriterien. Auch wenn der Kläger bereits ab 1985 über Befindlichkeitsstörungen und Schlafprobleme geklagt habe und einige Male beim Psychiater gewesen sei, könne der Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der psychischen Störung nicht infrage gestellt werden. Auch dass eine posttraumatische Belastungsstörung erst Jahre nach dem Ereignis diagnostiziert worden sei, spreche nicht gegen das Vorliegen dieser Störung, sondern dafür, dass sie zuvor nicht in Betracht gezogen worden und bis 2005 nicht untersucht worden sei. Das liege nicht zuletzt daran, dass die vorausgegangenen Begutachtungen auf chirurgischem Gebiet stattgefunden hätten und alle Gutachter mit Ausnahme von Dr. K. eine psychiatrische Begutachtung nicht für erforderlich erachtet hätten oder sich gar als fachfremde Kollegen erlaubt hätten, nach Aktenlage eine posttraumatische Belastungsstörung auszuschließen. Bei dem Kläger sei es nach dem Unfall zunächst zu einer akuten Belastungsstörung gekommen, die nach ca. sechs Monaten in eine posttraumatische Belastungsstörung übergegangen sei. Da diese Störung weder erkannt noch behandelt worden sei, sei eine Chronifizierung und der Übergang in eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung erfolgt. Die vorbestehende Befindlichkeitsstörung mit Schlafstörungen und psychosomatischen Symptomen habe sich zu einer chronischen Depression mit mittelschweren bis schweren Episoden entwickelt, bei der Entstehung einer Panikstörung habe die Wirkung des Unfallereignisses überwogen. Insofern habe sich auch die psychische Befindlichkeitsstörung durch die Unfallfolgen wesentlich verschlimmert. Die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichen Fachgebiet, die durch den Unfall verursacht oder verschlimmert worden seien, berechtigten eine MdE von 30 v.H.

Zu diesem Gutachten hat für die Beklagte der Arbeitsmediziner, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Dr. P1 Stellung genommen und ausgeführt, entscheidend für die Zusammenhangsbeurteilung sei die Analyse der zum Zeitpunkt des Unfallereignisses aufgetretenen psychischen Veränderungen. Nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Befundberichte fehle jedoch sowohl für den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang des Unfallereignisses als auch für die folgenden Jahre jeglicher Hinweis auf psychische Auffälligkeiten. Entscheidend sei, dass der Versicherte zu keinem Zeitpunkt über entsprechende Beschwerden geklagt habe, obwohl die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung regelhaft zu gravierenden Beeinträchtigungen der psychischen Belastbarkeit führten. Erstmals 2004 habe der Kläger zu einem Zeitpunkt, als seine unfallbedingte Rente nicht mehr bewilligt worden sei, gegenüber dem Gutachter Dr. K. psychische Beschwerden angegeben. Es sei somit festzustellen, dass bei dem Kläger zwar ohne Zweifel eine schwere psychische Erkrankung vorliege, ein Kausal¬zusam-menhang mit dem Unfallereignis könne jedoch nicht mit den im Unfall¬versicherungs¬recht geltenden Beweisanforderungen hergestellt werden.

Das Sozialgericht hat daraufhin von Amts wegen ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt, welches Dr. F. am 15. März 2012 erstellt hat. Dieser hat ausgeführt, es fehle bei dem Kläger sowohl an einem Vermeidungsverhalten (C-Kriterium), als auch an einem Nacherleben und einem Affekt beim Erzählen (B-Kriterium). Der Kläger habe nach dem Unfallereignis noch über Jahre an demselben Arbeitsplatz gearbeitet. Für das D-Kriterium sei zwar die Beschwerdeebene gegeben, aber auf der Befundebene finde sich ausschließlich eine Depression. Auch eine Anpassungsstörung liege nicht vor. Diese sei entweder nach sechs Monaten abgeklungen oder aber – soweit eine Anpassungsstörung resultierend aus den körperlichen Unfallfolgen in Betracht komme – fehle es für den Zwischenzeitraum an Anknüpfungstatsachen. Die von dem Kläger ca. 1985 in der T. absolvierte Elektro¬krampftherapie diene zudem der Behandlung schwerer Depressionen und anderer ernst¬zunehmender, therapieresistenter seelischer Störungen. Aus all diesen Umständen sei zu schließen, dass der Unfall keine rechtlich wesentliche Teilursache der beim Kläger vorhandenen seelischen Störung sei.

Mit Urteil vom 15. Februar 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, das Unfallereignis stelle kein belastendes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalen Ausmaß dar, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Außerdem müssten nach der ICD 10 die Symptome innerhalb von sechs Monaten nach dem belastenden Ereignis auftreten, damit die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung überhaupt gestellt werden könne. Der Kläger habe sich aber erst 2001 in der Bundesrepublik in psychiatrischer Behandlung begeben. Zeitnah zum Unfallereignis sei über keinerlei psychiatrischer Auffälligkeiten, insbesondere nicht im Sinne des A2-Kriteriums berichtet worden. Damit sei der Nachweis eines seelischen Gesundheits¬erstschadens nicht erfolgt.

Der Kläger hat gegen das seinem Bevollmächtigtem am 26. Februar 2013 zugestellte Urteil am 25. März 2013 Berufung eingelegt, mit welcher er vorträgt, seine posttraumatische Belastungsstörung habe zwischenzeitlich einen chronischen Verlauf genommen und bedinge mindestens eine MdE in Höhe von 20 v.H. Bei den ärztlichen Behandlungen hätten aufgrund der Sprachschwierigkeiten psychische Beeinträchtigungen keine Rolle gespielt, sondern die organischen Heilungsprobleme im Vordergrund gestanden. Gegenüber Angehörigen und anderen habe er aber fortlaufend nach dem Arbeitsunfall erhebliche Schlafstörungen mit Angstträumen beklagt. Er habe jedoch aufgrund seiner erheblichen sprachlichen Schwierigkeiten gegenüber den ursprünglich behandelnden Unfallchirurgen und Orthopäden seine psychischen Befindlichkeiten nicht hinreichend darstellen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Februar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente ab Februar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und macht erneut darauf aufmerksam, dass in dem Gutachten von April 2004, also gut 9 1/2 Jahre nach dem Arbeitsunfall, erstmals psychische Unfallfolgen behauptet werden. Nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Dr. F. folge die Gesamtheit der seelischen Störungen des Klägers einem anderen Ursachenzusammenhang. Auch die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigender Höhe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 21. April 2014 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des angefochtenen Urteils, denen der Senat folgt, wird daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Auch im Berufungsverfahren sind keine Umstände erkennbar geworden, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnten, so dass der Senat auch keine Veranlassung zu weiterer Aufklärung des Sachverhalts sieht.

Unstreitig hat der Kläger am 8. September 1995 einen Arbeitsunfall erlitten. Die verbliebenen Folgen dieses Unfalls mindern seine Erwerbsfähigkeit jedoch nicht in rentenberechtigendem Grade. So gehen alle angehörten medizinischen Sach¬verständigen des orthopädisch-chirurgischen Fachgebiets davon aus, das die MdE insoweit 20 v.H. (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) nicht erreicht. Eine MdE auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet ergibt sich nicht. Soweit der Kläger mit der Berufung weiterhin das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung geltend macht, ist schon der erforderliche Vollbeweis für das Vorliegen einer solchen Erkrankung nicht erbracht. Dies hat Dr. F. in seinem Gutachten vom 15. März 2012 für den Senat unter Hinweis darauf, dass der Kläger sich erstmals 2001 wegen der angeblichen psychischen Unfallfolgen in Behandlung begeben und im Übrigen zuvor jahrelang an seinem alten Arbeitsplatz weiter gearbeitet hat, unter Anwendung der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung zwingend zugrunde zu legenden Diagnosemanuale (vgl. Bundessozialgericht, Urt. vom 05.09.2006 – B 2 U 1/05 R) überzeugend herausgearbeitet. Zu Recht hat das Sozialgericht hiervon ausgehend hervorgehoben, dass bereits die Feststellung eines Gesundheitserstschadens in Gestalt einer seelischen Traumatisierung nicht der hierfür erforderlichen Gewissheit erfolgen kann. Demgegenüber referiert das Gutachten des Dr. Gülbeyaz, welches das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bejaht, lediglich allgemein die nach den Diagnosemanualen erforder¬lichen Kriterien, ohne die hierfür notwendigen Einzelfeststellungen nachvollziehbar zu treffen. Eine Auseinandersetzung mit dem zeitlichen Ablauf, welcher mit Blick auf das nicht feststellbare Eingangstrauma für sich bereits die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung hier nicht zulässt, erfolgt nicht einmal ansatzweise.

Soweit der Kläger unter einer Panikstörung und einer "wiederkehrenden depressiven Episode zum Teil mit psychotischer Symptomatik, mittelschwer" leidet, sind diese Störungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Der Senat folgt auch insoweit – ebenso wie bereits das Sozialgericht zuvor – dem Gutachten des Dr. F., welcher ausgeführt hat, dass nach den Angaben des Klägers dieser Mitte der 1980er Jahre mehrfach mit Elektroschocks behandelt worden sei, was anzeige, dass er bereits in dieser Zeit unter einer ernstzunehmenden und therapieresistenten seelischen Störung, wahrscheinlich einer Depression oder wahnhaften Störung, gelitten habe. Die diesbezüglichen Symptome seien mit einem seelischen Trauma nicht zu erklären und gehörten nicht zu den Traumafolgestörungen, und dies selbst dann nicht, wenn es sich um intensive, anhaltende und in der Kindheit eingetretene Traumatisierungen handele.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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