L 2 R 1/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 11 R 1181/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 1/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am xxxxx 1952 geborene Kläger stammt aus G. und lebt seit 1978 in D ... In G. hat der Kläger eine Ausbildung zum Autoschlosser absolviert. Von 1979 bis 1997 war der Kläger als Reifenmonteur beschäftigt.

Nach einem Aufenthalt in der R.-Klinik in S. vom 9. Juni bis 7. Juli 1998 war der Kläger unter der Diagnose eines Bandscheibenvorfalles L4/5 und L5/S1 rechts als zwar nicht mehr leistungsfähig für die Tätigkeit eines Reifenmonteurs, jedoch noch vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere körperliche Tätigkeiten entlassen worden. Mit Bescheid vom 17. November 1998 stellte das Versorgungsamt Hamburg für den Kläger wegen Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei Bandscheibenschaden einen Grad der Behinderung von 30 fest. In einem medizinischen Gutachten des Chirurgen Dr. D.F. vom 20. April 2007 war unter der Diagnose von Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei etwas eingeschränkter Beweglichkeit, degenerativen Veränderungen sowie lumbalen Bandscheibenschäden noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten festgestellt worden. Zu einem noch vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten kam das internistische Gutachten von Frau Dr. M. vom 19. Oktober 2010 ebenfalls unter dem Hinweis auf belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden mit diskret eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologische Symptomatik und gut eingestelltem Bluthochdruck.

Nachdem Anträge auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 14. September 1998 und 17. Mai 2010 jeweils erfolglos geblieben waren, beantragte der Kläger am 23 ... August 2012 erneut Rente wegen Erwerbsminderung, wiederum unter Hinweis auf die Wirbelsäulenbeschwerden.

Der Gutachter Dr. F. erstellte sodann am 14. Januar 2013 ein fachärztliches Gutachten für die Beklagte und stellte bei dem Kläger chronische Lumbalgien rechts bei degenerativen Veränderungen und nach alter Bandscheibenschädigung L4/5 und L5/S1 fest ohne motorische Ausfälle und ohne relevante Funktionsausfälle. Außerdem diagnostizierte er eine endgradige Funktionseinschränkung der rechten Schulter bei Supraspinatussyndrom sowie einen eingestellten Bluthochdruck. Auch Dr. F. ging davon aus, dass der Kläger vollschichtig leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausüben könne. Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Widerspruch des Klägers vom 22. Februar 2013 blieb erfolglos und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2013 zurückgewiesen. Zwar lägen Gesundheitsstörungen (Chronische Lumboischialgie, endgradige Funktionseinschränkung der rechten Schulter und Bluthochdruck) vor, doch sei der Kläger nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen imstande, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltung mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig, da er nach seiner zuletzt verrichteten Arbeit als angelernter Arbeiter anzusehen sei und damit auf alle anderen Anlerntätigkeiten und ungelernte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verwiesen werden könne.

Mit seiner Klage vom 25. November 2013 hat der Kläger seinen Anspruch weiterverfolgt. Er hat darauf verwiesen, dass es nach den Bandscheibenvorfällen im Jahr 1997 zu einer weiteren Verschlechterung gekommen sei.

Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes hat das Sozialgericht Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie eine Auskunft seines Arbeitgebers eingeholt. Auf Veranlassung des Gerichtes hat außerdem der Orthopäde Dr. S1 am 27. November 2014 nach Untersuchung des Klägers (7. Oktober 2014) ein fachärztliches Gutachten erstellt und den Kläger unter der Diagnose eines degenerativen Lendenwirbelsäulensyndroms mit Funktionseinschränkung und neurologischen Störungen sowie einem unteren Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle noch für vollschichtig, also täglich sechs Stunden und mehr leistungsfähig gehalten für leichte und kurzzeitig auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten. Die Wegefähigkeit sei bei dem Kläger weiterhin erhalten. Zur Vorbereitung des Verhandlungstermins vor dem Sozialgericht hat der berufskundliche Sachverständige M1 am 4. November 2015 eine Stellungnahme abgegeben. Er hat darauf verwiesen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Reifenmonteur kein Facharbeiter gewesen sei. Diese Tätigkeit komme für den Kläger aufgrund der vorliegenden Befunde auch nicht mehr in Betracht. In Betracht kämen jedoch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung des Sachverständigen Dr. S1 abgewiesen, da der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Nach den übereinstimmenden Gutachten leide der Kläger an einem degenerativen Lendenwirbelsäulensyndrom mit Funktionseinschränkung und neurologischen Störungen sowie einem unteren Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle. Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen sei der Kläger nach den überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen weiterhin in der Lage, vollschichtig, also täglich sechs Stunden und mehr, eine leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche Tätigkeit einfacher bis durchschnittlicher geistiger Art mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung in wechselnder Körperhaltung ohne überwiegendes Heben, Tragen, Bücken bzw. in Zwangshaltungen, ohne Zeitdruck und Akkord auszuüben. Damit sei der Kläger jedoch weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Er sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens eine leichte körperliche Tätigkeit wie beispielsweise leichte Pack- und Produktionsarbeiten auszuüben. Es sei auch davon auszugehen, dass es den gesundheitlichen Störungen des Klägers angepasste Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gebe. Das Risiko der Vermittelbarkeit eines noch vollschichtig einsatzfähigen Versicherten falle nämlich grundsätzlich in den Bereich der Arbeitsvermittlung, nicht aber den der Rentenversicherung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. September 1986 – 5 b RJ 50/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 139). Der Kläger sei auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) der "bisherige Beruf" des Versicherten. Zwar habe der Kläger in G. eine Ausbildung absolviert. Diese sei in D. jedoch nicht gleichgestellt worden. Der Kläger habe auch keine einem Facharbeiter entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Aus den Stellungnahmen seines ehemaligen Arbeitgebers ergebe sich, dass der Kläger dort als Reifenmonteur beschäftigt gewesen sei. Für diese Tätigkeit habe der Kläger eine Einarbeitung von höchstens 12 Monaten (in der aktuellen Auskunft drei Monate) erhalten. Der Kläger sei damit in den Bereich der sogenannten oberen Angelernten einzustufen. Nach dem Stufenschema des Bundessozialgerichts sei der Kläger damit jedoch nicht berufsunfähig, denn er sei zumutbar auf die nächstniedrigere Stufe, also den Bereich der unteren angelernten bzw. ungelernten Tätigkeiten zu verweisen. In diesem Bereich kämen noch Tätigkeiten wie allgemeine Prüf- und Produktionstätigkeiten in Betracht, die dem Leistungsvermögen des Klägers entsprächen.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 2. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Januar 2016 (einem Montag) Berufung eingelegt. Er trägt vor, es sei nicht nachvollziehbar, dass die bereits vor 26 Jahren bei ihm festgestellten Erkrankungen im Laufe der Zeit unverändert geblieben seien. Eine solche Sicht dürfte "medizinspezifisch" nicht zutreffend sein. Es sei unverständlich, dass das Sozialgericht seine Entscheidung auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. S1 stütze, sich damit aber in den Entscheidungsgründen trotz der gutachterlich fixierten Krankheitsgeschichte des Klägers nicht auseinandersetze. Bei der Krankheitsgeschichte, unter der der Kläger seit Jahrzehnten zu leiden habe, könne man nicht zu dem Ergebnis kommen, dass er weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei, dagegen dürfe der Anscheinsbeweis in analoger Anwendung sprechen. Der Gutachter führe dafür auch keine objektivierbaren Anhaltspunkte an. Es sei angezeigt, die den Kläger seit Jahrzehnten behandelnden Ärzte als Zeugen zu vernehmen und deren Ausführungen zur Frage der Erwerbsminderung in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen. Auch aus einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme der Agentur für Arbeit H. (vom 23. März 2015, Gutachter Dr. L1: schmerzhafte chronische Funktionsstörung des Rückens, Blutdruckregulationsstörung, Störung des Verdauungsorgans; die vorgefundene Störung sei rentenberechtigenden Charakters) ergebe sich, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Zugunsten des Klägers müsse man hier auch von einem qualifizierten Berufsschutz ausgehen. Das Sozialgericht habe die Zeugnisse des Klägers verkannt, die dessen qualifizierte Ausbildung nachwiesen. Der Kläger verfüge über einen Abschluss in Form eines "Middle School Leaving Certificate" und zweier Diplome seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Nach dem vorliegenden Gutachten seien dem Kläger Tätigkeiten, die überwiegend mit Heben, Tragen, Bücken und Zwangshaltungen verbunden seien, nicht möglich. Folglich seien ihm Pack-, Sortier- und Montierarbeiten gerade unmöglich. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. November 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das sozialgerichtliche Urteil und wendet ein, der Kläger trage keine neuen medizinischen Sachverhalte vor.

Der Senat hat einen Befundbericht des Orthopäden D.K. eingeholt, bei dem sich der Kläger seit längerer Zeit in Behandlung befindet. Aus dem entsprechenden Bericht vom 19. August 2016 geht hervor, dass der Kläger seit dem 13. August 2014 laufend bei ihm wegen eines LWS-Syndroms in Behandlung ist.

Der Senat hat über die Berufung am 29. August 2016 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso wie auf die die beigezogenen Veraltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen zutreffend wiedergegeben und den Sachverhalt fehlerfrei gewürdigt, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden kann.

1. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im Berufungsrechtszug keine Verschlimmerung seiner Leiden vorträgt, sondern sich darauf beschränkt, die erstinstanzliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen. Seine Einwendungen sind aber nicht geeignet, die vorliegenden, im Wesentlichen übereinstimmenden Sachverständigengutachten und die Feststellungen des Sozialgerichts, das sich diesen Gutachten anschließt, in Frage zu stellen. Der Kläger greift die festgestellten medizinischen Sachverhalte nicht an, sondern ist der Auffassung, dass ihm bei seiner Krankengeschichte eine vollschichtige Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Er verkennt dabei, dass alle Gutachter, zuletzt auch der Sachverständige Dr. S1, Einschränkungen für die dem Kläger zumutbaren Tätigkeiten, die sich aus dessen Rückenleiden ergeben, durchaus anerkannt und detailliert beschrieben haben. So seien dem Kläger Tätigkeiten, die überwiegend mit Heben, Tragen, Bücken und Zwangshaltungen verbunden seien, nicht möglich. Weshalb der Kläger meint, dass selbst leichte Pack-, Sortier- und Montierarbeiten hierunter fielen, ist aber nicht nachvollziehbar. Der berufskundliche Sachverständige M1 hat in seiner erstinstanzlich eingeholten Stellungnahme vom 4. November 2015 die unter den gegebenen Einschränkungen für den Kläger noch in Betracht kommenden Arbeiten näher konkretisiert: Es müsse sich um besonders leichte Tätigkeiten ohne ständige Gewichtsbelastungen handeln, die überwiegend in sitzender Arbeitsposition ausgeübt werden könnten. Beispielhaft hat er Pack- und Abpackarbeiten für Zahnarztbedarf (Zahnfüllstoffe, chirurgisches Kleinmaterial), in der Ernährungsindustrie und im Handel oder Verpacken von Kunststoffkleinteilen in der Auto-, Brillen- und Glasindustrie angeführt. Auch seien dem Kläger einfache Kontroll- und Prüftätigkeiten (Gummidichtungen, Metallfedern) möglich. Dass all diese Tätigkeiten nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten oder überwiegendem Bücken verbunden sind, liegt auf der Hand. Der Senat ist der Überzeugung, dass diese Aufgaben trotz der Einschränkungen, die die Leiden des Klägers gebieten, von ihm vollschichtig verrichtet werden können.

Der Anregung des Klägers, sämtliche ihn behandelnde Ärzte als Zeugen zu vernehmen, um deren Aussagen in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen, tritt der Senat nicht näher. Ein solches Vorgehen erübrigt sich schon deshalb, weil der Sachverständige Dr. S1 die für den Kläger vorliegenden ärztlichen Befundberichte und medizinischen Gutachten umfassend dokumentiert und auch berücksichtigt hat. Der Gutachter setzt sich mit den früheren Untersuchungsergebnissen auseinander und bezieht sie erkennbar in seine Bewertung mit ein. Es ist deshalb nicht deutlich, welche zusätzlichen Erkenntnisse eine Befragung der (sachverständigen) Zeugen ergeben könnte. Der Kläger stellt mit der Beweisanregung auch keine bestimmte Tatsache unter Beweis, sondern erhofft sich von den Zeugen eine von dem Sachverständigengutachten abweichende Feststellung seiner Leistungsfähigkeit. Der Senat sieht sich auch deshalb nicht gedrängt, dieser Anregung zu folgen.

Schließlich ergeben sich weder aus dem im Berufungsverfahren eingeholten orthopädischen Befundbericht noch aus der vom Kläger zuletzt vorgelegten Stellungnahme von Dr. L1 Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der medizinischen Beweisaufnahme. Aus dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden ergibt sich ein im Wesentlichen unveränderter Befund. Die Stellungnahme des Dr. L1 führt bestenfalls ungenaue Diagnosen auf und lässt insbesondere nicht erkennen, wie der Sachverständige zu dem sehr weitreichenden Schluss gekommen ist, es liege eine "gesundheitliche Störung rentenberechtigenden Charakters" vor. Eine derart pauschale Einschätzung stellt weder das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren in Frage noch bietet sie Anlass für weitere Ermittlungen.

2. Zu Recht hat das Sozialgericht bei dem 1952 geborenen Kläger auch einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze diejenigen Versicherten, die - vor dem 2. Januar 1961 geboren und - berufsunfähig sind. Der 1952 geborene Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI. Er kann noch zumindest sechs Stunden täglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Objektiv zumutbar ist dem Kläger unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes – wie oben bereits ausgeführt – unter anderem noch eine Tätigkeit als Mitarbeiter im Montage-oder Prüfdienst. Allein der Umstand, dass der Kläger seine zuletzt langjährig ausgeübte Tätigkeit als Reifenmonteur aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten kann, führt noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nämlich nicht bereits dann ein, wenn sie ihren – versicherungspflichtig ausgeübten – "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie – immer bezogen auf ihren "bisherigen Beruf" – auch einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (gegebenenfalls auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976 – 5/12 RJ 132/75, BSGE 41, 129). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf "verweisen" lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes. "Zugemutet werden" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch "berufsfremden" Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung – Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer Qualität – dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen. Zur praktischen Ausfüllung dieser Rechtssätze ist das Bundessozialgericht aufgrund einer Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten der Arbeits- und Berufswelt, wie sie unter anderem auch in Tarifverträgen Ausdruck finden, zu der generellen Feststellung gelangt, dass sich die Arbeiterberufe in vier nach ihrer Leistungsqualität – nicht nach der Entlohnung oder nach dem Prestige – hierarchisch geordnete Gruppen aufgliedern: Die unterste Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (mit "sonstiger", d.h. nicht den Facharbeitern entsprechender Ausbildung), die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter (mit einer Regelausbildung von mehr – nicht: mindestens – als zwei, regelmäßig von drei Jahren) sowie die – zahlenmäßig kleine – Gruppe mit dem Leitberuf der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion, denen die besonders qualifizierten Facharbeiter gleich zu behandeln sind ("Mehr-Stufen-Schema", vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. November 1985 – 4a RJ 51/84, BSGE 59, 201 – ständige Rechtsprechung). Als im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des BSG jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Gruppe angenommen. Hiernach können z.B. Versicherte, die nach ihrem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter fallen, auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufe) verwiesen werden, nicht jedoch ohne Weiteres auch auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 – 5 RJ 98/76, BSGE 43, 243 – ständige Rechtsprechung). Davon ausgehend kann der Kläger keinen besonderen sog. Berufsschutz für sich beanspruchen. Denn er hat einen möglicherweise erlernten Beruf eines Kfz-Mechanikers seit seiner Zuwanderung nach D. im Jahr 1978 nicht ausgeübt und langjährig nur noch eine angelernte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichtet. Diese Tätigkeit als Reifenmonteur hat seinem versicherten Erwerbsleben erkennbar das Gepräge gegeben, so dass der Kläger sich als bestenfalls in den unteren Bereich der Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs einzuordnender Versicherter zur Verwertung seines Restleistungsvermögens sozial zumutbar auf alle ihm nach seinem Gesundheitszustand noch möglichen (ungelernten) Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen muss. Einen besonderen sog. qualifizierten Berufsschutz kann der Kläger unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs nicht beanspruchen, so dass die Voraussetzungen für die Annahme von Berufsunfähigkeit im Falle des Klägers nicht gegeben sind.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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