L 1 KR 25/10 B ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 2 KR 833/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 25/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. März 2010 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig häusliche Krankenpflege in Form der 24-Stunden-Pflege im Betreuten Wohnen I. V. gemäß ärztlicher Verordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu erbringen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antrag- stellers.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme einer 24-Stunden-Behandlungspflege.

Der 1927 geborene Antragsteller leidet u.a. an einer chronisch-ventilatorischen Insuffizienz mit der Notwendigkeit zur Beatmung bei einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD der Stufe GOLD IV) Seit Februar 2009 wird er mit einem Tracheostoma (eine operativ angelegte Öffnung der Luftröhre) invasiv beatmet.

Der Antragsteller lebt seit dem 17. Juli 2009 in einer Wohngemeinschaft. Vermieterin ist die R.- I. GmbH mit Sitz in B ... Laut Mietvertrag vom 27. Juli 2009 beträgt die Gesamtmiete 490 EUR monatlich für eine etwa 40 qm große Wohneinheit, die unmöbliert überlassen wird. In der Wohngemeinschaft leben weitere acht Mieter, die der 24-Stunden-Beatmungspflege bedürfen und von der Firma R1 betreut werden. Es finden regelmäßig Mieterversammlungen statt, an denen die Mieter, deren gesetzliche Betreuer und Angehörige teilnehmen. Unter anderem erging ein Beschluss, dass die Firma R1 die Pflegeleistungen für sämtliche Bewohner erbringen soll (Protokoll der Mieterversammlung vom 29. Oktober 2009). Dementsprechend schloss der Antragsteller mit der Firma R1 einen Pflegevertrag über die Erbringung ambulanter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe – (SGB XII) sowie sonstiger Leistungen.

Dem Antragsteller wurde fortlaufend 24-Stunden-Behandlungspflege in Form einer Heimbeatmung ärztlich verordnet. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag des Antragstellers auf Übernahme der Kosten dieser Pflege mit Bescheid vom 17. Juli 2009 und Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2009 ab. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V seien nicht erfüllt, weil weder von einer eigenen Häuslichkeit auszugehen sei noch es sich um eine betreute Wohnform im Sinne des § 37 SGB V handele. Aufgrund der besonderen Umstände sei davon auszugehen, dass es sich um eine stationäre Einrichtung handele, die unter das Heimgesetz falle. Die Firma R1 AG habe hierfür keine Zulassung. Das daraufhin von dem Antragsteller angestrengte Eilverfahren vor dem Sozialgericht Hamburg verlief erfolglos (S 2 KR 1032/09 ER). Das Sozialgericht lehnte mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, nachdem die Firma R1 mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 zum 31. Januar 2010 bedingungslos gekündigt hatte und der Antragsteller am 12. Dezember 2009 vorübergehend stationär im A. Klinikum H. aufgenommen wurde. Das Sozialgericht argumentierte, dass aufgrund der stationären Aufnahme und der bedingungslosen Kündigung des Pflegevertrages kein Anordnungsgrund vorliege, weil der Antragsteller sich auch im Falle einer positiven Entscheidung um eine anderweitige Unterbringung und Versorgung kümmern müsse.

Im Krankenhaus erfolgte eine Umstellung auf ein Minitrach bei gleichbleibend großem Tracheostoma. Laut Entlassungsbericht der A. Klinik H. vom 29. Januar 2010 ist das zweistündliche Absaugen über die Minitrachealkanüle erforderlich. Eine Versorgung durch einen intensiv-medizinischen Pflegedienst sei erforderlich. Der Antragsteller kehrte in die Wohngemeinschaft zurück und die Firma R1 teilte mit Schreiben vom 4. Februar 2010 mit, dass der Pflegevertrag vorsorglich zum 31. März 2010 gekündigt werde. Die Aufnahme und Versorgung erfolge unter der Bedingung, dass die Antragsgegnerin zumindest vorläufig die Kostenübernahme erkläre.

Am 5. März 2010 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Hamburg erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Bei der Einrichtung handele es sich um einen geeigneten Ort im Sinne von § 37 SGB V und es sei unerheblich, ob es sich um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes handele. Das Sozialgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 23. März 2010 den Antrag abgelehnt. Es fehle für die Zeit ab dem 1. April 2010 an einer Glaubhaftmachung des Anspruchs, denn eine aktuelle ärztliche Verordnung läge nicht vor. Soweit der Antrag den Zeitraum vom 29. Januar bis 31. März 2010 betreffe, mangele es an einem Anordnungsgrund. Denn die erforderliche Behandlungspflege sei von der R1 AG tatsächlich vorgenommen worden.

Der Antragsteller hat am 23. März 2010 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Angesichts des im Entlassungsbericht vom 29. Januar 2010 beschriebenen Krankheitsbildes sei die dauerhafte Erforderlichkeit intensiv-medizinischer Beatmungspflege offensichtlich. Eine Folgeverordnung dürfe wegen § 5 Abs. 2 Satz 2 der HKP-Richtlinien erst in den letzten drei Werktagen vor Ablauf des verordneten Zeitraums ausgestellt werden. Es sei jedoch offensichtlich, dass eine solche Folgeverordnung ausgestellt werde.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. März 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig häusliche Krankenpflege im Umfang von vierundzwanzig Stunden zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach benutze die Pflegeeinrichtung den Versicherten, um ihre vermeintlichen Ansprüche durchzusetzen. Bislang sei von dem Antragsteller und dem hinter ihm stehenden Pflegedienst nicht vorgetragen worden, dass der Pflegevertrag zwischen ihr und dem Antragsteller gekündigt worden sei. Es gebe auch keine Erkenntnisse darüber, dass der Antragsteller von dem Pflegedienst nicht mehr gepflegt würde. Für die Klärung eines solchen Rechtsverhältnisses sei in einem Eilverfahren kein Raum.

Der Antragsteller hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens eine weitere Verordnung häuslicher Krankenpflege mit 24-Stunden-Überwachung der Atmung bzw. Beatmung für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 30. Juni 2010 vorgelegt.

Das Gericht hat die Pflegedokumentation und die Krankenakten des A. Klinikums beigezogen.

II.

Die am 23. März 2010 eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den am 23. März 2010 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. März 2010 ist statthaft, zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und begründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Es besteht ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin ist daher zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig häusliche Krankenpflege in Form von 24-Stunden-Behandlungspflege gemäß ärztlicher Verordnung zu gewähren.

Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zulässig zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung und zum anderen ein Anordnungsanspruch. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung).

1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach dem gegenwärtigen Sachstand dürften die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V vorliegen. Danach erhalten Versicherte als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach der gesetzlichen Regelung werden die Leistungen in dem Haushalt der Versicherten, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen erbracht.

Die medizinische Erforderlichkeit der 24-Stunden-Behandlungspflege ist bei dem beatmungspflichtigen Antragsteller nicht streitig und ist durch Vorlage einer aktuellen Verordnung glaubhaft gemacht worden. Vorbehaltlich weiterer Ermittlungen im Hauptsacheverfahren ist derzeit davon auszugehen, dass die Wohngemeinschaft, in der der Antragsteller lebt, als betreute Wohnform die vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Denn mit dem Mietvertrag wird kein Anspruch gegen den Einrichtungsträger bzw. Vermieter auf Behandlungspflege begründet und es ist nicht von einem Umgehungstatbestand auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen einer betreuten Wohnform und einer stationären Unterbringung, ob durch den Aufenthalt ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege begründet wird (LSG Hamburg vom 12.11.2009 - L 1 B 202/09 ER KR in juris). Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung nach der Änderung des § 37 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 mit Wirkung zum 1. April 2007. Nach der Gesetzesbegründung sollte eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs erfolgen, um vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden und um Lücken im Zwischenbereich von stationärer und ambulanter Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/3100 S. 104). Weiter heißt es, dass ein geeigneter Ort dann nicht gegeben sei, wenn Einrichtungen medizinische Behandlungspflege schulden.

Durch den Aufenthalt in der Wohngruppe wird kein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege begründet. Die Bewohner schließen einen Mietvertrag über die Überlassung einer Wohneinheit bzw. eines nicht möblierten Zimmers. Dieser Mietvertrag mit der Firma R. I. GmbH enthält keine Regelungen über pflegemedizinische Dienstleistungen. Bei der Firma handelt es sich - auch wenn es personelle Verflechtungen mit der Firma R1 gibt - um eine rechtlich selbständige juristische Person des Privatrechts. Die Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege ergibt sich erst aus dem mit der Firma R1 abgeschlossenen Pflegevertrag. Hierbei handelt es sich um einen ambulanten Pflegedienst, dessen Leistungen grundsätzlich nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich auch nicht die Situation einer Umgehung, die es rechtfertigen würde, die Wohngemeinschaft wie eine stationäre Einrichtung zu behandeln. Das wäre der Fall, wenn es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild um eine stationäre Einrichtung handelt und die Gefahr besteht, dass sich der Einrichtungsträger zu Lasten der Krankenkassen von kostenintensiven Pflichtaufgaben befreit. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Es bestehen einige bedeutsame Unterschiede zu einem stationären Pflegeheim. Die Bewohner entscheiden weitgehend selbständig über die Zusammensetzung und die organisatorischen Abläufe in der Wohngemeinschaft. Das beginnt bei der Anmietung eines nicht möblierten Zimmers, welches nach den eigenen Vorstellungen eingerichtet werden kann. Aus dem Vorbringen des Antragsteller im Verfahren S 2 KR 1032/09 ER (Schriftsatz vom 23. November 2009, Bl. 110 der Prozessakte) geht hervor, dass die Einkäufe zwar durch die bei der Firma R1 beschäftigte Hauswirtschaftskraft erfolgen, diese jedoch auf Wunsch und im Auftrag der Bewohner durchgeführt werden, ebenso wie das Waschen der Kleidung. Der Antragsteller hat im dortigen Verfahren vorgetragen, dass seitens der Familie Lebensmittel, Waschpulver und andere Dinge des täglichen Bedarfs selbst eingekauft werden. Es finden regelmäßig - wie sich aus den vorgelegten Protokollen ergibt - Mieterversammlungen statt, in denen die Bewohner Vereinbarungen über die Abläufe in der Wohngemeinschaft treffen. Nach der Vereinbarung zwischen der Wohngemeinschaft und der R1 AG und der R. I. GmbH haben die Mitglieder die Entscheidungsgewalt über Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens (§ 3 der Vereinbarung - Bl. 138 der Akte S 2 KR 1032/09 ER -). Aus der Wohngemeinschaftsvereinbarung vom 29. Oktober 2009 (Bl. 124 bis 128 der Akte des Verfahrens S 2 KR 1032/09 ER) geht hervor, dass ein Sprecher gewählt wurde (§ 3) und eine Haushaltskasse besteht (§ 4). Die Neuaufnahme eines Mieters ist in § 7 geregelt. Darin ist eine Beratung der Wohngemeinschaft und Absprache mit dem Vermieter und dem Pflegedienst vorgesehen. Der Rahmen und Umfang der Versorgung werden von den Bewohnern eigenverantwortlich bestimmt. Damit ist den Bewohnern eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich und sie sind in der Lage, sich selbst wirtschaftlich zu versorgen (vgl. Bundessozialgericht vom 1.9.2005 - B 3 KR 19/04 R in juris zum Haushaltsbegriff des § 37 SGB V a.F.). Sie können entscheiden, ob sie bzw. ihre Angehörigen die Verpflegung sicherstellen, einkaufen und Essen zubereiten, oder ob dies durch den Pflegedienst durchgeführt wird. Es ergibt sich gerade keine Vertragsform, bei der durch einen Heimvertrag ein umfassender Versorgungsanspruch begründet wird. Der Aufenthalt des Antragstellers ist vielmehr durch einen von ihm selbst finanziell getragenen Mietvertrag zustande gekommen.

Im vorliegenden Fall scheidet ein Umgehungstatbestand auch deshalb aus, weil der Antragsteller bei einer Unterbringung in einem stationären Pflegeheim einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege hätte. Das ergibt sich aus dem Ausnahmetatbestand des § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V. Der Anspruch nach Satz 1 (auf Behandlungspflege) besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Diese Voraussetzungen wären beim Antragsteller erfüllt, denn aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde ist davon auszugehen, dass die Beatmungspflege für einen längeren Zeitraum als sechs Monate erforderlich ist. Es handelt sich dabei um einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. Die Antragsgegnerin müsste also auch im Fall der stationären Unterbringung die Kosten für die Behandlungspflege erbringen. Im Übrigen ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Krankenkasse besonders hohe Kosten durch die Erbringung der Behandlungspflege in einer Wohngemeinschaft entstehen. Naheliegend ist eher, dass Kosten gespart werden, wenn nämlich komprimiert gepflegt wird und Fahrtkosten zu den verschiedenen Wohnungen der Bewohner nicht anfallen.

Soweit die Antragsgegnerin Bedenken gegen die Qualität der Pflegeleistungen geltend macht, ist dies im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung. Der Versicherte hat einen Anspruch auf Versorgung mit einem zugelassenen Leistungserbringer. Die Zulassung erfolgt gemäß § 132 a SGB V durch Rahmen- und Einzelverträge. Die R1 AG ist ein zugelassener Leistungserbringer. Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie die qualitativen Voraussetzungen für die Erbringung der im Streit stehenden Pflegeleistungen erfüllt. Sollte die Antragsgegnerin der Auffassung sein, dass es hier Pflegemängel gibt oder die Qualifikation der Mitarbeiter nicht den vertraglichen Regelungen entspricht, ist sie gehalten, Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen zu ergreifen. Solange der Vertrag besteht, ergeben sich keine Auswirkungen auf einen Leistungsanspruch des Versicherten. Im Übrigen bestehen nach dem zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG), dass das Heimgesetz in Hamburg ersetzt, für Wohngemeinschaften Mitteilungs- und Überwachungspflichten gegenüber der zuständigen Behörde (§ 10 und 29 f des HmbWBG).

2. Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls glaubhaft gemacht worden. Solange die Antragsgegnerin die streitigen Kosten nicht trägt, besteht die konkrete Gefahr, dass die Firma R1 ihre Pflegeleistungen nicht mehr erbringen wird und der Antragsteller die Wohngemeinschaft verlassen muss und ggf. in eine stationäre Pflegeeinrichtung verlegt wird. Die hiermit verbundenen Beeinträchtigungen sind für den Antragsteller nicht zumutbar. Es ist auch zu befürchten, dass sich die gesundheitliche Situation des Antragstellers durch die Änderung der Pflegeverhältnisse verschlechtern kann, wenn er nämlich die von ihm gewählte häusliche Umgebung verlassen muss. Sofern eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abgewartet wird, könnten hierdurch Nachteile entstehen, die im Nachhinein nicht mehr beseitigt werden können. Der Argumentation der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller bislang auch ohne Vergütung von der Firma R1 gepflegt wurde und deshalb kein Eilbedürfnis besteht, befremdet in der Sache und ist rechtlich ohne Belang. Zwar ist zutreffend, dass die Firma R1 trotz wiederholt ausgesprochener Kündigung weiterhin die erforderlichen Leistungen der Behandlungspflege erbringt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für den Fall einer negativen Entscheidung im Eilverfahren bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter so verfahren werden kann. Im Gegenteil, aufgrund der bereits ausgesprochenen Kündigungen des Pflegevertrags besteht die Gefahr, dass die Pflegeleistungen jederzeit eingestellt werden und eine Verlegung erforderlich wird. Es ist auch nicht absehbar, ob der Pflegedienst sich aufgrund wirtschaftlicher Gründe gezwungen sieht, vor einer Entscheidung in der Hauptsache die Pflegeleistungen einzustellen und die Kündigung zu vollziehen.

Die Antragsgegnerin war auch über den Verordnungszeitraum der letzten Verordnung hinausgehend im Wege der einstweiligen Anordnung zur Leistungsgewährung zu verpflichten. Die Antragsgegnerin hat den Leistungsanspruch grundsätzlich abgelehnt, indem sie die Voraussetzung der Häuslichkeit verneint hat. Der ursprüngliche Ablehnungsbescheid umfasst auch mögliche Folgezeiträume, was sinnvoll ist, da es sich nicht um eine medizinische Einzelfallentscheidung handelt (vgl. BSG v. 10. November 2005- B 3 KR 38/04 R, SozR 4- 2500 § 37 Nr. 6). Das Bundessozialgericht hat in einem solchen Zusammenhang die Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage für die Zukunft bejaht, obwohl die Krankenkasse über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege grundsätzlich durch Verwaltungsakt zu entscheiden hat. Für die Zukunft sei dann nur über eine grundsätzliche Leistungspflicht der Beklagten zu entscheiden. Das bedeutet, dass eine erhobene Klage bzw. ein Eilantrag nicht nur den im Ablehnungsbescheid bezeichneten Zeitraum betrifft, sondern auch über ein zukunftsorientiertes Leistungsbegehren zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
Rechtskraft
Aus
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