Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 R 1042/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 118/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am xxxxx 1957 geborene Klägerin übte nach dem Abbruch einer Ausbildung zur Bürokauffrau im Jahr 1975 eine Beschäftigung bei der O. GmbH & Co KG aus, zunächst als Sachbearbeiterin, anschließend bis 1984 als Datentypistin und von 1985 bis 2010 als "Sachbearbeiterin Wareneinsatz". Ausweislich der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft war die Einstellung der Klägerin aufgrund eines Ausbildungsnachweises als Bürokauffrau erfolgt. Entlohnt worden war die Klägerin nach der Gruppe G 3/06 des H. Einzelhandelstarifs. Die Klägerin war von Oktober 2009 bis März 2010 arbeitsunfähig. Anschließend bezog sie zunächst Arbeitslosengeld und ab August 2011 Arbeitslosengeld II.
Die Klägerin nahm während des Jahres 2009 zunächst an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik D. (Diagnosen: schmerzhafte Bewegungs- und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Osteochondrose, medikamentös eingestellter Bluthochdruck, Adipositas mit BMI 32, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom) nebst Nachsorgeverfahren im Regio Reha-Zentrum P. (zusätzliche Diagnose: Epicondylitis radialis humeri) teil und später – nach einer Operation der Halswirbelsäule – an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum B. (Diagnosen: Zervikobrachial-Syndrom, Nucleotomie der Halswirbelsäule, essentielle Hypertonie, Kreuzschmerz und sonstige Enthesiopathien).
Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Sachverständige Frau Dr. H1) kam im März 2010 zu der Einschätzung, die Klägerin sei derzeit arbeitsunfähig. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit sei wahrscheinlich. Die Erstellung eines Leistungsbildes werde zurückgestellt.
Bei einer Untersuchung der Klägerin im Januar 2011 durch den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten stellte die Orthopädin Dr. K2 wiederkehrende Schulter-Arm-Beschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, wiederkehrende Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Bewegungsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen sowie Übergewicht fest. Das Leistungsvermögen sei auf körperlich leichte und leidensangepasste Arbeiten beschränkt, liege dann aber bei täglich sechs Stunden und mehr. Anschließend begann die Klägerin mit einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im STC ambulanten Therapiezentrum, die sie – ausweislich eines Attests der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. T. – wegen chronischer Schmerzen und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrach. Der Entlassungsbericht nennt chronische Zervikobrachialgien, ein chronisch degeneratives Lumbalsyndrom, Polyarthralgien/Enthesiopathien und Adipositas. Der frühzeitige Abbruch erlaube keine aussagekräftige Leistungsbeurteilung.
Ihren am 18. März 2011 gestellten Rentenantrag begründete die Klägerin damit, sie halte sich aufgrund einer Versteifung der Wirbelsäule und der Großzehengrundgelenke, Fibromyalgie (diagnostiziert in einem Arztbrief der S. Klinik vom 17. Januar 2011) und chronischer Sinusitis seit November 2009 für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste eine Leistungsbeurteilung durch den Chirurgen Dr. R. und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. August 2011 ab. Die Klägerin erhob am 7. September 2011 Widerspruch und führte unter Vorlage des bereits anlässlich des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme eingereichten Attests von Dr. T. sowie eines Entlassungsberichts des U. – Klinik und Poliklinik für Neurologie – aus, sie sei wegen des Verdachts auf eine transitorische ischämische Attacke (TIA) stationär behandelt worden. Eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme habe sie wegen einer chronischen Schmerzerkrankung und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrechen müssen. Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. F. und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2012 zurück: Die Klägerin leide an - wiederkehrenden Nacken-, Schulter- und Armbeschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, - wiederkehrenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen und - einem Carpaltunnelsyndrom und sei imstande, leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervliche Belastung, ohne häufiges Bücken, häufiges Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten, ohne Überkopfarbeiten ohne längere und schwere Festhalte- und Greifarbeiten beidseits, ohne feinmotorisches Arbeiten, ohne Exposition durch Nässe, Kälte oder Zugluft zu verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin arbeitstäglich sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Dieses Leistungsvermögen genüge auch, um weiterhin einer Tätigkeit als Bürokauffrau nachzugehen.
Die Klägerin hat am 23. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben.
Sie hat ein Konvolut von Krankenunterlagen zur Akte gereicht und ausgeführt, sie verfüge aufgrund der Schmerzsymptomatik nicht mehr über das für eine Erwerbstätigkeit nötige Konzentrationsvermögen. Auch die Umstellung auf eine andere Tätigkeit sei nicht vorstellbar. Die Klägerin könne auch nicht längere Zeit sitzen. Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne nervliche Belastung gebe es auf dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht. Die Klägerin, die einer gelernten Bürokauffrau gleichzustellen sei, dürfe auch nicht auf Ungelerntentätigkeiten verwiesen werden.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben.
Das Sozialgericht hat Unterlagen des MDK, des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit und der Versorgungsverwaltung beigezogen, weiterhin Krankenakten des A. Klinikums W. und der S. Klinik E ... Es hat eine Arbeitgeberauskunft der O. GmbH & Co. KG sowie Befundberichte des HNO-Arztes Dr. K1, des Orthopäden Dr. R1, des Internisten B2, der Neurologin Frau Dr. F1, von Dr. T., dem Orthopäden K., der HNO-Ärztin Dr. H2 und dem Orthopäden Dr. M. eingeholt.
Zur weiteren Aufklärung des sozialmedizinischen Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst ein Gutachten des Orthopäden Dr. N1 vom 22. September 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat - eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie Verspannungen der Schulter- und Nackenmuskulatur nach Fusion der Bewegungssegmente C5/6 sowie C6/7 mit objektiv regelrechtem Ergebnis, insbesondere ohne Anhalt für ein fortbestehendes bedeutsames Nervenwurzelreiz- oder gar -kompressionssyndrom, ausgehend von der Halswirbelsäule, - ein fortgeschrittenes Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule im Sinne eines degenerativen Bandscheibenschadens L4/5 (Osteochondrose) sowie in der Kernspintomographie nachgewiesenen bandscheibenbedingten Raumforderungen in den Etagen L3/4,L 4/5 und L5/S1 mit Bedrängung mehrerer Nervenwurzeln, klinisch jedoch mit nur mäßiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule und ohne Hinweis für ein bedeutsames von der Lendenwirbelsäule ausgehendes Nervenwurzelreiz- oder -kompressionssyndrom, - ein beginnendes Verschleißleiden beider Kniegelenke, - eine einsetzende Arthrose der Mittelfuß-/ Fußwurzelgelenke beidseits bei mäßiger Fußfehlstatik, mittels operativer Versteifung behandelte Arthrose des Großzehengrundgelenks rechts, einen deutlichen Hallux valgus und beginnenden Hallux rigidus links, - eine als Behandlungsleiden eingeschätzte Epicondylitis radialis rechts, - einen leichten Reizzustand im Bereich des Carpaltunnels nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms links im Mai 2013; beginnende Langfingerarthrose, angegebene Beschwerden im Bereich des Daumensattelgelenks beidseits ohne eindeutiges Korrelat diagnostiziert. Eine nahezu den gesamten Halte- und Bewegungsapparat umfassende Schmerzstörung sei nicht als Fibromyalgiesyndrom einzuschätzen, sondern als somatoforme Störung. Die Klägerin sei von Seiten des orthopädischen Fachgebiets noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung zu verrichten. Unzumutbar seien Arbeiten mit Heben oder Tragen mittelschwerer Lasten, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem oder anhaltendem Arbeiten mit Einsatz der Hände über der Horizontalen, mit häufigen Arbeiten im Knien oder in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten, mit lang anhaltenden einseitigen Körperhaltungen und mit der Notwendigkeit häufigen und anhaltenden monotonen und kraftvollen Zugreifens mit beiden Händen. Ein Haltungswechsel einmal pro Stunde sei ausreichend. Die Klägerin könne sowohl Pack-, Montier- und Sortierarbeiten als auch – bei Berücksichtigung der Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung – Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Allerdings sei eine weitere Beweisaufnahme auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet für erforderlich.
Die Klägerin ist dem Gutachten mit dem Hinweis entgegengetreten, es spiegele nicht ihren tatsächlichen Zustand wider. Im Jahr 2007 habe sie zwei Jahre lang eine Gesprächspsychotherapie bei der Dipl.-Psych. B3 durchgeführt; diese sei jedoch nicht erfolgreich gewesen, da sie sich nicht habe öffnen können.
Das Sozialgericht hat daraufhin zunächst einen Befundbericht der Dipl.-Psych. B3 eingeholt und dann ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 23. August 2014, welches der Sachverständige zusätzlich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2014 mündlich erörtert hat. Der Sachverständige hat - eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, - eine leichte, aber anhaltende depressive Episode, differentialdiagnostisch Dysthymia in enger Verknüpfung mit dem chronischen Schmerzsyndrom sowie lebensbiografischen Faktoren mit dependenten Persönlichkeitsakzenten, - ein C7-Syndrom rechts bei Zustand nach zervikaler Fusionsoperation mit Spondylodese C5/6/7, - ein Wirbelsäulen-Syndrom im Lumbalbereich ohne Nachweis nervenwurzelbezogener neurologischer Defizite, - den Zustand nach cerebralen Durchblutungsstörungen (TIA), - arteriellen Bluthochdruck und - den Zustand nach Operationen von Carpaltunnelsyndromen beidseits diagnostiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte und geistig einfache bis durchschnittliche Arbeiten mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung auszuüben. Eine Computermaus könne die Klägerin bedienen. Die Arbeit solle in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Gegenständen, nicht in kauernder oder gebückter Haltung und nicht überkopf verrichtet werden. Unzumutbar seien Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, unter Akkord- oder Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Witterungsschutz sei erforderlich. Unter Beachtung dieser Einschränkungen bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen ohne die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Etwaige Hemmungen gegenüber der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit könne die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung überwinden. Diese Einschätzung des Leistungsvermögens trage auch der vorhandenen Multimorbidität Rechnung. Der Gesamteindruck spreche auch nicht für eine massive Einschränkung durch eine chronische Schmerzwahrnehmung.
Durch Urteil vom 2. Oktober 2014 (dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 27. Oktober 2014) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Privatinsolvenzverfahren der Klägerin (Az. 68 e IK 279/12) stehe einer Sachentscheidung gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 240 Zivilprozessordnung nicht mehr entgegen, nachdem der Eröffnungsbeschluss am 21. Juni 2013 aufgehoben worden sei und die Wohlverhaltensphase begonnen habe.
Die Klage sei aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) habe die Klägerin nicht, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Voll erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert sei nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne; dabei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Das Leistungsvermögen der Klägerin sei nach den übereinstimmenden und überzeugenden Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N1 und Dr. N., denen die Kammer folge, zwar in qualitativer Hinsicht eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Mit den vorgefundenen Einschränkungen ihres Leistungsvermögens könne die Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten ausüben, dies jedoch unter adäquater Behandlung vollschichtig und regelmäßig. Konkret seien dies Tätigkeiten durchschnittlicher geistiger Art und Verantwortung mit durchschnittlichen geistigen Anforderungen, wie Dr. N. in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt habe, nicht bei Nacht, in wechselnder Haltung, wobei ein Haltungswechsel einmal pro Stunde ausreiche, nicht jedoch Arbeiten mit Heben oder Tragen mittelschwerer Lasten, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige oder anhaltende Arbeiten mit Einsatz der Hände über der Horizontalen, häufige Arbeiten im Knien oder in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten, mit lang anhaltenden einseitigen Körperhaltungen und mit der Notwendigkeit häufigen und anhaltenden monotonen und kraftvollen Zugreifens mit beiden Händen. Sie könne auch – bei Berücksichtigung der Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung – Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen verrichten. Insbesondere sei sie nach der ausdrücklichen Angabe von Dr. N. in der Lage, eine Computermaus zu bedienen.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass bei der Klägerin im Jahr 2010 von Dr. H1 für die Agentur für Arbeit ein Leistungsvermögen von weniger als 15 Stunden festgestellt worden sei. Eine schwerere depressive Erkrankung sei schon deshalb nicht anzunehmen, da die Klägerin durchaus ein Alltagsleben beschreibe, das einen sozialen Rückzug nicht erkennen lasse. Je weniger schwer die depressive Störung jedoch sei, desto eher bestünden Ressourcen, eine Schmerzstörung überwinden zu können. Eine Rückenmarksschädigung liege bei ihr nicht vor. Im Gegenteil seien von der Halswirbelsäule im Bereich C7 herrührende Schädigungen, die die obere Seite des Arms und die Finger II bis IV der Hand betreffen würden, nur durch Reflexdifferenzen überhaupt nachweisbar gewesen, ohne sensomotorische Defizite.
Hinzu komme, dass keineswegs sämtliche erforderlichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft seien. Die Klägerin, bei der mittlerweile eine den ganzen Körper betreffende Schmerzstörung bestehe, die auch eine realistische Wahrnehmung des Ausmaßes des Schmerzes behindere, habe die Behandlung in der Schmerzambulanz beendet, weil sie sich mit der Therapeutin nicht verstanden habe, und befinde sich weder in psychiatrischer Behandlung, noch finde eine Psychotherapie statt. In einer früher durchgeführten Verhaltenstherapie habe sie sich "nicht öffnen" können. Hier fehle deutlich eine adäquate Behandlung etwaiger psychischer Ursachen der gestörten Schmerzwahrnehmung, die auch von Dr. N1 (gemeint: N.) deutlich beschrieben worden sei und die nicht korreliere mit ihrer Gestik und Mimik, worauf Dr. N1 (gemeint: N.) in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen habe. Ebenso sei zu beobachten, dass die Klägerin eine große Zahl von Behandlungsversuchen (ambulante und teilstationäre Rehabilitation, orthopädische Behandlung, Schmerztherapie, Psychotherapie) abgebrochen habe, bevor sich ein Erfolg habe einstellen können.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin angegeben habe, sie habe am Untersuchungstag bei Dr. N. eine erhöhte Dosis an Schmerzmitteln eingenommen als verordnet und als üblich. Dies ergebe sich zum einen aus dem im schriftlichen Gutachten von Dr. N. dargelegten psychopathologischen Befund. Auch unter der angegebenen erhöhten Medikation hätten ausreichende Fähigkeiten zur Konzentration über die Dauer der Untersuchung, eine rege Psychomotorik und ausreichende Wachheit, sowie ein Verhalten in der Untersuchung, das auf eine für das Arbeitsleben ausreichende Ein- und Umstellfähigkeit schließen lasse, bestanden. Selbst wenn sich Gestik und Mimik durch die erhöhte Medikation verändert dargestellt hätten, was der Sachverständige nicht ausgeschlossen habe, seien genügend Anhaltspunkte zur Einschätzung der Gesamtsituation geblieben.
Im Übrigen habe der Sachverständige Gelegenheit gehabt, die Klägerin in der mündlichen Verhandlung über einen Zeitraum von nochmals 90 Minuten zu erleben, als sie ihren eigenen Angaben nach keine erhöhte Schmerzmedikation eingenommen gehabt habe. Auch währenddessen sei nach der Wahrnehmung Dr. N. (und auch nach dem Eindruck der Kammer) nicht von massiven Einschränkungen z.B. der Konzentration, der Ein- und Umstellfähigkeit auszugehen gewesen.
Da ein vollschichtiges Leistungsvermögen erhalten sei und ausreichend Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, bestehe keine Notwendigkeit zur Benennung einer besonderen Verweisungstätigkeit. Die Klägerin könne aber mit dem erhaltenen Leistungsvermögen auch noch sitzende Tätigkeiten in ihrem bisherigen Beruf als Bürokauffrau ausführen. Insbesondere sei sie nach der ausdrücklichen Angabe von Dr. N. in der Lage, eine Computermaus zu bedienen und müsse ihre Haltung nach Angaben von Dr. N. nicht öfter als einmal pro Stunde wechseln können. Diese Voraussetzungen seien gerade in vielen Bürotätigkeiten gegeben, die ein individuelleres Arbeiten zuließen als Tätigkeiten wie Pack-, Montier- und Sortiertätigkeiten. Nach Angaben von Dr. N1 werde die Klägerin auch nicht durch die Einschränkungen von Seiten ihrer Hals- oder Lendenwirbelsäule daran gehindert, Tätigkeiten am Bildschirm auszuüben, sofern die Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten würden. Es sei davon auszugehen, dass diese verbindliche Verordnung von Arbeitgebern eingehalten werde. Solle dies im Einzelfall nicht so sein, betreffe dies nicht die in der Rentenversicherung versicherten Risiken.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Berufsunfähig seien Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken sei. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen sei, umfasse alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Berufsunfähig sei nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden ausüben könne; dabei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
Die Klägerin sei nicht berufsunfähig, denn mit den beschriebenen Erkrankungen und Einschränkungen ihres Leistungsvermögens könne sie zur Überzeugung der Kammer noch ihren bisherigen Beruf als Bürokauffrau ausüben. Dies ergebe sich aus den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen einerseits und – wie der Kammer aus einer Vielzahl von berufskundlichen Angaben der berufskundlichen Sachverständigen betreffend Bürotätigkeiten bekannt sei – den Anforderungen an Tätigkeiten im Bürobereich andererseits. Bei der Klägerin sei – gemäß der Auskunft ihres Arbeitgebers, wonach sie Tätigkeiten einer Bürokauffrau bei der Abwicklung des Wareneinsatzes ausgeübt habe, die ihrer Qualität nach derjenigen einer Bürokauffrau entsprochen hätten – davon auszugehen, dass sie auch ohne entsprechende Ausbildung durch langjährige Tätigkeit einer ausgebildeten Kraft gleichzustellen sei, auch wenn sie nach einer Tarifgruppe (G 3) des Gehaltstarifvertrags für den H. Einzelhandel entlohnt worden sei, bei der es sich nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg nicht um eine Tarifgruppe handele, die "durch gelernte Angestelltentätigkeiten", nämlich Tätigkeiten mit mehr als 2- jähriger Ausbildung geprägt sei (Hinweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 22. August 2001 – L 3 RA 19/99).
Letztlich könne dies dahinstehen, da das Leistungsvermögen für Bürotätigkeiten ausreiche. Für die Klägerin stünden noch Tätigkeiten als Sachbearbeiterin zur Verfügung, für die eine durchschnittliche Verantwortung ausreichend sei und auf die sie zumutbar verweisbar sei. Hier finde sich eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen, die einen Haltungswechsel auch mehr als einmal stündlich erlaubten, bei denen die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde und die nicht mit Nachtarbeit verbunden seien. Dasselbe gelte für die Notwendigkeit fehlenden besonderen Zeitdrucks und besonderer nervlicher Belastung. Der Klägerin sei zuzugeben, dass insgesamt das Arbeitsleben teilweise unter Zeitdruck stehe, wie teilweise auch das Alltagsleben. Ausgeschlossen sei in ihrem Fall aber nur ein besonders erhöhter Zeitdruck, wie er keineswegs allen Bürotätigkeiten anhafte.
Am 19. November 2014 hat die Klage Berufung eingelegt und zugleich nach § 109 SGG die Einholung jeweils eines weiteren Sachverständigengutachtens auf orthopädischem und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beantragt. Es bestünden massive Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlich eingeholten Gutachten. Die Einschätzung Dr. N., wonach die Einnahme starker Schmerzmittel vor einer Untersuchung keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Begutachtungen habe, sei nicht nachvollziehbar. Sowohl Dr. N. als auch Dr. N1 hätten es versäumt, die Klägerin hierzu zu befragen und entsprechende Untersuchungen anzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 1. November 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat zunächst ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B1 vom 4. Februar 2016 eingeholt. Leistungslimitierend führend sei ein Ganzkörperschmerz als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung in Verbindung mit einer Fülle psychosozialer Belastungen. Die Erwerbsfähigkeit sei vollständig aufgehoben. Auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit sei mit der gebotenen Regelmäßigkeit nicht möglich. Tägliche Wegstrecken von mehr als 500 m könnten zu Fuß nur mit erheblichen Schmerzen und übermäßiger körperlicher Anstrengung bewältigt werden. Diese Einschränkungen bestünden ab dem Datum der Untersuchung am 27. Januar 2016. Aussicht auf Besserung bestünde nicht. Eine Gegenüberstellung der Feststellungen des Gutachtens von Dr. N. mit den eigenen Erkenntnissen zeige, dass die relevanten Gesundheitsaspekte jetzt deutlich stärker hervorstächen. Die belastenden Lebensumstände hätten sich in den knapp anderthalb Jahren seit der Vorbegutachtung in keiner Weise verbessert. Auch bezüglich ihrer subjektiven Beschwerdewahrnehmung habe kein therapeutischer Durchbruch erreicht werden können.
Die Beklagte ist dem Gutachten unter Hinweis auf eine gutachterliche Stellungnahme der Neurologin Frau Gerling entgegengetreten: Eine Verschlimmerung sei im Vergleich zum Gutachten des Dr. N. nicht zu erkennen. Die Klägerin, die auch nach den Feststellungen des Dr. B1 nicht psychiatrisch, psychotherapeutisch oder schmerztherapeutisch behandelt werde, sei auch in der letzten Begutachtung gut in der Lage gewesen, ihre Belange kompetent und überzeugend zu vertreten. Es erschließe sich nicht, inwieweit der Sachverständige "blockierte Ressourcen" oder eine fehlende Möglichkeit zur Willensanspannung erkenne. Dasselbe gelte für die Einschätzung, die Wegefähigkeit sei aufgehoben. Die Klägerin sei offenbar alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Begutachtung gekommen, und auch der Sachverständige habe den "organisch-neurologischen Befund" als "frei von richtungsweisenden krankhaften Auffälligkeiten" beschrieben.
Sodann hat der Senat – wiederum auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG – ein Gutachten des Chirurgen Z. vom 4. August 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin - eine mittelgradige Verschleißumformung der Halswirbelsäule mit geringradiger Bewegungseinschränkung ohne Hinweis auf eine Nerveneinklemmungssymptomatik, - eine geringgradige Verschleißumformung der Brustwirbelsäule und eine mittelgradige Verschleißumformung der Lendenwirbelsäule mit geringgradigen Bewegungseinschränkungen ohne Hinweise auf eine Nerveneinklemmungssymptomatik, - den Verdacht auf eine Verschleißumformung der Kreuzdarmbeinfugen, - einen knöchern verheilten Abrissbruch im Bereich des linken Oberarmkopfes mit endgradiger Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, - eine Verschleißumformung der Fingermittelgelenke und der Daumensattelgelenke mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Fingergelenke und knapp inkomplettem Faustschluss ohne Einschränkung der Greiffunktion beider Hände, - eine Verschleißumformung des linken Kniegelenks mit geringgradiger Bewegungseinschränkung und verbliebenem Reizuzstand, - eine Verschleißumformung der Großzehengrundgelenke, rechts versteift, links mit geringgradigen Bewegungseinschränkungen, - eine abgelaufene TIA (transitorische ischämische Attacke) ohne Hinweis auf verbliebene Funktionsstörungen, - eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung, - einen arteriellen Bluthochdruck ohne Nachweise einer Herzleistungsminderung, - eine psychische Erkrankung mit chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und depressiver Episode diagnostiziert. Höhergradige Funktionsstörungen der Wirbelsäule lägen nicht vor, auch keine rheumatischen Erkrankungen. Die Klägerin sei auch angesichts dessen noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung mit gelegentlichem Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltungen, nicht in Rumpfvorbeuge oder in knieender Haltung auszuüben. Nicht zumutbar seien Arbeiten auf unsicheren Arbeitsplätzen wie Leitern oder Gerüsten, Arbeiten über Kopf, in Schicht- oder Nachtarbeit oder unter Witterungseinflüssen. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin arbeitstäglich sechs Stunden und länger arbeiten. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich, allerdings müsse die Möglichkeit bestehen, sich innerhalb einer Stunde für fünf Minuten frei bewegen zu können. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Dem Gutachten von Dr. N1 könne gefolgt werden.
Die Klägerin sieht sich in dem Gutachten des Dr. B1 bestätigt: Dieser habe sich mit dem Vorgutachten ausführlich auseinandergesetzt und seine Auffassung dediziert begründet. Die Einwendungen der Beklagten seien nicht stichhaltig. Dass der Sachverständige Z. sich hingegen dem Gutachten von Dr. N1 anschließe, sei bemerkenswert. Da die Fachgebiete beider Mediziner so weit auseinander lägen, könne dies als Gefälligkeit gegenüber der Beklagten gewertet werden. Auch sonst sei dem Gutachten von Herrn Z. nicht zu folgen. Die Klägerin leide unter in Schüben auftretenden entzündlichen Erkrankungen, die mal stärker und mal weniger stark ausgeprägt seien. Überhaupt fielen rheumatische Erkrankungen auch gar nicht in das Fachgebiet des Herrn Z ...
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 22. und 27. September 2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, abgewiesen.
Soweit sich der Berufungsbegründung überhaupt eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung entnehmen lässt, greifen die diesbezüglichen Einwände nicht durch. Die Klägerin greift die von Dr. N. hauptsächlich bei der mündlichen Erörterung seines Gutachtens getroffenen Einschätzungen zur Schmerzmedikation und deren Auswirkungen mit dem pauschalen Hinweis an, Schmerzmittel beeinflussten das Verhalten des Patienten immer. Dies wiederum erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar. Soweit die Klägerin Dr. N1 vorwirft, er habe keine Feststellungen zur Schmerzmedikation getroffen, wird ebenfalls nicht klar, inwieweit dies das Ergebnis des betreffenden Gutachtens negativ beeinflusst haben soll.
Aber auch aus den beiden Gutachten, die der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholt hat, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte auf das Vorliegen der Voraussetzungen voller oder auch nur teilweiser Erwerbsminderung.
Was zunächst das Gutachten des Sachverständigen Z. angeht, so bestätigt dies hinsichtlich der Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates und ihrer Auswirkungen auf das Leistungsvermögen die Einschätzung des Orthopäden Dr. N1 und nicht – wie die Klägerin offenbar meint – die des Neurologen und Psychiaters Dr. N ... Schon angesichts dieser offensichtlichen Verwechslung geht der Vorwurf, der von der Klägerin selbst im Wege des § 109 SGG benannte Sachverständige habe sich mit seinem Gutachten der Beklagten gefällig erweisen wollen, erkennbar ins Leere.
Auch sonst ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von Herrn Z. unrichtig oder unvollständig wäre. Soweit die Klägerin inhaltlich dagegen einwendet, sie leide unter in Schüben auftretenden rheumatischen Erkrankungen, findet sich hierfür kein hinreichender Anhalt. Zwar stand und steht die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms im Raum, wie es etwa in einem Arztbrief der S. Klinik vom 17. Januar 2011 diagnostiziert worden ist. Sowohl Herr Z. als auch (erstinstanzlich) Dr. N1 haben sich mit dieser Diagnose auseinandergesetzt und sie (wie ein großer Teil der Ärzte, die die Klägerin ansonsten untersucht haben) verneint und die entsprechenden Beschwerden – die sie durchaus erhoben und gewürdigt haben – auf eine chronische Schmerzstörung zurückgeführt.
Das Gutachten von Dr. B1, auf das sich die Klägerin maßgeblich stützt, überzeugt den Senat hingegen nicht. Die Einschätzung, die Klägerin könne keinerlei Arbeiten mehr verrichten, und auch die Wegefähigkeit sei aufgehoben, findet in den von Dr. B1 erhobenen Befunden keine hinreichende Stütze. Allein die Diagnose eines Ganzkörperschmerzes als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung in Verbindung mit einer Fülle psychosozialer Belastungen legt den Schluss auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht schon von sich aus nahe. Aber auch der psychische Befund vermag diese Einschätzung nicht zu stützen. Die Klägerin war wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Ihre Stimmung war dyshorisch-moros mit einer gewissen Affektlabilität. Dies kann – auch nicht angesichts der ebenfalls festgestellten pessimistischen Hoffnungslosigkeit – den Schluss auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht plausibel erklären.
Erst recht erschließt sich nicht, wieso die Wegefähigkeit aufgehoben sein sollte. Der Sachverständige berichtet selbst, die Klägerin sei ohne Begleitperson erschienen, nachdem sie die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt habe. Anhaltspunkte, dass dies nur unter unzumutbaren Schmerzen möglich gewesen wäre, finden sich nicht. Insbesondere zeigte der neurologische Befund keinerlei Hinweise auf ein limitiertes Gehvermögen. Der Barfußstand war sicher und das Gangbild zwar etwas unharmonisch, aber "raumfördernd" [recte: raumfordernd]. Hinweise auf eine Lähmung bestanden nicht, ebensowenig Minderungen der Muskelsubstanz.
Nicht überzeugend ist auch die Begründung, mit der Dr. B1 vom Gutachten des Dr. N. abweicht. Der Sache nach vertritt Dr. B1 hierbei die Auffassung, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich zwischen der Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren und der Begutachtung durch ihn selbst wesentlich verschlechtert: Eine Gegenüberstellung der Feststellungen des Gutachtens von Dr. N. mit den eigenen Erkenntnissen zeige, dass die relevanten Gesundheitsaspekte jetzt deutlich stärker hervorstächen. Dies allerdings steht lässt sich nicht – wie Dr. B1 es tut – damit begründen, dass sich die belastenden Lebensumstände in den knapp anderthalb Jahren seit der Vorbegutachtung in keiner Weise verbessert hätten und dass kein therapeutischer Durchbruch habe erreicht werden können. Auch wenn – wie Dr. B1 hierbei herausstellt – eine Chronifizierung des bereits von Dr. N. vorgefundenen Zustandes eingetreten sein sollte, lässt dies nicht den Schluss auf eine maßgebliche Verschlechterung zu und erklärt die Abweichung nicht. Ein Fortschreiten der Erkrankung, das die Abweichung zwischen beiden Sachverständigengutachten erklären könnte, wird angedeutet, aber nicht plausibel gemacht. Vielmehr ist in der Folge gerade davon die Rede, angesichts der sozialen Isolation der Klägerin fehle es "seit langem" an dem erforderlichen Korrektiv.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die am xxxxx 1957 geborene Klägerin übte nach dem Abbruch einer Ausbildung zur Bürokauffrau im Jahr 1975 eine Beschäftigung bei der O. GmbH & Co KG aus, zunächst als Sachbearbeiterin, anschließend bis 1984 als Datentypistin und von 1985 bis 2010 als "Sachbearbeiterin Wareneinsatz". Ausweislich der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft war die Einstellung der Klägerin aufgrund eines Ausbildungsnachweises als Bürokauffrau erfolgt. Entlohnt worden war die Klägerin nach der Gruppe G 3/06 des H. Einzelhandelstarifs. Die Klägerin war von Oktober 2009 bis März 2010 arbeitsunfähig. Anschließend bezog sie zunächst Arbeitslosengeld und ab August 2011 Arbeitslosengeld II.
Die Klägerin nahm während des Jahres 2009 zunächst an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik D. (Diagnosen: schmerzhafte Bewegungs- und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei Osteochondrose, medikamentös eingestellter Bluthochdruck, Adipositas mit BMI 32, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom) nebst Nachsorgeverfahren im Regio Reha-Zentrum P. (zusätzliche Diagnose: Epicondylitis radialis humeri) teil und später – nach einer Operation der Halswirbelsäule – an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum B. (Diagnosen: Zervikobrachial-Syndrom, Nucleotomie der Halswirbelsäule, essentielle Hypertonie, Kreuzschmerz und sonstige Enthesiopathien).
Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit (Sachverständige Frau Dr. H1) kam im März 2010 zu der Einschätzung, die Klägerin sei derzeit arbeitsunfähig. Eine mehr als sechsmonatige Minderung der Leistungsfähigkeit sei wahrscheinlich. Die Erstellung eines Leistungsbildes werde zurückgestellt.
Bei einer Untersuchung der Klägerin im Januar 2011 durch den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten stellte die Orthopädin Dr. K2 wiederkehrende Schulter-Arm-Beschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, wiederkehrende Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Bewegungsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen sowie Übergewicht fest. Das Leistungsvermögen sei auf körperlich leichte und leidensangepasste Arbeiten beschränkt, liege dann aber bei täglich sechs Stunden und mehr. Anschließend begann die Klägerin mit einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme im STC ambulanten Therapiezentrum, die sie – ausweislich eines Attests der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. T. – wegen chronischer Schmerzen und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrach. Der Entlassungsbericht nennt chronische Zervikobrachialgien, ein chronisch degeneratives Lumbalsyndrom, Polyarthralgien/Enthesiopathien und Adipositas. Der frühzeitige Abbruch erlaube keine aussagekräftige Leistungsbeurteilung.
Ihren am 18. März 2011 gestellten Rentenantrag begründete die Klägerin damit, sie halte sich aufgrund einer Versteifung der Wirbelsäule und der Großzehengrundgelenke, Fibromyalgie (diagnostiziert in einem Arztbrief der S. Klinik vom 17. Januar 2011) und chronischer Sinusitis seit November 2009 für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste eine Leistungsbeurteilung durch den Chirurgen Dr. R. und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. August 2011 ab. Die Klägerin erhob am 7. September 2011 Widerspruch und führte unter Vorlage des bereits anlässlich des Abbruchs der Rehabilitationsmaßnahme eingereichten Attests von Dr. T. sowie eines Entlassungsberichts des U. – Klinik und Poliklinik für Neurologie – aus, sie sei wegen des Verdachts auf eine transitorische ischämische Attacke (TIA) stationär behandelt worden. Eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme habe sie wegen einer chronischen Schmerzerkrankung und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung abbrechen müssen. Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. F. und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2012 zurück: Die Klägerin leide an - wiederkehrenden Nacken-, Schulter- und Armbeschwerden rechts mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, - wiederkehrenden Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit leichter Funktionsstörung ohne Nervenwurzelreizerscheinungen und - einem Carpaltunnelsyndrom und sei imstande, leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervliche Belastung, ohne häufiges Bücken, häufiges Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten, ohne Überkopfarbeiten ohne längere und schwere Festhalte- und Greifarbeiten beidseits, ohne feinmotorisches Arbeiten, ohne Exposition durch Nässe, Kälte oder Zugluft zu verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin arbeitstäglich sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Dieses Leistungsvermögen genüge auch, um weiterhin einer Tätigkeit als Bürokauffrau nachzugehen.
Die Klägerin hat am 23. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben.
Sie hat ein Konvolut von Krankenunterlagen zur Akte gereicht und ausgeführt, sie verfüge aufgrund der Schmerzsymptomatik nicht mehr über das für eine Erwerbstätigkeit nötige Konzentrationsvermögen. Auch die Umstellung auf eine andere Tätigkeit sei nicht vorstellbar. Die Klägerin könne auch nicht längere Zeit sitzen. Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne nervliche Belastung gebe es auf dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht. Die Klägerin, die einer gelernten Bürokauffrau gleichzustellen sei, dürfe auch nicht auf Ungelerntentätigkeiten verwiesen werden.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben.
Das Sozialgericht hat Unterlagen des MDK, des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit und der Versorgungsverwaltung beigezogen, weiterhin Krankenakten des A. Klinikums W. und der S. Klinik E ... Es hat eine Arbeitgeberauskunft der O. GmbH & Co. KG sowie Befundberichte des HNO-Arztes Dr. K1, des Orthopäden Dr. R1, des Internisten B2, der Neurologin Frau Dr. F1, von Dr. T., dem Orthopäden K., der HNO-Ärztin Dr. H2 und dem Orthopäden Dr. M. eingeholt.
Zur weiteren Aufklärung des sozialmedizinischen Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst ein Gutachten des Orthopäden Dr. N1 vom 22. September 2013 eingeholt. Der Sachverständige hat - eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie Verspannungen der Schulter- und Nackenmuskulatur nach Fusion der Bewegungssegmente C5/6 sowie C6/7 mit objektiv regelrechtem Ergebnis, insbesondere ohne Anhalt für ein fortbestehendes bedeutsames Nervenwurzelreiz- oder gar -kompressionssyndrom, ausgehend von der Halswirbelsäule, - ein fortgeschrittenes Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule im Sinne eines degenerativen Bandscheibenschadens L4/5 (Osteochondrose) sowie in der Kernspintomographie nachgewiesenen bandscheibenbedingten Raumforderungen in den Etagen L3/4,L 4/5 und L5/S1 mit Bedrängung mehrerer Nervenwurzeln, klinisch jedoch mit nur mäßiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule und ohne Hinweis für ein bedeutsames von der Lendenwirbelsäule ausgehendes Nervenwurzelreiz- oder -kompressionssyndrom, - ein beginnendes Verschleißleiden beider Kniegelenke, - eine einsetzende Arthrose der Mittelfuß-/ Fußwurzelgelenke beidseits bei mäßiger Fußfehlstatik, mittels operativer Versteifung behandelte Arthrose des Großzehengrundgelenks rechts, einen deutlichen Hallux valgus und beginnenden Hallux rigidus links, - eine als Behandlungsleiden eingeschätzte Epicondylitis radialis rechts, - einen leichten Reizzustand im Bereich des Carpaltunnels nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms links im Mai 2013; beginnende Langfingerarthrose, angegebene Beschwerden im Bereich des Daumensattelgelenks beidseits ohne eindeutiges Korrelat diagnostiziert. Eine nahezu den gesamten Halte- und Bewegungsapparat umfassende Schmerzstörung sei nicht als Fibromyalgiesyndrom einzuschätzen, sondern als somatoforme Störung. Die Klägerin sei von Seiten des orthopädischen Fachgebiets noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung zu verrichten. Unzumutbar seien Arbeiten mit Heben oder Tragen mittelschwerer Lasten, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit häufigem oder anhaltendem Arbeiten mit Einsatz der Hände über der Horizontalen, mit häufigen Arbeiten im Knien oder in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten, mit lang anhaltenden einseitigen Körperhaltungen und mit der Notwendigkeit häufigen und anhaltenden monotonen und kraftvollen Zugreifens mit beiden Händen. Ein Haltungswechsel einmal pro Stunde sei ausreichend. Die Klägerin könne sowohl Pack-, Montier- und Sortierarbeiten als auch – bei Berücksichtigung der Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung – Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Allerdings sei eine weitere Beweisaufnahme auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet für erforderlich.
Die Klägerin ist dem Gutachten mit dem Hinweis entgegengetreten, es spiegele nicht ihren tatsächlichen Zustand wider. Im Jahr 2007 habe sie zwei Jahre lang eine Gesprächspsychotherapie bei der Dipl.-Psych. B3 durchgeführt; diese sei jedoch nicht erfolgreich gewesen, da sie sich nicht habe öffnen können.
Das Sozialgericht hat daraufhin zunächst einen Befundbericht der Dipl.-Psych. B3 eingeholt und dann ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 23. August 2014, welches der Sachverständige zusätzlich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2014 mündlich erörtert hat. Der Sachverständige hat - eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, - eine leichte, aber anhaltende depressive Episode, differentialdiagnostisch Dysthymia in enger Verknüpfung mit dem chronischen Schmerzsyndrom sowie lebensbiografischen Faktoren mit dependenten Persönlichkeitsakzenten, - ein C7-Syndrom rechts bei Zustand nach zervikaler Fusionsoperation mit Spondylodese C5/6/7, - ein Wirbelsäulen-Syndrom im Lumbalbereich ohne Nachweis nervenwurzelbezogener neurologischer Defizite, - den Zustand nach cerebralen Durchblutungsstörungen (TIA), - arteriellen Bluthochdruck und - den Zustand nach Operationen von Carpaltunnelsyndromen beidseits diagnostiziert. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte und geistig einfache bis durchschnittliche Arbeiten mit geringer bis durchschnittlicher Verantwortung auszuüben. Eine Computermaus könne die Klägerin bedienen. Die Arbeit solle in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Gegenständen, nicht in kauernder oder gebückter Haltung und nicht überkopf verrichtet werden. Unzumutbar seien Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, unter Akkord- oder Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Witterungsschutz sei erforderlich. Unter Beachtung dieser Einschränkungen bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen ohne die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Etwaige Hemmungen gegenüber der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit könne die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung überwinden. Diese Einschätzung des Leistungsvermögens trage auch der vorhandenen Multimorbidität Rechnung. Der Gesamteindruck spreche auch nicht für eine massive Einschränkung durch eine chronische Schmerzwahrnehmung.
Durch Urteil vom 2. Oktober 2014 (dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 27. Oktober 2014) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Privatinsolvenzverfahren der Klägerin (Az. 68 e IK 279/12) stehe einer Sachentscheidung gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 240 Zivilprozessordnung nicht mehr entgegen, nachdem der Eröffnungsbeschluss am 21. Juni 2013 aufgehoben worden sei und die Wohlverhaltensphase begonnen habe.
Die Klage sei aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) habe die Klägerin nicht, da sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Voll erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert seien Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert sei nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne; dabei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Das Leistungsvermögen der Klägerin sei nach den übereinstimmenden und überzeugenden Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N1 und Dr. N., denen die Kammer folge, zwar in qualitativer Hinsicht eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Mit den vorgefundenen Einschränkungen ihres Leistungsvermögens könne die Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten ausüben, dies jedoch unter adäquater Behandlung vollschichtig und regelmäßig. Konkret seien dies Tätigkeiten durchschnittlicher geistiger Art und Verantwortung mit durchschnittlichen geistigen Anforderungen, wie Dr. N. in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt habe, nicht bei Nacht, in wechselnder Haltung, wobei ein Haltungswechsel einmal pro Stunde ausreiche, nicht jedoch Arbeiten mit Heben oder Tragen mittelschwerer Lasten, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufige oder anhaltende Arbeiten mit Einsatz der Hände über der Horizontalen, häufige Arbeiten im Knien oder in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten, mit lang anhaltenden einseitigen Körperhaltungen und mit der Notwendigkeit häufigen und anhaltenden monotonen und kraftvollen Zugreifens mit beiden Händen. Sie könne auch – bei Berücksichtigung der Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung – Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen verrichten. Insbesondere sei sie nach der ausdrücklichen Angabe von Dr. N. in der Lage, eine Computermaus zu bedienen.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass bei der Klägerin im Jahr 2010 von Dr. H1 für die Agentur für Arbeit ein Leistungsvermögen von weniger als 15 Stunden festgestellt worden sei. Eine schwerere depressive Erkrankung sei schon deshalb nicht anzunehmen, da die Klägerin durchaus ein Alltagsleben beschreibe, das einen sozialen Rückzug nicht erkennen lasse. Je weniger schwer die depressive Störung jedoch sei, desto eher bestünden Ressourcen, eine Schmerzstörung überwinden zu können. Eine Rückenmarksschädigung liege bei ihr nicht vor. Im Gegenteil seien von der Halswirbelsäule im Bereich C7 herrührende Schädigungen, die die obere Seite des Arms und die Finger II bis IV der Hand betreffen würden, nur durch Reflexdifferenzen überhaupt nachweisbar gewesen, ohne sensomotorische Defizite.
Hinzu komme, dass keineswegs sämtliche erforderlichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft seien. Die Klägerin, bei der mittlerweile eine den ganzen Körper betreffende Schmerzstörung bestehe, die auch eine realistische Wahrnehmung des Ausmaßes des Schmerzes behindere, habe die Behandlung in der Schmerzambulanz beendet, weil sie sich mit der Therapeutin nicht verstanden habe, und befinde sich weder in psychiatrischer Behandlung, noch finde eine Psychotherapie statt. In einer früher durchgeführten Verhaltenstherapie habe sie sich "nicht öffnen" können. Hier fehle deutlich eine adäquate Behandlung etwaiger psychischer Ursachen der gestörten Schmerzwahrnehmung, die auch von Dr. N1 (gemeint: N.) deutlich beschrieben worden sei und die nicht korreliere mit ihrer Gestik und Mimik, worauf Dr. N1 (gemeint: N.) in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen habe. Ebenso sei zu beobachten, dass die Klägerin eine große Zahl von Behandlungsversuchen (ambulante und teilstationäre Rehabilitation, orthopädische Behandlung, Schmerztherapie, Psychotherapie) abgebrochen habe, bevor sich ein Erfolg habe einstellen können.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin angegeben habe, sie habe am Untersuchungstag bei Dr. N. eine erhöhte Dosis an Schmerzmitteln eingenommen als verordnet und als üblich. Dies ergebe sich zum einen aus dem im schriftlichen Gutachten von Dr. N. dargelegten psychopathologischen Befund. Auch unter der angegebenen erhöhten Medikation hätten ausreichende Fähigkeiten zur Konzentration über die Dauer der Untersuchung, eine rege Psychomotorik und ausreichende Wachheit, sowie ein Verhalten in der Untersuchung, das auf eine für das Arbeitsleben ausreichende Ein- und Umstellfähigkeit schließen lasse, bestanden. Selbst wenn sich Gestik und Mimik durch die erhöhte Medikation verändert dargestellt hätten, was der Sachverständige nicht ausgeschlossen habe, seien genügend Anhaltspunkte zur Einschätzung der Gesamtsituation geblieben.
Im Übrigen habe der Sachverständige Gelegenheit gehabt, die Klägerin in der mündlichen Verhandlung über einen Zeitraum von nochmals 90 Minuten zu erleben, als sie ihren eigenen Angaben nach keine erhöhte Schmerzmedikation eingenommen gehabt habe. Auch währenddessen sei nach der Wahrnehmung Dr. N. (und auch nach dem Eindruck der Kammer) nicht von massiven Einschränkungen z.B. der Konzentration, der Ein- und Umstellfähigkeit auszugehen gewesen.
Da ein vollschichtiges Leistungsvermögen erhalten sei und ausreichend Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden, bestehe keine Notwendigkeit zur Benennung einer besonderen Verweisungstätigkeit. Die Klägerin könne aber mit dem erhaltenen Leistungsvermögen auch noch sitzende Tätigkeiten in ihrem bisherigen Beruf als Bürokauffrau ausführen. Insbesondere sei sie nach der ausdrücklichen Angabe von Dr. N. in der Lage, eine Computermaus zu bedienen und müsse ihre Haltung nach Angaben von Dr. N. nicht öfter als einmal pro Stunde wechseln können. Diese Voraussetzungen seien gerade in vielen Bürotätigkeiten gegeben, die ein individuelleres Arbeiten zuließen als Tätigkeiten wie Pack-, Montier- und Sortiertätigkeiten. Nach Angaben von Dr. N1 werde die Klägerin auch nicht durch die Einschränkungen von Seiten ihrer Hals- oder Lendenwirbelsäule daran gehindert, Tätigkeiten am Bildschirm auszuüben, sofern die Vorgaben der Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten würden. Es sei davon auszugehen, dass diese verbindliche Verordnung von Arbeitgebern eingehalten werde. Solle dies im Einzelfall nicht so sein, betreffe dies nicht die in der Rentenversicherung versicherten Risiken.
Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Berufsunfähig seien Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken sei. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen sei, umfasse alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Berufsunfähig sei nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden ausüben könne; dabei sei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 SGB VI).
Die Klägerin sei nicht berufsunfähig, denn mit den beschriebenen Erkrankungen und Einschränkungen ihres Leistungsvermögens könne sie zur Überzeugung der Kammer noch ihren bisherigen Beruf als Bürokauffrau ausüben. Dies ergebe sich aus den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen einerseits und – wie der Kammer aus einer Vielzahl von berufskundlichen Angaben der berufskundlichen Sachverständigen betreffend Bürotätigkeiten bekannt sei – den Anforderungen an Tätigkeiten im Bürobereich andererseits. Bei der Klägerin sei – gemäß der Auskunft ihres Arbeitgebers, wonach sie Tätigkeiten einer Bürokauffrau bei der Abwicklung des Wareneinsatzes ausgeübt habe, die ihrer Qualität nach derjenigen einer Bürokauffrau entsprochen hätten – davon auszugehen, dass sie auch ohne entsprechende Ausbildung durch langjährige Tätigkeit einer ausgebildeten Kraft gleichzustellen sei, auch wenn sie nach einer Tarifgruppe (G 3) des Gehaltstarifvertrags für den H. Einzelhandel entlohnt worden sei, bei der es sich nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg nicht um eine Tarifgruppe handele, die "durch gelernte Angestelltentätigkeiten", nämlich Tätigkeiten mit mehr als 2- jähriger Ausbildung geprägt sei (Hinweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 22. August 2001 – L 3 RA 19/99).
Letztlich könne dies dahinstehen, da das Leistungsvermögen für Bürotätigkeiten ausreiche. Für die Klägerin stünden noch Tätigkeiten als Sachbearbeiterin zur Verfügung, für die eine durchschnittliche Verantwortung ausreichend sei und auf die sie zumutbar verweisbar sei. Hier finde sich eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen, die einen Haltungswechsel auch mehr als einmal stündlich erlaubten, bei denen die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde und die nicht mit Nachtarbeit verbunden seien. Dasselbe gelte für die Notwendigkeit fehlenden besonderen Zeitdrucks und besonderer nervlicher Belastung. Der Klägerin sei zuzugeben, dass insgesamt das Arbeitsleben teilweise unter Zeitdruck stehe, wie teilweise auch das Alltagsleben. Ausgeschlossen sei in ihrem Fall aber nur ein besonders erhöhter Zeitdruck, wie er keineswegs allen Bürotätigkeiten anhafte.
Am 19. November 2014 hat die Klage Berufung eingelegt und zugleich nach § 109 SGG die Einholung jeweils eines weiteren Sachverständigengutachtens auf orthopädischem und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beantragt. Es bestünden massive Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlich eingeholten Gutachten. Die Einschätzung Dr. N., wonach die Einnahme starker Schmerzmittel vor einer Untersuchung keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Begutachtungen habe, sei nicht nachvollziehbar. Sowohl Dr. N. als auch Dr. N1 hätten es versäumt, die Klägerin hierzu zu befragen und entsprechende Untersuchungen anzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 1. November 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat zunächst ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B1 vom 4. Februar 2016 eingeholt. Leistungslimitierend führend sei ein Ganzkörperschmerz als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung in Verbindung mit einer Fülle psychosozialer Belastungen. Die Erwerbsfähigkeit sei vollständig aufgehoben. Auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit sei mit der gebotenen Regelmäßigkeit nicht möglich. Tägliche Wegstrecken von mehr als 500 m könnten zu Fuß nur mit erheblichen Schmerzen und übermäßiger körperlicher Anstrengung bewältigt werden. Diese Einschränkungen bestünden ab dem Datum der Untersuchung am 27. Januar 2016. Aussicht auf Besserung bestünde nicht. Eine Gegenüberstellung der Feststellungen des Gutachtens von Dr. N. mit den eigenen Erkenntnissen zeige, dass die relevanten Gesundheitsaspekte jetzt deutlich stärker hervorstächen. Die belastenden Lebensumstände hätten sich in den knapp anderthalb Jahren seit der Vorbegutachtung in keiner Weise verbessert. Auch bezüglich ihrer subjektiven Beschwerdewahrnehmung habe kein therapeutischer Durchbruch erreicht werden können.
Die Beklagte ist dem Gutachten unter Hinweis auf eine gutachterliche Stellungnahme der Neurologin Frau Gerling entgegengetreten: Eine Verschlimmerung sei im Vergleich zum Gutachten des Dr. N. nicht zu erkennen. Die Klägerin, die auch nach den Feststellungen des Dr. B1 nicht psychiatrisch, psychotherapeutisch oder schmerztherapeutisch behandelt werde, sei auch in der letzten Begutachtung gut in der Lage gewesen, ihre Belange kompetent und überzeugend zu vertreten. Es erschließe sich nicht, inwieweit der Sachverständige "blockierte Ressourcen" oder eine fehlende Möglichkeit zur Willensanspannung erkenne. Dasselbe gelte für die Einschätzung, die Wegefähigkeit sei aufgehoben. Die Klägerin sei offenbar alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Begutachtung gekommen, und auch der Sachverständige habe den "organisch-neurologischen Befund" als "frei von richtungsweisenden krankhaften Auffälligkeiten" beschrieben.
Sodann hat der Senat – wiederum auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG – ein Gutachten des Chirurgen Z. vom 4. August 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat bei der Klägerin - eine mittelgradige Verschleißumformung der Halswirbelsäule mit geringradiger Bewegungseinschränkung ohne Hinweis auf eine Nerveneinklemmungssymptomatik, - eine geringgradige Verschleißumformung der Brustwirbelsäule und eine mittelgradige Verschleißumformung der Lendenwirbelsäule mit geringgradigen Bewegungseinschränkungen ohne Hinweise auf eine Nerveneinklemmungssymptomatik, - den Verdacht auf eine Verschleißumformung der Kreuzdarmbeinfugen, - einen knöchern verheilten Abrissbruch im Bereich des linken Oberarmkopfes mit endgradiger Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, - eine Verschleißumformung der Fingermittelgelenke und der Daumensattelgelenke mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Fingergelenke und knapp inkomplettem Faustschluss ohne Einschränkung der Greiffunktion beider Hände, - eine Verschleißumformung des linken Kniegelenks mit geringgradiger Bewegungseinschränkung und verbliebenem Reizuzstand, - eine Verschleißumformung der Großzehengrundgelenke, rechts versteift, links mit geringgradigen Bewegungseinschränkungen, - eine abgelaufene TIA (transitorische ischämische Attacke) ohne Hinweis auf verbliebene Funktionsstörungen, - eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung, - einen arteriellen Bluthochdruck ohne Nachweise einer Herzleistungsminderung, - eine psychische Erkrankung mit chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und depressiver Episode diagnostiziert. Höhergradige Funktionsstörungen der Wirbelsäule lägen nicht vor, auch keine rheumatischen Erkrankungen. Die Klägerin sei auch angesichts dessen noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung mit gelegentlichem Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltungen, nicht in Rumpfvorbeuge oder in knieender Haltung auszuüben. Nicht zumutbar seien Arbeiten auf unsicheren Arbeitsplätzen wie Leitern oder Gerüsten, Arbeiten über Kopf, in Schicht- oder Nachtarbeit oder unter Witterungseinflüssen. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin arbeitstäglich sechs Stunden und länger arbeiten. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich, allerdings müsse die Möglichkeit bestehen, sich innerhalb einer Stunde für fünf Minuten frei bewegen zu können. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Dem Gutachten von Dr. N1 könne gefolgt werden.
Die Klägerin sieht sich in dem Gutachten des Dr. B1 bestätigt: Dieser habe sich mit dem Vorgutachten ausführlich auseinandergesetzt und seine Auffassung dediziert begründet. Die Einwendungen der Beklagten seien nicht stichhaltig. Dass der Sachverständige Z. sich hingegen dem Gutachten von Dr. N1 anschließe, sei bemerkenswert. Da die Fachgebiete beider Mediziner so weit auseinander lägen, könne dies als Gefälligkeit gegenüber der Beklagten gewertet werden. Auch sonst sei dem Gutachten von Herrn Z. nicht zu folgen. Die Klägerin leide unter in Schüben auftretenden entzündlichen Erkrankungen, die mal stärker und mal weniger stark ausgeprägt seien. Überhaupt fielen rheumatische Erkrankungen auch gar nicht in das Fachgebiet des Herrn Z ...
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 22. und 27. September 2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, abgewiesen.
Soweit sich der Berufungsbegründung überhaupt eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung entnehmen lässt, greifen die diesbezüglichen Einwände nicht durch. Die Klägerin greift die von Dr. N. hauptsächlich bei der mündlichen Erörterung seines Gutachtens getroffenen Einschätzungen zur Schmerzmedikation und deren Auswirkungen mit dem pauschalen Hinweis an, Schmerzmittel beeinflussten das Verhalten des Patienten immer. Dies wiederum erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar. Soweit die Klägerin Dr. N1 vorwirft, er habe keine Feststellungen zur Schmerzmedikation getroffen, wird ebenfalls nicht klar, inwieweit dies das Ergebnis des betreffenden Gutachtens negativ beeinflusst haben soll.
Aber auch aus den beiden Gutachten, die der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholt hat, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte auf das Vorliegen der Voraussetzungen voller oder auch nur teilweiser Erwerbsminderung.
Was zunächst das Gutachten des Sachverständigen Z. angeht, so bestätigt dies hinsichtlich der Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates und ihrer Auswirkungen auf das Leistungsvermögen die Einschätzung des Orthopäden Dr. N1 und nicht – wie die Klägerin offenbar meint – die des Neurologen und Psychiaters Dr. N ... Schon angesichts dieser offensichtlichen Verwechslung geht der Vorwurf, der von der Klägerin selbst im Wege des § 109 SGG benannte Sachverständige habe sich mit seinem Gutachten der Beklagten gefällig erweisen wollen, erkennbar ins Leere.
Auch sonst ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von Herrn Z. unrichtig oder unvollständig wäre. Soweit die Klägerin inhaltlich dagegen einwendet, sie leide unter in Schüben auftretenden rheumatischen Erkrankungen, findet sich hierfür kein hinreichender Anhalt. Zwar stand und steht die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms im Raum, wie es etwa in einem Arztbrief der S. Klinik vom 17. Januar 2011 diagnostiziert worden ist. Sowohl Herr Z. als auch (erstinstanzlich) Dr. N1 haben sich mit dieser Diagnose auseinandergesetzt und sie (wie ein großer Teil der Ärzte, die die Klägerin ansonsten untersucht haben) verneint und die entsprechenden Beschwerden – die sie durchaus erhoben und gewürdigt haben – auf eine chronische Schmerzstörung zurückgeführt.
Das Gutachten von Dr. B1, auf das sich die Klägerin maßgeblich stützt, überzeugt den Senat hingegen nicht. Die Einschätzung, die Klägerin könne keinerlei Arbeiten mehr verrichten, und auch die Wegefähigkeit sei aufgehoben, findet in den von Dr. B1 erhobenen Befunden keine hinreichende Stütze. Allein die Diagnose eines Ganzkörperschmerzes als Ausdruck einer somatoformen Schmerzstörung in Verbindung mit einer Fülle psychosozialer Belastungen legt den Schluss auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht schon von sich aus nahe. Aber auch der psychische Befund vermag diese Einschätzung nicht zu stützen. Die Klägerin war wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Ihre Stimmung war dyshorisch-moros mit einer gewissen Affektlabilität. Dies kann – auch nicht angesichts der ebenfalls festgestellten pessimistischen Hoffnungslosigkeit – den Schluss auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht plausibel erklären.
Erst recht erschließt sich nicht, wieso die Wegefähigkeit aufgehoben sein sollte. Der Sachverständige berichtet selbst, die Klägerin sei ohne Begleitperson erschienen, nachdem sie die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt habe. Anhaltspunkte, dass dies nur unter unzumutbaren Schmerzen möglich gewesen wäre, finden sich nicht. Insbesondere zeigte der neurologische Befund keinerlei Hinweise auf ein limitiertes Gehvermögen. Der Barfußstand war sicher und das Gangbild zwar etwas unharmonisch, aber "raumfördernd" [recte: raumfordernd]. Hinweise auf eine Lähmung bestanden nicht, ebensowenig Minderungen der Muskelsubstanz.
Nicht überzeugend ist auch die Begründung, mit der Dr. B1 vom Gutachten des Dr. N. abweicht. Der Sache nach vertritt Dr. B1 hierbei die Auffassung, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich zwischen der Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren und der Begutachtung durch ihn selbst wesentlich verschlechtert: Eine Gegenüberstellung der Feststellungen des Gutachtens von Dr. N. mit den eigenen Erkenntnissen zeige, dass die relevanten Gesundheitsaspekte jetzt deutlich stärker hervorstächen. Dies allerdings steht lässt sich nicht – wie Dr. B1 es tut – damit begründen, dass sich die belastenden Lebensumstände in den knapp anderthalb Jahren seit der Vorbegutachtung in keiner Weise verbessert hätten und dass kein therapeutischer Durchbruch habe erreicht werden können. Auch wenn – wie Dr. B1 hierbei herausstellt – eine Chronifizierung des bereits von Dr. N. vorgefundenen Zustandes eingetreten sein sollte, lässt dies nicht den Schluss auf eine maßgebliche Verschlechterung zu und erklärt die Abweichung nicht. Ein Fortschreiten der Erkrankung, das die Abweichung zwischen beiden Sachverständigengutachten erklären könnte, wird angedeutet, aber nicht plausibel gemacht. Vielmehr ist in der Folge gerade davon die Rede, angesichts der sozialen Isolation der Klägerin fehle es "seit langem" an dem erforderlichen Korrektiv.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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