L 4 AS 273/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 39 AS 4251/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 273/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der Übernahme von Tilgungsraten für ein Hausdarlehen für die Monate November 2013 bis zum 13. Mai 2014.

Die im Jahr 1969 geborene Klägerin erwarb im April 2008 eine eigene Wohnung mit einer Größe von 48,93 qm zum Kaufpreis von 71.400 Euro und nahm hierfür ein Darlehen bei der I. Bank ebenfalls in der Höhe von 71.400 Euro auf. Am 30. Mai 2014 bestand eine Restschuld von 47.825,31 Euro bzw. am 30. Mai 2016 in Höhe von 43.879,32 Euro; die monatliche Kreditrate beträgt 354,03 Euro bei einem Tilgungsanteil von ca. 150 Euro.

Am 15. Juli 2013 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II und gab hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung u.a. die Zins- und Tilgungsraten für das zur Wohnungsfinanzierung aufgenommene Darlehen an.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2013 bewilligte der Beklagte vorläufig und mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 endgültig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2013. Die Übernahme von Tilgungsraten wurde im Rahmen dieses Bewilligungsbescheids nicht berücksichtigt. Dagegen wendete sich die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2013.

Am 20. Dezember 2013 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag für Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 17. Januar 2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 30. Juni 2014. Im Rahmen dieser Bewilligung wurden ebenfalls keine Tilgungsraten berücksichtigt. Mit einem weiteren Bescheid vom 17. Januar 2014 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des Tilgungsanteils ausdrücklich ab. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Februar 2014 Widerspruch ein.

Ab dem 14. Mai 2014 erhielt die Klägerin Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2014, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 5. November 2014, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er berief sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. August 2012 (Az. B 14 AS 1/12 R), wonach die monatlichen Tilgungsraten für eine Immobilie nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung gehörten. Ausnahmen bestünden nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn es mit Verweis auf den ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses Wohnen um die Erhaltung einer Wohnung gehe, deren Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Hiergegen hat die Klägerin am 4. Dezember 2014 Klage erhoben. Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen damit, dass die Erhaltung des Wohnraums Vorrang genießen müsse gegenüber dem Grundsatz, dass SGB II-Leistungen nicht dem Vermögensaufbau des Hilfebedürftigen dienen sollten, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Gleichstellung von Mietern und Wohnungseigentümern. Soweit der Aufwand für Schulden und Tilgung die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht überschreite, habe bei drohendem Wohnungsverlust der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten. Hierbei hat die Klägerin im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (Az. 4 AS 49/14 R) verwiesen, bei dem das Bundessozialgericht die Tilgungsraten zugesprochen habe.

Mit Urteil vom 10. Juni 2016 hat das Sozialgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Gemäß § 22 Abs 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die Angemessenheit sei zwar für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten. Die Leistungen nach dem SGB II seien aber auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen (BSG, Urteil vom 7.7.2011 – B 14 AS 79/10 R). Der Gesetzgeber räume dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert ein, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet sei oder im Eigentum des Hilfebedürftigen stehe. Allerdings bestehe insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung andererseits. Die Übernahme von Tilgungsanteilen komme daher nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, nämlich wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum gehe, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 18.6.2008 – B 14/11b AS 67/06 R). In dem von der Klägerin angeführten Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (Az. B 4 AS 49/14 R) sei es nur noch um eine Resttilgung von 18,7 % der Ursprungsforderung gegangen; hier liege der Fall mit einer Restschuld von über 60 % ganz anders.

Gegen dieses ihr am 27. Juni 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juli 2016 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass die Gesamtrate der Finanzierung angemessen sei, dass sie die Finanzierung bereits bis zur vollständigen Tilgung gesichert habe und dass es ohnehin nur um vorübergehende Leistungen gehe, da sie seit dem 1. Februar 2016 aufgrund einer Vollzeitbeschäftigung keine Leistungen mehr beziehe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Kreditbetrag von der Klägerin eine Gesamtleistung in Höhe von etwa 100.000 Euro (Volltilgung und Zinsen) verlange; daran gemessen habe sie etwa 60 % bereits erbracht. Im Übrigen sei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.

Die Klägerin beantragt nach seinem Vorbringen,,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Juni 2016 und unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, an die Klägerin die Tilgungsanteile der monatlichen Raten in Höhe von monatlich 354,03 Euro abzüglich der geleisteten KdU für die Monate November 2013 bis zum 13. Mai 2014, mithin insgesamt 990,03 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt. Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Prozessakte und die Sachakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte nach § 155 Abs. 3, 4 und § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat der Beklagte es abgelehnt, die Tilgungsanteile der monatlichen Raten für den Immobilienkredit der Klägerin nach den Vorschriften des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) zu übernehmen. Der Senat verweist nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Mit Blick auf das Berufungsvorbringen ist darauf hinzuweisen, dass der Senat bereits an anderer Stelle (Urteil vom 10.6.2016 – L 4 AS159/13) ausgeführt hat: "Entgegen der Auffassung der Klägerin( ) führt der Umstand, dass im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II der Mieter einer selbst bewohnten Wohnung und der Eigentümer eines selbstgenutzten Eigenheims gleich zu behandeln sein sollen, nicht zu der Folge, dass Tilgungsleistungen eines Wohnungseigentümers als Kosten der Unterkunft jedenfalls soweit anzuerkennen seien, wie sie der Höhe nach auch im Verhältnis zu vergleichbarem Mietwohnraum angemessen wären. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mag es zwar irrelevant scheinen, ob jemand Miete zahlt oder sein eigenes Haus durch Zins und Tilgung finanziert, weil in beiden Zahlungsvarianten im Ergebnis eine Tilgung steckt. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der letztendliche Empfänger der Tilgung, d.h. des Kapitalrückflusses und der Rendite, ein anderer ist. Im Falle einer Mietwohnung ist es der Vermieter und im Falle eines selbst bewohnten Eigenheimes ist es der Eigenheimbesitzer selbst, dem gegenüber nicht nur der Aspekt des Schutzes des Wohneigentums zu erwägen ist, sondern auch der Grundsatz einer Beschränkung der Leistungen des SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung, wie sie eben in dem Grundsatz des Verbots der Vermögensbildung durch Grundsicherung Ausdruck findet."

Von diesem Grundsatz des Verbots der Vermögensbildung durch Grundsicherung wird daher nur in eng gefassten Ausnahmefällen abgesehen; das hat das Sozialgericht ebenfalls ausgeführt. Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Auch der Umstand, dass der Leistungsbezug offenbar mittlerweile wieder beendet wurde, lässt die Problematik der Vermögensbildung nicht entfallen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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