Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 159/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 1/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress aufgrund einer Zielfeldprüfung für das Verordnungsjahr 2006.
Die Klägerin war im Streitjahr als Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie in der vertragsärztlichen Versorgung in H. tätig. Mit Schreiben vom 27. April 2010 informierte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. die Klägerin, dass sie nach Überschreitung der Ausgabenvolumina für Arznei- und Heilmittel im Verordnungsjahr 2006 die daraus resultierenden Regressansprüche der Krankenkassen gemäß § 19 der H. Prüfvereinbarung festzustellen habe. Die Klägerin habe die für das Verordnungsjahr 2006 vertraglich vereinbarten Zielvorgaben nicht erreicht. Bei der Zielgruppe cardioselektive Betablocker sei der Zielwert um 28,25 % (brutto 4.189,61 Euro) und bei der Zielgruppe Tilidinkombinationen um 15,1 % (brutto 256,77 Euro) überschritten. Die Klägerin erhalte Gelegenheit, innerhalb von vier Wochen eine Stellungnahme abzugeben und insbesondere mitzuteilen, ob Besonderheiten für einzelne Patienten oder Patientengruppen geltend gemacht würden, die bei entsprechender Indikation eine Verordnung höherpreisiger Arzneimittel rechtfertigen könnten. Dem Schreiben war eine Tabelle beigefügt, in der die in den betroffenen Zielgruppen verordneten Arzneimittel mit Pharmazentralnummer (PZN), dem Code nach dem Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code), Wirkstoff, Hersteller, Name, Darreichungsform, Packungsinhalt, Anzahl der verordneten Packungen, Ausgaben, verordneten definierten Tagesdosen (DDD), Kosten je DDD und dem Zielwert Kosten je DDD aufgeführt waren. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 setzte die Gemeinsame Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von netto 3.493,30 Euro für die Zielwertüberschreitung bei der Verordnung der Arzneimittelgruppen cardioselektive Betablocker (netto 3.371,80 Euro) und Tilidinkombinationen (netto 121,50 Euro) fest. Zur Begründung war ausgeführt, die Zielwerte seien von den Landesverbänden der Krankenkassen und der KV H. anhand definierter Tagesdosen festgelegt worden. Die Vereinbarungen seien ein Bestandteil der Arzneimittelprüfungen 2006. Da das vereinbarte Ausgabenvolumen für die insgesamt von den H. Vertragsärzten veranlassten Leistungen für das Verordnungsjahr 2006 überschritten worden seien, seien die Zielfeldprüfungen durchzuführen gewesen. Die gesetzten Ziele seien so gewählt, dass Spielraum für individuelle Therapieentscheidungen bestehe. Voraussetzung für den Austausch von Präparaten sei die im Einzelfall zu prüfende medizinische Unbedenklichkeit. Lägen keine zwingenden medizinischen Gründe für eine Überschreitung der Zielvorgaben vor, seien die damit verbundenen höheren Verordnungskosten vom Vertragsarzt zu verantworten. Es habe allerdings keine patientenbezogene Überprüfung der Verordnungen vorgenommen werden können, da die Übermittlung dieser Daten vertraglich nicht geregelt sei. Die Klägerin habe zur Überschreitung keine Stellungnahme abgegeben. Gründe, die zur Zielwertüberschreitung geführt haben könnten, habe die Klägerin nicht genannt. Durch eine Neuberechnung für die seit 1. Juli 2006 gültigen Zielfelder habe sich die Höhe der Zielwertverfehlungen zugunsten der Klägerin verändert.
Die Klägerin erhob mit am 29. Oktober 2010 eingegangenem Schreiben Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2010. Mit Beschluss vom 10. August 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zunächst sei auf die Korrektur der mit Schreiben vom 27. April 2010 übersandten PZN-Liste hinzuweisen. Diese ursprüngliche Liste sei durch die am 23. Juni 2010 erstellte Liste ersetzt. Die Vertragspartner der Zielvereinbarungen hätten sich verständigt, neue Ziele nur und erst dann zu vereinbaren, wenn eine gesetzliche Neuregelung den Vertragspartnern die Regelungshoheit über die Rechtsfolgen aus den Zielvereinbarungen belasse. Für die Zeit vom 1. Juli 2006 sei eine Erweiterung des 1. Zielfeldes Opoide um Punkt c) Tilidin, Kombi erfolgt. Die PZN-Liste sei um die Verordnungen der ersten Hälfte des Jahres 2006 korrigiert worden. Zur Begründung des Regresses bezog der Beklagte sich auf die indikationsbezogenen Zielvereinbarungen für das Jahr 2006 betreffend die Zielgruppen cardioselektive Betablocker und Tilidinkombinationen und führte aus, die Beigeladene zu 6 habe in ihren Publikationen und Informationsveranstaltungen auf die Dokumentationspflichten der Vertragsärzte zur Rechtfertigung von Zielwertüberschreitungen hingewiesen und Entlastungsmöglichkeiten aufgrund von im einzelnen Patienten liegenden Gründen hingewiesen. Es sei nicht ersichtlich, warum bei den Tilidinkombinationen das teure Originalpräparat V. gewählt worden sei. Das Verhältnis Kleinpackung zu Großpackung in der Zielgruppe cardioselektive Betablocker betrage 41 zu 676. Die Berufsausübungsgemeinschaft habe sich weder zur Einleitung der Zielfeldprüfung noch zum Widerspruch geäußert. Entlastende Gesichtspunkte seien auch nicht feststellbar gewesen.
Mit ihrer am 22. September 2011 erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den Regress gewandt. Sie hat vorgetragen, der Regressbescheid habe keine ausreichende Rechtsgrundlage. Die in einer Arznei- und Heilmittelvereinbarung vereinbarten Ziele könnten nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur zur Information und Beratung dienen, nicht jedoch zur Festsetzung von Regressen. § 84 Abs. 7a SGB V ermächtige die Vertragspartner auf Bundesebene und nicht die Partner der Gesamtverträge auf regionaler Ebene zur Festlegung von Durchschnittskosten für definierte Dosiereinheiten. § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V rechtfertige keine automatische Kürzung bei Verfehlung von Zielwerten, sondern erfordere eine inhaltliche Prüfung, ob die Verfehlung der Ziele durch Unwirtschaftlichkeit oder durch Praxisbesonderheiten begründet sei. Die Zielfeldprüfung unterscheide sich von anderen Prüfungen dadurch, dass die definierten Prüfungsmaßstäbe absolut und nicht arztgruppenbezogen vereinbart seien. Es sei nicht sachgerecht und bedürfe aufgrund des Verstoßes gegen das Differenzierungsgebot nach Art. 3 Grundgesetz (GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung typische Differenzierung zwischen Arztgruppen aufgegeben werde. Zudem enthielten weder § 19 der Prüfvereinbarung noch die gesamtvertragliche Regelung verbindliche Vorgaben für die Auswahl der Medikamente/Wirkstoffe und für die Definition des Zielwertes. Wie die Vertragspartner Wirkstoffe ausgewählt und die Zielkosten je Tagesdosis berechnet hätten, sei nicht nachvollziehbar. Eine Überprüfung der vereinbarten Zielfelder auf ihre Vereinbarkeit mit dem Anspruch der Versicherten auf eine wirtschaftliche, dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Versorgung, sei nicht möglich. Die Zielfeldprüfungen griffen überdies in besonders starkem Maße in die Therapiefreiheit der Vertragsärzte und den Leistungsanspruch des Versicherten ein. Die Überschreitung der Zielwerte sei daher kein Indiz für unwirtschaftliches Verordnungsverhalten. Bei der Verordnung von Wirkstoffen habe der Arzt es zudem nicht in der Hand, welches Medikament der Apotheker auswähle. § 129 Abs. 1 SGB V bestimme, dass die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet seien, preisgünstige Arzneimittel abzugeben, wenn der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter einer Wirkstoffbezeichnung verordne oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen habe. Die für die Verordnung anfallenden Kosten lägen damit nicht in der Hand des Arztes. Die Krankenkassen könnten nach § 130a Abs. 8 SGB V mit pharmazeutischen Unternehmen Rabatte für die zu Ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Der einzelne Arzt kenne die Rabattverträge nicht und könne nicht wissen, welches Medikament für die jeweilige Krankenkasse das günstigste sei. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung hätten in ihren Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 SGB V für das Jahr 2008 auch festgestellt, dass die Regelungen in § 84 Abs. 7a SGB V zu Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit durch die verschiedenen Regelungen zu rabattbegünstigten Arzneimitteln in ihrer Umsetzung und Wirkung konterkariert würden. Praxisbesonderheiten seien nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin behandle fast ausschließlich Patienten mit Herzerkrankungen, so dass Arzneimittel aus diesem Bereich besonders häufig verordnet würden und damit auch die Gefahr einer Zielwertüberschreitung steige. Gründe für hohe Durchschnittskosten seien teure Originalpräparate, kleine Packungsgrößen und geringe Wirkungsstärken. Wegen ihres Patientenguts sei eine Überschreitung praktisch vorgezeichnet. Die Patienten seien teilweise bereits auf bestimmte Medikamente eingestellt, ein Wechsel sei oftmals riskant und medizinisch nicht indiziert. Bei der Einstellung eines Patienten auf ein Medikament würden zunächst kleine Packungsgrößen verordnet, um die Verträglichkeit und Wirksamkeit festzustellen. Danach würden größere Packungen eventuell auch mit höheren Dosierungen verordnet. Diese würden jedoch oftmals vom Hausarzt und nicht von der Klägerin weiter verordnet, da die Klägerin die Patienten nur zur Einstellung des Medikamentes behandle. Schließlich sei eine einzelfallbezogene Begründung der einzelnen Verordnungen nicht möglich. Die Aufstellung des Beklagten liste lediglich die einzelnen Medikamente auf, ohne diese einzelnen Patienten zuzuordnen. Eine patientenbezogene Begründung könne nur vorgenommen werden, wenn der Beklagte mitteile, bei welchen Patienten im Einzelnen die Zielfelder überschritten worden seien.
In seiner Klageerwiderung hat der Beklagte ausgeführt, Rechtsgrundlage der Zielfeldprüfungen sei § 106 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V. In § 84 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sei der Inhalt der Arznei- und Heilmittelvereinbarung nicht abschließend beschrieben. Maßnahmen im Wege eines Regresses seien nicht ausgeschlossen. § 84 Abs. 7a SGB V sei durch § 84 Abs. 4a Satz 1 SGB V ausgeschlossen gewesen. § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V zwinge nicht zu einer arztgruppenbezogenen Differenzierung, da dort die Rede von anderen arztbezogenen Prüfungsarten sei. Bei den nach § 19 Abs. 6 Prüfungsvereinbarung je Zielfeld zu bildenden variablen Grenzwerten für die Summen der verordneten DDD und die durchschnittlichen DDD je Packung würden die verordneten DDD und die durchschnittlichen DDD je Packung arzt- und zielfeldbezogen ermittelt. Grundgröße sei in beiden Fällen die Summe der Verordnungen aller Vertragsärzte im jeweiligen Zielfeld unabhängig vom Zielerreichungsgrad. Da eine preisbezogene Unwirtschaftlichkeit bei der Auswahl von Medikamenten mit denselben Wirkstoffen betrachtet werde, sei die Verfehlung der Verordnungsziele nicht von der Arztgruppe abhängig. Die Bestimmungen des § 19 der Prüfungsvereinbarung und der Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 gäben genügend Informationen über die geltenden Vorgaben und die Ermittlung der Daten. Da die Klägerin im Verwaltungsverfahren und im Vorverfahren keine rechtfertigenden Gründe für die Überschreitung der Zielvorgaben vorgetragen habe, hätten diese nicht berücksichtigt werden können. Die Dokumentations- und Beweislast liege bei der Klägerin. Dem Beklagten lägen nur die Phase-1-Daten der Richtgrößenprüfung vor. Dabei handele es sich um die Arztnummer, Betriebsstättennummer, das Verordnungsquartal, das Institutskennzeichen der Krankenkassen, die Zahl der Verordnungen für Arzneimittel, den Brutto-und Nettowert der Verordnungen für Arzneimittel und bezüglich der letzten drei Bereiche die Angabe der PZN. Ein Versichertenbezug dieser Daten bestehe nicht. Die Klägerin sei umfassend und rechtzeitig darüber informiert worden, dass sie dokumentierte Einzelfälle vorzutragen habe, in denen sie aus medizinischen Gründen Arzneimittel mit ungünstigen Tagestherapiekosten verordnet habe. Die vorgetragenen Praxisbesonderheiten seien nicht geeignet, die Überschreitung der durchschnittlichen Tagestherapiekosten zu rechtfertigen.Teure Kleinpackungen hätten bei der Klägerin nur einen geringen Anteil, insbesondere hätten auch die Packungsgrößen mit der Anzahl von 50 und 100 Tabletten den Zielwert überschritten. Zu der vorrangigen Verordnung des teuren Präparats V. habe sie sich nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2014 stattgegeben. Der Beschluss vom 10. August 2011 sei wegen fehlender Rechtsgrundlage rechtswidrig. § 106 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB V in den im Prüfungszeitraum geltenden Fassungen vom 14. November 2003 und vom 31. Oktober 2006 in Verbindung mit der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 vom 16. Februar 2006 in der Fassung des 1. Nachtrages vom 4. Mai 2006 (im Folgenden: Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006) in Verbindung mit § 19 der Prüfungsvereinbarung vom 30. November 2010 (im Folgenden: Prüfvereinbarung a.F.). in Verbindung mit Anlage F der Gesamtverträge schieden als Rechtsgrundlage aus. Eine Vereinbarung nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V sei für das Verordnungsjahr 2006 mit den indikationsbezogenen Zielvereinbarungen in § 4a und Anlage 2 der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 nicht wirksam getroffen worden, da keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bestanden habe. § 84 Abs. 4a SGB V in der seit 1. Mai 2006 gültigen Fassung habe eine entsprechende Kompetenz für eine Vereinbarung erstmalig für das Jahr 2007 vorgehen. § 84 Abs. 7a SGB V habe die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung verpflichtet, erstmals für das Verordnungsjahr 2007 für Gruppen von Arzneimitteln für verordnungsstarke Anwendungsgebiete Durchschnittskosten je definierter Dosiseinheit (DDD), die sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergeben, zu vereinbaren. Flankierend hierzu habe der ebenfalls durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) vom 26. April 2006 (BGBL. I, S. 984) eingeführte § 84 Abs. 4a SGB V vorgesehen, dass die Vereinbarung nicht zur Anwendung komme, wenn in der Arznei- und Heilmittelvereinbarung auf regionaler Ebene bis zum 15. November 2006 für das Jahr 2007 Maßnahmen bestimmt würden, die ebenso zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet seien und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten. Auch § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V könne nicht als Rechtsgrundlage für die Zielvereinbarungen in der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 dienen. Aus der Einführung und dem Regelungsinhalt von §§ 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V ergebe sich, dass § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V gerade keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung von Durchschnittskosten je definierter Dosiseinheit oder entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, geschweige denn für einen auf eine solche Vereinbarung gestützten Regress, sei. § 84 Abs. 3 SGB V scheide als Rechtsgrundlage ebenfalls aus. Danach sei eine Überschreitung des tatsächlichen durch das vereinbarte Ausgabenvolumen Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien hätten die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, zu berücksichtigen. Die Vorschrift sei damit Grundlage für die Einbeziehung einer Überschreitung des Ausgabenvolumens in die Gesamtverträge und für die Regelung einer Verpflichtung der Vertragspartner zur Ursachenanalyse, nicht jedoch für die Regelung von Maßstäben und Vorgaben einer Sanktionierung individueller Zielverfehlungen. Die Vereinbarkeit der getroffenen Zielvereinbarungen mit den Rahmenvorgaben der in § 106 Abs. 2 SGB V vorgesehenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen könne offen bleiben. Es sei aber fraglich, ob die Nichteinhaltung der vereinbarten DDD-Zielwerte zur Feststellung eines individuellen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot als Prüfmethode geeignet sei. Der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 sei nicht zu entnehmen, wie die vereinbarten Zielwerte gebildet wurden, so dass nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die Überschreitung auf unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten beruhe. Das Verfahren sei gerade nicht im Abschnitt 3 unter den Prüfungsarten nach § 12 der Prüfungsvereinbarung a.F., mit denen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu prüfen war, eingeordnet gewesen, sondern im Abschnitt 4 als besondere Aufgabe der Prüfungsstelle und des Beschwerdeausschusses zur Feststellung von Regressansprüchen aufgrund gesamtvertraglicher Regelungen. Die Prüfungsvereinbarung a.F. habe das Verfahren folglich offenbar selbst nicht als ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung begriffen. Die Festsetzung des Regresses sei jedenfalls rechtswidrig, weil die in § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag vorgesehene Regelung der Darlegungs- und Beweislast in der konkreten Verfahrensausgestaltung nach § 19 der Prüfungsvereinbarung a.F. unverhältnismäßig sei und den den Vertragsparteien eingeräumten Gestaltungsspielraum überschreite.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 11. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 6. Januar 2015 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, der Regress könne auf § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 und § 19 der Prüfungsvereinbarung sowie § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag gestützt werden. Es sei nie behauptet worden, dass § 84 Abs. 4a und 7a SGB V in der zum 1. Mai 2006 in Kraft getretenen Fassung die Ermächtigungsgrundlage sei. Die Aufhebung dieser Vorschriften durch das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) zum 1. Januar 2011 habe allerdings die indikationsbezogenen Zielvereinbarungen der Jahre 2005 bis 2008 nicht berühren können. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 und Abs. 7 SGB V habe einer Sanktionsregelung individueller Zielverfehlungen nicht nur nicht entgegengestanden, sondern sei rechtliche Grundlage für die getroffenen Zielvereinbarungen gewesen. Zweifel an der richtigen Ermittlung der Zielwerte seien grundlos, ihr Inhalt überschreite auch nicht den von § 2 Abs. 1 der Anlage F eingeräumten Gestaltungsspielraum. Dem Vertragsarzt sei es auch möglich, Gründe für Überschreitungen der Zielvereinbarungen darzulegen. Die ihm berufsrechtlich obliegende Dokumentationspflicht ermögliche es ihm, nachzuweisen, dass seine teure, den sogenannten DDD-Wert überschreitende Verordnung durch zwingende medizinische Gründe geboten gewesen sei.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wendet ein, die hier vereinbarte Prüfmethode genüge nicht den von § 106 SGB V gesetzten Rahmenbedingungen. Aus der Überschrift zu § 19 Prüfvereinbarung folge, dass es sich bei einer Zielfeldprüfung gerade nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne von § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V handele. Nach § 19 Prüfvereinbarung entstehe der Regressanspruch nämlich bereits bei Erfüllung der Voraussetzungen ohne dass die Prüfungsstelle eine Unwirtschaftlichkeit feststelle. § 84 SGB V enthalte ebenfalls keine Ermächtigung für die Durchführung von Prüfverfahren und Regressfestsetzungen. § 84 Abs. 3 und 7 SGB V ermögliche bei Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens einen Ausgleich nur zwischen den Partnern der Gesamtverträge. Eine Zielfeldprüfung sei auch kein Ersatz für eine Bonus-Malus-Regelung nach § 84 Abs. 7a SGB V. Die Zielvereinbarung verstoße gegen § 84 Abs. 7 SGB V. Die Festsetzung von Regressen sei nicht Gegenstand der dort geregelten Rahmenvorgaben. Die Ermittlung der vereinbarten Zielwerte sei nicht nachvollziehbar und auch deshalb rechtswidrig. Da dem Vertragsarzt die Versichertennummern für die Patienten, für die er die Zielwert überschritten hat, nicht mitgeteilt würden, könne er anhand seiner Dokumentation nicht prüfen, welcher medizinische Hintergrund der Verordnung zugrunde gelegen habe.
Die Beigeladenen haben keine Stellungnahme abgegeben und auch keine eigenen Anträge gestellt.
Der Senat hat am 25. November 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im übrigen zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es fehlte im streitigen Zeitraum an einer hinreichenden formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für einen Zielfeldregress.
Das Sozialgericht hat sich auch zu Recht auf die Aufhebung der Entscheidung des Beklagten beschränkt und ihn nicht zur Neubescheidung verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ginge ins Leere. Es gibt keinen Widerspruch mehr, über den der Beklagte zu entscheiden hätte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ersetzt die Entscheidung des Beschwerdeausschusses den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses (BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 35 = juris, Rn. 11) und ist damit alleiniger Streitgegenstand einer dagegen gerichteten Klage. Da der Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht über einen Widerspruch entscheidet, sondern eine eigene Sachentscheidung trifft, bedarf es nach einer gerichtlichen Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses keiner erneuten Entscheidung unter dem Gesichtspunkt, dass andernfalls der Bescheid der Prüfstelle "in der Luft hinge". Die Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses führt nicht zu einer Wiederherstellung des Ausgangsbescheides der Gemeinsamen Prüfungsstelle; vielmehr ist Letzterer in Ersterem aufgegangen, also rechtlich nicht mehr existent (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 49/11 R, BSGE 112, 90, bezogen auf die vergleichbare Konstellation der Entscheidung des Berufungsausschusses nach einem Widerspruch gegen diejenige des Zulassungsausschusses, m.w.N.). Im Übrigen verfügt der Beschwerdeausschuss auch nicht über einen vom Gericht zu wahrenden Entscheidungsspielraum, wenn seine Entscheidung – wie im vorliegenden Fall – generell rechtswidrig (zum Begriff Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106 Rn. 372) ist, das heißt, wenn er aus grundsätzlichen und insbesondere ermessensunabhängigen Erwägungen am Regress gehindert ist und daher eine Neuentscheidung des Beschwerdeausschusses ohnehin nur als Abhilfe ergehen könnte (Urteile des Senats vom 1. April 2015– L 5 KA 34/12, L 5 KA 35/12 und L 5 KA 36/12, juris).
I.) Der angegriffene Beschluss des Beklagten ist – anders als vom Sozialgericht angenommen – auf seine Vereinbarkeit nicht mit dem im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten (d.h. am 10. August 2011) geltenden Recht zu prüfen, sondern mit der Rechtslage in dem Zeitraum, der Gegenstand der Prüfung war, und somit im Jahr 2006.
Änderungen der materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfassen grundsätzlich nur Quartale nach dem Inkrafttreten der Neuregelung (aus neuerer Zeit BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 49 = juris, Rn. 29 ff.; weiter auch BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 15 f.): Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung von Quartalen, die vor Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung abgeschlossen waren, sind die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften auch dann maßgeblich, wenn die Gesetzesänderung nicht durch entsprechende Übergangsbestimmungen flankiert wird. Umgekehrt kommt im Bereich des materiellen Rechts (d.h. der Bestimmungen darüber, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist) neues, nach Abschluss des betroffenen Quartals in Kraft getretenes Recht nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen zur Anwendung (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 16 unter Verweis auf Steinhilper, MedR 2004, 597, 600, und Engelhard, SGb 2008, 150, 157). Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 6 KA 8/03 R, BSGE 92, 283) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18). Die Frage nach einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Beschluss des Beklagten betrifft das materielle Recht. Das Bundessozialgericht definiert diesen Begriff – wie soeben dargestellt – als Bestimmungen darüber, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 16).
II.) Die Festsetzung eines Zielfeldregresses durfte nur aufgrund einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erfolgen.
1.) Dass ein Verwaltungsakt, der in Rechte des Adressaten eingreift, einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, ist allgemein anerkannt. Beruft sich – wie hier – die Behörde auf Rechtsvorschriften, die innerhalb der Normenhierarchie im Rang unterhalb eines formellen Gesetzes stehen, so sind die Gerichte nicht daran gehindert, die Vereinbarkeit dieser Rechtsgrundlagen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen. Hieran ändert auch der konsensuale Charakter dieser Vorschriften nichts. Nach § 58 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. Der Prüfungsmaßstab ergibt sich insoweit insbesondere aus § 134 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des SGB V (vgl. bereits Urteil des Senats vom 5. November 2014 – L 5 KA 28/11, juris, Rn. 29) und naturgemäß erst recht mit den Vorschriften des GG.
2.) a) Die Erforderlichkeit einer formell-gesetzlichen Grundlage ergibt sich für Zielfeldregresse – jedenfalls in ihrer konkret streitigen Gestalt – aus dem Vorbehalt des Gesetzes als Teil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips und dem Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 1 GG). Beide verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 = juris, Rn. 39 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257; BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74, BVerfGE 40, 237). Als wesentlich für die Grundrechtsverwirklichung stellt sich der Zielfeldregress jedenfalls deswegen dar, weil er sich strukturell und intendiert auf den grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung (dazu nur BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, dort auch zur Abwägung mit dem krankenversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot) auswirkt sowie auf die in dienender Funktion dazu stehende und durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Therapieverantwortung des behandelnden Arztes (dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. März 2012 – L 11 KA 136/11, juris, Rn. 31 f., m.w.N.).
b) Eine sich allein aus untergesetzlichen Vorschriften ergebende Befugnis zum Regress, wie sie in der Literatur bejaht wird (Freudenberg in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 SGB V, Rn. 84, und Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 84 SGB V, Rn. 24), reicht deswegen nicht aus, weil der Zielfeldregress – gerade in seiner Auswirkung auf die konkrete Krankenbehandlung – einen Unterfall des Verordnungsregresses darstellt und damit an denselben verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen ist (vgl. zur Grundrechtsprüfung beim Off-Label-Use vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 38/13 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 47), wobei auch und gerade seine individualpräventiven Wirkungen im Sinne einer Steuerung des zukünftigen Verordnungsverhaltens in den Blick zu nehmen sind.
Während etwa Honorarkürzungen aufgrund statistischer Vergleichsprüfungen in aller Regel nur mittelbare oder reflexhafte Auswirkungen auf die konkreten Entscheidungen des Vertragsarztes haben, wirkt sich eine Einflussnahme der Gesamtvertragspartner auf die konkrete Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Arzneimitteln desselben Wirkstoffs unmittelbar auf die Krankenbehandlung aus und trifft den Versicherten auch erheblich punktueller als etwa eine Befolgung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots in den §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 12 SGB V. Dies gilt insbesondere bei Arzneimitteln, die – wie Betablocker – ohnehin nur bei gravierenden Erkrankungen indiziert sind und bei denen eine unzureichende Versorgung des Versicherten regelmäßig unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf seine körperliche Unversehrtheit hat. Dies wird auch nicht etwa dadurch wesentlich abgemildert, dass nach der vom Beklagten angewandten Berechnungsmethode nicht PZN-genau jede einzelne Überschreitung der Zielkosten/DDD zu einer Regressforderung führt und der Vertragsarzt somit einzelne Überschreitungen der Zielkosten/DDD durch Unterschreitungen innerhalb derselben Arzneimittelgruppe ausgleichen kann. Ein Vertragsarzt, der nicht einzeln über die Kosten der von ihm verordneten DDD Buch führt, kann letztlich nur dann "auf der sicheren Seite" bleiben, wenn er stets zum kostengünstigeren Arzneimittel greift.
Somit ist für Zielfeldregresse der vorliegenden Art eine formell-gesetzliche Grundlage zu fordern, die von ihrer demokratischen Legitimation her betrachtet ungefähr der eines Verordnungsregresses beim Off-Label-Use entspricht und Ergebnis einer Abwägung zwischen den genannten Grundrechten und dem Gemeinwohlinteresse einer funktionsfähigen gesetzlichen Krankenversicherung ist.
III.) Eine derartige formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hat es im streitigen Verordnungszeitraum nicht gegeben.
1.) Der Beklagte beruft sich auf die in § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V enthaltene Ermächtigung, Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungen zu vereinbaren, in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V sowie folgendem untergesetzlichen Normkonstrukt:
a) § 4 der zwischen den Beigeladenen geschlossenen Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 vom 16. Februar 2006 regelte Zielvereinbarungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006. In § 4a Abs. 1 Satz 1 bzw. – ab 1. Juli 2006 – in Anlage 2a hieß es, die Vertragspartner gingen davon aus, dass die beschriebenen Maßnahmen im Zusammenwirken mit den jeweiligen gesamtvertraglichen Regelungen zur Zielerreichung eine Regelung im Sinne der regionalen Öffnungsklauseln des § 84 Abs. 4a SGB V seien und somit die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Einzelne – indikationsbezogene – Zielvereinbarungen waren in Anlage 2 bzw. – ab 1. Juli 2006 – in Anlage 2a der Arzneimittelvereinbarung 2006 aufgeführt.
b) Für den Fall, dass die tatsächlich festgestellten Ausgabenvolumina für Arznei-, Verband und Heilmittel die vereinbarten Ausgabenvolumina für ein Kalenderjahr rechnerisch überschritten, erwarb die Beigeladene zu 1 nach § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag zwischen den Beigeladenen zu 1 und 6 (vom 18. April 1996 in der Fassung des 12. Nachtrags vom 21. April 2005) einen auf Ausgleich der im Einzelfall entstandenen Mehrkosten gerichteten Regressanspruch gegenüber Vertragsärzten, die die im besonderen Teil der Zielvereinbarungen der Arzneimittelvereinbarung nicht erreicht hatten.
c) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungsvereinbarung über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss (vom 21. April 2005) oblag den Ausschüssen auch die Feststellung der (ihren Voraussetzungen nach abschließend in den Gesamtverträgen geregelten, Abs. 2 Satz 1) Regressansprüche der Krankenkassen gegenüber einzelnen Ärzten aufgrund der Verfehlung von Versorgungszielen nach dem besonderen Teil der Zielvereinbarungen der Arznei- und Heilmittelvereinbarung gemäß gesamtvertraglicher Regelungen.
2.) Der Senat vermag hierin keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zu erkennen.
a) Auf die Ermächtigung zu Vereinbarungen über Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten in § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V kann sich der Beklagte nicht berufen. Eine Prüfung, die sich – wie hier – an Zielkosten orientiert, welche wiederum auf einer beabsichtigten Senkung des Durchschnitts beruhen (vgl. den Wortlaut der Zielvereinbarung), implementiert zwar den Durchschnittswert als relevanten Faktor, zieht aber gerade nicht den Schluss vom Durchschnittswert auf ein wirtschaftliches Verhalten, sondern versucht, den Durchschnittswert zu beeinflussen.
b) Die erforderliche Ermächtigung ergibt sich – auch nach Auffassung des Beklagten –auch nicht allein daraus, dass § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V daneben auch Vereinbarungen zu anderen arztbezogenen Prüfungen zulässt. Vielmehr vertritt der Beklagte letztlich die Auffassung, dass sich der Regelungsgehalt von § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V, wie er durch das AVWG eingeführt und durch das AMNOG wieder abgeschafft worden war, zuvor bereits aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB V ergeben hatte.
aa) Im Einzelnen sah das vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2006 geltende Recht vor, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung trafen, die unter anderem Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung umfasste (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB V in der Fassung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes [ABAG] vom 19. Dezember 2001, BGBl. I, 3773). Eine ausdrückliche Regelung betreffend Regresse im Zusammenhang mit diesen Zielvereinbarungen enthielt das Gesetz nicht. Es maß den Zielvereinbarungen insoweit eine Rolle zu, als 1. die Vertragspartner im Rahmen der in den Gesamtverträgen zu treffenden Regelung für den Fall einer Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens für Arznei- und Verbandmittel auch die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen zu berücksichtigen hatten (§ 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V), 2. die Krankenkassen bei Erfüllung der Zielvereinbarungen unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens einen Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung entrichteten (§ 84 Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I, 2190) und 3. die Arzneimittelvereinbarung einen Prozentbetrag zur Finanzierung von Informations- und Beratungsmaßnahmen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sowie von Bonuszahlungen an Vertragsärzte, die das Richtgrößenvolumen eingehalten hatten (§ 84 Abs. 6 SGB V) vorsehen konnte (§ 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes).
Eine gesetzliche Grundlage für Zielfeldregresse ergab sich auch nicht aus § 84 Abs. 7 Satz 1 bis 3 SGB V. Diese Vorschriften ermächtigte die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu Rahmenvorgaben im Sinne eines Benchmarkings (so Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 Rn. 111) an die Adresse der regionalen Vertragspartner. Zwar erfolgten auch die dort genannten Umsatzziele (für das Jahr 2006; für das Vorjahr enthielten die Rahmenvorgaben [vom 27. Oktober 2004, DÄ 2004; 101(48): A-3290 / B-2790 / C-2642] nichts derartiges) auf der Grundlage rechnerischer mittlerer Tagesbehandlungskosten für bestimmte Leitsubstanzen, allerdings lässt sich weder § 84 Abs. 7 SGB V noch den auf seiner Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben eine Ermächtigung zur Umsetzung dieser Werte in verbindliche Vorgaben an den einzelnen Vertragsarzt entnehmen.
bb) Eine wesentliche Änderung dieser Rechtslage bewirkte das zum 1. Mai 2006 in Kraft getretene AVWG. Nachdem der Gesetzesentwurf ursprünglich eine Vereinbarung über durchschnittliche Kosten für definierte Dosiereinheiten allein auf regionaler Ebene vorgesehen hatte (§ 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Buchstabe b des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drs. 16/194), wurde auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 16/691) eine Regelung Gesetz, die im neuen § 84 Abs. 7a SGB V eine diesbezügliche Vereinbarung auf Bundesebene vorsah und deren Inhalt – gerade auch hinsichtlich einer Ausgleichsverpflichtung der Vertragsärzte bei Überschreiten der vereinbarten Werte – detailliert regelte. Zugleich stand die Geltung dieser Vereinbarung allerdings nach § 84 Abs. 4a SGB V in der letztlich Gesetz gewordenen Fassung der Beschlussempfehlung unter dem Vorbehalt, dass in einer Arzneimittelvereinbarung (nach § 84 Abs. 1 SGB V) bis zum 15. November für das jeweils folgende Kalenderjahr Maßnahmen bestimmt waren, die ebenso wie eine Vereinbarung nach § 84 Abs. 7a SGB V zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet waren und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten:
Im Einzelnen vereinbarten nach dem neu eingefügten § 84 Abs. 7a SGB V die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen (als die in § 84 Abs. 7a Satz 1 SGB V angesprochenen "Vertragspartner nach Absatz 7") bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln, wie sie sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergaben. Diese Vereinbarungen wurden kraft Gesetzes Bestandteil der Arzneimittelvereinbarungen. Folgen einer Überschreitung dieser Durchschnittskosten regelte § 84 Abs. 7a Satz 6 SGB V, der dem Arzt eine (der Höhe nach prozentual gestaffelte) Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Krankenkassen auferlegte. Nach § 84 Abs. 7a Satz 9 erster Halbsatz SGB V stellte der Prüfungsausschuss (§ 106 Abs. 4 SGB V in der damals geltendem Fassung, der Vorläufer der Gemeinsamen Prüfungsstelle) derartige Überschreitungen nach Ablauf eines Quartals auf der Grundlage der arztbezogenen Schnellinformationen (§ 84 Abs. 5 Satz 4 SGB V in der Fassung des ABAG) oder aufgrund der Abrechnungsdaten nach § 300 SGB V fest. Für das weitere Verfahren erklärte § 84 Abs. 7a Satz 9 SGB V die Regelungen in § 106 Abs. 5 und 5c SGB V für entsprechend anwendbar. Nach § 84 Abs. 7a Satz 10 SGB V unterlagen Arzneimittel, für die die Regelungen in § 84 Abs. 7a SGB V Anwendung fanden, nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2 SGB V und die Richtgrößen waren von den Partnern der Gesamtverträge entsprechend zu bereinigen. Spiegelbildlich enthielt § 84 Abs. 7a Satz 7 SGB V auch eine Bonus-Regelung für den Fall, dass die Ausgaben der von den Ärzten einer Kassenärztlichen Vereinigung insgesamt verordneten Arzneimittel die Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit unterschritten. Inhaltliche Vorgaben für die Vereinbarungen auf regionaler Ebene enthielt § 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung des AVWG nicht, machte aber zugleich deren Vorrang vor der Regelung auf Bundesebene davon abhängig, dass sie ebenso wie eine Vereinbarung nach § 84 Abs. 7a SGB V zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet waren und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten.
cc) Hierbei vermochte § 84 Abs. 4a SGB V allerdings – obwohl mangels einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift (vgl. Art. 3 AVWG) mit Wirkung zum 1. Mai 2006 in Kraft getreten – Zielfeldregresse betreffend das Jahr 2006 nicht zu rechtfertigen, denn Wirkung entfalten konnte § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V erst im Jahr 2007. Beide Absätze gaben den Normadressaten die Schaffung der genannten Regelungen "für das jeweils folgende Kalenderjahr" (so übereinstimmend der Wortlaut von § 84 Abs. 4a und Abs. 7a Satz 1 SGB V) auf. In der Gesetzesbegründung zu § 84 Abs. 7a SGB V heißt es hierzu ausdrücklich (BT-Drs. 16/691, S. 16): "Die Vereinbarung von Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit ist erstmals zum 30. September 2006 für das Jahr 2007 zu treffen."
Die Begründung zu § 84 Abs. 4a SGB V (BT-Drs. 16/691, a.a.O.) in der Fassung des AVWG bekräftigt dies und führt näher aus: "Durch die Vorgabe einer Frist für das Zustandekommen einer Vereinbarung zum 15. November, erstmals zum 15. November 2006, bleibt der Selbstverwaltung genügend Zeit für eine Einigung. Die Ärzte müssen aber spätestens bis zum Jahresende über die Regelung informiert sein.
Eine Vereinbarung über Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit ist erstmals für das Jahr 2007 abzuschließen. Die regionalen Vertragspartner können diese Regelung durch eine abweichende Vereinbarung nach Absatz 4a erstmals zum 15. November 2006 ablösen."
dd) Somit kommt als formell-gesetzliche Ermächtigungsrundlage nur § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V und § 84 Abs. 3 SGB V (in der Fassung des ABAG) in Betracht. Diese Vorschriften reichten indes nicht als formell-gesetzliche Grundlage derjenigen Vereinbarungen, auf die sich der Beklagte beruft, aus.
(1) Aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften ließ sich eine Befugnis zur Vereinbarung von Zielfeldregressen nicht ableiten. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sprach (und spricht auch im heutigen Regelungskontext) von Zielvereinbarungen "insbesondere zu Information und Beratung". Soweit die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6309 S. 8) davon spricht, die auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen umfassten vorrangig die Durchführung von Informationen der Vertragsärzte und der Versicherten sowie gezielte Beratungen von Vertragsärzten, gegebenenfalls auch die Einleitung von Prüfungen der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln nach § 106 SGB V, hat dies im Wortlaut der Vorschrift, der beispielhaft ("insbesondere") weit weniger invasive Maßnahme nennt, keinen Niederschlag gefunden. Auch Wortlaut und Systematik des ebenfalls durch das ABAG eingeführten § 84 Abs. 3 SGB V bietet wenig Anhaltspunkte für Regressmöglichkeiten: Überschreitet das tatsächliche Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel das nach vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 SGB V Gegenstand der Gesamtverträge, d.h. die Partner der Gesamtverträge sind (anders als für den Fall der Unterschreitung, wo Satz 3 der Vorschrift dies in ihr Ermessen stellt) verpflichtet, für diesen Fall eine Regelung zu treffen. Vorgaben weniger an den Inhalt dieser Regelung als vielmehr an die Entscheidungsfindung der Vertragsparteien (vgl. Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 Rn. 85: Verpflichtung zur Ursachenanalyse) enthält § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach die die Vertragsparteien die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V zu berücksichtigen haben. Seinem Wortlaut nach stellt § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V somit einen retrospektiven Zusammenhang zwischen den Zielvereinbarungen und der Ursachenforschung bei Überschreiten der vereinbarten Gesamtvergütung her. Dass auch die Durchsetzung der Zielvereinbarungen gegenüber den Vertragsärzten Gegenstand der Gesamtverträge sein soll, ergibt sich hieraus nicht.
(2) Die Entstehungsgeschichte von § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V und § 84 Abs. 3 SGB V spricht nur auf den ersten Blick für eine Ermächtigung zur Vereinbarungen von Zielfeldregressen. Insoweit verweist der Beklagte zutreffend auf die Gesetzesbegründung zum ABAG, in der es wörtlich heißt (BT-Drs. 14/6309, S. 8):
"Die auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen umfassen vorrangig die Durchführung von Informationen der Vertragsärzte und der Versicherten sowie gezielte Beratungen von Vertragsärzten, gegebenenfalls auch die Einleitung von Prüfungen der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln nach § 106."
Im Gesamtkontext der Regelung und vor allem auch im Lichte späterer Rechtsänderungen stellt sich dieser Befund indes weit weniger eindeutig dar. Zweck des ABAG war zunächst die Beseitigung des (auch vom Gesetzgeber so bezeichneten) "Kollektivregresses", zu dem es durch eine Verringerung der Gesamtvergütungen wegen der Überschreitung der Arznei- und Heilmittelbudgets gekommen war (BT-Drs. 14/6309, S. 1). Wenn es weiter heißt (a.a.O), die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung würden flexibilisiert, sie regele selbst die Folgen einer Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens, könne Anreize insbesondere zur Erfüllung der Zielvereinbarungen setzen und bestimme auch Intensität und Ausmaß der Prüfung einzelner Vertragsärzte nach Richtgrößenvorgaben weitgehend selbst, lässt dies wiederum daran zweifeln, ob das ABAG tatsächlich neben den genannten Anreizen auch das Gegenteil, nämlich Regresse ermöglichen wollte, was ausdrücklich jedenfalls nur im Zusammenhang mit den (von den DDD-basierten Zielvorgaben streng zu unterscheidenden) Richtgrößenvorgaben angesprochen wird.
Insbesondere darf aber bei der historischen Auslegung der Vorschriften nicht unbeachtet bleiben, dass der Gesetzgeber – wie bereits angesprochen – bei Erlass des AVWG ausdrücklich davon ausging, er habe nunmehr durch Schaffung von § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V eine Rechtsgrundlage für einen Regress bei Überschreiten bestimmter Kosten je definierter Dosiereinheit geschaffen. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drs. 16/194, S. 10) heißt es:
"Mit der vorliegenden Regelung wird es möglich, entsprechende Zielvereinbarungen mit arztbezogenen Anreizen zu verbinden. Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen bestehen weiterhin erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen sowie beim indikationsgerechten Einsatz von hochpreisigen Spezialpräparaten. Durch die Neuregelung wird die Wirksamkeit der arztbezogenen Steuerung der Arzneimittelversorgung entscheidend verbessert, so dass die von den Vertragsparteien der Arzneimittelvereinbarung festgelegten Ziele auch tatsächlich eingehalten werden. Im Unterschied zu der durch das Arzneimittelbudget-Ablösegesetz aufgehobenen gemeinschaftlichen Haftung der Ärzteschaft für Überschreitungen der Arzneimittelausgabenvereinbarungen begründet diese Vorschrift die Verantwortung des verordnenden Arztes für die Kosten der von ihm veranlassten Arzneimittelausgaben."
Daran anknüpfend hieß es denn auch in der Pressemitteilung 2006-01 des Bundesministeriums für Gesundheit, es sollten künftig Zielvorgaben für die Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel gelten. Mit der Annahme des Beklagten, dasselbe habe sich zuvor aus allgemeinen Bestimmungen ergeben, lässt sich dies nicht vereinbaren. Die Entstehungsgeschichte von § 84 Abs. 4a, Abs. 7a SGB V in der Fassung des AVWG zeigt, dass auch der Gesetzgeber nicht davon ausging, er habe nur das deklaratorisch festgeschrieben, was sich bislang ohnehin bereits aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V ergeben habe.
(3) Auch in teleologischer Hinsicht lässt sich in § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Zielfeldregresse (jedenfalls der vorliegend streitigen Art) erkennen. Die Grundrechtsrelevanz von Zielvereinbarungen der vorliegend streitigen Art ist – gerade in Relation zu Richtgrößenvereinbarungen, Durchschnittsprüfungen etc. – bereits dargestellt worden. Sie verlangt nach einer gesetzlichen Vorschrift, die Ergebnis eines gesetzgeberischen Abwägungsprozesses zwischen dem grundrechtlich geschützten Behandlungsanspruch der Versicherten und dem Interesse der Solidargemeinschaft an einer wirtschaftlichen Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel im Sinne einer funktionsfähigen gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Vorschriften derart allgemeiner, beinahe generalklauselartigen Natur wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V werden dem nicht gerecht. Auch an diesem Punkt zeigt der Vergleich mit den durch das AVWG geschaffenen Möglichkeiten, wie das Ergebnis einer solchen Abwägung beschaffen sein kann und muss. Die Vorschrift enthielt zunächst in Satz 2 bis 5 inhaltliche Anforderungen an die Festsetzung der Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit, wobei Besonderheiten unterschiedlicher Anwendungsgebiete zwingend zu berücksichtigen waren. Die Ausgleichsverpflichtung traf den Arzt nur in Höhe eines prozentual gestaffelten Anteils des konkreten Überschreitungsbetrages, was auch ohne konkrete medizinische Streitigkeit um die Indikation gerade des kostenintensiveren Arzneimittels eine Art Sicherheitsabschlag im Hinblick auf Besonderheiten des Einzelfalles enthielt. § 84 Abs. 7a Satz 10 SGB V verhinderte eine Mehrfachbelastung des betroffenen Vertragsarztes durch entsprechende Beanstandungen in der Wirtschaftlichkeits- oder der Richtgrößenprüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird angesichts der Vielzahl noch anhängiger ähnlich gelagerter Klagen wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress aufgrund einer Zielfeldprüfung für das Verordnungsjahr 2006.
Die Klägerin war im Streitjahr als Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie in der vertragsärztlichen Versorgung in H. tätig. Mit Schreiben vom 27. April 2010 informierte die Gemeinsame Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. die Klägerin, dass sie nach Überschreitung der Ausgabenvolumina für Arznei- und Heilmittel im Verordnungsjahr 2006 die daraus resultierenden Regressansprüche der Krankenkassen gemäß § 19 der H. Prüfvereinbarung festzustellen habe. Die Klägerin habe die für das Verordnungsjahr 2006 vertraglich vereinbarten Zielvorgaben nicht erreicht. Bei der Zielgruppe cardioselektive Betablocker sei der Zielwert um 28,25 % (brutto 4.189,61 Euro) und bei der Zielgruppe Tilidinkombinationen um 15,1 % (brutto 256,77 Euro) überschritten. Die Klägerin erhalte Gelegenheit, innerhalb von vier Wochen eine Stellungnahme abzugeben und insbesondere mitzuteilen, ob Besonderheiten für einzelne Patienten oder Patientengruppen geltend gemacht würden, die bei entsprechender Indikation eine Verordnung höherpreisiger Arzneimittel rechtfertigen könnten. Dem Schreiben war eine Tabelle beigefügt, in der die in den betroffenen Zielgruppen verordneten Arzneimittel mit Pharmazentralnummer (PZN), dem Code nach dem Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystem (ATC-Code), Wirkstoff, Hersteller, Name, Darreichungsform, Packungsinhalt, Anzahl der verordneten Packungen, Ausgaben, verordneten definierten Tagesdosen (DDD), Kosten je DDD und dem Zielwert Kosten je DDD aufgeführt waren. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 setzte die Gemeinsame Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von netto 3.493,30 Euro für die Zielwertüberschreitung bei der Verordnung der Arzneimittelgruppen cardioselektive Betablocker (netto 3.371,80 Euro) und Tilidinkombinationen (netto 121,50 Euro) fest. Zur Begründung war ausgeführt, die Zielwerte seien von den Landesverbänden der Krankenkassen und der KV H. anhand definierter Tagesdosen festgelegt worden. Die Vereinbarungen seien ein Bestandteil der Arzneimittelprüfungen 2006. Da das vereinbarte Ausgabenvolumen für die insgesamt von den H. Vertragsärzten veranlassten Leistungen für das Verordnungsjahr 2006 überschritten worden seien, seien die Zielfeldprüfungen durchzuführen gewesen. Die gesetzten Ziele seien so gewählt, dass Spielraum für individuelle Therapieentscheidungen bestehe. Voraussetzung für den Austausch von Präparaten sei die im Einzelfall zu prüfende medizinische Unbedenklichkeit. Lägen keine zwingenden medizinischen Gründe für eine Überschreitung der Zielvorgaben vor, seien die damit verbundenen höheren Verordnungskosten vom Vertragsarzt zu verantworten. Es habe allerdings keine patientenbezogene Überprüfung der Verordnungen vorgenommen werden können, da die Übermittlung dieser Daten vertraglich nicht geregelt sei. Die Klägerin habe zur Überschreitung keine Stellungnahme abgegeben. Gründe, die zur Zielwertüberschreitung geführt haben könnten, habe die Klägerin nicht genannt. Durch eine Neuberechnung für die seit 1. Juli 2006 gültigen Zielfelder habe sich die Höhe der Zielwertverfehlungen zugunsten der Klägerin verändert.
Die Klägerin erhob mit am 29. Oktober 2010 eingegangenem Schreiben Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2010. Mit Beschluss vom 10. August 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zunächst sei auf die Korrektur der mit Schreiben vom 27. April 2010 übersandten PZN-Liste hinzuweisen. Diese ursprüngliche Liste sei durch die am 23. Juni 2010 erstellte Liste ersetzt. Die Vertragspartner der Zielvereinbarungen hätten sich verständigt, neue Ziele nur und erst dann zu vereinbaren, wenn eine gesetzliche Neuregelung den Vertragspartnern die Regelungshoheit über die Rechtsfolgen aus den Zielvereinbarungen belasse. Für die Zeit vom 1. Juli 2006 sei eine Erweiterung des 1. Zielfeldes Opoide um Punkt c) Tilidin, Kombi erfolgt. Die PZN-Liste sei um die Verordnungen der ersten Hälfte des Jahres 2006 korrigiert worden. Zur Begründung des Regresses bezog der Beklagte sich auf die indikationsbezogenen Zielvereinbarungen für das Jahr 2006 betreffend die Zielgruppen cardioselektive Betablocker und Tilidinkombinationen und führte aus, die Beigeladene zu 6 habe in ihren Publikationen und Informationsveranstaltungen auf die Dokumentationspflichten der Vertragsärzte zur Rechtfertigung von Zielwertüberschreitungen hingewiesen und Entlastungsmöglichkeiten aufgrund von im einzelnen Patienten liegenden Gründen hingewiesen. Es sei nicht ersichtlich, warum bei den Tilidinkombinationen das teure Originalpräparat V. gewählt worden sei. Das Verhältnis Kleinpackung zu Großpackung in der Zielgruppe cardioselektive Betablocker betrage 41 zu 676. Die Berufsausübungsgemeinschaft habe sich weder zur Einleitung der Zielfeldprüfung noch zum Widerspruch geäußert. Entlastende Gesichtspunkte seien auch nicht feststellbar gewesen.
Mit ihrer am 22. September 2011 erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen den Regress gewandt. Sie hat vorgetragen, der Regressbescheid habe keine ausreichende Rechtsgrundlage. Die in einer Arznei- und Heilmittelvereinbarung vereinbarten Ziele könnten nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nur zur Information und Beratung dienen, nicht jedoch zur Festsetzung von Regressen. § 84 Abs. 7a SGB V ermächtige die Vertragspartner auf Bundesebene und nicht die Partner der Gesamtverträge auf regionaler Ebene zur Festlegung von Durchschnittskosten für definierte Dosiereinheiten. § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V rechtfertige keine automatische Kürzung bei Verfehlung von Zielwerten, sondern erfordere eine inhaltliche Prüfung, ob die Verfehlung der Ziele durch Unwirtschaftlichkeit oder durch Praxisbesonderheiten begründet sei. Die Zielfeldprüfung unterscheide sich von anderen Prüfungen dadurch, dass die definierten Prüfungsmaßstäbe absolut und nicht arztgruppenbezogen vereinbart seien. Es sei nicht sachgerecht und bedürfe aufgrund des Verstoßes gegen das Differenzierungsgebot nach Art. 3 Grundgesetz (GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung typische Differenzierung zwischen Arztgruppen aufgegeben werde. Zudem enthielten weder § 19 der Prüfvereinbarung noch die gesamtvertragliche Regelung verbindliche Vorgaben für die Auswahl der Medikamente/Wirkstoffe und für die Definition des Zielwertes. Wie die Vertragspartner Wirkstoffe ausgewählt und die Zielkosten je Tagesdosis berechnet hätten, sei nicht nachvollziehbar. Eine Überprüfung der vereinbarten Zielfelder auf ihre Vereinbarkeit mit dem Anspruch der Versicherten auf eine wirtschaftliche, dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Versorgung, sei nicht möglich. Die Zielfeldprüfungen griffen überdies in besonders starkem Maße in die Therapiefreiheit der Vertragsärzte und den Leistungsanspruch des Versicherten ein. Die Überschreitung der Zielwerte sei daher kein Indiz für unwirtschaftliches Verordnungsverhalten. Bei der Verordnung von Wirkstoffen habe der Arzt es zudem nicht in der Hand, welches Medikament der Apotheker auswähle. § 129 Abs. 1 SGB V bestimme, dass die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet seien, preisgünstige Arzneimittel abzugeben, wenn der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter einer Wirkstoffbezeichnung verordne oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen habe. Die für die Verordnung anfallenden Kosten lägen damit nicht in der Hand des Arztes. Die Krankenkassen könnten nach § 130a Abs. 8 SGB V mit pharmazeutischen Unternehmen Rabatte für die zu Ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren. Der einzelne Arzt kenne die Rabattverträge nicht und könne nicht wissen, welches Medikament für die jeweilige Krankenkasse das günstigste sei. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung hätten in ihren Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 SGB V für das Jahr 2008 auch festgestellt, dass die Regelungen in § 84 Abs. 7a SGB V zu Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit durch die verschiedenen Regelungen zu rabattbegünstigten Arzneimitteln in ihrer Umsetzung und Wirkung konterkariert würden. Praxisbesonderheiten seien nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin behandle fast ausschließlich Patienten mit Herzerkrankungen, so dass Arzneimittel aus diesem Bereich besonders häufig verordnet würden und damit auch die Gefahr einer Zielwertüberschreitung steige. Gründe für hohe Durchschnittskosten seien teure Originalpräparate, kleine Packungsgrößen und geringe Wirkungsstärken. Wegen ihres Patientenguts sei eine Überschreitung praktisch vorgezeichnet. Die Patienten seien teilweise bereits auf bestimmte Medikamente eingestellt, ein Wechsel sei oftmals riskant und medizinisch nicht indiziert. Bei der Einstellung eines Patienten auf ein Medikament würden zunächst kleine Packungsgrößen verordnet, um die Verträglichkeit und Wirksamkeit festzustellen. Danach würden größere Packungen eventuell auch mit höheren Dosierungen verordnet. Diese würden jedoch oftmals vom Hausarzt und nicht von der Klägerin weiter verordnet, da die Klägerin die Patienten nur zur Einstellung des Medikamentes behandle. Schließlich sei eine einzelfallbezogene Begründung der einzelnen Verordnungen nicht möglich. Die Aufstellung des Beklagten liste lediglich die einzelnen Medikamente auf, ohne diese einzelnen Patienten zuzuordnen. Eine patientenbezogene Begründung könne nur vorgenommen werden, wenn der Beklagte mitteile, bei welchen Patienten im Einzelnen die Zielfelder überschritten worden seien.
In seiner Klageerwiderung hat der Beklagte ausgeführt, Rechtsgrundlage der Zielfeldprüfungen sei § 106 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V. In § 84 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sei der Inhalt der Arznei- und Heilmittelvereinbarung nicht abschließend beschrieben. Maßnahmen im Wege eines Regresses seien nicht ausgeschlossen. § 84 Abs. 7a SGB V sei durch § 84 Abs. 4a Satz 1 SGB V ausgeschlossen gewesen. § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V zwinge nicht zu einer arztgruppenbezogenen Differenzierung, da dort die Rede von anderen arztbezogenen Prüfungsarten sei. Bei den nach § 19 Abs. 6 Prüfungsvereinbarung je Zielfeld zu bildenden variablen Grenzwerten für die Summen der verordneten DDD und die durchschnittlichen DDD je Packung würden die verordneten DDD und die durchschnittlichen DDD je Packung arzt- und zielfeldbezogen ermittelt. Grundgröße sei in beiden Fällen die Summe der Verordnungen aller Vertragsärzte im jeweiligen Zielfeld unabhängig vom Zielerreichungsgrad. Da eine preisbezogene Unwirtschaftlichkeit bei der Auswahl von Medikamenten mit denselben Wirkstoffen betrachtet werde, sei die Verfehlung der Verordnungsziele nicht von der Arztgruppe abhängig. Die Bestimmungen des § 19 der Prüfungsvereinbarung und der Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 gäben genügend Informationen über die geltenden Vorgaben und die Ermittlung der Daten. Da die Klägerin im Verwaltungsverfahren und im Vorverfahren keine rechtfertigenden Gründe für die Überschreitung der Zielvorgaben vorgetragen habe, hätten diese nicht berücksichtigt werden können. Die Dokumentations- und Beweislast liege bei der Klägerin. Dem Beklagten lägen nur die Phase-1-Daten der Richtgrößenprüfung vor. Dabei handele es sich um die Arztnummer, Betriebsstättennummer, das Verordnungsquartal, das Institutskennzeichen der Krankenkassen, die Zahl der Verordnungen für Arzneimittel, den Brutto-und Nettowert der Verordnungen für Arzneimittel und bezüglich der letzten drei Bereiche die Angabe der PZN. Ein Versichertenbezug dieser Daten bestehe nicht. Die Klägerin sei umfassend und rechtzeitig darüber informiert worden, dass sie dokumentierte Einzelfälle vorzutragen habe, in denen sie aus medizinischen Gründen Arzneimittel mit ungünstigen Tagestherapiekosten verordnet habe. Die vorgetragenen Praxisbesonderheiten seien nicht geeignet, die Überschreitung der durchschnittlichen Tagestherapiekosten zu rechtfertigen.Teure Kleinpackungen hätten bei der Klägerin nur einen geringen Anteil, insbesondere hätten auch die Packungsgrößen mit der Anzahl von 50 und 100 Tabletten den Zielwert überschritten. Zu der vorrangigen Verordnung des teuren Präparats V. habe sie sich nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2014 stattgegeben. Der Beschluss vom 10. August 2011 sei wegen fehlender Rechtsgrundlage rechtswidrig. § 106 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB V in den im Prüfungszeitraum geltenden Fassungen vom 14. November 2003 und vom 31. Oktober 2006 in Verbindung mit der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 vom 16. Februar 2006 in der Fassung des 1. Nachtrages vom 4. Mai 2006 (im Folgenden: Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006) in Verbindung mit § 19 der Prüfungsvereinbarung vom 30. November 2010 (im Folgenden: Prüfvereinbarung a.F.). in Verbindung mit Anlage F der Gesamtverträge schieden als Rechtsgrundlage aus. Eine Vereinbarung nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V sei für das Verordnungsjahr 2006 mit den indikationsbezogenen Zielvereinbarungen in § 4a und Anlage 2 der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 nicht wirksam getroffen worden, da keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bestanden habe. § 84 Abs. 4a SGB V in der seit 1. Mai 2006 gültigen Fassung habe eine entsprechende Kompetenz für eine Vereinbarung erstmalig für das Jahr 2007 vorgehen. § 84 Abs. 7a SGB V habe die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung verpflichtet, erstmals für das Verordnungsjahr 2007 für Gruppen von Arzneimitteln für verordnungsstarke Anwendungsgebiete Durchschnittskosten je definierter Dosiseinheit (DDD), die sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergeben, zu vereinbaren. Flankierend hierzu habe der ebenfalls durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) vom 26. April 2006 (BGBL. I, S. 984) eingeführte § 84 Abs. 4a SGB V vorgesehen, dass die Vereinbarung nicht zur Anwendung komme, wenn in der Arznei- und Heilmittelvereinbarung auf regionaler Ebene bis zum 15. November 2006 für das Jahr 2007 Maßnahmen bestimmt würden, die ebenso zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet seien und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten. Auch § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V könne nicht als Rechtsgrundlage für die Zielvereinbarungen in der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 dienen. Aus der Einführung und dem Regelungsinhalt von §§ 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V ergebe sich, dass § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V gerade keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung von Durchschnittskosten je definierter Dosiseinheit oder entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, geschweige denn für einen auf eine solche Vereinbarung gestützten Regress, sei. § 84 Abs. 3 SGB V scheide als Rechtsgrundlage ebenfalls aus. Danach sei eine Überschreitung des tatsächlichen durch das vereinbarte Ausgabenvolumen Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien hätten die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, zu berücksichtigen. Die Vorschrift sei damit Grundlage für die Einbeziehung einer Überschreitung des Ausgabenvolumens in die Gesamtverträge und für die Regelung einer Verpflichtung der Vertragspartner zur Ursachenanalyse, nicht jedoch für die Regelung von Maßstäben und Vorgaben einer Sanktionierung individueller Zielverfehlungen. Die Vereinbarkeit der getroffenen Zielvereinbarungen mit den Rahmenvorgaben der in § 106 Abs. 2 SGB V vorgesehenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen könne offen bleiben. Es sei aber fraglich, ob die Nichteinhaltung der vereinbarten DDD-Zielwerte zur Feststellung eines individuellen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot als Prüfmethode geeignet sei. Der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2006 sei nicht zu entnehmen, wie die vereinbarten Zielwerte gebildet wurden, so dass nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die Überschreitung auf unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten beruhe. Das Verfahren sei gerade nicht im Abschnitt 3 unter den Prüfungsarten nach § 12 der Prüfungsvereinbarung a.F., mit denen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu prüfen war, eingeordnet gewesen, sondern im Abschnitt 4 als besondere Aufgabe der Prüfungsstelle und des Beschwerdeausschusses zur Feststellung von Regressansprüchen aufgrund gesamtvertraglicher Regelungen. Die Prüfungsvereinbarung a.F. habe das Verfahren folglich offenbar selbst nicht als ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung begriffen. Die Festsetzung des Regresses sei jedenfalls rechtswidrig, weil die in § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag vorgesehene Regelung der Darlegungs- und Beweislast in der konkreten Verfahrensausgestaltung nach § 19 der Prüfungsvereinbarung a.F. unverhältnismäßig sei und den den Vertragsparteien eingeräumten Gestaltungsspielraum überschreite.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 11. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 6. Januar 2015 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, der Regress könne auf § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 und § 19 der Prüfungsvereinbarung sowie § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag gestützt werden. Es sei nie behauptet worden, dass § 84 Abs. 4a und 7a SGB V in der zum 1. Mai 2006 in Kraft getretenen Fassung die Ermächtigungsgrundlage sei. Die Aufhebung dieser Vorschriften durch das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) zum 1. Januar 2011 habe allerdings die indikationsbezogenen Zielvereinbarungen der Jahre 2005 bis 2008 nicht berühren können. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 und Abs. 7 SGB V habe einer Sanktionsregelung individueller Zielverfehlungen nicht nur nicht entgegengestanden, sondern sei rechtliche Grundlage für die getroffenen Zielvereinbarungen gewesen. Zweifel an der richtigen Ermittlung der Zielwerte seien grundlos, ihr Inhalt überschreite auch nicht den von § 2 Abs. 1 der Anlage F eingeräumten Gestaltungsspielraum. Dem Vertragsarzt sei es auch möglich, Gründe für Überschreitungen der Zielvereinbarungen darzulegen. Die ihm berufsrechtlich obliegende Dokumentationspflicht ermögliche es ihm, nachzuweisen, dass seine teure, den sogenannten DDD-Wert überschreitende Verordnung durch zwingende medizinische Gründe geboten gewesen sei.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wendet ein, die hier vereinbarte Prüfmethode genüge nicht den von § 106 SGB V gesetzten Rahmenbedingungen. Aus der Überschrift zu § 19 Prüfvereinbarung folge, dass es sich bei einer Zielfeldprüfung gerade nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne von § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V handele. Nach § 19 Prüfvereinbarung entstehe der Regressanspruch nämlich bereits bei Erfüllung der Voraussetzungen ohne dass die Prüfungsstelle eine Unwirtschaftlichkeit feststelle. § 84 SGB V enthalte ebenfalls keine Ermächtigung für die Durchführung von Prüfverfahren und Regressfestsetzungen. § 84 Abs. 3 und 7 SGB V ermögliche bei Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens einen Ausgleich nur zwischen den Partnern der Gesamtverträge. Eine Zielfeldprüfung sei auch kein Ersatz für eine Bonus-Malus-Regelung nach § 84 Abs. 7a SGB V. Die Zielvereinbarung verstoße gegen § 84 Abs. 7 SGB V. Die Festsetzung von Regressen sei nicht Gegenstand der dort geregelten Rahmenvorgaben. Die Ermittlung der vereinbarten Zielwerte sei nicht nachvollziehbar und auch deshalb rechtswidrig. Da dem Vertragsarzt die Versichertennummern für die Patienten, für die er die Zielwert überschritten hat, nicht mitgeteilt würden, könne er anhand seiner Dokumentation nicht prüfen, welcher medizinische Hintergrund der Verordnung zugrunde gelegen habe.
Die Beigeladenen haben keine Stellungnahme abgegeben und auch keine eigenen Anträge gestellt.
Der Senat hat am 25. November 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im übrigen zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Es fehlte im streitigen Zeitraum an einer hinreichenden formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für einen Zielfeldregress.
Das Sozialgericht hat sich auch zu Recht auf die Aufhebung der Entscheidung des Beklagten beschränkt und ihn nicht zur Neubescheidung verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ginge ins Leere. Es gibt keinen Widerspruch mehr, über den der Beklagte zu entscheiden hätte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ersetzt die Entscheidung des Beschwerdeausschusses den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses (BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 35 = juris, Rn. 11) und ist damit alleiniger Streitgegenstand einer dagegen gerichteten Klage. Da der Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht über einen Widerspruch entscheidet, sondern eine eigene Sachentscheidung trifft, bedarf es nach einer gerichtlichen Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses keiner erneuten Entscheidung unter dem Gesichtspunkt, dass andernfalls der Bescheid der Prüfstelle "in der Luft hinge". Die Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses führt nicht zu einer Wiederherstellung des Ausgangsbescheides der Gemeinsamen Prüfungsstelle; vielmehr ist Letzterer in Ersterem aufgegangen, also rechtlich nicht mehr existent (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 49/11 R, BSGE 112, 90, bezogen auf die vergleichbare Konstellation der Entscheidung des Berufungsausschusses nach einem Widerspruch gegen diejenige des Zulassungsausschusses, m.w.N.). Im Übrigen verfügt der Beschwerdeausschuss auch nicht über einen vom Gericht zu wahrenden Entscheidungsspielraum, wenn seine Entscheidung – wie im vorliegenden Fall – generell rechtswidrig (zum Begriff Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106 Rn. 372) ist, das heißt, wenn er aus grundsätzlichen und insbesondere ermessensunabhängigen Erwägungen am Regress gehindert ist und daher eine Neuentscheidung des Beschwerdeausschusses ohnehin nur als Abhilfe ergehen könnte (Urteile des Senats vom 1. April 2015– L 5 KA 34/12, L 5 KA 35/12 und L 5 KA 36/12, juris).
I.) Der angegriffene Beschluss des Beklagten ist – anders als vom Sozialgericht angenommen – auf seine Vereinbarkeit nicht mit dem im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten (d.h. am 10. August 2011) geltenden Recht zu prüfen, sondern mit der Rechtslage in dem Zeitraum, der Gegenstand der Prüfung war, und somit im Jahr 2006.
Änderungen der materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfassen grundsätzlich nur Quartale nach dem Inkrafttreten der Neuregelung (aus neuerer Zeit BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 49 = juris, Rn. 29 ff.; weiter auch BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 15 f.): Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung von Quartalen, die vor Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung abgeschlossen waren, sind die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften auch dann maßgeblich, wenn die Gesetzesänderung nicht durch entsprechende Übergangsbestimmungen flankiert wird. Umgekehrt kommt im Bereich des materiellen Rechts (d.h. der Bestimmungen darüber, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist) neues, nach Abschluss des betroffenen Quartals in Kraft getretenes Recht nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen zur Anwendung (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 16 unter Verweis auf Steinhilper, MedR 2004, 597, 600, und Engelhard, SGb 2008, 150, 157). Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 6 KA 8/03 R, BSGE 92, 283) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18). Die Frage nach einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Beschluss des Beklagten betrifft das materielle Recht. Das Bundessozialgericht definiert diesen Begriff – wie soeben dargestellt – als Bestimmungen darüber, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist (BSG, Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 34/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 18, juris, Rn. 16).
II.) Die Festsetzung eines Zielfeldregresses durfte nur aufgrund einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erfolgen.
1.) Dass ein Verwaltungsakt, der in Rechte des Adressaten eingreift, einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, ist allgemein anerkannt. Beruft sich – wie hier – die Behörde auf Rechtsvorschriften, die innerhalb der Normenhierarchie im Rang unterhalb eines formellen Gesetzes stehen, so sind die Gerichte nicht daran gehindert, die Vereinbarkeit dieser Rechtsgrundlagen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen. Hieran ändert auch der konsensuale Charakter dieser Vorschriften nichts. Nach § 58 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. Der Prüfungsmaßstab ergibt sich insoweit insbesondere aus § 134 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des SGB V (vgl. bereits Urteil des Senats vom 5. November 2014 – L 5 KA 28/11, juris, Rn. 29) und naturgemäß erst recht mit den Vorschriften des GG.
2.) a) Die Erforderlichkeit einer formell-gesetzlichen Grundlage ergibt sich für Zielfeldregresse – jedenfalls in ihrer konkret streitigen Gestalt – aus dem Vorbehalt des Gesetzes als Teil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips und dem Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 1 GG). Beide verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 = juris, Rn. 39 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257; BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74, BVerfGE 40, 237). Als wesentlich für die Grundrechtsverwirklichung stellt sich der Zielfeldregress jedenfalls deswegen dar, weil er sich strukturell und intendiert auf den grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung (dazu nur BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, dort auch zur Abwägung mit dem krankenversicherungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot) auswirkt sowie auf die in dienender Funktion dazu stehende und durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Therapieverantwortung des behandelnden Arztes (dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. März 2012 – L 11 KA 136/11, juris, Rn. 31 f., m.w.N.).
b) Eine sich allein aus untergesetzlichen Vorschriften ergebende Befugnis zum Regress, wie sie in der Literatur bejaht wird (Freudenberg in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 SGB V, Rn. 84, und Hess in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 84 SGB V, Rn. 24), reicht deswegen nicht aus, weil der Zielfeldregress – gerade in seiner Auswirkung auf die konkrete Krankenbehandlung – einen Unterfall des Verordnungsregresses darstellt und damit an denselben verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen ist (vgl. zur Grundrechtsprüfung beim Off-Label-Use vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 38/13 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 47), wobei auch und gerade seine individualpräventiven Wirkungen im Sinne einer Steuerung des zukünftigen Verordnungsverhaltens in den Blick zu nehmen sind.
Während etwa Honorarkürzungen aufgrund statistischer Vergleichsprüfungen in aller Regel nur mittelbare oder reflexhafte Auswirkungen auf die konkreten Entscheidungen des Vertragsarztes haben, wirkt sich eine Einflussnahme der Gesamtvertragspartner auf die konkrete Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Arzneimitteln desselben Wirkstoffs unmittelbar auf die Krankenbehandlung aus und trifft den Versicherten auch erheblich punktueller als etwa eine Befolgung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots in den §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 12 SGB V. Dies gilt insbesondere bei Arzneimitteln, die – wie Betablocker – ohnehin nur bei gravierenden Erkrankungen indiziert sind und bei denen eine unzureichende Versorgung des Versicherten regelmäßig unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf seine körperliche Unversehrtheit hat. Dies wird auch nicht etwa dadurch wesentlich abgemildert, dass nach der vom Beklagten angewandten Berechnungsmethode nicht PZN-genau jede einzelne Überschreitung der Zielkosten/DDD zu einer Regressforderung führt und der Vertragsarzt somit einzelne Überschreitungen der Zielkosten/DDD durch Unterschreitungen innerhalb derselben Arzneimittelgruppe ausgleichen kann. Ein Vertragsarzt, der nicht einzeln über die Kosten der von ihm verordneten DDD Buch führt, kann letztlich nur dann "auf der sicheren Seite" bleiben, wenn er stets zum kostengünstigeren Arzneimittel greift.
Somit ist für Zielfeldregresse der vorliegenden Art eine formell-gesetzliche Grundlage zu fordern, die von ihrer demokratischen Legitimation her betrachtet ungefähr der eines Verordnungsregresses beim Off-Label-Use entspricht und Ergebnis einer Abwägung zwischen den genannten Grundrechten und dem Gemeinwohlinteresse einer funktionsfähigen gesetzlichen Krankenversicherung ist.
III.) Eine derartige formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hat es im streitigen Verordnungszeitraum nicht gegeben.
1.) Der Beklagte beruft sich auf die in § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V enthaltene Ermächtigung, Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungen zu vereinbaren, in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V sowie folgendem untergesetzlichen Normkonstrukt:
a) § 4 der zwischen den Beigeladenen geschlossenen Arznei- und Heilmittelvereinbarung für das Jahr 2006 vom 16. Februar 2006 regelte Zielvereinbarungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006. In § 4a Abs. 1 Satz 1 bzw. – ab 1. Juli 2006 – in Anlage 2a hieß es, die Vertragspartner gingen davon aus, dass die beschriebenen Maßnahmen im Zusammenwirken mit den jeweiligen gesamtvertraglichen Regelungen zur Zielerreichung eine Regelung im Sinne der regionalen Öffnungsklauseln des § 84 Abs. 4a SGB V seien und somit die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Einzelne – indikationsbezogene – Zielvereinbarungen waren in Anlage 2 bzw. – ab 1. Juli 2006 – in Anlage 2a der Arzneimittelvereinbarung 2006 aufgeführt.
b) Für den Fall, dass die tatsächlich festgestellten Ausgabenvolumina für Arznei-, Verband und Heilmittel die vereinbarten Ausgabenvolumina für ein Kalenderjahr rechnerisch überschritten, erwarb die Beigeladene zu 1 nach § 2 Abs. 1 der Anlage F zum Gesamtvertrag zwischen den Beigeladenen zu 1 und 6 (vom 18. April 1996 in der Fassung des 12. Nachtrags vom 21. April 2005) einen auf Ausgleich der im Einzelfall entstandenen Mehrkosten gerichteten Regressanspruch gegenüber Vertragsärzten, die die im besonderen Teil der Zielvereinbarungen der Arzneimittelvereinbarung nicht erreicht hatten.
c) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungsvereinbarung über das Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss (vom 21. April 2005) oblag den Ausschüssen auch die Feststellung der (ihren Voraussetzungen nach abschließend in den Gesamtverträgen geregelten, Abs. 2 Satz 1) Regressansprüche der Krankenkassen gegenüber einzelnen Ärzten aufgrund der Verfehlung von Versorgungszielen nach dem besonderen Teil der Zielvereinbarungen der Arznei- und Heilmittelvereinbarung gemäß gesamtvertraglicher Regelungen.
2.) Der Senat vermag hierin keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zu erkennen.
a) Auf die Ermächtigung zu Vereinbarungen über Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten in § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V kann sich der Beklagte nicht berufen. Eine Prüfung, die sich – wie hier – an Zielkosten orientiert, welche wiederum auf einer beabsichtigten Senkung des Durchschnitts beruhen (vgl. den Wortlaut der Zielvereinbarung), implementiert zwar den Durchschnittswert als relevanten Faktor, zieht aber gerade nicht den Schluss vom Durchschnittswert auf ein wirtschaftliches Verhalten, sondern versucht, den Durchschnittswert zu beeinflussen.
b) Die erforderliche Ermächtigung ergibt sich – auch nach Auffassung des Beklagten –auch nicht allein daraus, dass § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V daneben auch Vereinbarungen zu anderen arztbezogenen Prüfungen zulässt. Vielmehr vertritt der Beklagte letztlich die Auffassung, dass sich der Regelungsgehalt von § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V, wie er durch das AVWG eingeführt und durch das AMNOG wieder abgeschafft worden war, zuvor bereits aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB V ergeben hatte.
aa) Im Einzelnen sah das vom 1. Januar 2004 bis 30. April 2006 geltende Recht vor, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung trafen, die unter anderem Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung umfasste (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB V in der Fassung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes [ABAG] vom 19. Dezember 2001, BGBl. I, 3773). Eine ausdrückliche Regelung betreffend Regresse im Zusammenhang mit diesen Zielvereinbarungen enthielt das Gesetz nicht. Es maß den Zielvereinbarungen insoweit eine Rolle zu, als 1. die Vertragspartner im Rahmen der in den Gesamtverträgen zu treffenden Regelung für den Fall einer Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens für Arznei- und Verbandmittel auch die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen zu berücksichtigen hatten (§ 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V), 2. die Krankenkassen bei Erfüllung der Zielvereinbarungen unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens einen Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung entrichteten (§ 84 Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I, 2190) und 3. die Arzneimittelvereinbarung einen Prozentbetrag zur Finanzierung von Informations- und Beratungsmaßnahmen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sowie von Bonuszahlungen an Vertragsärzte, die das Richtgrößenvolumen eingehalten hatten (§ 84 Abs. 6 SGB V) vorsehen konnte (§ 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes).
Eine gesetzliche Grundlage für Zielfeldregresse ergab sich auch nicht aus § 84 Abs. 7 Satz 1 bis 3 SGB V. Diese Vorschriften ermächtigte die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu Rahmenvorgaben im Sinne eines Benchmarkings (so Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 Rn. 111) an die Adresse der regionalen Vertragspartner. Zwar erfolgten auch die dort genannten Umsatzziele (für das Jahr 2006; für das Vorjahr enthielten die Rahmenvorgaben [vom 27. Oktober 2004, DÄ 2004; 101(48): A-3290 / B-2790 / C-2642] nichts derartiges) auf der Grundlage rechnerischer mittlerer Tagesbehandlungskosten für bestimmte Leitsubstanzen, allerdings lässt sich weder § 84 Abs. 7 SGB V noch den auf seiner Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben eine Ermächtigung zur Umsetzung dieser Werte in verbindliche Vorgaben an den einzelnen Vertragsarzt entnehmen.
bb) Eine wesentliche Änderung dieser Rechtslage bewirkte das zum 1. Mai 2006 in Kraft getretene AVWG. Nachdem der Gesetzesentwurf ursprünglich eine Vereinbarung über durchschnittliche Kosten für definierte Dosiereinheiten allein auf regionaler Ebene vorgesehen hatte (§ 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 Buchstabe b des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drs. 16/194), wurde auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 16/691) eine Regelung Gesetz, die im neuen § 84 Abs. 7a SGB V eine diesbezügliche Vereinbarung auf Bundesebene vorsah und deren Inhalt – gerade auch hinsichtlich einer Ausgleichsverpflichtung der Vertragsärzte bei Überschreiten der vereinbarten Werte – detailliert regelte. Zugleich stand die Geltung dieser Vereinbarung allerdings nach § 84 Abs. 4a SGB V in der letztlich Gesetz gewordenen Fassung der Beschlussempfehlung unter dem Vorbehalt, dass in einer Arzneimittelvereinbarung (nach § 84 Abs. 1 SGB V) bis zum 15. November für das jeweils folgende Kalenderjahr Maßnahmen bestimmt waren, die ebenso wie eine Vereinbarung nach § 84 Abs. 7a SGB V zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet waren und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten:
Im Einzelnen vereinbarten nach dem neu eingefügten § 84 Abs. 7a SGB V die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen (als die in § 84 Abs. 7a Satz 1 SGB V angesprochenen "Vertragspartner nach Absatz 7") bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln, wie sie sich bei wirtschaftlicher Verordnungsweise ergaben. Diese Vereinbarungen wurden kraft Gesetzes Bestandteil der Arzneimittelvereinbarungen. Folgen einer Überschreitung dieser Durchschnittskosten regelte § 84 Abs. 7a Satz 6 SGB V, der dem Arzt eine (der Höhe nach prozentual gestaffelte) Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Krankenkassen auferlegte. Nach § 84 Abs. 7a Satz 9 erster Halbsatz SGB V stellte der Prüfungsausschuss (§ 106 Abs. 4 SGB V in der damals geltendem Fassung, der Vorläufer der Gemeinsamen Prüfungsstelle) derartige Überschreitungen nach Ablauf eines Quartals auf der Grundlage der arztbezogenen Schnellinformationen (§ 84 Abs. 5 Satz 4 SGB V in der Fassung des ABAG) oder aufgrund der Abrechnungsdaten nach § 300 SGB V fest. Für das weitere Verfahren erklärte § 84 Abs. 7a Satz 9 SGB V die Regelungen in § 106 Abs. 5 und 5c SGB V für entsprechend anwendbar. Nach § 84 Abs. 7a Satz 10 SGB V unterlagen Arzneimittel, für die die Regelungen in § 84 Abs. 7a SGB V Anwendung fanden, nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2 SGB V und die Richtgrößen waren von den Partnern der Gesamtverträge entsprechend zu bereinigen. Spiegelbildlich enthielt § 84 Abs. 7a Satz 7 SGB V auch eine Bonus-Regelung für den Fall, dass die Ausgaben der von den Ärzten einer Kassenärztlichen Vereinigung insgesamt verordneten Arzneimittel die Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit unterschritten. Inhaltliche Vorgaben für die Vereinbarungen auf regionaler Ebene enthielt § 84 Abs. 4a SGB V in der Fassung des AVWG nicht, machte aber zugleich deren Vorrang vor der Regelung auf Bundesebene davon abhängig, dass sie ebenso wie eine Vereinbarung nach § 84 Abs. 7a SGB V zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geeignet waren und die einen entsprechenden Ausgleich von Mehrkosten bei Nichteinhaltung der vereinbarten Ziele gewährleisteten.
cc) Hierbei vermochte § 84 Abs. 4a SGB V allerdings – obwohl mangels einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift (vgl. Art. 3 AVWG) mit Wirkung zum 1. Mai 2006 in Kraft getreten – Zielfeldregresse betreffend das Jahr 2006 nicht zu rechtfertigen, denn Wirkung entfalten konnte § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V erst im Jahr 2007. Beide Absätze gaben den Normadressaten die Schaffung der genannten Regelungen "für das jeweils folgende Kalenderjahr" (so übereinstimmend der Wortlaut von § 84 Abs. 4a und Abs. 7a Satz 1 SGB V) auf. In der Gesetzesbegründung zu § 84 Abs. 7a SGB V heißt es hierzu ausdrücklich (BT-Drs. 16/691, S. 16): "Die Vereinbarung von Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit ist erstmals zum 30. September 2006 für das Jahr 2007 zu treffen."
Die Begründung zu § 84 Abs. 4a SGB V (BT-Drs. 16/691, a.a.O.) in der Fassung des AVWG bekräftigt dies und führt näher aus: "Durch die Vorgabe einer Frist für das Zustandekommen einer Vereinbarung zum 15. November, erstmals zum 15. November 2006, bleibt der Selbstverwaltung genügend Zeit für eine Einigung. Die Ärzte müssen aber spätestens bis zum Jahresende über die Regelung informiert sein.
Eine Vereinbarung über Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit ist erstmals für das Jahr 2007 abzuschließen. Die regionalen Vertragspartner können diese Regelung durch eine abweichende Vereinbarung nach Absatz 4a erstmals zum 15. November 2006 ablösen."
dd) Somit kommt als formell-gesetzliche Ermächtigungsrundlage nur § 106 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V und § 84 Abs. 3 SGB V (in der Fassung des ABAG) in Betracht. Diese Vorschriften reichten indes nicht als formell-gesetzliche Grundlage derjenigen Vereinbarungen, auf die sich der Beklagte beruft, aus.
(1) Aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften ließ sich eine Befugnis zur Vereinbarung von Zielfeldregressen nicht ableiten. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sprach (und spricht auch im heutigen Regelungskontext) von Zielvereinbarungen "insbesondere zu Information und Beratung". Soweit die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6309 S. 8) davon spricht, die auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen umfassten vorrangig die Durchführung von Informationen der Vertragsärzte und der Versicherten sowie gezielte Beratungen von Vertragsärzten, gegebenenfalls auch die Einleitung von Prüfungen der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln nach § 106 SGB V, hat dies im Wortlaut der Vorschrift, der beispielhaft ("insbesondere") weit weniger invasive Maßnahme nennt, keinen Niederschlag gefunden. Auch Wortlaut und Systematik des ebenfalls durch das ABAG eingeführten § 84 Abs. 3 SGB V bietet wenig Anhaltspunkte für Regressmöglichkeiten: Überschreitet das tatsächliche Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel das nach vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 SGB V Gegenstand der Gesamtverträge, d.h. die Partner der Gesamtverträge sind (anders als für den Fall der Unterschreitung, wo Satz 3 der Vorschrift dies in ihr Ermessen stellt) verpflichtet, für diesen Fall eine Regelung zu treffen. Vorgaben weniger an den Inhalt dieser Regelung als vielmehr an die Entscheidungsfindung der Vertragsparteien (vgl. Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 84 Rn. 85: Verpflichtung zur Ursachenanalyse) enthält § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach die die Vertragsparteien die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V zu berücksichtigen haben. Seinem Wortlaut nach stellt § 84 Abs. 3 Satz 2 SGB V somit einen retrospektiven Zusammenhang zwischen den Zielvereinbarungen und der Ursachenforschung bei Überschreiten der vereinbarten Gesamtvergütung her. Dass auch die Durchsetzung der Zielvereinbarungen gegenüber den Vertragsärzten Gegenstand der Gesamtverträge sein soll, ergibt sich hieraus nicht.
(2) Die Entstehungsgeschichte von § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V und § 84 Abs. 3 SGB V spricht nur auf den ersten Blick für eine Ermächtigung zur Vereinbarungen von Zielfeldregressen. Insoweit verweist der Beklagte zutreffend auf die Gesetzesbegründung zum ABAG, in der es wörtlich heißt (BT-Drs. 14/6309, S. 8):
"Die auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen umfassen vorrangig die Durchführung von Informationen der Vertragsärzte und der Versicherten sowie gezielte Beratungen von Vertragsärzten, gegebenenfalls auch die Einleitung von Prüfungen der Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln nach § 106."
Im Gesamtkontext der Regelung und vor allem auch im Lichte späterer Rechtsänderungen stellt sich dieser Befund indes weit weniger eindeutig dar. Zweck des ABAG war zunächst die Beseitigung des (auch vom Gesetzgeber so bezeichneten) "Kollektivregresses", zu dem es durch eine Verringerung der Gesamtvergütungen wegen der Überschreitung der Arznei- und Heilmittelbudgets gekommen war (BT-Drs. 14/6309, S. 1). Wenn es weiter heißt (a.a.O), die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung würden flexibilisiert, sie regele selbst die Folgen einer Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens, könne Anreize insbesondere zur Erfüllung der Zielvereinbarungen setzen und bestimme auch Intensität und Ausmaß der Prüfung einzelner Vertragsärzte nach Richtgrößenvorgaben weitgehend selbst, lässt dies wiederum daran zweifeln, ob das ABAG tatsächlich neben den genannten Anreizen auch das Gegenteil, nämlich Regresse ermöglichen wollte, was ausdrücklich jedenfalls nur im Zusammenhang mit den (von den DDD-basierten Zielvorgaben streng zu unterscheidenden) Richtgrößenvorgaben angesprochen wird.
Insbesondere darf aber bei der historischen Auslegung der Vorschriften nicht unbeachtet bleiben, dass der Gesetzgeber – wie bereits angesprochen – bei Erlass des AVWG ausdrücklich davon ausging, er habe nunmehr durch Schaffung von § 84 Abs. 7a und Abs. 4a SGB V eine Rechtsgrundlage für einen Regress bei Überschreiten bestimmter Kosten je definierter Dosiereinheit geschaffen. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drs. 16/194, S. 10) heißt es:
"Mit der vorliegenden Regelung wird es möglich, entsprechende Zielvereinbarungen mit arztbezogenen Anreizen zu verbinden. Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen bestehen weiterhin erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen sowie beim indikationsgerechten Einsatz von hochpreisigen Spezialpräparaten. Durch die Neuregelung wird die Wirksamkeit der arztbezogenen Steuerung der Arzneimittelversorgung entscheidend verbessert, so dass die von den Vertragsparteien der Arzneimittelvereinbarung festgelegten Ziele auch tatsächlich eingehalten werden. Im Unterschied zu der durch das Arzneimittelbudget-Ablösegesetz aufgehobenen gemeinschaftlichen Haftung der Ärzteschaft für Überschreitungen der Arzneimittelausgabenvereinbarungen begründet diese Vorschrift die Verantwortung des verordnenden Arztes für die Kosten der von ihm veranlassten Arzneimittelausgaben."
Daran anknüpfend hieß es denn auch in der Pressemitteilung 2006-01 des Bundesministeriums für Gesundheit, es sollten künftig Zielvorgaben für die Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel gelten. Mit der Annahme des Beklagten, dasselbe habe sich zuvor aus allgemeinen Bestimmungen ergeben, lässt sich dies nicht vereinbaren. Die Entstehungsgeschichte von § 84 Abs. 4a, Abs. 7a SGB V in der Fassung des AVWG zeigt, dass auch der Gesetzgeber nicht davon ausging, er habe nur das deklaratorisch festgeschrieben, was sich bislang ohnehin bereits aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V ergeben habe.
(3) Auch in teleologischer Hinsicht lässt sich in § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Zielfeldregresse (jedenfalls der vorliegend streitigen Art) erkennen. Die Grundrechtsrelevanz von Zielvereinbarungen der vorliegend streitigen Art ist – gerade in Relation zu Richtgrößenvereinbarungen, Durchschnittsprüfungen etc. – bereits dargestellt worden. Sie verlangt nach einer gesetzlichen Vorschrift, die Ergebnis eines gesetzgeberischen Abwägungsprozesses zwischen dem grundrechtlich geschützten Behandlungsanspruch der Versicherten und dem Interesse der Solidargemeinschaft an einer wirtschaftlichen Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel im Sinne einer funktionsfähigen gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Vorschriften derart allgemeiner, beinahe generalklauselartigen Natur wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB V werden dem nicht gerecht. Auch an diesem Punkt zeigt der Vergleich mit den durch das AVWG geschaffenen Möglichkeiten, wie das Ergebnis einer solchen Abwägung beschaffen sein kann und muss. Die Vorschrift enthielt zunächst in Satz 2 bis 5 inhaltliche Anforderungen an die Festsetzung der Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit, wobei Besonderheiten unterschiedlicher Anwendungsgebiete zwingend zu berücksichtigen waren. Die Ausgleichsverpflichtung traf den Arzt nur in Höhe eines prozentual gestaffelten Anteils des konkreten Überschreitungsbetrages, was auch ohne konkrete medizinische Streitigkeit um die Indikation gerade des kostenintensiveren Arzneimittels eine Art Sicherheitsabschlag im Hinblick auf Besonderheiten des Einzelfalles enthielt. § 84 Abs. 7a Satz 10 SGB V verhinderte eine Mehrfachbelastung des betroffenen Vertragsarztes durch entsprechende Beanstandungen in der Wirtschaftlichkeits- oder der Richtgrößenprüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird angesichts der Vielzahl noch anhängiger ähnlich gelagerter Klagen wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved