Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 AS 4126/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 547/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum 30. November 2010 geltend.
Der Kläger, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und Erwerbsfähigkeit im Jahr 2010 keine Zweifel bestehen, ist am xxxxx 1948 geboren. Er bezog seit Mai 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am xxxxx 2007 verstarb die Mutter des Klägers. Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese stellte zunächst einen Erbschein aus, der den Kläger und seine Schwester als Miterben zu je 1/2 auswies. Nachdem ein Testament gefunden worden war, das den Kläger zum Alleinerben einsetzte, zog das Amtsgericht Hamburg-Blankenese den gemeinschaftlichen Erbschein mit Beschluss vom 28. August 2007 ein und stellte am 7. September 2007 einen Erbschein aus, der den Kläger als Alleinerben auswies. Eine Erklärung des Klägers über die Ausschlagung des Erbes sah das Amtsgericht Hamburg-Blankenese als unerheblich an. Der Kläger beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins vom 7. September 2007, was das Amtsgericht Hamburg-Blankenese mit Beschluss vom 22. November 2007 zurückwies (507 IV-VI 739/07). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 29. Januar 2008 zurück (301 T 649/07). In der Begründung führte das Landgericht aus, der Erbschein vom 7. September 2007 sei richtig, der Kläger sei Alleinerbe seiner Mutter geworden.
Der Kläger führte einen Schadensersatzprozess seiner Mutter gegen die E.-Klinik H. GmbH (im Folgenden: E.-Klinik) vor dem Landgericht Hamburg fort (303 O 307/04). Mit Urteil vom 4. April 2008 sprach das Landgericht dem Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 80.908,43 Euro nebst Zinsen zu. Der Kläger und die E.-Klinik legten Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht (1 U 79/08) ein. In der Berufungsbegründung vom 24. Juli 2008 führte die E.-Klinik aus, dass die Haftung dem Grunde nach und die Verpflichtung zur Zahlung einer "unstreitigen Urteilssumme" von 38.004,82 Euro akzeptiert werde. Am 18. September 2008 wurde einem Sparkonto (S.) des Klägers bei der S.-Bank ein Zahlungseingang in Höhe von 48.713,25 Euro von der Versicherung der E.-Klinik mit dem Betreff "nicht angefochtene Urteilssumme zzgl. Zinsen" gutgeschrieben.
Bei einem Datenabgleich nach § 52 SGB II erfuhr die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die H. Arbeitsgemeinschaft SGB II, Anfang November 2009 davon, dass der Kläger im Jahr 2008 Kapitalerträge in Höhe von 85,- Euro erzielt hatte. Mit Schreiben vom 9. November 2009 teilte sie dies dem Kläger mit und bat um lückenlose Belege über das Einkommen bzw. das Vermögen, das diesem Kapitalertrag zugrunde lag. Der Kläger äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 11. November 2009, 2. Dezember 2009 und 14. Dezember 2009, erläuterte die Erbschaft und den Schadensersatzprozess und teilte folgendes mit: Die Zahlung aus dem Schadenersatzprozess stünde nicht ihm allein, sondern auch seiner Schwester zu, außerdem seien hieraus Verbindlichkeiten seiner Mutter zu begleichen. Deshalb habe er die Zahlung einem Treuhandkonto zugeführt. Er könne über die Gelder erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits mit der E.-Klinik verfügen. Die E.-Klinik habe die gut 48.000,- Euro überwiesen, ohne hierzu aufgefordert worden zu sein und unter Bezug auf die bisherige Rechtslage. Daraus folge, dass für den Fall, dass sich im Berufungsverfahren eine andere Rechtslage ergebe, die E.-Klinik diese vorab gezahlte Summe wieder zurückfordern könne und selbstverständlich auch werde. Ihm seien außerdem insgesamt über 5.000,- Euro an Anwaltskosten aus einem Prozess mit seiner Schwester entstanden. Dieser habe folgenden Hintergrund: Seine Mutter habe ihr Haus 1988 durch Schenkung an seine Schwester übertragen. Er selbst sei damals überschuldet gewesen. Nachdem seine Mutter 2001 infolge eines ärztlichen Kunstfehlers pflegebedürftig geworden sei, sei er 2002 zu ihr in ebenjenes Haus gezogen und habe ihre Betreuung und Pflege übernommen. Seine Schwester habe ihm anlässlich dessen versprochen, dass ihm nach dem Tode der Mutter die Hälfte des Hauses zustehen solle, dies habe sie auch schriftlich bestätigt. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 habe die Schwester diese Vereinbarung jedoch bestritten und von ihm die Räumung des Hauses verlangt, damit sie dieses verkaufen könne. Sie habe ihm hierfür eine Frist bis 2009 gesetzt und anschließend vor dem Landgericht Hamburg vergeblich versucht, ihn aus dem Haus zu klagen.
Nachfolgend hob die Rechtsvorgängerin des Beklagten die Bewilligungsentscheidungen für die Zeiträume vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4.6.2010, dieser war Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg zum Aktenzeichen S 22 AS 3883/10 und vor dem Landessozialgericht zum Aktenzeichen L 4 AS 277/16) und vom 1. September 2009 bis zum 31. Dezember 2009 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.12.2009) auf. Am 22. Januar 2009 lehnte sie einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen ab.
Am 28. Mai 2010 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er teilte mit, auf seinen Konten befände sich derzeit Guthaben in Höhe von insgesamt 15.727,65 Euro. Davon stünden aber 12.178,25 Euro seiner Schwester als Pflichtteilsanspruch aus der Zahlung der E.-Klinik zu, sodass sein Vermögen unterhalb der Freibeträge liege. Mit Schreiben vom 27. Juni 2010 machte der Kläger weitere Angaben zu seinem Vermögen. Er habe am 11. Januar 2010 einen Betrag von 4.000,- Euro an ein Sanitätshaus auf Forderungen gegenüber seiner Mutter zahlen müssen. Im Februar 2010 habe er seinem Bekannten Herrn K. aus seinem Vermögensfreibetrag ein Darlehen in Höhe von 3.500,- Euro gewährt, dessen Rückzahlung für September 2010 vorgesehen sei. Er habe weitere Kosten von ca. 3.100,- Euro gehabt, im Einzelnen Lagerkosten, Anwaltskosten in der Schadenersatzsache, Anwaltskosten in dem Rechtsstreit mit seiner Schwester wegen des Hauses, Steuerberaterkosten, Handwerkskammerbeitrag, Kfz-Steuer und weitere Kleinbeträge.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2010 lehnte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Leistungsantrag des Klägers vom 28. Mai 2010 ab. Er verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 14.000,- Euro, welches die Vermögensfreibeträge in Höhe von 9.900,- Euro übersteige. Er sei daher nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Mit Fax vom 9. Juli 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juli 2010. Es treffe nicht zu, dass er über Vermögen in Höhe von 14.000,- Euro verfüge, weil 12.178,25 Euro davon Fremdgeld seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 wies die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 7. Juli 2010 zurück. Nach dem Zufluss der Schadensersatzzahlung im September 2008 habe für ein Jahr eine Anrechnung als Einkommen stattgefunden, anlässlich der Neuantragstellung sei über den verbleibenden Betrag eine Vermögensprüfung durchzuführen gewesen. Am 6. Januar 2010 habe ein Guthaben von 27.200 Euro auf dem klägerischen Konto bei der S.-Bank bestanden, wie dem Beschluss des Landessozialgerichts vom 11. Februar 2010 (L 5 AS 20/10 B ER) zu entnehmen sei. Abzüglich des monatlichen Bedarfs von 626,75 für fünf Monate, insg. 3.133,75 Euro, und eines Freibetrags von 9900,- Euro verbliebe eine Summe von 14.166,25 Euro. Davon sei der Pflichtteilsanspruch von 12.178,25 Euro nicht in Abzug zu bringen, da es sich auch insoweit um Vermögen handele, über das frei verfügt werden könne. Der Pflichtteil sei möglicherweise nicht geltend gemacht oder verjährt, sodass kein Abzug von vornherein erfolgen könne. Weitere Posten (4.007,47 Euro aus Zwangsvollstreckungssache, 3.500,- Euro verliehen, weitere Kosten i.H.v. 2.500,- Euro sowie Kleinbeträge von 600,- Euro) könnten dahinstehen, denn es würden selbst bei vollständigem Abzug immer noch 3.558,78 Euro von den 14.166,25 verbleiben.
Am 12. November 2010 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 erhoben und sein Begehren auf Leistungsgewährung auch mit einem Eilantrag (S 51 AS 4125/10 ER) verfolgt. Im Eilverfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. November 2010 mitgeteilt, er habe am 26. Oktober 2010 einen Zahlungseingang von brutto 1.739,78 Euro (entspr. 1.462,00 Euro netto) aus selbstständiger Tätigkeit erhalten. Mit Beschluss vom 23. November 2010 hat das Sozialgericht den Eilantrag des Klägers abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, da zur Abwendung der aktuellen Notlage auf das noch vorhandene Schonvermögen und die in Kürze zu erwartende Rückzahlung aus dem Darlehen über 3.500,- Euro zurückgegriffen werden könne.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, das Geld auf dem S.-Konto gehöre nicht ihm, sondern der Schwester, er könne es ihr jedoch nicht überweisen, weil es ein schwebendes Verfahren beim Oberlandesgericht über ihre Ansprüche gebe. In den betroffenen Monaten habe er von dem Geld gelebt, das ihm nicht gehöre, seit Januar 2010 habe er seinerzeit keine Krankenversicherung gehabt.
Am 21. April 2011 hat der Kläger einen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt und zugleich wiederum den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht beantragt (S 51 AS 1383/11 ER). Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben und dem Kläger zunächst ab April 2011 vorläufig Leistungen gewährt. Mit Bescheid vom 19. April 2013 hat der Beklagte dem Kläger zudem vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. März 2011 bewilligt. Daraufhin hat der Kläger im Klagverfahren seinen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung auf die Zeit vom 1. Mai 2010 bis zum 30. November 2010 beschränkt.
Mit Urteil vom 2. Dezember 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe die Gewährung von Leistungen für den genannten Zeitraum zu Recht abgelehnt, da der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Vermögen habe sichern können und deshalb nicht hilfebedürftig gewesen sei. Zu dem gem. § 12 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 14. April 2010 einzusetzenden Vermögen gehörten insbesondere auch Kontoguthaben. Den Kontoauszügen des Klägers sei zu entnehmen gewesen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum jeweils zum Monatsersten über Kontoguthaben verfügt habe, welches den ihm zuzugestehenden Vermögensfreibetrag von höchstens 10.150,- Euro überstiegen habe. Soweit das Kontoguthaben noch auf den Geldeingang aus der geerbten Schadensersatzforderung im September 2008 zurückzuführen gewesen sei, habe der Beklagte diesen Zufluss nach Ablauf des zwölfmonatigen Anrechnungszeitraums zu Recht als Vermögen berücksichtigt. In den Monaten September bis November 2010 habe das den Freibetrag übersteigende Vermögen zwar möglicherweise nicht ausgereicht, um den Lebensunterhalt des Klägers inklusive Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung zu decken. Doch seien hier zusätzlich der Rückzahlungsanspruch aus dem Herrn K. gewährten Darlehen in Höhe von 3.500,- Euro sowie der Zufluss von Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von etwas über 1.700,- Euro brutto im Oktober zu berücksichtigen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 15. Dezember 2015 zugestellt. Am 17. Dezember 2015 hat er Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Sozialgericht habe die tatsächlichen Sachumstände verkannt. Von den im Rahmen der Erbschaft zugeflossenen gut 48.000,- Euro sei der Pflichtteilsanspruch der Schwester von der Einnahme in Abzug zu bringen gewesen. Der Pflichtteilsanspruch entstehe unmittelbar mit dem Anfall des Erbes, dem Kläger sei bekannt gewesen, dass seine Schwester auf den Anspruch bestehen werde. Ferner sei er davon ausgegangen, dass ihm das zugeflossene Geld mangels rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens gegen die E.-Klinik noch nicht endgültig zugestanden habe. Schließlich habe er von dem Geld eine Reihe von Verbindlichkeiten seiner Mutter, darunter auch titulierte Forderungen, getilgt. Eine schriftliche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den Kläger seitens der Schwester liege nicht vor. Der Kläger selbst habe 2016 – vergeblich – versucht, seine Schwester bei den zuständigen Gerichten in Bayern auf Herausgabe und Schadensersatz zu verklagen, da diese ihm im Jahr 2009 seinen hälftigen Anteil am Haus unterschlagen habe. Im Jahr 2011 habe die Schwester das Haus für 170.000,- Euro verkauft und den gesamten Betrag für sich behalten, statt dem Kläger entsprechend der zuvor getroffenen Vereinbarung die Hälfte auszukehren. Der Hauserwerber habe dann noch 2011 Eigenbedarf geltend gemacht, weshalb der Kläger zur Räumung des Hauses gezwungen gewesen sei. Auch hierdurch seien ihm erhebliche Kosten entstanden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2015 und den Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Mai 2010 bis November 2010 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23. Februar 2016 hat der Kläger mitgeteilt, dass im Zeitraum von Mai bis November 2010 keine Kranken- oder Pflegeversicherung bestanden habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
III. Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und auch sonst zulässig. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hatte im Zeitraum von Mai bis November 2010 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da er nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II war. Denn er konnte seinen Lebensunterhalt aus dem nach § 12 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigenden Vermögen sichern.
1. Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, § 12 Abs. 1 SGB II. Dazu gehört auch das auf den Konten des Klägers vorhandene Guthaben.
Aus den vorliegenden Unterlagen hat das Sozialgericht zutreffend folgende Gesamtguthaben der klägerischen Konten jeweils zu Monatsanfang ermittelt (für die H1-Konten liegen Informationen erst ab dem 1. September 2010 vor; für die Zeit davor sind die dortigen Kontenstände wegen der hohen Guthaben bei der S.-Bank aber auch nicht von Bedeutung):
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht das gesamte Kontoguthaben unabhängig von seiner Herkunft als Vermögen angesehen und mit dem Nennwert berücksichtigt. Dies entspricht der Regelung in § 12 Abs. 4 SGB II, wonach das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist.
Soweit das Guthaben auf dem S.-Konto noch aus der Zahlung der E.-Klinik vom September 2008 stammt (was allerdings mangels Vorlage lückenloser Kontoauszüge nicht nachvollziehbar ist), ist zunächst der Auffassung des Klägers, er habe es wegen eines möglichen Rückzahlungsanspruchs der E.-Klinik und eines Pflichtteilsanspruchs seiner Schwester lediglich treuhänderisch verwaltet, nicht zu folgen. Eine Treuhand zugunsten der E.-Klinik war schon deshalb nicht anzunehmen, weil die E.-Klinik ihre Zahlungspflicht in der geleisteten Höhe anerkannt und ihre Berufung gegen das landgerichtliche Urteil entsprechend beschränkt hatte. Aber auch die mögliche Belastung der als Teil des Erbes seiner Mutter erfolgten Zahlung mit einem Pflichtteilsanspruch der Schwester führt nicht dazu, dass das Vermögen in entsprechender Höhe nicht dem Kläger, sondern der Schwester zuzuordnen gewesen wäre. Der Pflichtteilsanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit, § 1967 BGB. Er ist als solche eine gewöhnliche Geldforderung gegen den Erben (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 30.5.2001 – 12 B 99.1875), d.h. ein rein schuldrechtlicher Anspruch (Herzog, in: Staudinger, BGB, 2015, § 2317 Rn. 25). Während ein Treuhandverhältnis dadurch gekennzeichnet ist, dass der Treuhänder im Innenverhältnis zum Treugeber in seiner Verfügungsbefugnis über den Treugegenstand beschränkt ist, führt der Pflichtteilsanspruch zu keinen solchen Einschränkungen des Erben.
Ein Pflichtteilsanspruch der Schwester war auch nicht vermögensmindernd zu berücksichtigen. Schulden und Verbindlichkeiten sind bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Vermögens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II ist nicht der Saldo aus Aktiva und Passiva, sondern ausschließlich die Gesamtheit der Aktiva. Deren Erfassung hat also zunächst generell und ohne Rücksicht auf Verbindlichkeiten und Belastungen zu erfolgen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Radüge, jurisPK-SGB II, § 12 Rn. 203; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, § 12 Rn. 105 m.w.N.). Eine Ausnahme ist zu machen für Verbindlichkeiten, die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten (z.B. Hypotheken oder Grundschulden) oder mit der Vermögensverwertung zusammenhängen, da in diesem Fall das Vermögen nicht ohne Abzüge verwertet werden kann. Andere Verbindlichkeiten können nicht abgezogen werden, auch dann nicht, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Bezug zu dem Vermögensgegenstand aufweisen (z.B. bei darlehensfinanziertem Wertpapierkauf). Wie ein Pflichtteilsanspruch hier einzuordnen ist, kann offen bleiben. Denn weder ist belegt, dass die Schwester des Klägers einen Anspruch erhoben hat, noch ist der Kläger bereit, einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen (vgl. dazu die Ausführungen in den Gründen des Urteils in dem Parallelverfahren L 4 AS 277/16 vom 23.2.2017).
Ein möglicher Pflichtteilsanspruch der Schwester war schließlich auch nicht im Rahmen der Härtefallregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Pflichtteilsanspruch bis heute nicht erfüllt, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er meint, seinerseits Forderungen gegen die Schwester zu haben. Schon deshalb liegt in der Nichtberücksichtigung des möglichen Pflichtteilsanspruchs keine besondere Härte.
2. Der Vermögensfreibetrag des Klägers nach § 12 Abs. 2 SGB II betrug für die Zeit bis einschließlich August 2010 9.900,- Euro (61 Jahre x 150,- Euro nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuzüglich 750,- Euro nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II), ab September 2010 (infolge des Geburtstags des Klägers) 10.050,- Euro.
3. Aus einer Gegenüberstellung des Guthabens zum jeweiligen Monatsanfang mit dem Freibetrag ergibt sich, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum stets Vermögen zur Verfügung hatte, das seinen Freibetrag überstieg, und zwar in den einzelnen Monaten in folgender Höhe:
Guthaben gesamt Freibetrag übersteigender Betrag Mai 10 17.005,77 EUR 9.900,00 EUR 7.105,77 EUR Jun 10 14.219,71 EUR 9.900,00 EUR 4.319,71 EUR Jul 10 13.059,45 EUR 9.900,00 EUR 3.159,45 EUR Aug 10 13.120,35 EUR 9.900,00 EUR 3.220,35 EUR Sep 10 11.036,26 EUR 10.050,00 EUR 986,26 EUR Okt 10 10.761,00 EUR 10.050,00 EUR 711,00 EUR Nov 10 11.411,43 EUR 10.050,00 EUR 1.361,43 EUR
Der Beklagte hat in dem Bewilligungsbescheid vom 19. April 2013 für den Monat Dezember 2010 einen Bedarf des Klägers in Höhe von 626,75 Euro (Regelsatz 359,- Euro, Kosten der Unterkunft 267,75 Euro) anerkannt. Mangels gegenteiligen Vorbringens ist davon auszugehen, dass auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum ein Bedarf in entsprechender Höhe bestand. Diesen Bedarf konnte der Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum problemlos aus dem Vermögen decken.
Ein zusätzlicher Bedarf für Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversicherung war nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hat vorgetragen, seit Januar 2010 nicht versichert gewesen zu sein. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum Beiträge zu einer gesetzlichen Pflichtversicherung bzw. einer freiwilligen oder privaten Versicherung angefallen sind. Bestand aber gar kein Versicherungsverhältnis bzw. sind zumindest Beiträge nicht erhoben worden, so ist auch kein entsprechender Bedarf vorhanden, der durch eine Leistungsgewährung seitens des Beklagten zu decken wäre. Im Übrigen wäre bei hiervon abweichender Anerkennung eines Bedarfs für Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversicherung ein Leistungsanspruch dennoch zu verneinen. Zu Recht verweist das Sozialgericht insoweit darauf, dass als zusätzliches Vermögen der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des im Februar 2010 an Herrn K. gewährten Darlehens in Höhe von mindestens 3.500,- Euro zu berücksichtigen war. Selbst wenn die Rückzahlungsfrist wie vom Kläger vorgetragen bis zum 30. November 2010 verlängert worden und eine Verwertbarkeit im September/Oktober 2010 damit nicht möglich gewesen wäre, so hätte dieses weitere Vermögen doch die allein begehrte Gewährung von Leistungen als Zuschuss ausgeschlossen und lediglich die Gewährung eines – vom Kläger nicht beantragten – Darlehens ermöglicht, § 23 Abs. 5 SGB II in der Fassung vom 20.7.2006.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum 30. November 2010 geltend.
Der Kläger, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und Erwerbsfähigkeit im Jahr 2010 keine Zweifel bestehen, ist am xxxxx 1948 geboren. Er bezog seit Mai 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am xxxxx 2007 verstarb die Mutter des Klägers. Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese stellte zunächst einen Erbschein aus, der den Kläger und seine Schwester als Miterben zu je 1/2 auswies. Nachdem ein Testament gefunden worden war, das den Kläger zum Alleinerben einsetzte, zog das Amtsgericht Hamburg-Blankenese den gemeinschaftlichen Erbschein mit Beschluss vom 28. August 2007 ein und stellte am 7. September 2007 einen Erbschein aus, der den Kläger als Alleinerben auswies. Eine Erklärung des Klägers über die Ausschlagung des Erbes sah das Amtsgericht Hamburg-Blankenese als unerheblich an. Der Kläger beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins vom 7. September 2007, was das Amtsgericht Hamburg-Blankenese mit Beschluss vom 22. November 2007 zurückwies (507 IV-VI 739/07). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 29. Januar 2008 zurück (301 T 649/07). In der Begründung führte das Landgericht aus, der Erbschein vom 7. September 2007 sei richtig, der Kläger sei Alleinerbe seiner Mutter geworden.
Der Kläger führte einen Schadensersatzprozess seiner Mutter gegen die E.-Klinik H. GmbH (im Folgenden: E.-Klinik) vor dem Landgericht Hamburg fort (303 O 307/04). Mit Urteil vom 4. April 2008 sprach das Landgericht dem Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 80.908,43 Euro nebst Zinsen zu. Der Kläger und die E.-Klinik legten Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht (1 U 79/08) ein. In der Berufungsbegründung vom 24. Juli 2008 führte die E.-Klinik aus, dass die Haftung dem Grunde nach und die Verpflichtung zur Zahlung einer "unstreitigen Urteilssumme" von 38.004,82 Euro akzeptiert werde. Am 18. September 2008 wurde einem Sparkonto (S.) des Klägers bei der S.-Bank ein Zahlungseingang in Höhe von 48.713,25 Euro von der Versicherung der E.-Klinik mit dem Betreff "nicht angefochtene Urteilssumme zzgl. Zinsen" gutgeschrieben.
Bei einem Datenabgleich nach § 52 SGB II erfuhr die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die H. Arbeitsgemeinschaft SGB II, Anfang November 2009 davon, dass der Kläger im Jahr 2008 Kapitalerträge in Höhe von 85,- Euro erzielt hatte. Mit Schreiben vom 9. November 2009 teilte sie dies dem Kläger mit und bat um lückenlose Belege über das Einkommen bzw. das Vermögen, das diesem Kapitalertrag zugrunde lag. Der Kläger äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 11. November 2009, 2. Dezember 2009 und 14. Dezember 2009, erläuterte die Erbschaft und den Schadensersatzprozess und teilte folgendes mit: Die Zahlung aus dem Schadenersatzprozess stünde nicht ihm allein, sondern auch seiner Schwester zu, außerdem seien hieraus Verbindlichkeiten seiner Mutter zu begleichen. Deshalb habe er die Zahlung einem Treuhandkonto zugeführt. Er könne über die Gelder erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits mit der E.-Klinik verfügen. Die E.-Klinik habe die gut 48.000,- Euro überwiesen, ohne hierzu aufgefordert worden zu sein und unter Bezug auf die bisherige Rechtslage. Daraus folge, dass für den Fall, dass sich im Berufungsverfahren eine andere Rechtslage ergebe, die E.-Klinik diese vorab gezahlte Summe wieder zurückfordern könne und selbstverständlich auch werde. Ihm seien außerdem insgesamt über 5.000,- Euro an Anwaltskosten aus einem Prozess mit seiner Schwester entstanden. Dieser habe folgenden Hintergrund: Seine Mutter habe ihr Haus 1988 durch Schenkung an seine Schwester übertragen. Er selbst sei damals überschuldet gewesen. Nachdem seine Mutter 2001 infolge eines ärztlichen Kunstfehlers pflegebedürftig geworden sei, sei er 2002 zu ihr in ebenjenes Haus gezogen und habe ihre Betreuung und Pflege übernommen. Seine Schwester habe ihm anlässlich dessen versprochen, dass ihm nach dem Tode der Mutter die Hälfte des Hauses zustehen solle, dies habe sie auch schriftlich bestätigt. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 habe die Schwester diese Vereinbarung jedoch bestritten und von ihm die Räumung des Hauses verlangt, damit sie dieses verkaufen könne. Sie habe ihm hierfür eine Frist bis 2009 gesetzt und anschließend vor dem Landgericht Hamburg vergeblich versucht, ihn aus dem Haus zu klagen.
Nachfolgend hob die Rechtsvorgängerin des Beklagten die Bewilligungsentscheidungen für die Zeiträume vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4.6.2010, dieser war Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg zum Aktenzeichen S 22 AS 3883/10 und vor dem Landessozialgericht zum Aktenzeichen L 4 AS 277/16) und vom 1. September 2009 bis zum 31. Dezember 2009 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.12.2009) auf. Am 22. Januar 2009 lehnte sie einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen ab.
Am 28. Mai 2010 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er teilte mit, auf seinen Konten befände sich derzeit Guthaben in Höhe von insgesamt 15.727,65 Euro. Davon stünden aber 12.178,25 Euro seiner Schwester als Pflichtteilsanspruch aus der Zahlung der E.-Klinik zu, sodass sein Vermögen unterhalb der Freibeträge liege. Mit Schreiben vom 27. Juni 2010 machte der Kläger weitere Angaben zu seinem Vermögen. Er habe am 11. Januar 2010 einen Betrag von 4.000,- Euro an ein Sanitätshaus auf Forderungen gegenüber seiner Mutter zahlen müssen. Im Februar 2010 habe er seinem Bekannten Herrn K. aus seinem Vermögensfreibetrag ein Darlehen in Höhe von 3.500,- Euro gewährt, dessen Rückzahlung für September 2010 vorgesehen sei. Er habe weitere Kosten von ca. 3.100,- Euro gehabt, im Einzelnen Lagerkosten, Anwaltskosten in der Schadenersatzsache, Anwaltskosten in dem Rechtsstreit mit seiner Schwester wegen des Hauses, Steuerberaterkosten, Handwerkskammerbeitrag, Kfz-Steuer und weitere Kleinbeträge.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2010 lehnte die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Leistungsantrag des Klägers vom 28. Mai 2010 ab. Er verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 14.000,- Euro, welches die Vermögensfreibeträge in Höhe von 9.900,- Euro übersteige. Er sei daher nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Mit Fax vom 9. Juli 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juli 2010. Es treffe nicht zu, dass er über Vermögen in Höhe von 14.000,- Euro verfüge, weil 12.178,25 Euro davon Fremdgeld seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 wies die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 7. Juli 2010 zurück. Nach dem Zufluss der Schadensersatzzahlung im September 2008 habe für ein Jahr eine Anrechnung als Einkommen stattgefunden, anlässlich der Neuantragstellung sei über den verbleibenden Betrag eine Vermögensprüfung durchzuführen gewesen. Am 6. Januar 2010 habe ein Guthaben von 27.200 Euro auf dem klägerischen Konto bei der S.-Bank bestanden, wie dem Beschluss des Landessozialgerichts vom 11. Februar 2010 (L 5 AS 20/10 B ER) zu entnehmen sei. Abzüglich des monatlichen Bedarfs von 626,75 für fünf Monate, insg. 3.133,75 Euro, und eines Freibetrags von 9900,- Euro verbliebe eine Summe von 14.166,25 Euro. Davon sei der Pflichtteilsanspruch von 12.178,25 Euro nicht in Abzug zu bringen, da es sich auch insoweit um Vermögen handele, über das frei verfügt werden könne. Der Pflichtteil sei möglicherweise nicht geltend gemacht oder verjährt, sodass kein Abzug von vornherein erfolgen könne. Weitere Posten (4.007,47 Euro aus Zwangsvollstreckungssache, 3.500,- Euro verliehen, weitere Kosten i.H.v. 2.500,- Euro sowie Kleinbeträge von 600,- Euro) könnten dahinstehen, denn es würden selbst bei vollständigem Abzug immer noch 3.558,78 Euro von den 14.166,25 verbleiben.
Am 12. November 2010 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 erhoben und sein Begehren auf Leistungsgewährung auch mit einem Eilantrag (S 51 AS 4125/10 ER) verfolgt. Im Eilverfahren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. November 2010 mitgeteilt, er habe am 26. Oktober 2010 einen Zahlungseingang von brutto 1.739,78 Euro (entspr. 1.462,00 Euro netto) aus selbstständiger Tätigkeit erhalten. Mit Beschluss vom 23. November 2010 hat das Sozialgericht den Eilantrag des Klägers abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, da zur Abwendung der aktuellen Notlage auf das noch vorhandene Schonvermögen und die in Kürze zu erwartende Rückzahlung aus dem Darlehen über 3.500,- Euro zurückgegriffen werden könne.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, das Geld auf dem S.-Konto gehöre nicht ihm, sondern der Schwester, er könne es ihr jedoch nicht überweisen, weil es ein schwebendes Verfahren beim Oberlandesgericht über ihre Ansprüche gebe. In den betroffenen Monaten habe er von dem Geld gelebt, das ihm nicht gehöre, seit Januar 2010 habe er seinerzeit keine Krankenversicherung gehabt.
Am 21. April 2011 hat der Kläger einen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt und zugleich wiederum den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht beantragt (S 51 AS 1383/11 ER). Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben und dem Kläger zunächst ab April 2011 vorläufig Leistungen gewährt. Mit Bescheid vom 19. April 2013 hat der Beklagte dem Kläger zudem vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. März 2011 bewilligt. Daraufhin hat der Kläger im Klagverfahren seinen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung auf die Zeit vom 1. Mai 2010 bis zum 30. November 2010 beschränkt.
Mit Urteil vom 2. Dezember 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe die Gewährung von Leistungen für den genannten Zeitraum zu Recht abgelehnt, da der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Vermögen habe sichern können und deshalb nicht hilfebedürftig gewesen sei. Zu dem gem. § 12 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 14. April 2010 einzusetzenden Vermögen gehörten insbesondere auch Kontoguthaben. Den Kontoauszügen des Klägers sei zu entnehmen gewesen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum jeweils zum Monatsersten über Kontoguthaben verfügt habe, welches den ihm zuzugestehenden Vermögensfreibetrag von höchstens 10.150,- Euro überstiegen habe. Soweit das Kontoguthaben noch auf den Geldeingang aus der geerbten Schadensersatzforderung im September 2008 zurückzuführen gewesen sei, habe der Beklagte diesen Zufluss nach Ablauf des zwölfmonatigen Anrechnungszeitraums zu Recht als Vermögen berücksichtigt. In den Monaten September bis November 2010 habe das den Freibetrag übersteigende Vermögen zwar möglicherweise nicht ausgereicht, um den Lebensunterhalt des Klägers inklusive Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung zu decken. Doch seien hier zusätzlich der Rückzahlungsanspruch aus dem Herrn K. gewährten Darlehen in Höhe von 3.500,- Euro sowie der Zufluss von Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von etwas über 1.700,- Euro brutto im Oktober zu berücksichtigen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 15. Dezember 2015 zugestellt. Am 17. Dezember 2015 hat er Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Sozialgericht habe die tatsächlichen Sachumstände verkannt. Von den im Rahmen der Erbschaft zugeflossenen gut 48.000,- Euro sei der Pflichtteilsanspruch der Schwester von der Einnahme in Abzug zu bringen gewesen. Der Pflichtteilsanspruch entstehe unmittelbar mit dem Anfall des Erbes, dem Kläger sei bekannt gewesen, dass seine Schwester auf den Anspruch bestehen werde. Ferner sei er davon ausgegangen, dass ihm das zugeflossene Geld mangels rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens gegen die E.-Klinik noch nicht endgültig zugestanden habe. Schließlich habe er von dem Geld eine Reihe von Verbindlichkeiten seiner Mutter, darunter auch titulierte Forderungen, getilgt. Eine schriftliche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den Kläger seitens der Schwester liege nicht vor. Der Kläger selbst habe 2016 – vergeblich – versucht, seine Schwester bei den zuständigen Gerichten in Bayern auf Herausgabe und Schadensersatz zu verklagen, da diese ihm im Jahr 2009 seinen hälftigen Anteil am Haus unterschlagen habe. Im Jahr 2011 habe die Schwester das Haus für 170.000,- Euro verkauft und den gesamten Betrag für sich behalten, statt dem Kläger entsprechend der zuvor getroffenen Vereinbarung die Hälfte auszukehren. Der Hauserwerber habe dann noch 2011 Eigenbedarf geltend gemacht, weshalb der Kläger zur Räumung des Hauses gezwungen gewesen sei. Auch hierdurch seien ihm erhebliche Kosten entstanden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2015 und den Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Mai 2010 bis November 2010 zu erbringen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23. Februar 2016 hat der Kläger mitgeteilt, dass im Zeitraum von Mai bis November 2010 keine Kranken- oder Pflegeversicherung bestanden habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
III. Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und auch sonst zulässig. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 7. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hatte im Zeitraum von Mai bis November 2010 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da er nicht hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II war. Denn er konnte seinen Lebensunterhalt aus dem nach § 12 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigenden Vermögen sichern.
1. Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, § 12 Abs. 1 SGB II. Dazu gehört auch das auf den Konten des Klägers vorhandene Guthaben.
Aus den vorliegenden Unterlagen hat das Sozialgericht zutreffend folgende Gesamtguthaben der klägerischen Konten jeweils zu Monatsanfang ermittelt (für die H1-Konten liegen Informationen erst ab dem 1. September 2010 vor; für die Zeit davor sind die dortigen Kontenstände wegen der hohen Guthaben bei der S.-Bank aber auch nicht von Bedeutung):
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht das gesamte Kontoguthaben unabhängig von seiner Herkunft als Vermögen angesehen und mit dem Nennwert berücksichtigt. Dies entspricht der Regelung in § 12 Abs. 4 SGB II, wonach das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist.
Soweit das Guthaben auf dem S.-Konto noch aus der Zahlung der E.-Klinik vom September 2008 stammt (was allerdings mangels Vorlage lückenloser Kontoauszüge nicht nachvollziehbar ist), ist zunächst der Auffassung des Klägers, er habe es wegen eines möglichen Rückzahlungsanspruchs der E.-Klinik und eines Pflichtteilsanspruchs seiner Schwester lediglich treuhänderisch verwaltet, nicht zu folgen. Eine Treuhand zugunsten der E.-Klinik war schon deshalb nicht anzunehmen, weil die E.-Klinik ihre Zahlungspflicht in der geleisteten Höhe anerkannt und ihre Berufung gegen das landgerichtliche Urteil entsprechend beschränkt hatte. Aber auch die mögliche Belastung der als Teil des Erbes seiner Mutter erfolgten Zahlung mit einem Pflichtteilsanspruch der Schwester führt nicht dazu, dass das Vermögen in entsprechender Höhe nicht dem Kläger, sondern der Schwester zuzuordnen gewesen wäre. Der Pflichtteilsanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit, § 1967 BGB. Er ist als solche eine gewöhnliche Geldforderung gegen den Erben (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 30.5.2001 – 12 B 99.1875), d.h. ein rein schuldrechtlicher Anspruch (Herzog, in: Staudinger, BGB, 2015, § 2317 Rn. 25). Während ein Treuhandverhältnis dadurch gekennzeichnet ist, dass der Treuhänder im Innenverhältnis zum Treugeber in seiner Verfügungsbefugnis über den Treugegenstand beschränkt ist, führt der Pflichtteilsanspruch zu keinen solchen Einschränkungen des Erben.
Ein Pflichtteilsanspruch der Schwester war auch nicht vermögensmindernd zu berücksichtigen. Schulden und Verbindlichkeiten sind bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Vermögens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II ist nicht der Saldo aus Aktiva und Passiva, sondern ausschließlich die Gesamtheit der Aktiva. Deren Erfassung hat also zunächst generell und ohne Rücksicht auf Verbindlichkeiten und Belastungen zu erfolgen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Radüge, jurisPK-SGB II, § 12 Rn. 203; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, § 12 Rn. 105 m.w.N.). Eine Ausnahme ist zu machen für Verbindlichkeiten, die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten (z.B. Hypotheken oder Grundschulden) oder mit der Vermögensverwertung zusammenhängen, da in diesem Fall das Vermögen nicht ohne Abzüge verwertet werden kann. Andere Verbindlichkeiten können nicht abgezogen werden, auch dann nicht, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Bezug zu dem Vermögensgegenstand aufweisen (z.B. bei darlehensfinanziertem Wertpapierkauf). Wie ein Pflichtteilsanspruch hier einzuordnen ist, kann offen bleiben. Denn weder ist belegt, dass die Schwester des Klägers einen Anspruch erhoben hat, noch ist der Kläger bereit, einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen (vgl. dazu die Ausführungen in den Gründen des Urteils in dem Parallelverfahren L 4 AS 277/16 vom 23.2.2017).
Ein möglicher Pflichtteilsanspruch der Schwester war schließlich auch nicht im Rahmen der Härtefallregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Pflichtteilsanspruch bis heute nicht erfüllt, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er meint, seinerseits Forderungen gegen die Schwester zu haben. Schon deshalb liegt in der Nichtberücksichtigung des möglichen Pflichtteilsanspruchs keine besondere Härte.
2. Der Vermögensfreibetrag des Klägers nach § 12 Abs. 2 SGB II betrug für die Zeit bis einschließlich August 2010 9.900,- Euro (61 Jahre x 150,- Euro nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zuzüglich 750,- Euro nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II), ab September 2010 (infolge des Geburtstags des Klägers) 10.050,- Euro.
3. Aus einer Gegenüberstellung des Guthabens zum jeweiligen Monatsanfang mit dem Freibetrag ergibt sich, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum stets Vermögen zur Verfügung hatte, das seinen Freibetrag überstieg, und zwar in den einzelnen Monaten in folgender Höhe:
Guthaben gesamt Freibetrag übersteigender Betrag Mai 10 17.005,77 EUR 9.900,00 EUR 7.105,77 EUR Jun 10 14.219,71 EUR 9.900,00 EUR 4.319,71 EUR Jul 10 13.059,45 EUR 9.900,00 EUR 3.159,45 EUR Aug 10 13.120,35 EUR 9.900,00 EUR 3.220,35 EUR Sep 10 11.036,26 EUR 10.050,00 EUR 986,26 EUR Okt 10 10.761,00 EUR 10.050,00 EUR 711,00 EUR Nov 10 11.411,43 EUR 10.050,00 EUR 1.361,43 EUR
Der Beklagte hat in dem Bewilligungsbescheid vom 19. April 2013 für den Monat Dezember 2010 einen Bedarf des Klägers in Höhe von 626,75 Euro (Regelsatz 359,- Euro, Kosten der Unterkunft 267,75 Euro) anerkannt. Mangels gegenteiligen Vorbringens ist davon auszugehen, dass auch im hier streitgegenständlichen Zeitraum ein Bedarf in entsprechender Höhe bestand. Diesen Bedarf konnte der Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum problemlos aus dem Vermögen decken.
Ein zusätzlicher Bedarf für Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversicherung war nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hat vorgetragen, seit Januar 2010 nicht versichert gewesen zu sein. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum Beiträge zu einer gesetzlichen Pflichtversicherung bzw. einer freiwilligen oder privaten Versicherung angefallen sind. Bestand aber gar kein Versicherungsverhältnis bzw. sind zumindest Beiträge nicht erhoben worden, so ist auch kein entsprechender Bedarf vorhanden, der durch eine Leistungsgewährung seitens des Beklagten zu decken wäre. Im Übrigen wäre bei hiervon abweichender Anerkennung eines Bedarfs für Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversicherung ein Leistungsanspruch dennoch zu verneinen. Zu Recht verweist das Sozialgericht insoweit darauf, dass als zusätzliches Vermögen der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des im Februar 2010 an Herrn K. gewährten Darlehens in Höhe von mindestens 3.500,- Euro zu berücksichtigen war. Selbst wenn die Rückzahlungsfrist wie vom Kläger vorgetragen bis zum 30. November 2010 verlängert worden und eine Verwertbarkeit im September/Oktober 2010 damit nicht möglich gewesen wäre, so hätte dieses weitere Vermögen doch die allein begehrte Gewährung von Leistungen als Zuschuss ausgeschlossen und lediglich die Gewährung eines – vom Kläger nicht beantragten – Darlehens ermöglicht, § 23 Abs. 5 SGB II in der Fassung vom 20.7.2006.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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