L 3 U 9/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 254/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 9/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall. Streitig ist insbesondere, ob der Kläger bei dem Unfallgeschehen am 22. April 2012 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der am 6. Juli 1967 in P. geborene und dort lebende Kläger arbeitete im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung für die S. GmbH seit März 2012 als Schweißer bei der Firma W2 in B ... Am Sonntag, den 22. April 2012 erschien er morgens um 6.00 Uhr nicht zur Arbeit. Am 22. April 2012 gegen 12.00 Uhr wurde die Rettungsleitstelle B. über einen Notfall in der Wohnung des Klägers in der H. in B. informiert. Die kurze Zeit später eingetroffene Notärztin Dr. K. vermerkte zum Unfallhergang in ihrem Protokoll, dass der Kläger morgens gegen 6.00 Uhr alkoholisiert eine Treppe hinunter gestürzt und frontal gegen eine Mauer geprallt sei. Zunächst habe Bewusstlosigkeit vorgelegen. Der Kläger sei von Bekannten ins Bett getragen worden. Jetzt sei er aufgewacht und könne beide Beine nicht bewegen. Die Notärztin stellte eine Querschnittssymptomatik fest und gab als Ansprechpartner einen Bekannten des Klägers namens Herr S1 einschließlich dessen Mobiltelefonnummer an. Nach Aufnahme des Klägers im Klinikum B. R. wurde ein inkomplettes Transversal-Syndrom Höhe C6 mit Tetraparese bei Luxationsfraktur C5/C6 festgestellt. Der Kläger klagte bei Aufnahme über Schmerzen in beiden Schultern und im Bereich der Brustwirbelsäule. An der linken Schulter fand sich eine Prellmarke. Aufgrund der Beschwerden wurden Röntgenaufnahmen beider Schultern veranlasst. Die um 13.17 Uhr durchgeführten Blutuntersuchungen ergaben einen Ethanolwert von 0,27 %, der bei einer Serumprobe einer Blutalkoholkonzentration von 2,2 Promille entspricht. Zum Unfallhergang nahm das Klinikum B. in dem Bericht vom 3. Mai 2012, in welchem der Kläger bei der stationären Aufnahme als wach, ansprechbar, spontanatmend und nur gebrochen Englisch sprechend beschrieben wird, einen Treppensturz um 6.00 Uhr morgens in häuslicher Umgebung auf. Die Behandlung des Klägers erfolgte zu Lasten seiner Krankenkasse.

Nach Verlegung des Klägers ins Querschnittgelähmten-Zentrum B1 H1 am 3. Mai 2012 teilte der dort tätige Oberarzt Dr. A. der Beklagten telefonisch am 9. Mai 2012 mit, der Unfall sei vor der Unterkunft des Klägers auf dem Weg zu dem ihn abholenden Sammelfahrzeug passiert. Der Kläger sei gestolpert und auf den Kopf gefallen. Die Kollegen hätten ihn ins Bett gelegt. Da die Kommunikation im Klinikum B. auf Spanisch erfolgt sei, habe man dort fälschlicherweise verstanden, der Unfall sei zu Hause passiert. In gleicher Weise wurde der Unfallhergang in dem unter dem 11. Mai 2012 erstellten Durchgangsarztbericht dargestellt mit der Ergänzung, dass der Kläger nach dem Unfall von seinen nicht portugiesisch sprechenden anwesenden Arbeitskollegen ins Bett verbracht worden sei.

Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten teilte die S. GmbH am 11. Mai 2012 telefonisch mit, dass der Kläger dort beschäftigt sei und auch am Unfalltag – Sonntag – bei der Firma W2 habe arbeiten sollen. Der telefonisch angefragte Herr S1 gab am 22. Mai 2012 an, er sei nicht Augenzeuge des Unfalls gewesen. Er sei vielmehr am Mittag des 22. April 2012 von den Kollegen des Klägers, Giovanni S2 und O., verständigt worden und habe den Notarzt informiert. Der Kollege O. habe ihm, dem Herrn S1, mitgeteilt, dass sich der Unfall innerhalb des Hauses ereignet habe und der Kläger die Treppe hinunter gestürzt sei. Diese Information habe er, Herr S1, der Notärztin weitergegeben. Erst später hätten die beiden Kollegen des Klägers dann erklärt, dass der Unfall vor der Haustür eingetreten sei. Der Zeuge S2 teilte schriftlich unter dem 5. Juni 2012 mit, er sei mit dem Kläger und dem Zeugen O. um etwa 5.30 Uhr aus dem Haus gegangen. Auf dem Weg zum Auto sei der Kläger gestürzt und habe sich nicht mehr richtig bewegen können. Sie hätten ihn daraufhin zurück ins Haus und aufs Bett getragen. Wegen der Schmerzen habe der Kläger nach einem p. Schnaps verlangt, den man ihm gegeben habe. Der Kläger habe vielleicht zwei bis drei Schnäpse getrunken. Später so etwa gegen 12.00 Uhr hätten sie (S2 und O.) dann den Notarzt geholt, weil es dem Kläger schlechter gegangen sei und er seine Beine nicht mehr gespürt habe. Die Notärztin Dr. K. teilte auf Nachfrage am 12. Juni 2012 telefonisch mit, sie könne sich an den Notarzteinsatz am 22. April 2012 noch gut erinnern. Die Kommunikation mit dem Kläger sei kaum möglich gewesen. Dies sei nicht allein auf die Sprachbarriere zurückzuführen gewesen, sondern auch auf die Tatsache, dass der Kläger kaum ansprechbar gewesen sei. Die Informationen zum Unfallhergang habe sie von den anwesenden Personen erhalten, von denen einer gut deutsch gesprochen und ihr erklärt habe, der Kläger sei im Wohnhaus die Treppe herabgestürzt und gegen eine Wand geprallt. Es sei zu keiner Zeit davon die Rede gewesen, dass sich der Unfall außerhalb des Gebäudes ereignet hätte. Bei ihrem Eintreffen habe der Kläger auf dem Bett gelegen. Alkoholische Getränke oder leere Flaschen habe sie nicht gesehen.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22. April 2012 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, dass nach den durchgeführten Ermittlungen das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der Gewissheit nachgewiesen werden könne. Es bestünden unter Berücksichtigung der Angaben der Notärztin und derjenigen der Zeugen erhebliche Zweifel, dass sich der Unfall außerhalb des Wohngebäudes auf dem Weg zum Transportfahrzeug ereignet hat. Unabhängig vom tatsächlichen Geschehensablauf sei das Vorliegen eines Versicherungsfalles auch deshalb abzulehnen, weil der innere Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit fehle, da die auf der Grundlage des am Unfalltages um 13.17 Uhr gemessenen Ethanolwertes ermittelte Blutalkoholkonzentration von 2,2 Promille den Beweis rechtfertige, dass zum Unfallzeitpunkt gegen 5.30 Uhr ein so genannter Leistungsausfall vorgelegen habe. Ein solcher sei dann anzunehmen, wenn der Versicherte derart betrunken sei, dass er keine dem Unternehmen förderliche Tätigkeit verrichten könne. Die Angaben des Zeugen S2, dem Kläger seien erst nach dem Unfall zwei bis drei Schnäpse verabreicht worden, führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Zufuhr der von dem Zeugen angegebenen Menge reiche bei weitem nicht aus, die Abbauleistung der Leber im Zeitraum zwischen 5.30 Uhr und 13.17 Uhr zu kompensieren. Das bedeute, dass die Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt selbst dann deutlich über 2,2 Promille gelegen haben müsse, wenn nach dem Unfall die genannte Menge Alkohol noch zugeführt worden sei. Eine Aufnahme größerer Mengen Alkohol nach dem Unfallereignis lasse sich nach den Gesamtumständen nahezu ausschließen.

Mit seinem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der von der Beklagten gehörte Zeuge S1 sei kein Augenzeuge des Unfallherganges gewesen. Die weiteren Zeugen S2 und O. hätten bestätigt bzw. würden bestätigen, dass sich der Unfall außerhalb des vom Kläger bewohnten Gebäudes auf dem Gehsteig ereignet habe. Auch die Ausführungen der Beklagten zur Blutalkoholkonzentration seien in dieser Form nicht haltbar. Eine einmalige Bestimmung des Blutalkoholwertes, wie sie hier vorliege, erlaube keinen Rückschluss auf eine Alkoholisierung und entspreche nicht den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2012 zurück. Die versicherte Tätigkeit sei nicht nachgewiesen, so dass ein Versicherungsfall nicht anerkannt werden könne. Da die durchgeführten Ermittlungen und insbesondere die widersprüchlichen Zeugenaussagen keinen Aufschluss über den tatsächlichen Unfallort geben könnten, sei nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu entscheiden.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens, in welchem der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und eine umfassende Sachaufklärung durch Vernehmung der von ihm benannten Zeugen angeregt hat, hat das Sozialgericht im Termin am 30. Januar 2014 den Zeugen Giovanni S2 persönlich angehört. Dieser hat unter anderem angegeben, sowohl er als auch der Kläger seien zum Unfallzeitpunkt in B. als Schweißer eingesetzt gewesen. Er, der Zeuge, habe mit anderen Arbeitskollegen, unter anderem auch dem Zeugen O., in der H. in B. gewohnt. Der Kläger habe dort nicht gewohnt. Er selbst habe in der Nachtschicht gearbeitet und der Kläger gemeinsam mit dem Zeugen O. in der Frühschicht. Am Unfalltag habe der Kläger den Zeugen O. in der H. abholen wollen, sei mit dem Sammelfahrzeug vorgefahren, habe geklingelt und er, der Zeuge, und der O. seien gemeinsam runtergegangen. Auf der Straße hätten sie sich verabschiedet; während er, der Zeuge, nach rechts gegangen sei um sich ein Frühstück zu kaufen, seien der Kläger und O. nach links gegangen. Er selbst habe den eigentlichen Unfall nicht gesehen. O. habe ihn 10 bis 15 Minuten nach dem Unfall angerufen und gebeten, ihm zu helfen. Er sei dann zurückgegangen und habe den Kläger auf der Straße – nicht auf dem Bürgersteig oder der Kante des Bürgersteiges – auf dem Rücken mit dem Gesicht nach oben liegend gesehen. Zusammen mit O. habe er dann den Kläger in ihre eigene Wohnung gebracht und ihn auf das Bett von O. gelegt. Während er selbst anschließend wieder rausgegangen sei, sein Frühstück eingekauft habe und erst einige Stunden später wieder zurückgekommen sei, sei O. bei dem Kläger geblieben. Im Nachhinein habe O. ihm erzählt, dass der Kläger ihn, O., gebeten habe, ihm p. Schnaps zu geben. Dies sei aber während seiner, des Zeugen, Abwesenheit gewesen. Er wisse nicht, was der Kläger und O. am Abend vorher gemacht hätten. Es könne sein, dass sie aus gewesen sein. O. sei aber auf jeden Fall noch nach Hause gekommen und habe vor der Abholung durch den Kläger ein paar Stunden im Bett verbracht. Er selbst arbeite jetzt nicht mehr bei der Firma S., da er genug von den P. habe. Das Trinken sei bei denen normal, im Minimum würden am Abend eine Flasche Wein geöffnet und Schnäpse getrunken. Er wisse auch nicht, wie viel. Hinsichtlich der Einzelheiten der Angaben des Zeugen S2 wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 30. Januar 2014 verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. Januar 2014, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen. Es könne dahinstehen, wo genau sich der Sturz des Klägers ereignet habe. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt unter erheblichem Einfluss von Alkohol gestanden. Vor diesem Hintergrund könne eine versicherte Tätigkeit, auch im Rahmen der Zurücklegung eines Teils des Arbeitsweges zu Fuß, nicht angenommen werden, da andere Ursachen als der Alkohol oder besondere Wegegefahren nicht ersichtlich oder vorgetragen worden seien. Es stehe für die Kammer fest, dass der Kläger ausschließlich aufgrund des Einflusses von Alkohol verunglückt sei und die Betriebsgefahr der einfachen Zurücklegung des Weges so sehr in den Hintergrund gerückt sei, dass die unversicherten Umstände allein rechtlich wesentlich den Unfall verursacht hätten.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 24. Februar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Februar 2014 Berufung eingelegt. Die vom Sozialgericht vorgenommene Bewertung des Unfallherganges sei rein spekulativ und entbehre jeglicher Grundlage. Wenn das Gericht schon die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur absoluten Fahruntüchtigkeit bemühe, müsse es diese Rechtsprechung auch konsequent beachten und zur vollen Beweiskraft für den Alkoholisierungsgrad die Messmethoden nach den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes berücksichtigen. Danach gehöre es zur Blutalkoholbestimmung, dass das arithmetische Mittel aus einer Mindestzahl voneinander unabhängiger Einzelmesswerte zu bestimmen sei. Dies sei im vorliegenden Fall nachweislich nicht geschehen. Auch der vom Sozialgericht gehörte Zeuge habe nichts von seinen, des Klägers, alkoholbedingten Beeinträchtigungen berichtet. Insbesondere die vom Gericht behauptete, zu einem Leistungsausfall führende Volltrunkenheit hätte von dem Zeugen bemerkt werden müssen. Insgesamt sei ein alkoholbedingter Leistungsausfall weder festgestellt noch nachgewiesen, zumal feststehe, dass er, der Kläger, in der Zeit zwischen Unfall und der Blutentnahme hochprozentigen Alkohol zu sich genommen habe. Hinsichtlich des Unfallortes seien zwei Zeugen benannt worden, die bestätigen könnten, dass er, der Kläger, außerhalb des Wohngebäudes auf der Straße gestürzt sei. Im Rahmen der Vernehmung vor dem Sozialgericht seien weder von der Kammer noch von der Beklagten Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen S2 vorgebracht worden. Dessen Angaben würden bei einer Vernehmung des weiteren Zeugen O. bestätigt werden. Die entgegenstehenden Angaben im Notarztbericht seien schon wegen der offensichtlichen Sprachprobleme zumindest fraglich und nicht als Entscheidungsgrundlage verwertbar. Es bleibe festzustellen, dass er, der Kläger, den Unfall am 22. April 2012 außerhalb des Wohngebäudes auf der Straße erlitten habe. Angebliche alkoholbedingte Einschränkungen sein nicht belegt bzw. nachzuweisen.

Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines Vorbringens, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger am 22. April 2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Zwar sei dem Kläger zuzustimmen, dass keine den standardisierten Regeln entsprechend mehrfach abgesicherte Blutalkoholbestimmung vorliege. Dennoch sei es weder dem Unfallversicherungsträger noch den Gerichten verwehrt, den nicht nach diesen Regeln ermittelten Blutalkoholwert zu würdigen. Ein generelles Beweismittelverwertungsverbot lasse sich rechtlich nicht begründen. Diese Vorgaben habe das Sozialgericht hinreichend umgesetzt und im Urteil sämtliche vorliegenden Indizien gewürdigt mit dem Ergebnis, dass der alkoholbedingte Leistungsausfall in der Gesamtschau mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sei. Die Aussage des Zeuge S2 habe an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermocht. Er habe durch seine mitunter diskreditierend anmutenden Ausführungen zu den Trinkgewohnheiten der p. Kollegen konkludent zu erkennen gegeben, dass der Kläger sehr wohl an dem fraglichen Sonntagmorgen alkoholisiert gewesen sei. Allerdings leide die Glaubwürdigkeit des gehörten Zeugen darunter, dass er sich mit den Angaben, wer dem Kläger nach dem Unfall Schnaps verabreicht habe, wer konkret wo in B. gewohnt habe und wer wen wo abholen wollte, in Widerspruch zu seinen eigenen früheren Angaben und zu den bisherigen Erkenntnissen gesetzt habe.

Nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt hatten, hat das Berufungsgericht weitere Ermittlungen zum Sachverhalt durchgeführt. In diesem Rahmen hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts angegeben, dass das Unfallgeschehen selbst von keinem Zeugen beobachtet worden sei. Er selbst habe am Unfalltag in der H. in B. gewohnt und sei auch an diesem Tag als Fahrer des Sammeltransports vorgesehen gewesen. Unter dem 15. Dezember 2014 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten angegeben, zur damaligen Zeit hätten 6-7 Personen in der Unterkunft in der H. gewohnt. Namentlich seien ihm lediglich W1 und N. bekannt. Die Zeugen S2 und O. hätten etwa 5 Minuten Fußweg von der H. gewohnt. Er, der Kläger, habe die Zeugen am Unfalltag von deren Wohnung abholen sollen. Der Transportwagen sei regelmäßig bei der H. geparkt worden. Am Unfalltag allerdings sei der Transportwagen circa 20 bis 30 Meter von der Wohnung des Zeugen S2 entfernt geparkt gewesen, weil er, der Kläger, bei dem Zeugen übernachtet habe. Die Wohnung des Zeugen habe sich im zweiten Stock befunden. Nach dem Unfall sei er von den Zeugen S2 und O. in deren Wohnung gebracht worden. Dort hätten sie ihm Schuhe und Hose ausgezogen. Wegen der Schmerzen hätten ihm beide Kollegen Alkohol zu trinken gegeben. Die Kollegen seien bei ihm geblieben und hätten, als die Schmerzen nicht nachgelassen hätten, auf seine Bitte einen Krankenwagen gerufen.

Die Arbeitgeberin des Klägers, die S. GmbH, hat auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass der Kläger seine Unterkunft in der H. selbst angemietet habe. Die Arbeitnehmer hätten die Führung des Sammeltransports unter sich abgestimmt. Wer außer dem Kläger noch in der H. gewohnt habe, insbesondere ob auch die Zeugen S2 und O. dort gewohnt hätten, sei ihr, der Arbeitgeberin, nicht bekannt. Weder die genannten Zeugen noch der Kläger hätten tatsächlich am 22. April 2012 die Arbeit aufgenommen. Ob sie planmäßig hätten arbeiten sollen oder frei gehabt hätten, könne nicht mehr beantwortet werden.

Der in P. lebende Zeuge O. hat auf schriftliche Anfrage des Gerichts mit am 15. Februar 2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben angegeben, dass er von Februar bis Mai 2012 als Schweißer für die Firma S. GmbH bei der Firma W2 in B. gearbeitet habe. Er habe selbst in B. gewohnt (eine genaue Anschrift hat der Zeuge trotz entsprechender Frage nicht angegeben). Der Weg von der Wohnung zur Arbeit und zurück sei mit einem Fahrzeug der Arbeitgeberin zurückgelegt worden. Den Kläger habe er schon 2009 kennen gelernt. Er habe mit diesem zusammen gearbeitet, aber nicht zusammen gewohnt. Der Kläger habe in B. in 3 Quartieren gewohnt (Anschriften hat der Zeuge trotz entsprechender Frage nicht angegeben). Sowohl er, der Zeuge, als auch der Kläger hätten am Sonntag, den 22. April 2012 arbeiten müssen. Sie seien sich am Arbeitsort begegnet. Der Kläger habe am Abend des 21. April und/oder in der Nacht zum 22. April 2012 keinen Alkohol zu sich genommen. Er, der Zeuge, sei am 22. April 2012 um 6.00 Uhr aufgestanden und habe das Haus um 6.30 Uhr verlassen. Dabei sei er von dem Zeugen S2 und dem Kläger begleitet worden. Die Frage des Gerichts, wann er den Kläger am Morgen des 22. April 2012 das erste Mal gesehen habe, hat der Zeuge O. mit "um 18.00 Uhr zu Hause" beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt sei es dem Kläger gut gegangen. Er, O., und der Zeuge S2 hätten den Unfall des Klägers gesehen. Dieser sei auf der Straße vor dem Appartements des Zeugen O. gestürzt. Als die Ambulanz gekommen sei, seien einige unbekannte Personen hinzugekommen. Er, der Zeuge, habe den Kläger nach dem Unfall auf der Straße in etwa einer Entfernung von 30 Metern zur Haustür gesehen. Er habe ihn zusammen mit dem Zeugen S2 hochgehoben und wegen der Kälte ins Haus getragen und ihn dort ins Bett gelegt. Anderweitig versorgt habe er den Kläger nach dem Unfall nicht. Er, O., habe den Rettungswagen gerufen, nachdem der Kläger über Schmerzen geklagt und seinen Körper nicht gefühlt habe. Nach dem Ereignis sei er zum Krankenhaus gegangen, wo er den Kläger wiedergetroffen habe.

Der Versuch des Gerichts, den Zeugen S1 ausfindig zu machen, ist gescheitert, weil der Kläger sowie dessen Prozessbevollmächtigter einen vollständigen Namen und/oder eine ladungsfähige Anschrift nicht angeben konnten und der S1 auch unter der in der Verwaltungsakte der Beklagten aufgeführten Mobiltelefonnummer weder vom Prozessbevollmächtigten noch vom Gericht zu erreichen war.

Das Gericht hat sodann die vollständige den Kläger betreffende Krankenakte vom Klinikum B. R. beigezogen und durch die Unfallchirurgin Dr. W. das Gutachten vom 17. Dezember 2015 erstellen lassen. Die Sachverständige ist nach Auswertung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzungen sowohl der vorderen als auch der hinteren Säule der Wirbelsäule mit Zerreißung des vorderen und hinteren Längsbandes, Zerreißung der Bandscheibe, knöchernem Abriss am Wirbelkörper und Einblutung in die Nackenweichteile von einem Flexions-Extensions-Unfallmechanismus mit hoher Energie auszugehen sei. Dieser lasse sich durch einen Sturz auf gerader Strecke nicht erklären. Die alleinige Prellmarke an der Stirn ohne Verletzungen am Gesicht spreche gegen ein hochenergetisches Hyperextensionstrauma des Kopfes, welches die übrigen Verletzungen erkläre. Ein Sturz die Treppe hinab mit anschließendem Anprall frontal gegen eine Wand sei bei Abwägung beider dargestellten Unfallmechanismen deutlich wahrscheinlicher für die Auslösung der Verletzungen des Klägers. Die Verletzungen des Klägers an sich hätten das zu sich nehmen von Alkohol, wenn dieser von Hilfspersonen angereicht und dem Kläger eingeflößt worden sei, nicht ausgeschlossen. Dagegen sei ein aktives zu sich nehmen mit eigenständigem Trinken nicht möglich gewesen.

Nachdem die Beklagte dem Gutachten zugestimmt und darauf hingewiesen hatte, dass den Unterlagen des Klinikums B. zu entnehmen sei, dass der Kläger bei Aufnahme über Schmerzen in beiden Schultern und der Brustwirbelsäule geklagt habe und an der linken Schulter eine Prellmarke gefunden worden sei, sodass wegen der Beschwerden beidseitige Röntgenaufnahmen der Schultern veranlasst worden seien, andererseits der Kläger dem Gutachten widersprochen und es als nicht verwertbar angesehen hatte, ist die medizinische Sachverständige im Termin am 8. November 2016 ergänzend gehört worden. Dabei hat sie ihr Gutachten erläutert und nochmals zusammenfassend angegeben, dass angesichts der komplexen, im Einzelnen nochmals aufgeführten Verletzungen im Halswirbelsäulenbereich aus medizinischer Sicht mehr für einen Sturz die Treppe hinunter mit Anprall gegen eine Wand als für einen Sturz auf ebener Straße spreche. Auf gezielte Nachfrage des Gerichts hat sie zusätzlich angegeben, dass es durchaus denkbar sei, dass der Kläger unmittelbar nach dem Sturz sich noch einige Schritte – allerdings wohl nicht Treppauf – habe fortbewegen können.

Auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 3 U 9/14 = S 36 U 254/12 sowie der Verwaltungsakte der Beklagten (02 09 12 200005 532 773) und der beigezogenen Krankenakte des Klinikums B. R. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter kann als Einzelrichter an Stelle des Senats ohne eine – weitere –mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten einvernehmlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 u. 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat mit seinem angefochtenen Urteil die auf Anerkennung des Unfalls vom 22. April 2012 als Arbeitsunfall im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Entgegen seiner Auffassung hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 22. April 2012 als Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (stRspr; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R – m.w.N.) Versicherte Tätigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Wege von der Wohnung zur versicherten Tätigkeit beginnen nach ständiger Rechtsprechung mit dem Verlassen des häuslichen Bereiches, das heißt mit dem Verlassen des vom Versicherten bewohnten Gebäudes mit Durchschreiten der dortigen Außentür, während sich der Versicherungsschutz nicht auf Wege in dem Gebäude, in dem z.B. die Wohnung liegt, erstreckt (BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, SozR 2200 § 550 RVO Nr. 80, und BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 24/02 R – m.w.N.). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg zum Ort der Tätigkeit im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind.

Für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit bzw. die tatsächlichen Grundlagen der genannten Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können, d.h. es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urteil vom 13. August 2002 – B 2 U 33/01 R –). Für den Beweisgrad des Vollbeweises ist es zwar nicht erforderlich, dass die Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 – 9/9a RV 1/92 – m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger erlitt zwar am 22. April 2012 eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war auch als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten steht aber zur Überzeugung des Gerichts nicht mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit fest, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses in einem sachlichen Zusammenhang mit dem hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommenden Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte stand und der Unfall sich nicht mehr im häuslichen Wirkungskreis ereignet hat. Diese Beweislosigkeit der anspruchsbegründenden Tatsache "versicherte Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)" ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts bei verständiger Würdigung der Angaben zum Unfallgeschehen des Klägers selbst, der Angaben der Notärztin Dr. K., der telefonischen Angaben des Zeugen S1 – dessen gerichtliche Vernehmung wegen Unerreichbarkeit nicht möglich war – gegenüber der Beklagten, der Angaben der Arbeitgeberin des Klägers, der Angaben des Zeugen S2 gegenüber der Beklagten und dem Sozialgericht, der schriftlichen Angaben des Zeugen O. sowie der gutachterlichen Beurteilung der Unfallfolgen durch die Sachverständige Dr. W ... Nicht unberücksichtigt kann insoweit auch die Tatsache bleiben, dass die Behandlung des Klägers im Klinikum B. R. durchgehend unter der Prämisse "alkoholisierter Treppensturz" durchgeführt wurde und erst nach Aufnahme der Behandlung durch Dr. A. im Berufsgenossenschaften Unfallkrankenhaus H1 eine andere Darstellung des Unfallherganges erfolgte. Die Angaben der Notärztin Dr. K., wonach eine gut Deutsch sprechende Person ihr gesagt habe, der Kläger sei morgens um 6.00 Uhr alkoholisiert eine Treppe hinunter gestürzt und frontal gegen eine Mauer geprallt, sind insbesondere in Bezug auf die Alkoholisierung und den Anprall gegen eine Wand derart dezidiert, dass sie sich nicht durch die vom Kläger dagegen eingewandten Sprachprobleme erklären lassen. Sie werden im Übrigen bestätigt durch die telefonisch gegenüber der Beklagten gemachten Angaben des Zeugen S1, wonach er selbst den Unfall nicht gesehen habe, sondern gegen Mittag von den Zeugen S2 und O. verständigt worden sei. Er selbst habe den Notarzt gerufen. Da ihm von dem Zeugen O. mitgeteilt worden sei, dass sich der Unfall innerhalb des Hauses ereignet habe und der Kläger die Treppe hinunter gestürzt sei, habe er, S1, diese Information an die Notärztin weitergegeben. Diese Angabe des Zeugen S1 steht wiederum im Einklang mit der Tatsache, dass die Notärztin in dem Notfallprotokoll seinen Namen und seine Mobiltelefonnummer als Ansprechpartner festgehalten hat. Nach den weiteren Angaben des Zeugen S1 hätten die Zeugen S2 und O. erst später – warum, wisse er nicht – erklärt, dass der Unfall vor der Haustür eingetreten sei. Letztlich steht die von der Notärztin schriftlich festgehaltene und auf telefonische Nachfrage der Beklagten am 12. Juni 2012 nochmals bestätigte Unfallversion mit einem Sturz die Treppe hinunter und Anprall gegen eine Wand im Einklang mit der gutachterlichen Bewertung der auf medizinischem Fachgebiet bei dem Kläger vorliegenden Unfallfolgen durch die Unfallchirurgin Dr. W., die bereits in ihrem schriftlichen Gutachten vom 17. Dezember 2015 nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich die in den ausgewerteten Unterlagen beschriebenen massiven Verletzungen des Klägers durch einen Sturz auf gerader Strecke nicht erklären lassen und ein Sturz die Treppe hinab mit anschließendem Anprall gegen eine Wand bei Abwägung beider dargestellten Unfallmechanismen angesichts dieser Verletzungen deutlich wahrscheinlicher ist. Dies hat die Sachverständige bei ihrer Anhörung im Termin am 8. November 2016 ausdrücklich nochmals bestätigt.

Diesen, einen Unfall im unversicherten häuslichen Bereich beschreibenden Angaben stehen die erstmals nach seiner Aufnahme ins Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus H1 gemachten Ausführungen des Klägers sowie die Angaben der Zeugen S2 und O. entgegen, wonach der Unfall auf dem Weg zwischen Haustür und Sammelfahrzeug auf ebener Straße und damit während einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII passiert ist. Allerdings weisen die Angaben des Klägers und der Zeugen S2 sowie O. zum Teil Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten auf, die geeignet sind, Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit aufkommen zu lassen. Dies beginnt schon mit der Darstellung des Ortes im Sinne der Anschrift des Unfallgeschehens. Übereinstimmend haben der Kläger und die Zeugen angegeben, nicht in derselben Wohnung sondern etwa 5 Minuten Fußweg entfernt gewohnt zu haben. Der Kläger hat seine Wohnung durchgehend mit der H. angegeben. Diese klägerische Anschrift hat auch seine Arbeitgeberin bestätigt. Fest steht ebenfalls, dass die notärztliche Versorgung am 22. April 2012 unter dieser Anschrift erfolgte. Im Widerspruch dazu hat der Zeuge S2 anlässlich seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht angegeben, er und der Zeuge O. hätten in der H. gewohnt, der Kläger aber nicht. Dieser sei mit dem Sammelfahrzeug am frühen Morgen des Unfalltages gekommen, um den Zeugen O. zur Arbeit abzuholen. Letzteres hat der Kläger wiederum mit seinen Angaben vom 15. Dezember 2014 insoweit bestätigt, als er am Unfalltag als Fahrer des Sammelfahrzeuges vorgesehen war und die Zeugen an diesem Tag habe von deren Wohnung abholen sollen. Unter dem gleichen Datum hat er aber auch im Widerspruch dazu und den Angaben des Zeugen S2 ausgeführt, am Unfalltag habe das Sammelfahrzeug ausnahmsweise 20 bis 30 Meter von der Wohnung der Zeugen entfernt geparkt, weil er bei den Zeugen übernachtet habe. Nach dem Unfall hätten die Zeugen ihn in deren Wohnung getragen, die etwa 5 Minuten Fußweg von der H. entfernt gelegen habe. Wieso die notärztliche Versorgung dann allerdings in der H. erfolgt ist, bleibt unter Berücksichtigung dieser Angaben unerfindlich. Denkbar wäre allenfalls, dass es sich tatsächlich um die Wohnanschrift der Zeugen gehandelt hat. Dann hätten aber sowohl der Kläger selbst als auch seine Arbeitgeberin durchgehend unzutreffende Angaben hinsichtlich der eigenen Anschrift gemacht. Die Angaben des Zeugen O. vermögen diesbezüglich nicht weiter zu helfen. Obwohl er die vom Gericht formulierten 28 Fragen jeweils beantwortet hat, hat er die erbetene Zusatzinformation nach der genauen Anschrift lediglich bei Frage 3 (Anschrift des Arbeitgebers), aus nicht nachzuvollziehenden Gründen aber nicht bei Frage 4 (eigene Anschrift) und Frage 9 (Anschrift des Klägers) gegeben. Weitere Widersprüche finden sich in den Angaben des Klägers und der Zeugen in Bezug darauf, wer Augenzeuge des Unfallgeschehens gewesen ist. Während der Kläger während des Berufungsverfahrens mehrfach angegeben hat, dass das Unfallgeschehen selbst von keinem Zeugen beobachtet worden sei, hat der Zeuge S2 gegenüber dem Sozialgericht bekundet, vor der Haustür hätte er selbst sich nach rechts gewandt, um sich Frühstück zu kaufen, während der Kläger und der Zeuge O. gemeinsam nach links in Richtung auf das Sammelfahrzeug gegangen seien. Dies impliziert die Angabe, der Zeuge O. sei Augenzeuge des Unfallgeschehens gewesen. Der Zeuge O. hat demgegenüber angegeben, sowohl er als auch der Zeuge S2 hätten den Unfall des Klägers gesehen. Hinsichtlich des weiteren Verhaltens nach dem Unfall gibt es ebenfalls unterschiedliche Darstellungen. Zwar haben der Kläger und die Zeugen übereinstimmend angegeben, die Zeugen hätten den Kläger nach dem Unfall in die Wohnung (wessen?) getragen und ins Bett gelegt. Während der Zeuge S2 aber angegeben hat, anschließend die Wohnung wieder verlassen zu haben, um sich Frühstück zu besorgen, sind nach den Ausführungen des Klägers und des Zeugen O. beide Zeugen bei dem Kläger geblieben. Hinsichtlich der Benachrichtigung des Notarztes am Mittag des Unfalltages hat der Zeuge S2 keine Angaben gemacht, während der Zeuge O. behauptet hat, er selbst habe den Rettungswagen gerufen. Dies wiederum lässt sich nicht in Einklang bringen mit der Aussage des Zeugen S1, die durch die Eintragungen im Notfallbericht der Notärztin bestätigt wird. Auch bezüglich der "Versorgung" mit Alkohol in der Zeit nach dem Unfall stimmen die Angaben des Klägers und der Zeugen nicht überein. Während der Kläger angegeben hat, beide Zeugen hätten ihm auf seine Bitte Alkohol zu trinken gegeben, was der Zeuge S2 gegenüber der Beklagten unter dem 5. Juni 2012 bestätigt und bezüglich der Menge sogar auf zwei bis drei Schnäpse präzisiert hatte, hat der gleiche Zeuge gegenüber dem Sozialgericht ausgesagt, der Zeuge O. habe ihm nach seiner Rückkehr in die Wohnung erzählt, dem Kläger auf dessen Bitte Alkohol gegeben zu haben. Zur Menge des verabreichten Alkohols enthält diese Aussage keine Angabe. Der Zeuge O. hat auf Frage nach einer Versorgung des Klägers angegeben, diesen nicht versorgt zu haben. Angesichts der Tatsache, dass nach den plausiblen Ausführungen der medizinischen Sachverständigen Dr. W. ein selbständiges Trinken dem Kläger nach dem Unfall aufgrund der Verletzungsfolgen nicht mehr möglich war und eine Zuführung von Alkohol in dieser Zeit nur in der Form eines Einflößens denkbar ist, und eine derartige Versorgung mit Alkohol vom Aufwand her weit über das sonst lediglich erforderliche Reichen eines Glases oder einer Flasche hinausgeht, ist es kaum nachzuvollziehen, dass sich ein Zeuge an einen solchen Vorgang nicht mehr erinnert. Die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen S2 wird zusätzlich dadurch erschüttert, dass er ausgesagt hat, er habe vom 21. auf den 22. April 2012 Nachtschicht gearbeitet. Er wisse nicht, ob der Kläger und der Zeuge O. – die beide Frühschicht gehabt hätten – am Abend vorher noch aus gewesen seien. O. sei aber auf jeden Fall noch nach Hause gekommen und habe vor der Abholung durch den Kläger ein paar Stunden im Bett verbracht. Diese Angabe widerspricht nicht nur der Version, nach welcher der Kläger die Nacht in der Wohnung der Zeugen verbracht haben soll, sondern sie wirft auch die Frage auf, woher der Zeuge seine Kenntnisse hat, da er doch die Nacht auf der Werft durchgearbeitet hat. Die Angaben des Zeugen O. weisen insoweit Ungereimtheiten auf, als dieser ausgeführt hat, sowohl der Kläger als auch er hätten am Unfalltag, dem 22. April 2012 arbeiten müssen. Sie seien sich am Arbeitsort begegnet. Dagegen hat er auch ausgeführt, er und der Kläger hätten zusammen mit dem Zeugen S2 das Haus um 6.30 Uhr verlassen. Die Frage des Gerichts, wann er den Kläger am Morgen des 22. April 2012 erstmals gesehen habe, hat der Zeuge dann mit "um 18.00 Uhr zu Hause" beantwortet und weiter ausgeführt, dass es dem Kläger zu diesem Zeitpunkt gut gegangen sei. Wie diese Angaben in den tatsächlichen Geschehensablauf passen sollen, bleibt völlig unerfindlich.

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten sind die Angaben des Klägers und der Zeugen S2 und O. jedenfalls nicht ausreichend präzise, um bei objektiver Betrachtungsweise alle Zweifel bezüglich eines während des Weges zwischen Haustür und Sammelfahrzeug eingetretenen Sturzes auszuräumen, so dass nicht mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit feststeht, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. Dies bleibt nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens allenfalls möglich, wie nach wie vor auch ein – nicht versicherter – Treppensturz innerhalb des Hauses möglich ist. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sind von den Beteiligten nicht aufgezeigt worden und für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich.

Die Beweislosigkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht nach den allgemeinen Regeln der objektiven Beweislast zu Lasten des Anspruchsstellers, also des Versicherten. Die für den Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VII notwendige Voraussetzung der versicherten Tätigkeit bzw. des sachlichen Zusammenhangs der konkreten Verrichtung im Unfallzeitpunkt mit der versicherten Tätigkeit gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Der Unfallversicherungsträger trägt dagegen die Beweislast nur hinsichtlich anspruchsvernichtender oder -hindernder Tatsachen einer sogenannten Gegennorm, die einem an sich bereits entstandenen Anspruch, also einem voll erfüllten Tatbestand, entgegenstehen (vgl. dazu Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Band 2, SGB VII, § 8 Rdnrn. 263 ff). Der Kläger hat daher die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, so dass der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 22. April 2012 als Arbeitsunfall abzulehnen war, ohne dass es auf das konkrete Ausmaß seiner Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt, welches die Beklagte im Zweifelfall nachzuweisen hätte, nicht ankommt. Zwar spricht angesichts der noch um 13.17 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,2 Promille auch unter Berücksichtigung einer nicht nach standardisierten Regeln erfolgten Blutalkoholbestimmung einerseits und der – allerdings aufgrund der nicht übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Zeugen nicht nachgewiesenen – Alkoholzuführung nach dem Unfall andererseits sehr viel dafür, dass bei dem Kläger zum Unfallzeitpunkt sogar eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 2,2 Promille vorgelegen hat und das Sozialgericht daher zu Recht von einem allein rechtlich wesentlich durch den Alkohol verursachten Unfall ausgegangen ist, jedoch kann dies letztlich dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved