L 1 KR 44/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 KR 841/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 44/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selber tragen. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, die er für Taxifahrer abgeführt hat, welche in der Zeit von 1999 bis Juli 2004 in seinem Taxenbetrieb tätig waren.

Der 1961 geborene Kläger war seit 1994 selbständiger Taxiunternehmer in H ... Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung befand er sich vom 29. Juli 2004 bis 3. März 2005 in Untersuchungshaft, worauf der Taxenbetrieb eingestellt wurde. Das Landgericht Hamburg (LG) verurteilte den Kläger am 3. März 2005 rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung in 27 Fällen wegen unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen der Jahre 2000 bis 2001 sowie versuchter Steuerhinterziehung wegen unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen der Jahre 2002 bis 2003 zu einer Gesamtfreiheitstrafe von 2 Jahren auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen à 5,- Euro, wobei das LG die an die Beklagte entrichteten Beiträge strafmildernd berücksichtigte (vgl. Urteil vom 03.03.2005 - 620 KLs 13/04, auf das Bezug genommen wird). Nach den Feststellungen des LG verfügte der Kläger in den Jahren 1999 bis 2002 über 43 bis zuletzt 146 Taxenkonzessionen (Fahrzeuge). Daneben betrieb er eine eigene Autowerkstatt, in welcher die vom Kläger betriebenen Taxen repariert und gewartet wurden. Zur Erleichterung der Abrechnung mit seinen Taxifahrern vereinbarte der Kläger zumindest seit Beginn 1999, möglicherweise auch schon früher, mit allen Fahrern ein sog. "Mietmodell", wonach diese ihm für die Überlassung eines Taxis DM 80,- pro Tag bzw. ab 2002 Euro 40,- pro Tag zahlten. Im Gegenzug konnten die Fahrer die von ihnen erzielten Einnahmen behalten, mussten aber für die Tankkosten selbst aufkommen, während der Kläger die Wartung und Reparaturen in seiner Werkstatt auf eigene Kosten durchführte. Da der Kläger Sorge hatte, dass ihm die Konzessionen entzogen würden, wenn bekannt werden würde, dass er den Fahren die Taxen zur selbständigen Verwendung überlässt, wurden die Fahrer des sog. "Mietmodells" von dem Kläger als abhängig Beschäftigte mit einem festen Arbeitslohn geführt und die auf den Lohn berechneten Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge) an die jeweiligen Krankenkassen abgeführt. Entsprechend dem "Mietmodell" wurde der gemeldete Lohn jedoch nie ausgezahlt, vielmehr ließ sich der Kläger von den Fahrern zumindest die laut Verdienstabrechnung zu zahlenden Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung wieder erstatten; ob auch eine Erstattung der Arbeitgeberanteile erfolgte, konnte bis heute nicht geklärt werden. Soweit die Fahrer nicht nur geringfügig beschäftigt gewesen sind, wurde auch die Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt sowie sämtliche Abgaben einschließlich der Tankbelege der Fahrer, welche der Kläger sich wieder aushändigen ließ, auch buchhalterisch als Betriebsausgaben beim klägerischen Betrieb gebucht. Ein geringer Teil, ca. 5% der bei dem Kläger beschäftigten Fahrer, welche das "Mietmodell" abgelehnt hatten, fuhren auf Provisionsbasis. Nach dieser Vereinbarung durften die Fahrer 50% ihrer Einnahmen behalten, während der Rest an den Kläger abzuliefern war.

Am 8. November 2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Erstattung der geleisteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für zunächst 15 Fahrer für den Zeitraum von 1999 bis Juli 2004. Für die namentlich aufgeführten Mitarbeiter des Klägers waren, mit einer Ausnahme im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 14. Juli 2004 mit Unterbrechungen Meldungen als geringfügig Beschäftigte bzw. Meldungen zur Sozialversicherung erfolgt und Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung entrichtet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Juni 2006 lehnte die Beklagte die Anträge auf Beitragserstattung ab, weil nach den vorgenommenen Meldungen eindeutig Versicherungspflicht vorgelegen habe und eine Umstellung der Versicherungsverhältnisse nicht mehr in Betracht komme.

Dagegen erhob der Kläger am 29. Juni 2006 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2006 als unbegründet zurückwies. Den Feststellungen des LG zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der bei dem Kläger beschäftigten Taxifahrer komme keine bindende Wirkung zu. Die betriebsinterne Abmachung, wonach den Fahrern die Taxen gegen eine Gebühr von DM 80,- bzw. Euro 40,- pro Tag überlassen worden und die entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge von den Fahrern erstattet worden seien, bewirke keine Selbständigkeit. Eine selbständige Tätigkeit als Taxifahrer setze voraus, dass der Fahrer eine Taxikonzession besitze, über welche jedoch nur der Kläger verfügt habe. Soweit danach die Beiträge zu Recht entrichtet worden seien, sei eine Erstattung nicht möglich. Im Übrigen stünden die Beiträge dem Kläger nicht zu, da er diese nicht getragen habe, da sie ihm von Dritten ersetzt worden seien. Soweit bei der Berechnung seiner Steuerschuld auch die entrichteten Beiträge berücksichtigt worden seien und dies zu einer Minderung der Steuerschuld geführt habe, würde eine Erstattung den Kläger in unangemessener Form begünstigen.

Der Kläger hat am 16. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und vorgetragen, dass das LG in seinem Urteil vom 3. März 2005 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die in seinem Betrieb tätigen Taxifahrer nicht als sozialversicherungspflichtig angestellte Mitarbeiter, sondern als selbständige Unternehmer zu betrachten seien. Dieses habe auch das Finanzgericht Hamburg so gesehen. Er habe die Fahrer als versicherungspflichtige Beschäftigte mit einem festen Arbeitslohn führen müssen, weil er sonst keine Konzessionen für die Fahrzeuge bekommen hätte. Die Ausgestaltung der konkreten Fahrertätigkeit sei völlig weisungsunabhängig und in Eigenregie durch den jeweiligen Fahrzeugmieter erfolgt. Dieser sei lediglich zu einer pünktlichen Zahlung des Mietzinses an ihn verpflichtet gewesen. Wann, wo und wie der Mieter seine Tätigkeit ausübte, sei ausschließlich den einzelnen Fahrern überlassen gewesen. Er habe dazu keine Weisungen erteilt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Januar 2011 – dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 2. März 2011 – abgewiesen und ist dabei entsprechend der Begründung des Widerspruchsbescheides davon ausgegangen, dass die Fahrer des "Mietmodells" abhängig beschäftigt und sozialversicherungspflichtig gewesen seien, da sie keine eigene Konzession gehabt und kein echtes Unternehmerrisiko getragen hätten.

Mit der am 31. März 2011 eingelegten Berufung bleibt der Kläger dabei, dass die Taxifahrer nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihm gestanden hätten. Sie hätten die Ausgestaltung ihrer Tätigkeit weitestgehend selbst bestimmen können. So hätten sie insbesondere über das angemietete Fahrzeug völlig frei verfügen können und dabei auch das unternehmerische Risiko getragen, bei ausbleibenden Fahrten die Miet- und Benzinkosten selbst tragen zu müssen. Zudem habe zwischenzeitlich das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Vermietung von Taxen an konzessionslose Fahrer aus der Sicht des Personenbeförderungsrechtes zulässig sei. Dies habe das Sozialgericht verkannt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagte vom 22. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.853,00 Euro zu Unrecht gezahlte Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2015 sowie auf den weiteren Inhalt der Prozessakte und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erstattung von Sozialversicherungsbeträgen, die er als vermeintlicher Arbeitgeber von den in Rede stehenden Taxifahren abgeführt hat, mit den streitigen Bescheiden abgelehnt. Das Sozialgericht hat daher die dagegen gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage des begehrten Erstattungsanspruchs kann nur die Regelung des § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sein. Diese lautet:

"Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten."

Absatz 3 der Norm ergänzt:

"Der Erstattungsanspruch steht dem zu, der die Beiträge getragen hat. Soweit dem Arbeitgeber Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind, entfällt sein Erstattungsanspruch."

Dieser Anspruch greift vorliegend nicht durch.

Dabei kann offen bleiben, ob die Taxifahrer des "Mietmodells" als bei dem Kläger abhängig beschäftigte, sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer anzusehen sind.

Denn für den Fall, dass dem so wäre, würde der Erstattungsanspruch schon aus diesem Grund nicht durchgreifen.

Sollten die Fahrer die Tätigkeit tatsächlich selbständig und damit nicht sozialversicherungspflichtig ausgeübt haben – wofür durchaus Umstände sprechen (vgl. Ausführungen des Senats im Rahmen der Entscheidung der PKH-Beschwerde im Beschluss vom 29. Juni 2009 unter dem Az.: L 1 B 195/09 PKH KR) –, so steht dem möglichen Erstattungsanspruch zumindest der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, abgeleitet aus dem Rechtsgedanken des § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), entgegen. Dieser Rechtsgedanke ist nach Auffassung des Senats auch im Rahmen des hier in Form des § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV speziell ausgestalteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zumindest dann anwendbar, wenn – wie vorliegend – die positive Kenntnis vom Fehlen eines Rechtsgrundes für die geleistete Zahlung darin besteht, dass gezielt über das Bestehen des Rechtsgrundes getäuscht wird. Es besteht aufgrund der Feststellungen des Landgerichts im Strafverfahren und auch aufgrund der Angaben des Klägers kein Zweifel daran, dass der Kläger davon ausging, die Sozialversicherungsbeiträge nicht zu schulden. Es kam ihm im Bewusstsein dieses Umstandes gerade darauf an, durch die Anmeldung der Fahrer zur Sozialversicherung und die Entrichtung der Beiträge den Anschein einer abhängigen Beschäftigung bei der Beklagten zu setzen.

Dazu im Einzelnen:

Bei dem Beitragserstattungsanspruch des § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches. Dessen Grundsätze sind daher bei der Anwendung der Norm ergänzend heranzuziehen (vgl. Udsching, in: Hauck/Noftz, SGB, 07/15, § 26 SGB IV Rn. 1a).

Es ist umstritten, ob auf diesen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung in Form des Rechtsgedankens des § 814 BGB anwendbar ist. Im Rahmen der hierbei geführten Diskussion stehen sich der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Grundsätze des Vertrauensschutzes bzw. der Rechtssicherheit gegenüber.

Im Rahmen der in diesem Spannungsfeld vorzunehmenden Abwägung, ist die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 814 BGB zur Überzeugung des Senats zumindest in der vorliegenden Konstellation anzunehmen. Dieser Fall ist dadurch kennzeichnet, dass der Leistende der Bürger (nicht der Staat) ist und dass dieser nicht nur von dem Nichtbestehen des Rechtsgrundes (Beitragspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung) positiv ausging, sondern gerade die Absicht hatte, über diesen Umstand zu täuschen, um daraus für sich (finanzielle) Vorteile zu ziehen.

Diese Ansicht steht auch mit der vorhandenen Rechtsprechung im Einklang.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einer Entscheidung vom 12. März 1985 (7 C 48/82) ausführlich zu der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regelungen des BGB zur Entreicherung auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Stellung genommen und dabei ausgeführt:

"Der im bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrecht geltende Grundsatz, dass von dem erlangten Vermögenswert nur das noch Vorhandene, dieses aber auch immer, herauszugeben ist, findet auf beiden Seiten des Kondiktionsverhältnisses gleichermaßen Anwendung, wer immer auch der Bereicherte und wer der Entreicherte ist. Für ein öffentlich- rechtliches Erstattungsverhältnis, in dem sich Bürger und Verwaltung gegenüberstehen, passt dieser Grundsatz nicht. Denn anders als im Zivilrecht werden hier die Interessen beider Seiten von der Rechtsordnung gerade nicht gleich, sondern unterschiedlich bewertet. Die öffentliche Hand ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet. Ihr Interesse muss darauf gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gilt für sie auch dann, wenn sie selbst etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Deshalb - und nicht etwa nur, weil ein Wegfall der Bereicherung aus tatsächlichen Gründen selten nachweisbar sein wird - ist ihr grundsätzlich versagt, sich auf eine Entreicherung zu berufen (vgl. BVerwGE 36, 108 (113 f.); Erichsen/Martens, a.a.O. S. 305; Maurer, a.a.O. S. 595; Ossenbühl, a.a.O. S. 219). Anders wird das Interesse des Bürgers bewertet. Die Rechtsordnung gesteht ihm zu, dass er einen ihm rechtswidrig gewährten Vorteil auch gegen das für die Rückgewähr streitende öffentliche Interesse verteidigen kann, wenn sein Vertrauen auf dessen Beständigkeit schutzwürdig ist. Diese unterschiedliche Interessenbewertung, die sich u.a. in den Regeln über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte niedergeschlagen hat, steht der entsprechenden Anwendung einer Regelung entgegen, der - wie der Regelung der §§ 818 Abs. 3 und 4, 819 BGB - eine solche Interessenbewertung gerade nicht zugrunde liegt, die vielmehr die Interessen beider Seiten ohne Rücksicht darauf, ob Bürger oder Verwaltung Gläubiger oder Schuldner des Erstattungsanspruchs ist, mit ein und demselben Maßstab bewertet."

Die hier vertretene Sichtweise stellt sich zu diesen Ausführungen nicht in Widerspruch. Die Ausführungen des BVerwG beziehen sich auf die Frage der Entreicherung. Hier zu fordern, dass sich der Staat aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht auf Entreicherung berufen kann, ist vor dem Hintergrund, dass gerade für den Staat der Grundsatz "Geld hat man zu haben" uneingeschränkt gelten muss, nachvollziehbar, betrifft aber eine ganz andere Konstellation als die des Rechtsgedankens des § 814 BGB. In der Situation des § 814 BGB wird nämlich – anders als bei der Entreicherung – nicht auf den Leistungsempfänger, sondern auf den Leistenden abgestellt. Wenn dieser nun der Bürger ist, geht es nicht darum, ein Verhalten des Staates, sondern des Bürgers zu bewerten. Kann sich dieser aufgrund einer bewusst vorgenommenen Täuschung nicht auf Vertrauensschutz berufen und ist er damit nicht schutzwürdig, gibt es auf seiner Seite keine Argumente, die der Anwendbarkeit des Rechtsgedanken des § 814 BGB entgegenstehen könnten. Insbesondere begünstigt ihn der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht.

Bleibt zu prüfen, ob dieser Grundsatz auf Seiten des Staates dem Behalten des von dem Bürger Geleisteten entgegensteht. Der oben zitierte Satz des BVerwG, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für die öffentliche Hand auch dann gelte, wenn sie selbst etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, scheint dem entgegenzustehen. Wiederum ist hier aber zu beachten, dass das BVerwG dies auf die Frage der Entreicherung bezogen hat. Der Senat ist der Überzeugung, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung es nicht verbietet, dass die Verwaltung in Konstellationen wie der vorliegenden das Erlangte behält. Denn der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist kein Prinzip, das im Verwaltungsrecht Alleingeltung beansprucht. Vielmehr ist es seit jeher eines von mehreren Prinzipien, die untereinander im Rahmen einer Abwägung in Einklang zu bringen sind. Dies wird am Beispiel der Wirksamkeit eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes sehr deutlich: Im deutschen Verwaltungsrechtssystem ist gesetzlich klar geregelt, dass nach §§ 43, 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und §§ 39, 44, 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt wirksam ist und sogar Grundlage der Verwaltungsvollstreckung sein kann. Würde der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein unumstößliches Prinzip darstellen, so wäre eine solche Regelung nicht denkbar. Dabei geht es nicht immer nur um die Abwägung zwischen Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Vertrauensschutz des Bürgers. Dies ist vielmehr nur bei begünstigenden Verwaltungsakten der Fall. Es ist jedoch unbestritten, dass auch ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt wirksam ist und im Falle seiner Bestandkraft auch eine zu Gunsten der Verwaltung rechtswidrige Vermögensverschiebung dauerhaft herbeiführen kann. Hier streitet der Grundsatz der Rechtssicherheit gegen den der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. dazu: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 48 Rn. 28ff).

Ist damit der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung der Abwägung mit verschiedenen anderen Rechtsgrundsätzen zugänglich, muss dies auch mit dem Prinzip der unzulässigen Rechtsausübung in Form des Rechtsgedankens des § 814 BGB möglich sein und kann in Konstellationen wie der vorliegenden dazu führen, dass der Gedanke des § 814 BGB in der Abwägung den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit dem Ergebnis verdrängt, dass die Verwaltung das Erlangte nicht herauszugeben hat (so ausdrücklich sogar für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 814 BGB in Bezug auf die öffentliche Hand als Leistende: OVG NRW, Urt. v. 02.08.2001 – 1 A 3262/99, Rn. 45ff bei juris).

Dieses Rechtsverständnis verstößt auch nicht gegen die Rechtsprechung des BVerwG, denn die problematische Anwendbarkeit des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hat das BVerwG nur in seiner Entscheidung vom 26. März 2003 (9 C 4/02, Rn. 19) erwähnt, dort jedoch nur in einem Klammerzusatz zu einem obiter dictum unter Bezugnahme auf untergerichtliche Rechtsprechung. An anderer Stelle in diesem Urteil untermauert das BVerwG hingegen die hier vertretene Sichtweise. Das BVerwG beschäftigt sich dort nämlich ausführlich mit dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben und der Frage, ob es bei einem nichtigen öffentlich-rechtlichen Vertrag einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darstellt, wenn der Bürger die von ihm geschuldete Leistung verweigert, nachdem die Verwaltung ihre Leistung bereits erbracht hat. Das BVerwG vertritt den Standpunkt, dass eine solche Verweigerung nur in Ausnahmefällen gegen Treu und Glauben verstößt, nämlich dann, wenn das Verhalten sich als treuwidrig darstellt (Rn. 24 der Entscheidung; so das BVerwG auch in der hier vorliegenden Konstellation, dass der Bürger schon geleistet hat und nun einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend macht: Urt. v. 20.03.2003 - 2 C 23/02, Rn. 29). In diesem Zusammenhang nennt das Gericht hierfür als Beispiel ein "qualifiziert widersprüchliches oder unredliches Verhalten". Zuvor hatte es bereits den Begriff der Treuwidrigkeit durch die Formulierung "planmäßiges und absichtsvolles" Vorgehen konkretisiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2000 - 4 C 4/99, Rn. 37). Mit diesen Begriffen wird das Verhalten des Klägers sehr zutreffend beschrieben. Auch aus Sicht des BVerwG ist also das täuschende Verhalten des Klägers der typische Fall eines treuwidrigen Verhaltens, das den Grundsatz von Treu und Glauben aktiviert. Unabhängig davon, ob man in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Vorschrift des § 814 BGB abstellt, entspricht das hier gefundene Ergebnis damit auch der Rechtsprechung des BVerwG.

Die Senate des Bundessozialgerichts (BSG) haben sich zu der Frage der Anwendbarkeit des Rechtsgedanken des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bisher zurückhaltend geäußert. Der 2. Senat hat die Anwendbarkeit in seiner Entscheidung vom 3. April 2014 (B 2 U 21/12 R, Rn 27) zwar verneint, dabei jedoch allein darauf abgestellt, dass der Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung es verbiete, dass rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen bestehen bleiben. Der 14. Senat hat die Frage in seiner Entscheidung vom 13. April 2011 (B 14 AS 98/10 R, Rn. 21; vgl. auch Urt. v. 22.08.2013 - B 14 AS 75/12 R, Rn. 21) offen gelassen. Der 1. und 3. Senat scheinen die Norm im Rahmen von Krankenausabrechnungsstreitigkeiten grundsätzlich für anwendbar zu halten (vgl. Urt. v. 13.05.2004 – B 3 KR 2/03, R. 24; Urt. v. 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R, Rn. 29 unter Bezugnahme auf Urt. v. 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R, Rn. 30; Urt. v. 01.07.2014 - B 1 KR 2/13 R).

Der Bundesfinanzhof hat die Frage der Anwendbarkeit des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bisher offen gelassen (vgl. Urt. v. 13.03.1997 - VII R 39/96, Rn. 31).

Kann der Kläger daher einen Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV schon aus diesen Gründen nicht geltend machen, kann dahinstehen, ob dem Kläger von den Fahrern tatsächlich nur die Arbeitnehmer- oder auch die Arbeitgeberanteile der Beiträge erstattet und ob die betroffenen Fahrer Versicherungsleistungen im Sinne des § 26 Abs. 2 SGB IV in Anspruch genommen haben.

Eine Beiladung der vermeintlichen Arbeitnehmer, bezüglich derer die Beitragserstattung geltend gemacht wird, war nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt nämlich in Beitragserstattungsstreitigkeiten bezüglich der jeweils nicht klagenden Arbeitnehmer bzw. Arbeitsgeber dann kein Fall der notwendigen Beiladung vor, wenn die Entscheidung des Rechtstreits von den Verhältnissen zwischen der Verwaltung und den einzelnen Beteiligten abhängt, also gerade keine einheitliche Entscheidung ergeht (vgl. BSG, Urt. v. 13.06.1985 – 7 RAr 107/83, Rn. 13; Urt. v. 26.06.1986 - 7 RAr 121/84, Rn. 20). Dies ist vorliegend der Fall. Denn der zentrale Grund dafür, dass dem Kläger der Beitragserstattungsanspruch nicht zusteht – sein treuwidriges Verhalten –, liegt allein in seiner Person begründet. Er betrifft daher allein das Verhältnis zwischen ihm und der Verwaltung und nicht die Verhältnisse der vermeintlichen Arbeitnehmer zu derselben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Revision war zuzulassen, da es sich um eine umstrittene und nicht abschließend geklärte Rechtsmaterie handelt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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