Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 234/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 13/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Gründungszuschuss
Der am xxxxx 1978 geborene Kläger arbeitete zunächst ab dem 1. März 2012 als angestellter Rechtsanwalt bei der Kanzlei R. Rechtsanwälte. Nachdem der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2015 zum 31. Dezember 2015 gekündigt hatte, stellte der Arbeitgeber ihn ab dem 12. Oktober 2015 bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.
Der Kläger meldete sich am 1. Oktober 2015 persönlich arbeitssuchend und beantragte am 18. Oktober 2015 Arbeitslosengeld (Alg), wobei er angab, er werde alle zumutbaren Möglichkeiten nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Zum Eintritt einer Sperrzeit angehört erklärte er, es gebe bei der Kanzlei R. keine Karriereperspektive für ihn. Er habe den Wunsch, Partner zu werden, in Personalgesprächen deutlich gemacht, jedoch seien sämtliche Partnerpositionen vergeben.
Mit Partnerschaftsvertrag vom 19. Oktober 2015 gründeten der Kläger und vier weitere Rechtsanwälte sodann eine Partnerschaft mit dem Gegenstand der gemeinsamen Ausübung des Anwaltsberufs. Die Gesellschaft sollte gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages sofort beginnen. Eine ordentliche Kündigung ist nach § 4 Abs. 2 des Vertrages bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Die Gesellschafter verpflichteten sich in § 9 Abs. 1 des Vertrages dazu, ihre gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. Mit Vertrag vom 5. November 2015 mietete die Partnerschaft für eine monatliche Gesamtmiete von 7.424,90 Euro Kanzleiräume an. Am 29. Oktober 2015 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Januar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. April 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe vom 12. Oktober 2015 bis zum 3. Januar 2016 fest und lehnte einen weitergehenden Alg-Anspruch mit der Begründung ab, der Kläger habe den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden. Die hiergegen am 31. Mai 2016 erhobene Klage wies das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 5. April 2017 ab (Az. S 14 AL 357/16). Die hiergegen am 4. Mai 2017 eingelegte Berufung (Az. L 2 AL 14/17), die der Kläger dahingehend konkretisiert hat, er begehre Alg für den 4. Januar 2016, verwarf der Senat durch Urteil vom 10. Juli 2017 als unzulässig
Den am 19. Oktober 2015 gestellten Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2016 mit der Begründung ab, aufgrund der Ausbildung des Klägers und seines beruflichen Werdegangs sei eine Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in absehbarer Zeit möglich. Auch habe er sein vorheriges Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst und somit seine Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Die Beklagte fördere keine Existenzgründungen in den ersten 12 Wochen nach Aufgabe der Beschäftigung. Den hiergegen am 15. Februar 2016 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2016 zurück, wobei sie ergänzend darauf abstellte, es fehle an der Voraussetzung einer Beendigung von Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, denn der Kläger sei bereits zuvor nicht verfügbar gewesen. Er habe bereits am 29. Oktober 2015 von einer geplanten Selbstständigkeit gesprochen und vor allem zuvor den Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Auch den Mietvertrag habe er nur wenig später abgeschlossen.
Der Kläger hat am 12. April 2016 Klage erhoben und ausgeführt, die Zweifel an seiner Verfügbarkeit griffen nicht durch. Konkrete Vorbereitungshandlungen schlössen die Verfügbarkeit nicht aus. Der Partnerschaftsvertrag habe eine Kündigung aus wichtigem Grund zugelassen. Den Mietvertrag habe er als einer von fünf Gesellschaftern unterzeichnet. Auch müsse bei der Frage nach seiner Verfügbarkeit berücksichtigt werden, dass die Beklagte die geschuldeten Vermittlungsbemühungen unterlassen habe.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie einen Alg-Anspruch abgelehnt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5. April 2017 (dem Kläger zugestellt am 7. April 2017) abgewiesen. Der Kläger habe bis zur Aufnahme seiner Tätigkeit am 5. Januar 2016 keinen Alg-Anspruch gehabt. Daher habe auch kein Anspruch auf Gründungszuschuss bestanden.
Der Kläger hat am 4. Mai 2017 Berufung eingelegt.
Er führt aus, er sei bei seiner Kündigung noch nicht auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit festgelegt gewesen und wäre Vermittlungsvorschlägen nachgegangen, um für den Fall des Scheiterns der Vorbereitung für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vorzubeugen. Es sei ihm gerade darum gegangen, möglichst lange zweigleisig zu fahren. Im Beratungsgespräch mit der Beklagten habe er – ausweislich eines Verbis-Vermerks vom 29. Oktober 2015 – keinen Grund zur Annahme gegeben, er wolle nicht in eine abhängige Beschäftigung vermittelt werden. Dies ergebe sich auch aus der Eingliederungsvereinbarung. Der noch bestehende Arbeitsvertrag habe seiner Verfügbarkeit nicht entgegengestanden. Wäre unter den Vermittlungsvorschlägen die – insbesondere im Hinblick auf seinen Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ideal passende Anschlussbeschäftigung gefunden worden, so hätte er diese Möglichkeit gründlich abgewogen, denn auf der anderen Waagschale hätten dann sowohl die Selbstständigkeit als auch – je nach Antritt der Beschäftigung – mehrere Monate Entgeltfortzahlung gelegen. Falls er sich dann für eine Annahme der ideal passenden Anschlussbeschäftigung entschieden hätte, hätte er wahrscheinlich eine Modifikation des Partnerschaftsvertrages ähnlich dessen § 6 (betreffend die Aufnahme weiterer Gesellschafter) angestrebt. Im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 trägt der Kläger insoweit ergänzend vor, das Sozialgericht habe unzutreffend nur seine Verfügbarkeit am 4. Januar 2016 im Blick gehabt und nicht berücksichtigt, dass er bereits ab dem 12. Oktober 2015 unwiderruflich freigestellt gewesen sei.
Insbesondere sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn über ihre restriktive Förderpraxis zu informieren. Bei hinreichender Information hätte er sich dafür entschieden, die selbstständige Tätigkeit zunächst in einem Umfang von weniger als 15 Stunden in der Woche auszuüben. Dies hätte sich auch deswegen angeboten, weil die Aufnahme der Tätigkeit Anfang 2016 mit erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten verbunden gewesen und für die eigentliche Erwerbstätigkeit nur wenig Zeit geblieben sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Gründungszuschuss ab dem 5. Januar 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Durch Beschluss vom 18. Mai 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In dieser Besetzung hat der Senat sodann am 10. Juli 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte sowie auf Prozess- und Verwaltungsakte im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere auch form- und fristgerechte Berufung (§ 151 SGG) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gründungszuschuss.
Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Im vorliegenden Fall fehlt es an der Voraussetzung eines Anspruchs auf Alg bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erster Satzteil SGB III). Das Bundessozialgericht hat zur Vorgängervorschrift in § 57 SGB III (in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung) bereits entschieden, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein (nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F., jetzt § 136 SGB III) entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs (zu alledem BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6; BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3). Grund hierfür ist der Zweck des Gründungszuschusses, der den Lebensunterhalt sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende Alg kompensieren soll (vgl. BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs. 1).
Einen Alg-Anspruch für die Zeit zwischen der zum 12. Oktober 2015 erfolgten unwiderruflichen Freistellung und (einschließlich) dem 3. Januar 2016 scheitert bereits daran, dass insoweit eine im Sinne von § 77 SGG bindend gewordene Ablehnungsentscheidung der Beklagten vorliegt. Die bindende Verneinung eines Alg-Anspruchs in einem anderen Verfahren ist auch für den Anspruch auf Gründungszuschuss zwingend zu beachten (BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3 = juris, Rn. 8). Indem der Kläger im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 klargestellt hat, dass er dort allein einen Alg-Anspruch für den 4. Januar 2016 begehrt, hat er an seinem Rechtsmittel gegen die Ablehnung von Alg für die Zeit bis einschließlich zum 3. Januar 2016 nicht mehr festgehalten.
Am 4. Januar 2016 – dem einzigen Tag, hinsichtlich dessen keine bindende Verneinung eines Alg-Anspruchs vorliegt – hatte der Kläger keinen Alg-Anspruch, denn er war nicht subjektiv verfügbar im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III und daher nicht arbeitslos im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Arbeitslosigkeit im Rechtssinne setzt nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III voraus, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (sog. subjektive Verfügbarkeit), und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Die subjektive Verfügbarkeit ist eine innere Tatsache, deren Fehlen lediglich dann anzunehmen ist, wenn der Betreffende durch sein Verhalten begründete Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass er sich willkürlich nur auf einen Teil seiner objektiven Möglichkeiten beschränkt (Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 31; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 138 SGB III, Rn. 279, 280). Einer Erklärung des Betroffenen, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen (wie sie auch in Form einer Eingliederungsvereinbarung erfolgen kann), kommt insoweit lediglich Indizwirkung zu (dazu Bayerisches LSG, Urteil vom 30. September 2015 – L 10 AL 278/14, juris, Rn. 16). Wiederlegt wird dieses Indiz durch das tatsächliche Verhalten des Klägers sowie sein eigenes Vorbringen im Berufungsverfahren. Der Kläger hatte sich bereits zuvor erkennbar und mit Außenwirkung auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am Folgetag festgelegt hatte.
Der Senat hat bereits entschieden, dass das Erreichen eines "point of no return" (d.h. eines Stadiums der Vorbereitungshandlungen, ab dem sich die Existenzgründung nur noch unter Inkaufnahme erheblicher wirtschaftlicher Nachteile rückgängig machen lässt [zu einer vergleichbaren Konstellation bereits Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris]) die Bereitschaft, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben, entfallen lässt und auf diese Weise – wie sich aus § 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 1 SGB III ergibt – die Annahme von Verfügbarkeit und damit gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III auch von Arbeitslosigkeit ausschließt (Senatsurteile vom 3. Februar 2016 – L 2 AL 23/15, juris, Rn. 48, vom 29. Juni 2016 – L 2 AL 27/16, juris, Rn. 36, und vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 27).
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger diesen "point of no return" jedenfalls vor dem 4. Januar 2016 überschritten. Der Kläger hatte sich schon kurz nach dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit durch Abschluss sowohl des Partnerschaftsvertrages vom 19. Oktober 2015 als auch des Mietvertrages vom 5. November 2015 rechtlich und wirtschaftlich verbindlich auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit festgelegt. Die Partnerschaft hatte gemäß § 2 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages bereits begonnen. Eine ordentliche Kündigung war nach § 4 Abs. 2 des Vertrages bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Selbst eine Teilzeitbeschäftigung neben der Arbeit für die Partnerschaft schied nach § 9 Abs. 1 des Vertrages aus. Daneben trat die aus dem Mietvertrag resultierende erhebliche finanzielle Verpflichtung des Klägers.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren widerlegt diese Annahme nicht, sondern stützt sie vielmehr. Es mag zutreffen, dass dem Kläger daran gelegen war, sich möglichst lange auch die Möglichkeit einer Anschlussbeschäftigung offenzuhalten. Wenn er jedoch vorträgt, er hätte die Möglichkeit, anstelle einer selbstständigen Tätigkeit eine seinen Wunschvorstellungen entsprechende Beschäftigung anzutreten, gründlich abgewogen, so verkennt er das Wesen der subjektiven Verfügbarkeit. Diese umfasst mehr als nur eine grundsätzliche Bereitschaft, eine als ideal empfundene Beschäftigung anzunehmen. Unklar ist überdies, wie der Kläger sich für diesen Fall einen Austritt aus der bereits begründeten Partnerschaft vorgestellt hätte. Soweit er ausführt, er hätte wahrscheinlich eine Modifikation des Partnerschaftsvertrages angestrebt, wäre dies vom Entgegenkommen der übrigen Gesellschafter abhängig gewesen.
Weiterhin wären, da Gegenstand der Beschäftigungssuche nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III nur eine Beschäftigung sein kann, die nach § 140 SGB III zumutbar ist, und da § 140 SGB III zwar nicht das Qualifikations-, wohl aber nach Maßgabe seines Abs. 3 das Entgeltniveau schützt, für den Kläger am 4. Januar 2016 jedenfalls nur solche Beschäftigungen in Frage gekommen, die ganz überwiegend nicht nur tageweise verrichtet werden (vgl. zu einem ähnlichen Lebenssachverhalt Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 32). Die Vermittlung in eine den Anforderungen des § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III entsprechende Beschäftigung (der Art, wie sie von Volljuristen ganz überwiegend verrichtet wird), wäre unweigerlich mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit kollidiert, die der Kläger nicht nur fest eingeplant, sondern zu der er sich auch rechtlich verpflichtet hatte.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn über ihre restriktive Förderpraxis zu informieren und ihm damit die Möglichkeit zu geben, die Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit in einer Weise zu gestalten, die ihm einen Alg-Anspruch erhalten hätte. Der Kläger beruft sich damit der Sache nach auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der indes nicht gegeben ist. Selbst wenn der Beklagten ein Beratungsfehler anzulasten wäre, scheiterte ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch daran, dass eine Ersetzung tatsächlicher Umstände, denen gestaltende Entscheidungen des Betroffenen zugrunde liegen, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 10: Abrede mit einem Dritten). In der konkreten Gestaltung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeiten lag nicht die Ausübung eines Gestaltungsrechts gegenüber der Beklagten, sondern – was das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten angeht – ein tatsächliches Verhalten. Daher lässt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Zustand fingieren, in dem der Kläger die selbstständige Tätigkeit nicht oder in anderer Form aufgenommen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Anders als in seinem Urteil vom 7. Dezember 2016 (Az. L 2 AL 7/16) weicht der Senat vorliegend nicht vom obiter dictum des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 5. Mai 2010 (Az. B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 = juris, Rn. 26) zur Frage der Auslegung des Begriffs "Arbeitslosigkeit" im Rahmen der Vorschriften über den Gründungszuschuss ab, sondern prüft die Voraussetzungen eines Alg-Anspruchs angesichts eindeutiger gesetzlicher Vorgaben.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Gründungszuschuss
Der am xxxxx 1978 geborene Kläger arbeitete zunächst ab dem 1. März 2012 als angestellter Rechtsanwalt bei der Kanzlei R. Rechtsanwälte. Nachdem der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2015 zum 31. Dezember 2015 gekündigt hatte, stellte der Arbeitgeber ihn ab dem 12. Oktober 2015 bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.
Der Kläger meldete sich am 1. Oktober 2015 persönlich arbeitssuchend und beantragte am 18. Oktober 2015 Arbeitslosengeld (Alg), wobei er angab, er werde alle zumutbaren Möglichkeiten nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Zum Eintritt einer Sperrzeit angehört erklärte er, es gebe bei der Kanzlei R. keine Karriereperspektive für ihn. Er habe den Wunsch, Partner zu werden, in Personalgesprächen deutlich gemacht, jedoch seien sämtliche Partnerpositionen vergeben.
Mit Partnerschaftsvertrag vom 19. Oktober 2015 gründeten der Kläger und vier weitere Rechtsanwälte sodann eine Partnerschaft mit dem Gegenstand der gemeinsamen Ausübung des Anwaltsberufs. Die Gesellschaft sollte gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages sofort beginnen. Eine ordentliche Kündigung ist nach § 4 Abs. 2 des Vertrages bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Die Gesellschafter verpflichteten sich in § 9 Abs. 1 des Vertrages dazu, ihre gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. Mit Vertrag vom 5. November 2015 mietete die Partnerschaft für eine monatliche Gesamtmiete von 7.424,90 Euro Kanzleiräume an. Am 29. Oktober 2015 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Januar 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. April 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe vom 12. Oktober 2015 bis zum 3. Januar 2016 fest und lehnte einen weitergehenden Alg-Anspruch mit der Begründung ab, der Kläger habe den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden. Die hiergegen am 31. Mai 2016 erhobene Klage wies das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 5. April 2017 ab (Az. S 14 AL 357/16). Die hiergegen am 4. Mai 2017 eingelegte Berufung (Az. L 2 AL 14/17), die der Kläger dahingehend konkretisiert hat, er begehre Alg für den 4. Januar 2016, verwarf der Senat durch Urteil vom 10. Juli 2017 als unzulässig
Den am 19. Oktober 2015 gestellten Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2016 mit der Begründung ab, aufgrund der Ausbildung des Klägers und seines beruflichen Werdegangs sei eine Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in absehbarer Zeit möglich. Auch habe er sein vorheriges Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst und somit seine Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Die Beklagte fördere keine Existenzgründungen in den ersten 12 Wochen nach Aufgabe der Beschäftigung. Den hiergegen am 15. Februar 2016 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2016 zurück, wobei sie ergänzend darauf abstellte, es fehle an der Voraussetzung einer Beendigung von Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit, denn der Kläger sei bereits zuvor nicht verfügbar gewesen. Er habe bereits am 29. Oktober 2015 von einer geplanten Selbstständigkeit gesprochen und vor allem zuvor den Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Auch den Mietvertrag habe er nur wenig später abgeschlossen.
Der Kläger hat am 12. April 2016 Klage erhoben und ausgeführt, die Zweifel an seiner Verfügbarkeit griffen nicht durch. Konkrete Vorbereitungshandlungen schlössen die Verfügbarkeit nicht aus. Der Partnerschaftsvertrag habe eine Kündigung aus wichtigem Grund zugelassen. Den Mietvertrag habe er als einer von fünf Gesellschaftern unterzeichnet. Auch müsse bei der Frage nach seiner Verfügbarkeit berücksichtigt werden, dass die Beklagte die geschuldeten Vermittlungsbemühungen unterlassen habe.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie einen Alg-Anspruch abgelehnt habe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5. April 2017 (dem Kläger zugestellt am 7. April 2017) abgewiesen. Der Kläger habe bis zur Aufnahme seiner Tätigkeit am 5. Januar 2016 keinen Alg-Anspruch gehabt. Daher habe auch kein Anspruch auf Gründungszuschuss bestanden.
Der Kläger hat am 4. Mai 2017 Berufung eingelegt.
Er führt aus, er sei bei seiner Kündigung noch nicht auf die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit festgelegt gewesen und wäre Vermittlungsvorschlägen nachgegangen, um für den Fall des Scheiterns der Vorbereitung für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vorzubeugen. Es sei ihm gerade darum gegangen, möglichst lange zweigleisig zu fahren. Im Beratungsgespräch mit der Beklagten habe er – ausweislich eines Verbis-Vermerks vom 29. Oktober 2015 – keinen Grund zur Annahme gegeben, er wolle nicht in eine abhängige Beschäftigung vermittelt werden. Dies ergebe sich auch aus der Eingliederungsvereinbarung. Der noch bestehende Arbeitsvertrag habe seiner Verfügbarkeit nicht entgegengestanden. Wäre unter den Vermittlungsvorschlägen die – insbesondere im Hinblick auf seinen Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ideal passende Anschlussbeschäftigung gefunden worden, so hätte er diese Möglichkeit gründlich abgewogen, denn auf der anderen Waagschale hätten dann sowohl die Selbstständigkeit als auch – je nach Antritt der Beschäftigung – mehrere Monate Entgeltfortzahlung gelegen. Falls er sich dann für eine Annahme der ideal passenden Anschlussbeschäftigung entschieden hätte, hätte er wahrscheinlich eine Modifikation des Partnerschaftsvertrages ähnlich dessen § 6 (betreffend die Aufnahme weiterer Gesellschafter) angestrebt. Im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 trägt der Kläger insoweit ergänzend vor, das Sozialgericht habe unzutreffend nur seine Verfügbarkeit am 4. Januar 2016 im Blick gehabt und nicht berücksichtigt, dass er bereits ab dem 12. Oktober 2015 unwiderruflich freigestellt gewesen sei.
Insbesondere sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn über ihre restriktive Förderpraxis zu informieren. Bei hinreichender Information hätte er sich dafür entschieden, die selbstständige Tätigkeit zunächst in einem Umfang von weniger als 15 Stunden in der Woche auszuüben. Dies hätte sich auch deswegen angeboten, weil die Aufnahme der Tätigkeit Anfang 2016 mit erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten verbunden gewesen und für die eigentliche Erwerbstätigkeit nur wenig Zeit geblieben sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Gründungszuschuss ab dem 5. Januar 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Durch Beschluss vom 18. Mai 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In dieser Besetzung hat der Senat sodann am 10. Juli 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte sowie auf Prozess- und Verwaltungsakte im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere auch form- und fristgerechte Berufung (§ 151 SGG) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gründungszuschuss.
Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Im vorliegenden Fall fehlt es an der Voraussetzung eines Anspruchs auf Alg bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (§ 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erster Satzteil SGB III). Das Bundessozialgericht hat zur Vorgängervorschrift in § 57 SGB III (in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung) bereits entschieden, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein (nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F., jetzt § 136 SGB III) entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs (zu alledem BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6; BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3). Grund hierfür ist der Zweck des Gründungszuschusses, der den Lebensunterhalt sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende Alg kompensieren soll (vgl. BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs. 1).
Einen Alg-Anspruch für die Zeit zwischen der zum 12. Oktober 2015 erfolgten unwiderruflichen Freistellung und (einschließlich) dem 3. Januar 2016 scheitert bereits daran, dass insoweit eine im Sinne von § 77 SGG bindend gewordene Ablehnungsentscheidung der Beklagten vorliegt. Die bindende Verneinung eines Alg-Anspruchs in einem anderen Verfahren ist auch für den Anspruch auf Gründungszuschuss zwingend zu beachten (BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3 = juris, Rn. 8). Indem der Kläger im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 AL 14/17 klargestellt hat, dass er dort allein einen Alg-Anspruch für den 4. Januar 2016 begehrt, hat er an seinem Rechtsmittel gegen die Ablehnung von Alg für die Zeit bis einschließlich zum 3. Januar 2016 nicht mehr festgehalten.
Am 4. Januar 2016 – dem einzigen Tag, hinsichtlich dessen keine bindende Verneinung eines Alg-Anspruchs vorliegt – hatte der Kläger keinen Alg-Anspruch, denn er war nicht subjektiv verfügbar im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III und daher nicht arbeitslos im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Arbeitslosigkeit im Rechtssinne setzt nach § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III voraus, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (sog. subjektive Verfügbarkeit), und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Die subjektive Verfügbarkeit ist eine innere Tatsache, deren Fehlen lediglich dann anzunehmen ist, wenn der Betreffende durch sein Verhalten begründete Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass er sich willkürlich nur auf einen Teil seiner objektiven Möglichkeiten beschränkt (Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 31; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 138 SGB III, Rn. 279, 280). Einer Erklärung des Betroffenen, sich den Vermittlungsbemühungen der Beklagten uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen (wie sie auch in Form einer Eingliederungsvereinbarung erfolgen kann), kommt insoweit lediglich Indizwirkung zu (dazu Bayerisches LSG, Urteil vom 30. September 2015 – L 10 AL 278/14, juris, Rn. 16). Wiederlegt wird dieses Indiz durch das tatsächliche Verhalten des Klägers sowie sein eigenes Vorbringen im Berufungsverfahren. Der Kläger hatte sich bereits zuvor erkennbar und mit Außenwirkung auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am Folgetag festgelegt hatte.
Der Senat hat bereits entschieden, dass das Erreichen eines "point of no return" (d.h. eines Stadiums der Vorbereitungshandlungen, ab dem sich die Existenzgründung nur noch unter Inkaufnahme erheblicher wirtschaftlicher Nachteile rückgängig machen lässt [zu einer vergleichbaren Konstellation bereits Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris]) die Bereitschaft, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben, entfallen lässt und auf diese Weise – wie sich aus § 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 1 SGB III ergibt – die Annahme von Verfügbarkeit und damit gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III auch von Arbeitslosigkeit ausschließt (Senatsurteile vom 3. Februar 2016 – L 2 AL 23/15, juris, Rn. 48, vom 29. Juni 2016 – L 2 AL 27/16, juris, Rn. 36, und vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 27).
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger diesen "point of no return" jedenfalls vor dem 4. Januar 2016 überschritten. Der Kläger hatte sich schon kurz nach dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit durch Abschluss sowohl des Partnerschaftsvertrages vom 19. Oktober 2015 als auch des Mietvertrages vom 5. November 2015 rechtlich und wirtschaftlich verbindlich auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit festgelegt. Die Partnerschaft hatte gemäß § 2 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages bereits begonnen. Eine ordentliche Kündigung war nach § 4 Abs. 2 des Vertrages bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Selbst eine Teilzeitbeschäftigung neben der Arbeit für die Partnerschaft schied nach § 9 Abs. 1 des Vertrages aus. Daneben trat die aus dem Mietvertrag resultierende erhebliche finanzielle Verpflichtung des Klägers.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren widerlegt diese Annahme nicht, sondern stützt sie vielmehr. Es mag zutreffen, dass dem Kläger daran gelegen war, sich möglichst lange auch die Möglichkeit einer Anschlussbeschäftigung offenzuhalten. Wenn er jedoch vorträgt, er hätte die Möglichkeit, anstelle einer selbstständigen Tätigkeit eine seinen Wunschvorstellungen entsprechende Beschäftigung anzutreten, gründlich abgewogen, so verkennt er das Wesen der subjektiven Verfügbarkeit. Diese umfasst mehr als nur eine grundsätzliche Bereitschaft, eine als ideal empfundene Beschäftigung anzunehmen. Unklar ist überdies, wie der Kläger sich für diesen Fall einen Austritt aus der bereits begründeten Partnerschaft vorgestellt hätte. Soweit er ausführt, er hätte wahrscheinlich eine Modifikation des Partnerschaftsvertrages angestrebt, wäre dies vom Entgegenkommen der übrigen Gesellschafter abhängig gewesen.
Weiterhin wären, da Gegenstand der Beschäftigungssuche nach § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III nur eine Beschäftigung sein kann, die nach § 140 SGB III zumutbar ist, und da § 140 SGB III zwar nicht das Qualifikations-, wohl aber nach Maßgabe seines Abs. 3 das Entgeltniveau schützt, für den Kläger am 4. Januar 2016 jedenfalls nur solche Beschäftigungen in Frage gekommen, die ganz überwiegend nicht nur tageweise verrichtet werden (vgl. zu einem ähnlichen Lebenssachverhalt Senatsurteil vom 7. Dezember 2016 – L 2 AL 7/16, juris, Rn. 32). Die Vermittlung in eine den Anforderungen des § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III entsprechende Beschäftigung (der Art, wie sie von Volljuristen ganz überwiegend verrichtet wird), wäre unweigerlich mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit kollidiert, die der Kläger nicht nur fest eingeplant, sondern zu der er sich auch rechtlich verpflichtet hatte.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn über ihre restriktive Förderpraxis zu informieren und ihm damit die Möglichkeit zu geben, die Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit in einer Weise zu gestalten, die ihm einen Alg-Anspruch erhalten hätte. Der Kläger beruft sich damit der Sache nach auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der indes nicht gegeben ist. Selbst wenn der Beklagten ein Beratungsfehler anzulasten wäre, scheiterte ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch daran, dass eine Ersetzung tatsächlicher Umstände, denen gestaltende Entscheidungen des Betroffenen zugrunde liegen, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 10: Abrede mit einem Dritten). In der konkreten Gestaltung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeiten lag nicht die Ausübung eines Gestaltungsrechts gegenüber der Beklagten, sondern – was das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten angeht – ein tatsächliches Verhalten. Daher lässt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Zustand fingieren, in dem der Kläger die selbstständige Tätigkeit nicht oder in anderer Form aufgenommen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Anders als in seinem Urteil vom 7. Dezember 2016 (Az. L 2 AL 7/16) weicht der Senat vorliegend nicht vom obiter dictum des Bundessozialgerichts in dessen Urteil vom 5. Mai 2010 (Az. B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 = juris, Rn. 26) zur Frage der Auslegung des Begriffs "Arbeitslosigkeit" im Rahmen der Vorschriften über den Gründungszuschuss ab, sondern prüft die Voraussetzungen eines Alg-Anspruchs angesichts eindeutiger gesetzlicher Vorgaben.
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