Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 191/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 41/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. September 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Zuständigkeit für die Entschädigung eines Arbeitsunfalls des am xxxxx 1943 geborenen Herrn P. (im Folgenden: Geschädigter) vom 7. Juni 2011.
Der Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt Altersrentner und als Kraftfahrer seit mehreren Jahren bei dem Unternehmen seines Sohnes, der P. in H. (im Folgenden: Fa. P.), geringfügig beschäftigt.
Am Unfalltag sollte der Geschädigte eine ca. 800 kg schwere, mit einer Höhe von 2,70 m bei einer Grundfläche von 1,40 m mal 1,40 m auf einer Palette stehende Textilballenpresse an das Unternehmen S. (im Folgenden: Fa. S.) in V. liefern, welches die Maschine bei der B. GmbH in B1 (im Folgenden: Fa. B.) erworben hatte. Ausweislich der Rechnung vom 19. Mai 2011 war zwischen der Fa. S. und der Fa. B. eine Lieferung "frei Haus" bei Versandkosten von 250,00 Euro vereinbart worden. Die Fa. B. hatte mit dem Transport die M. Logistik GmbH mit Sitz in S1 und Verwaltung in O., über deren Vermögen am 26. Juli 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im Folgenden: Fa. M.), beauftragt und im Rahmen der Bestellung vom 26. Mai 2011 angegeben, dass die Entladung in V. mit Stapler erfolge und diese unbedingt abzustimmen sei. Die Fa. M. wiederum beauftragte die Fa. P. mit dem Transport auf der Teilstrecke von H. bis zur Anschrift der Käuferin in V ... Laut Transportauftrag vom 2. Juni 2011 war entsprechend der telefonischen Absprache eine "Hebebühnenzustellung" zum Preis von 350,00 Euro "all in incl. Maut" vereinbart worden.
Der Geschädigte lud die Palette mit der Ballenpresse mithilfe eines Hubwagens, der Hebebühne seines Lkw sowie zweier Mitarbeiter der Fa. S. auf der Fahrbahn vor dem Bürgersteig ab. Im Anschluss äußerte er, dass er seine Lieferung abgegeben habe und nun weiterfahren wolle. Die Mitarbeiter der Fa. S. gaben an, dass eine Lieferung bis in deren Lager vereinbart und bezahlt worden sei. Außerdem verfügten sie über keinen Gabelstapler, der schon erforderlich sei, um die Palette von der Fahrbahn auf den Bürgersteig zu heben.
Daraufhin versuchten der Geschädigte und zwei Mitarbeiter der Fa. S., die Ballenpresse von der mittels Hubwagen angehobenen, auf der Fahrbahn stehenden Palette auf eine weitere, auf dem Bürgersteig bereit gelegte Palette zu bugsieren. Bei diesem Versuch kippte die Presse und fiel auf die linke Körperseite des Geschädigten, der sich dabei erhebliche Verletzungen zuzog, die umfangreiche Behandlungen nach sich zogen, deren Kosten die Klägerin übernahm, deren Mitglied die Fa. P. ist. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls bewilligte die Klägerin dem Geschädigten nach Auslaufen der Verletztengeldzahlungen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. mit Beginn am 5. November 2011, die bis heute laufend gezahlt wird.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2012, 12. April 2012 und 26. November 2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten, deren Mitgliedsunternehmen sowohl die Fa. S. als auch die Fa. B. ist, einen Erstattungsanspruch über die bis dahin von ihr im Zusammenhang mit dem anerkannten Arbeitsunfall des Geschädigten getätigten Aufwendungen in Höhe von zunächst insgesamt 90.426,88 Euro, später 94.793,34 Euro geltend. Im Rahmen der Prüfung ihrer Zuständigkeit habe sich aus der Schilderung des Versicherten ergeben, dass dieser den Unfall erlitten habe, nachdem der eigentliche Liefervorgang bereits abgeschlossen gewesen sei. Der Geschädigte sei vielmehr auf die Bitte des Warenempfängers dessen Mitarbeitern dabei behilflich gewesen, die Ware in den Betrieb zu schaffen, und habe hierbei den Unfall erlitten. Insofern habe die unfallbringende Tätigkeit nicht dem eigenen Mitgliedsbetrieb gedient, sondern es sei ein Übergang an den Mitgliedsbetrieb der Beklagten erfolgt.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 8. Februar 2012 und 16. Januar 2013, dass die Übernahme der Unfallsache nicht erklärt werden könne. Von einem abgeschlossenen Liefervorgang (Lieferung frei Bordsteinkante) könne nicht die Rede sein. Palette und Hubwagen hätten nach den Fotos auch nach dem Unfallereignis immer noch mitten auf der Straße direkt hinter dem LKW gestanden. Die verkehrssichere Anlieferung sei demnach zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet gewesen. Außerdem bestehe für den Versicherten gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vorrangig Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Am 28. Juni 2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zuständiger Unfallversicherungsträger für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 sei, für den sie bis einschließlich 31. Mai 2013 im Einzelnen dargelegte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 96.046,50 Euro bei noch weiterlaufender Verletztenrente getätigt habe. Sie hat ausgeführt, dass der Transportauftrag gemäß den Gepflogenheiten im Speditionsgewerbe ("Lieferung bis Bordsteinkante") bereits als erfüllt anzusehen gewesen sei. Die Fa. S. habe dennoch die Beförderung bis zu den Betriebsräumen hin verlangt. Der Weitertransport der Wäschepresse durch den Geschädigten sei somit ausschließlich aufgrund der Bitte eines Betreibers des Mitgliedsunternehmens der Beklagten erfolgt. Etwaige eigene Interessen des Geschädigten hätten keine Rolle gespielt. Insbesondere habe dieser unter keinem besonderen Zeit- oder Termindruck gestanden und hätte – wie geplant – einfach weiterfahren können. Da die Entladung nicht den Aufgaben des Versicherten zugerechnet werden könne und seine Arbeitgeberin, die Fa. P., in keiner Weise von seinem weiteren Einsatz profitiert habe, sei von einer Lösung vom originären Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Der Geschädigte sei zum Unfallzeitpunkt nicht für das Mitgliedsunternehmen der Klägerin tätig geworden, sondern allein beschäftigtenähnlich gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII für den versicherten Betrieb der Beklagten, die entsprechend die für die Entschädigung zuständige Unfallversicherungsträgerin sei.
Die Beklagte hat daran festgehalten, dass der Abladevorgang zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Übergabe der Ware sei noch nicht beendet gewesen. Wäre der LKW sofort nach dem Abladen und Abstellen der Palette mit der Ballenpresse auf der Straße weitergefahren, hätte nicht von einem verkehrssicheren Abladen, geschweige denn von einer ordnungsgemäßen Übergabe der Waren ausgegangen werden können. Auch habe der Handhubwagen des Geschädigten noch immer auf dem Gehweg in Höhe seines LKW an der Hauswand gestanden. Das Abladen gehöre zum Pflichtenkreis des Transportunternehmens. Selbst wenn sich der Unfall bei einer beschäftigtenähnlichen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII für die Fa. S. ereignet haben sollte, sei kein Versicherungsschutz über die Beklagte gegeben. Da durch die geleistete Hilfe des Geschädigten der Abladevorgang einschließlich der Übergabe der Ware und damit die Standzeit des LKW verkürzt worden wäre, habe die unfallbringende Tätigkeit jedenfalls auch im Interesse der bei der Klägerin versicherten Fa. P. gelegen. Eine vergleichbare Situation habe dem Urteil des SG Hamburg vom 6. September 2013 – S 40 U 129/10 – (Berufung eingelegt, zurzeit anhängig im erkennenden Senat – L 2 U 53/13, Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. November 2017) sowie einem Votum in einem Schiedsstellenverfahren der Schiedsstelle für Katasterfragen bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (Az.: 0004/2011- I -) zu Grunde gelegen, deren Ausführungen zur fehlenden Lösung eines LKW-Fahrers von seinem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflichten man sich zu Eigen mache. Der demnach zumindest (auch) bestehende Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sei gegenüber dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII jedoch immer vorrangig.
Das SG hat der Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11. September 2014 mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte der zuständige Versicherungsträger für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 sei. Der Geschädigte habe zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 SGB VII ausgeübt, da er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr seine angestammte Tätigkeit als Kraftfahrer ausgeübt habe, sondern seine Handlungstendenz rechtlich wesentlich darauf ausgerichtet gewesen sei, dem belieferten und bei der Beklagten versicherten Unternehmen, der Fa. S., zu dienen. Gegen eine Tätigkeit für das Stammunternehmen spreche bereits, dass der Vorgang des Ladens sowohl nach der Vorstellung des Geschädigten als auch nach den Angaben des Arbeitgebers des Geschädigten abgeschlossen gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem von der Polizei ermittelten Lebenssachverhalt, wonach die Mitarbeiter der Fa. S. dem Versicherten bereits dabei geholfen hätten, die Wäschepresse vom LKW auf die Straße zu laden, um diese so weit wie möglich für den weiteren Abtransport in die Betriebsräume bereit zu stellen. Aus der Ermittlungsakte der Polizei ergebe sich weiter, dass der Vorgang der Abladung der Presse, welcher noch zur Tätigkeit des Geschädigten für sein Stammarbeitsverhältnis gehört habe, mit der Bereitstellung der Presse auf Paletten in der Nähe des Bürgersteigs abgeschlossen gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Fa. S. und der Beklagten sei es nicht Aufgabe des bei der Klägerin versicherten Transportunternehmens gewesen, für den verkehrssicheren Abtransport der Presse in die Betriebsräume zu sorgen. In der vorzunehmenden Abwägung der objektiv erbrachten Leistung und der subjektiven Handlungstendenz sei kein Raum dafür, dass die konkrete Hilfestellung des Geschädigten zu diesem Zeitpunkt auch noch – und schon gar nicht wesentlich – dem eigenen Unternehmen habe dienen sollen. Daher sei auch eine Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII nicht möglich, da eine klare Zuordnung zu den jeweiligen Aufgabenbereichen der Unternehmen bestehe und diese im Hinblick auf Beginn und Ende der Tätigkeit klar definiert werden könnten. Zudem sei insbesondere das mit der neuen Tätigkeit verbundene neue und erhebliche Gefährdungspotenzial zu berücksichtigen, welches in der rechtlichen Wertung nicht mehr dem Stammarbeitsverhältnis zugeordnet werden könne. Die Tätigkeit des Geschädigten habe auch dem ausdrücklichen Willen des Unternehmens entsprochen, da der Versicherte von den Mitarbeitern der Fa. S. konkret aufgefordert worden sei, im Rahmen des weiteren Abtransports der Presse zu helfen.
Gegen dieses, ihr am 22. September 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Oktober 2014 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie im Wesentlichen auf ihr vorgerichtliches und erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt. Es bleibe festzuhalten, dass der Geschädigte keinesfalls in der Lage gewesen sei, die Presse alleine abzuladen. Ihm sei daher (auf einer gemeinsamen Betriebsstätte) in seinem Lkw zunächst von Mitarbeitern der Fa. S. geholfen worden, die Presse auf die Hebebühne des LKW zu schieben, um sie von dort auf die Straße abzulassen. Von einer verkehrssicheren Anlieferung (sowohl nach vertraglichen Abmachungen als auch nach Verkehrssitte) könne dabei jedoch nicht die Rede sein. Die Tätigkeit sei zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet gewesen. Hätte sich der Geschädigte danach unmittelbar mit seinem LKW entfernt, hätte er dadurch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vorgenommen, sodass von einer korrekten Übergabe der Ware nach erfolgter Abladung nicht ausgegangen werden könne. Auch sei der Geschädigte nach den Hinweisen durch die Mitarbeiter der Fa. S., man habe die Anlieferung schließlich bezahlt und dass man die Presse nicht auf der Straße stehen lassen könne, davon ausgegangen, dass der Transport zum Firmengelände zum Transportauftrag gehört habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung für richtig und nimmt auf diese Bezug. Entscheidend sei, dass der Transportauftrag gemäß den Gepflogenheiten im Speditionsgewerbe mit Entladung der Presse vor der Bordsteinkante als erfüllt anzusehen sei. Der Weitertransport der Presse durch den Geschädigten sei allein aufgrund der Bitte eines Mitarbeiters der Fa. S. erfolgt. Der Geschädigte hätte – nach Einladung des betrieblichen Handtuchwagens – unverzüglich weiterfahren können.
Der Senat hat von dem Verband S. e.V., dem ehemaligen Disponenten der Fa. M., der Fa. B., der Fa. P. sowie dem Geschädigten Auskünfte eingeholt und Unterlagen angefordert, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2017 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das SG hat die zulässige Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG) zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin ist der für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 zuständige Unfallversicherungsträger (§ 133 Abs. 1 SGB VII). Die unfallbringende Tätigkeit verrichtete der Geschädigte im inneren sachlichen Zusammenhang mit seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigung bei der Fa. P., einem Mitgliedsunternehmen der Klägerin.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; Bundessozialgericht (BSG), st. Rspr., vgl. nur Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R, BSGE 111, 37).
Versicherter ist jemand, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, dass (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als Handlungstendenz bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache (BSG, a.a.O.).
Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst (oder einem Dritten) unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Das ist nur der Fall, wenn - seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, - er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, - er eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt (BSG, a.a.O.) In den Fällen, in denen der Beschäftigte im Zeitpunkt des Unfallereignisses eine Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, – aber auch nur dann – besteht der innere Zusammenhang sogar unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Tätigwerdenden (BSG, Urteile vom 18. März 2008 – B 2 U 12/07 R, NJW 2009, 227, und vom 15. Mai 2012, a.a.O., jeweils m.w.N.; Keller in Hauck/Noftz, SGB, Stand: 05/15, § 8 SGB VII Rn. 18a). Diese Wertung erscheint auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass die gesetzliche Unfallversicherung historisch betrachtet die Unternehmerhaftung abgelöst hat. Eine solche würde auch unabhängig vom subjektiven Willen des geschädigten Beschäftigten eintreten, wenn die objektiven Voraussetzungen vorlägen.
So liegt der Fall hier. Der Geschädigte war als Auslieferungsfahrer bei der Fa. P. beschäftigt, sodass es zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehörte, die seiner Arbeitgeberin erteilten Aufträge ordnungsgemäß auszuführen. Die Fa. P. hatte als Subunternehmerin von der Fa. M. den Auftrag erhalten, die von der Fa. S. von der Fa. B. erworbene Stoffballenpresse an deren Anschrift zu liefern – und zwar per Hebebühnenzustellung. Damit oblag es der Fa. P., die Palette mit der Presse auf dem Bürgersteig vor den Geschäftsräumen der Fa. S. abzuladen, sodass deren Mitarbeiter der Besitz verschafft werden und diese die Presse per Hubwagen in ihre Räumlichkeiten transportieren konnten.
In diesem Zusammenhang spielt keine Rolle, dass die Mitarbeiter der Fa. S. aufgrund der Vertragslage im Verhältnis zwischen ihr und der Fa. B. (Lieferung frei Haus gegen Zahlung von Versandkosten) – wohl zu Recht – davon ausgingen, dass die Presse in bzw. direkt an ihre Geschäftsräume geliefert würde. Dieser Umstand war von der Fa. B. schon nicht an die Fa. M. weitergegeben worden, der nur mitgeteilt worden war, dass die Abladung per Stapler erfolge und unbedingt abzustimmen sei. Damit dürfte die Fa. M. davon ausgegangen sein, dass die Entladung Sache des Empfängers gewesen sei. Ebenso wenig spielt eine Rolle, dass die Fa. M. wiederum der Fa. P. ein Mehr an Pflichten dadurch auferlegt hatte, dass in deren Transportauftrag eine Hebebühnenzustellung vereinbart worden war. Denn Letzteres ist die Abrede, zu deren Erfüllung der Geschädigte die unfallbringende Tätigkeit verrichtete und die er mit dem Abladen der Palette vom LKW und dem Abstellen auf der Fahrbahn noch nicht erfüllt hatte. Schließlich ist ohne Belang, ob der Geschädigte selbst zum Unfallzeitpunkt noch davon ausging, mit dem Abstellen der Palette auf der Fahrbahn seinen Auftrag erfüllt zu haben, weil Letzteres objektiv nicht der Fall war. Im Übrigen erscheint es trotz der ursprünglichen Äußerung des Geschädigten, dass er seine Lieferung abgegeben habe und weiterfahren wolle, und seiner aktuellen Auskunft, dass Hilfsbereitschaft sein Beweggrund gewesen sei, vor dem Hintergrund, dass er nach dem Hinweis der Mitarbeiter der Fa. S., dass eine Lieferung bis in deren Lager vereinbart und bezahlt worden sei, und angesichts der Erkenntnis, dass die Fa. S. über keinen Gabelstapler zum Weitertransport verfügte, fernliegend, dass der Geschädigte zum Unfallzeitpunkt weiterhin sicher davon ausging, alles Erforderliche getan zu haben, und lediglich freiwillig und ausschließlich fremdnützig die mit erheblichem Gefahrenpotenzial verbundene, letztlich auch unfallbringende Tätigkeit ausübte. Die Fa. P. als Arbeitgeberin des Geschädigten hat übrigens entgegen den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil zu keinem Zeitpunkt aktenkundig angegeben, der Vorgang des Ladens sei mit dem Abstellen der Palette auf der Fahrbahn abgeschlossen gewesen. Die insoweit vom SG laut Tatbestand zu Grunde gelegten Angaben vom 9. November 2011 sind vom Geschädigten selbst zu Protokoll der Klägerin abgegeben worden.
Dass das Abstellen der Palette auf der Fahrbahn vor dem Bürgersteig keine Hebebühnenzustellung im Sinne des Transportauftrags gewesen sein kann, ergibt sich bereits daraus, dass damit der Empfänger, der über keinen Stapler verfügte, nicht in die Lage versetzt wurde, die Ware weiter zu transportieren. Die Hebebühnenzustellung ist hingegen typisch bei der Lieferung an Empfänger, die über keinen Stapler verfügen, weil dadurch ja gerade der Frachtführer verpflichtet wird, die Ware von der Ladefläche auf ein anderes Niveau zu transportieren. Auch wäre mit dem Hinterlassen der Ware auf der Fahrbahn eine starke Verkehrsbehinderung mit erheblichem Gefahrenpotential, wenn nicht gar ein strafbarer gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr verbunden gewesen, sodass nach Überzeugung des Senats davon auszugehen ist, dass der Begriff der Hebebühnenzustellung – wie auch derjenige der Lieferung frei Bordsteinkante – allgemein und damit auch in den betroffenen Verkehrskreisen so zu verstehen ist, dass eine Lieferung auf das Bordsteinniveau jedenfalls in den Fällen zu erfolgen hat, in denen der Empfänger nicht in der Lage ist, die Ware umgehend weiter zu transportieren.
Dieses Verständnis entspricht der Auskunft des Geschäftsführers des V. (im Folgenden: V.), der unter dem 4. Oktober 2017 mitgeteilt hat, dass er dazu neige, den Begriff "Hebebühnenzustellung" eher eng auszulegen, da damit ohne weitere Vereinbarungen nur der Vorgang des Herausladens des Transportgutes aus dem LKW und Abstellung bodengleich, also primär auf der Straße, gemeint sei. Allerdings hat er dieses Verständnis dahingehend eingeschränkt, dass dies nur gelte, soweit dem Empfänger die Ingewahrsamnahme und ggf. der Weitertransport mittels eigenem Hubwagen möglich sei, was vorliegend gerade nicht der Fall war. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob dieses enge Begriffsverständnis damit vereinbar ist, dass der Geschäftsführer des V. gleichzeitig den Begriff "Lieferung frei Bordsteinkante" dahingehend beschreibt, dass damit die Anlieferung bis auf den Bordstein beim Empfänger zu erfolgen habe und nicht etwa das Abstellen auf der Straße vor dem Bordstein, dies vor dem Hintergrund, dass der ehemalige Disponent der Fa. M. den Begriffen "Lieferung frei Bordsteinkante" und "Hebebühnenzustellung" die gleiche Bedeutung zuordnet.
Die Behauptung der Klägerin, das Abstellen der Ware auf der Fahrbahn vor der Bordsteinkante entspreche den Gepflogenheiten im Transportgewerbe, hat sich nicht nur nicht verifizieren lassen, sondern erscheint aus den vorgenannten Gründen fernliegend.
Da der Geschädigte mit der unfallbringenden Verrichtung seine vertraglichen Pflichten als Beschäftigter erfüllte, bleibt daneben kein Raum für die Annahme einer objektivierten Handlungstendenz als Wie-Beschäftigter der Fa. S., weil deren Verpflichtung als Empfänger, die Ware zu übernehmen, ja noch gar nicht bestanden hatte. Selbst wenn man eine Versicherung auch unter diesem Aspekt annehmen wollte, käme diese nach der Konkurrenzregelung in § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII als subsidiär nicht zum Tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit ist die Zuständigkeit für die Entschädigung eines Arbeitsunfalls des am xxxxx 1943 geborenen Herrn P. (im Folgenden: Geschädigter) vom 7. Juni 2011.
Der Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt Altersrentner und als Kraftfahrer seit mehreren Jahren bei dem Unternehmen seines Sohnes, der P. in H. (im Folgenden: Fa. P.), geringfügig beschäftigt.
Am Unfalltag sollte der Geschädigte eine ca. 800 kg schwere, mit einer Höhe von 2,70 m bei einer Grundfläche von 1,40 m mal 1,40 m auf einer Palette stehende Textilballenpresse an das Unternehmen S. (im Folgenden: Fa. S.) in V. liefern, welches die Maschine bei der B. GmbH in B1 (im Folgenden: Fa. B.) erworben hatte. Ausweislich der Rechnung vom 19. Mai 2011 war zwischen der Fa. S. und der Fa. B. eine Lieferung "frei Haus" bei Versandkosten von 250,00 Euro vereinbart worden. Die Fa. B. hatte mit dem Transport die M. Logistik GmbH mit Sitz in S1 und Verwaltung in O., über deren Vermögen am 26. Juli 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im Folgenden: Fa. M.), beauftragt und im Rahmen der Bestellung vom 26. Mai 2011 angegeben, dass die Entladung in V. mit Stapler erfolge und diese unbedingt abzustimmen sei. Die Fa. M. wiederum beauftragte die Fa. P. mit dem Transport auf der Teilstrecke von H. bis zur Anschrift der Käuferin in V ... Laut Transportauftrag vom 2. Juni 2011 war entsprechend der telefonischen Absprache eine "Hebebühnenzustellung" zum Preis von 350,00 Euro "all in incl. Maut" vereinbart worden.
Der Geschädigte lud die Palette mit der Ballenpresse mithilfe eines Hubwagens, der Hebebühne seines Lkw sowie zweier Mitarbeiter der Fa. S. auf der Fahrbahn vor dem Bürgersteig ab. Im Anschluss äußerte er, dass er seine Lieferung abgegeben habe und nun weiterfahren wolle. Die Mitarbeiter der Fa. S. gaben an, dass eine Lieferung bis in deren Lager vereinbart und bezahlt worden sei. Außerdem verfügten sie über keinen Gabelstapler, der schon erforderlich sei, um die Palette von der Fahrbahn auf den Bürgersteig zu heben.
Daraufhin versuchten der Geschädigte und zwei Mitarbeiter der Fa. S., die Ballenpresse von der mittels Hubwagen angehobenen, auf der Fahrbahn stehenden Palette auf eine weitere, auf dem Bürgersteig bereit gelegte Palette zu bugsieren. Bei diesem Versuch kippte die Presse und fiel auf die linke Körperseite des Geschädigten, der sich dabei erhebliche Verletzungen zuzog, die umfangreiche Behandlungen nach sich zogen, deren Kosten die Klägerin übernahm, deren Mitglied die Fa. P. ist. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls bewilligte die Klägerin dem Geschädigten nach Auslaufen der Verletztengeldzahlungen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. mit Beginn am 5. November 2011, die bis heute laufend gezahlt wird.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2012, 12. April 2012 und 26. November 2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten, deren Mitgliedsunternehmen sowohl die Fa. S. als auch die Fa. B. ist, einen Erstattungsanspruch über die bis dahin von ihr im Zusammenhang mit dem anerkannten Arbeitsunfall des Geschädigten getätigten Aufwendungen in Höhe von zunächst insgesamt 90.426,88 Euro, später 94.793,34 Euro geltend. Im Rahmen der Prüfung ihrer Zuständigkeit habe sich aus der Schilderung des Versicherten ergeben, dass dieser den Unfall erlitten habe, nachdem der eigentliche Liefervorgang bereits abgeschlossen gewesen sei. Der Geschädigte sei vielmehr auf die Bitte des Warenempfängers dessen Mitarbeitern dabei behilflich gewesen, die Ware in den Betrieb zu schaffen, und habe hierbei den Unfall erlitten. Insofern habe die unfallbringende Tätigkeit nicht dem eigenen Mitgliedsbetrieb gedient, sondern es sei ein Übergang an den Mitgliedsbetrieb der Beklagten erfolgt.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 8. Februar 2012 und 16. Januar 2013, dass die Übernahme der Unfallsache nicht erklärt werden könne. Von einem abgeschlossenen Liefervorgang (Lieferung frei Bordsteinkante) könne nicht die Rede sein. Palette und Hubwagen hätten nach den Fotos auch nach dem Unfallereignis immer noch mitten auf der Straße direkt hinter dem LKW gestanden. Die verkehrssichere Anlieferung sei demnach zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet gewesen. Außerdem bestehe für den Versicherten gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vorrangig Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Am 28. Juni 2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zuständiger Unfallversicherungsträger für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 sei, für den sie bis einschließlich 31. Mai 2013 im Einzelnen dargelegte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 96.046,50 Euro bei noch weiterlaufender Verletztenrente getätigt habe. Sie hat ausgeführt, dass der Transportauftrag gemäß den Gepflogenheiten im Speditionsgewerbe ("Lieferung bis Bordsteinkante") bereits als erfüllt anzusehen gewesen sei. Die Fa. S. habe dennoch die Beförderung bis zu den Betriebsräumen hin verlangt. Der Weitertransport der Wäschepresse durch den Geschädigten sei somit ausschließlich aufgrund der Bitte eines Betreibers des Mitgliedsunternehmens der Beklagten erfolgt. Etwaige eigene Interessen des Geschädigten hätten keine Rolle gespielt. Insbesondere habe dieser unter keinem besonderen Zeit- oder Termindruck gestanden und hätte – wie geplant – einfach weiterfahren können. Da die Entladung nicht den Aufgaben des Versicherten zugerechnet werden könne und seine Arbeitgeberin, die Fa. P., in keiner Weise von seinem weiteren Einsatz profitiert habe, sei von einer Lösung vom originären Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Der Geschädigte sei zum Unfallzeitpunkt nicht für das Mitgliedsunternehmen der Klägerin tätig geworden, sondern allein beschäftigtenähnlich gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII für den versicherten Betrieb der Beklagten, die entsprechend die für die Entschädigung zuständige Unfallversicherungsträgerin sei.
Die Beklagte hat daran festgehalten, dass der Abladevorgang zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Übergabe der Ware sei noch nicht beendet gewesen. Wäre der LKW sofort nach dem Abladen und Abstellen der Palette mit der Ballenpresse auf der Straße weitergefahren, hätte nicht von einem verkehrssicheren Abladen, geschweige denn von einer ordnungsgemäßen Übergabe der Waren ausgegangen werden können. Auch habe der Handhubwagen des Geschädigten noch immer auf dem Gehweg in Höhe seines LKW an der Hauswand gestanden. Das Abladen gehöre zum Pflichtenkreis des Transportunternehmens. Selbst wenn sich der Unfall bei einer beschäftigtenähnlichen Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII für die Fa. S. ereignet haben sollte, sei kein Versicherungsschutz über die Beklagte gegeben. Da durch die geleistete Hilfe des Geschädigten der Abladevorgang einschließlich der Übergabe der Ware und damit die Standzeit des LKW verkürzt worden wäre, habe die unfallbringende Tätigkeit jedenfalls auch im Interesse der bei der Klägerin versicherten Fa. P. gelegen. Eine vergleichbare Situation habe dem Urteil des SG Hamburg vom 6. September 2013 – S 40 U 129/10 – (Berufung eingelegt, zurzeit anhängig im erkennenden Senat – L 2 U 53/13, Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. November 2017) sowie einem Votum in einem Schiedsstellenverfahren der Schiedsstelle für Katasterfragen bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (Az.: 0004/2011- I -) zu Grunde gelegen, deren Ausführungen zur fehlenden Lösung eines LKW-Fahrers von seinem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflichten man sich zu Eigen mache. Der demnach zumindest (auch) bestehende Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sei gegenüber dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII jedoch immer vorrangig.
Das SG hat der Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11. September 2014 mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte der zuständige Versicherungsträger für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 sei. Der Geschädigte habe zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 SGB VII ausgeübt, da er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr seine angestammte Tätigkeit als Kraftfahrer ausgeübt habe, sondern seine Handlungstendenz rechtlich wesentlich darauf ausgerichtet gewesen sei, dem belieferten und bei der Beklagten versicherten Unternehmen, der Fa. S., zu dienen. Gegen eine Tätigkeit für das Stammunternehmen spreche bereits, dass der Vorgang des Ladens sowohl nach der Vorstellung des Geschädigten als auch nach den Angaben des Arbeitgebers des Geschädigten abgeschlossen gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem von der Polizei ermittelten Lebenssachverhalt, wonach die Mitarbeiter der Fa. S. dem Versicherten bereits dabei geholfen hätten, die Wäschepresse vom LKW auf die Straße zu laden, um diese so weit wie möglich für den weiteren Abtransport in die Betriebsräume bereit zu stellen. Aus der Ermittlungsakte der Polizei ergebe sich weiter, dass der Vorgang der Abladung der Presse, welcher noch zur Tätigkeit des Geschädigten für sein Stammarbeitsverhältnis gehört habe, mit der Bereitstellung der Presse auf Paletten in der Nähe des Bürgersteigs abgeschlossen gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Fa. S. und der Beklagten sei es nicht Aufgabe des bei der Klägerin versicherten Transportunternehmens gewesen, für den verkehrssicheren Abtransport der Presse in die Betriebsräume zu sorgen. In der vorzunehmenden Abwägung der objektiv erbrachten Leistung und der subjektiven Handlungstendenz sei kein Raum dafür, dass die konkrete Hilfestellung des Geschädigten zu diesem Zeitpunkt auch noch – und schon gar nicht wesentlich – dem eigenen Unternehmen habe dienen sollen. Daher sei auch eine Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII nicht möglich, da eine klare Zuordnung zu den jeweiligen Aufgabenbereichen der Unternehmen bestehe und diese im Hinblick auf Beginn und Ende der Tätigkeit klar definiert werden könnten. Zudem sei insbesondere das mit der neuen Tätigkeit verbundene neue und erhebliche Gefährdungspotenzial zu berücksichtigen, welches in der rechtlichen Wertung nicht mehr dem Stammarbeitsverhältnis zugeordnet werden könne. Die Tätigkeit des Geschädigten habe auch dem ausdrücklichen Willen des Unternehmens entsprochen, da der Versicherte von den Mitarbeitern der Fa. S. konkret aufgefordert worden sei, im Rahmen des weiteren Abtransports der Presse zu helfen.
Gegen dieses, ihr am 22. September 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Oktober 2014 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie im Wesentlichen auf ihr vorgerichtliches und erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt. Es bleibe festzuhalten, dass der Geschädigte keinesfalls in der Lage gewesen sei, die Presse alleine abzuladen. Ihm sei daher (auf einer gemeinsamen Betriebsstätte) in seinem Lkw zunächst von Mitarbeitern der Fa. S. geholfen worden, die Presse auf die Hebebühne des LKW zu schieben, um sie von dort auf die Straße abzulassen. Von einer verkehrssicheren Anlieferung (sowohl nach vertraglichen Abmachungen als auch nach Verkehrssitte) könne dabei jedoch nicht die Rede sein. Die Tätigkeit sei zum Unfallzeitpunkt noch nicht beendet gewesen. Hätte sich der Geschädigte danach unmittelbar mit seinem LKW entfernt, hätte er dadurch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vorgenommen, sodass von einer korrekten Übergabe der Ware nach erfolgter Abladung nicht ausgegangen werden könne. Auch sei der Geschädigte nach den Hinweisen durch die Mitarbeiter der Fa. S., man habe die Anlieferung schließlich bezahlt und dass man die Presse nicht auf der Straße stehen lassen könne, davon ausgegangen, dass der Transport zum Firmengelände zum Transportauftrag gehört habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die angefochtene Entscheidung für richtig und nimmt auf diese Bezug. Entscheidend sei, dass der Transportauftrag gemäß den Gepflogenheiten im Speditionsgewerbe mit Entladung der Presse vor der Bordsteinkante als erfüllt anzusehen sei. Der Weitertransport der Presse durch den Geschädigten sei allein aufgrund der Bitte eines Mitarbeiters der Fa. S. erfolgt. Der Geschädigte hätte – nach Einladung des betrieblichen Handtuchwagens – unverzüglich weiterfahren können.
Der Senat hat von dem Verband S. e.V., dem ehemaligen Disponenten der Fa. M., der Fa. B., der Fa. P. sowie dem Geschädigten Auskünfte eingeholt und Unterlagen angefordert, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2017 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das SG hat die zulässige Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG) zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin ist der für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Geschädigten vom 7. Juni 2011 zuständige Unfallversicherungsträger (§ 133 Abs. 1 SGB VII). Die unfallbringende Tätigkeit verrichtete der Geschädigte im inneren sachlichen Zusammenhang mit seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigung bei der Fa. P., einem Mitgliedsunternehmen der Klägerin.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; Bundessozialgericht (BSG), st. Rspr., vgl. nur Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R, BSGE 111, 37).
Versicherter ist jemand, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, dass (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als Handlungstendenz bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache (BSG, a.a.O.).
Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst (oder einem Dritten) unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Das ist nur der Fall, wenn - seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, - er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, - er eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt (BSG, a.a.O.) In den Fällen, in denen der Beschäftigte im Zeitpunkt des Unfallereignisses eine Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, – aber auch nur dann – besteht der innere Zusammenhang sogar unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Tätigwerdenden (BSG, Urteile vom 18. März 2008 – B 2 U 12/07 R, NJW 2009, 227, und vom 15. Mai 2012, a.a.O., jeweils m.w.N.; Keller in Hauck/Noftz, SGB, Stand: 05/15, § 8 SGB VII Rn. 18a). Diese Wertung erscheint auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass die gesetzliche Unfallversicherung historisch betrachtet die Unternehmerhaftung abgelöst hat. Eine solche würde auch unabhängig vom subjektiven Willen des geschädigten Beschäftigten eintreten, wenn die objektiven Voraussetzungen vorlägen.
So liegt der Fall hier. Der Geschädigte war als Auslieferungsfahrer bei der Fa. P. beschäftigt, sodass es zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehörte, die seiner Arbeitgeberin erteilten Aufträge ordnungsgemäß auszuführen. Die Fa. P. hatte als Subunternehmerin von der Fa. M. den Auftrag erhalten, die von der Fa. S. von der Fa. B. erworbene Stoffballenpresse an deren Anschrift zu liefern – und zwar per Hebebühnenzustellung. Damit oblag es der Fa. P., die Palette mit der Presse auf dem Bürgersteig vor den Geschäftsräumen der Fa. S. abzuladen, sodass deren Mitarbeiter der Besitz verschafft werden und diese die Presse per Hubwagen in ihre Räumlichkeiten transportieren konnten.
In diesem Zusammenhang spielt keine Rolle, dass die Mitarbeiter der Fa. S. aufgrund der Vertragslage im Verhältnis zwischen ihr und der Fa. B. (Lieferung frei Haus gegen Zahlung von Versandkosten) – wohl zu Recht – davon ausgingen, dass die Presse in bzw. direkt an ihre Geschäftsräume geliefert würde. Dieser Umstand war von der Fa. B. schon nicht an die Fa. M. weitergegeben worden, der nur mitgeteilt worden war, dass die Abladung per Stapler erfolge und unbedingt abzustimmen sei. Damit dürfte die Fa. M. davon ausgegangen sein, dass die Entladung Sache des Empfängers gewesen sei. Ebenso wenig spielt eine Rolle, dass die Fa. M. wiederum der Fa. P. ein Mehr an Pflichten dadurch auferlegt hatte, dass in deren Transportauftrag eine Hebebühnenzustellung vereinbart worden war. Denn Letzteres ist die Abrede, zu deren Erfüllung der Geschädigte die unfallbringende Tätigkeit verrichtete und die er mit dem Abladen der Palette vom LKW und dem Abstellen auf der Fahrbahn noch nicht erfüllt hatte. Schließlich ist ohne Belang, ob der Geschädigte selbst zum Unfallzeitpunkt noch davon ausging, mit dem Abstellen der Palette auf der Fahrbahn seinen Auftrag erfüllt zu haben, weil Letzteres objektiv nicht der Fall war. Im Übrigen erscheint es trotz der ursprünglichen Äußerung des Geschädigten, dass er seine Lieferung abgegeben habe und weiterfahren wolle, und seiner aktuellen Auskunft, dass Hilfsbereitschaft sein Beweggrund gewesen sei, vor dem Hintergrund, dass er nach dem Hinweis der Mitarbeiter der Fa. S., dass eine Lieferung bis in deren Lager vereinbart und bezahlt worden sei, und angesichts der Erkenntnis, dass die Fa. S. über keinen Gabelstapler zum Weitertransport verfügte, fernliegend, dass der Geschädigte zum Unfallzeitpunkt weiterhin sicher davon ausging, alles Erforderliche getan zu haben, und lediglich freiwillig und ausschließlich fremdnützig die mit erheblichem Gefahrenpotenzial verbundene, letztlich auch unfallbringende Tätigkeit ausübte. Die Fa. P. als Arbeitgeberin des Geschädigten hat übrigens entgegen den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil zu keinem Zeitpunkt aktenkundig angegeben, der Vorgang des Ladens sei mit dem Abstellen der Palette auf der Fahrbahn abgeschlossen gewesen. Die insoweit vom SG laut Tatbestand zu Grunde gelegten Angaben vom 9. November 2011 sind vom Geschädigten selbst zu Protokoll der Klägerin abgegeben worden.
Dass das Abstellen der Palette auf der Fahrbahn vor dem Bürgersteig keine Hebebühnenzustellung im Sinne des Transportauftrags gewesen sein kann, ergibt sich bereits daraus, dass damit der Empfänger, der über keinen Stapler verfügte, nicht in die Lage versetzt wurde, die Ware weiter zu transportieren. Die Hebebühnenzustellung ist hingegen typisch bei der Lieferung an Empfänger, die über keinen Stapler verfügen, weil dadurch ja gerade der Frachtführer verpflichtet wird, die Ware von der Ladefläche auf ein anderes Niveau zu transportieren. Auch wäre mit dem Hinterlassen der Ware auf der Fahrbahn eine starke Verkehrsbehinderung mit erheblichem Gefahrenpotential, wenn nicht gar ein strafbarer gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr verbunden gewesen, sodass nach Überzeugung des Senats davon auszugehen ist, dass der Begriff der Hebebühnenzustellung – wie auch derjenige der Lieferung frei Bordsteinkante – allgemein und damit auch in den betroffenen Verkehrskreisen so zu verstehen ist, dass eine Lieferung auf das Bordsteinniveau jedenfalls in den Fällen zu erfolgen hat, in denen der Empfänger nicht in der Lage ist, die Ware umgehend weiter zu transportieren.
Dieses Verständnis entspricht der Auskunft des Geschäftsführers des V. (im Folgenden: V.), der unter dem 4. Oktober 2017 mitgeteilt hat, dass er dazu neige, den Begriff "Hebebühnenzustellung" eher eng auszulegen, da damit ohne weitere Vereinbarungen nur der Vorgang des Herausladens des Transportgutes aus dem LKW und Abstellung bodengleich, also primär auf der Straße, gemeint sei. Allerdings hat er dieses Verständnis dahingehend eingeschränkt, dass dies nur gelte, soweit dem Empfänger die Ingewahrsamnahme und ggf. der Weitertransport mittels eigenem Hubwagen möglich sei, was vorliegend gerade nicht der Fall war. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob dieses enge Begriffsverständnis damit vereinbar ist, dass der Geschäftsführer des V. gleichzeitig den Begriff "Lieferung frei Bordsteinkante" dahingehend beschreibt, dass damit die Anlieferung bis auf den Bordstein beim Empfänger zu erfolgen habe und nicht etwa das Abstellen auf der Straße vor dem Bordstein, dies vor dem Hintergrund, dass der ehemalige Disponent der Fa. M. den Begriffen "Lieferung frei Bordsteinkante" und "Hebebühnenzustellung" die gleiche Bedeutung zuordnet.
Die Behauptung der Klägerin, das Abstellen der Ware auf der Fahrbahn vor der Bordsteinkante entspreche den Gepflogenheiten im Transportgewerbe, hat sich nicht nur nicht verifizieren lassen, sondern erscheint aus den vorgenannten Gründen fernliegend.
Da der Geschädigte mit der unfallbringenden Verrichtung seine vertraglichen Pflichten als Beschäftigter erfüllte, bleibt daneben kein Raum für die Annahme einer objektivierten Handlungstendenz als Wie-Beschäftigter der Fa. S., weil deren Verpflichtung als Empfänger, die Ware zu übernehmen, ja noch gar nicht bestanden hatte. Selbst wenn man eine Versicherung auch unter diesem Aspekt annehmen wollte, käme diese nach der Konkurrenzregelung in § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII als subsidiär nicht zum Tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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