L 3 R 116/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 15 R 828/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 116/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Qualifizierung eines Schreibens der Beklagten als Verwaltungsakt.

Der 1953 geborenen Klägerin wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 10. Februar 2014 eine vom 1. Oktober 2012 bis 30. September 2015 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Rente zeitlich befristet gewährt werde, weil die volle Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhe. Ergänzend bezog die Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 28. Mai 2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weitergewährung der Rente. In einer gutachtlichen Stellungnahme von Dr. E. vom 15. Juli 2015 heißt es, es gehe bereits aus einer Stellungnahme von Dr. F. vom 30. September 2013 hervor, dass das Leistungsvermögen der Klägerin wegen einer gemischten Angst und depressiven Störung unter drei Stunden werktäglich betrage und eine Besserung unwahrscheinlich sei. Warum die Rente dennoch nur befristet gewährt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Dem aktuellen Befundbericht der behandelnden Ärztin sei zu entnehmen, dass sich das Krankheitsbild nicht gebessert habe.

Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 24. Juli 2015 als Dauerrente weiter und wies die Klägerin darauf hin, dass möglicherweise ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Betracht kämen.

Mit Schreiben vom 28. September 2015 bat die Klägerin die Beklagte um Bestätigung, dass die Rente nach wie vor wegen eines verschlossenen Arbeitsmarktes und nicht wegen eines Leistungsvermögens von unter drei Stunden gewährt werde, da sie weiterhin ergänzende Leistungen nach dem SGB II beziehen wolle. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 teilte die Beklagte ihr mit, dass die Rente nach eindeutiger ärztlicher Aussage wegen eines Leistungsvermögens von unter drei Stunden gewährt werde. Dies habe zur Folge, dass sie sich an das Grundsicherungsamt wenden möge.

Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2016 als unzulässig zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei dem angegriffenen Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt handele, da es keine Regelung beinhalte. Die Regelung hinsichtlich der Weitergewährung der Rente aufgrund eines nunmehr unter drei Stunden werktäglich liegenden Leistungsvermögens sei vielmehr mit dem Bescheid vom 24. Juli 2015 getroffen worden. Auch ein wirksamer Widerspruch gegen den Rentengewährungsbescheid liege nicht vor, da dieser jedenfalls verspätet sei.

Nach einem Vermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten wurde der Widerspruchsbescheid am 16. Juni 2016 abgesandt. Mit ihrer dagegen am 20. Juli 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, das Schreiben vom 9. Oktober 2015 stelle einen Verwaltungsakt dar, mit dem die Beklagte erstmals festgestellt habe, dass die Klägerin aufgrund eines Leistungsvermögens von unter drei Stunden werktäglich eine Erwerbsminderungsrente erhalte. Eine solche Feststellung sei dem Rentenbescheid vom 24. Juli 2015 nicht zu entnehmen gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2016 abgewiesen und ausgeführt, sie sei mangels Einhaltung der Klagefrist bereits unzulässig. Sie sei darüber hinaus unbegründet, denn die Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Das Schreiben vom 9. Oktober 2015 sei mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt, sondern habe lediglich informatorischen Charakter. Die Regelung, dass die Erwerbsminderungsrente nunmehr aufgrund eines unter drei Stunden werktäglich liegenden Leistungsvermögens unbefristet gewährt werde, sei vielmehr bereits mit dem Rentenbescheid vom 24. Juli 2015 getroffen worden.

Mit ihrer dagegen am 15. Dezember 2016 eingelegten Berufung trägt der Bevollmächtigte der Klägerin vor, die Klage sei fristgerecht erhoben worden, denn der Widerspruchsbescheid sei ihm am Montag, dem 20. Juni 2016 zugegangen, wie aus dem Eingangsstempel ersichtlich sei. Am Freitag, den 17. Juni 2016 sei er in der Kanzlei gewesen und habe die an diesem Tag eingegangene Post abgestempelt. An Samstagen werde am Kanzleisitz nur in Ausnahmefällen Post eingeworfen. Es treffe auch nicht zu, dass das Schreiben kein Verwaltungsakt sei. Es enthalte nämlich die Regelung, dass die Rente wegen eines Leistungsvermögens von unter drei Stunden gewährt werde, was dem Rentenbescheid nicht zu entnehmen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2016 sowie den Bescheid vom 9. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch die Berichterstatterin ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist allerdings zulässig und insbesondere fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides erhoben worden (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGG). Zwar gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ein Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der laut Absendevermerk am 16. Juni 2015 versandte Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2015 würde danach am 19. Juni 2015 als zugegangen gelten, sodass die am 20. Juli 2015 erhobene Klage verspätet wäre. Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 S. 1 SGB X gilt jedoch nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X). Für das Vorliegen von Zweifeln genügt es, wenn der Empfänger substantiiert Umstände darlegt, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass der Zugang erst nach dem von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgt ist (Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 37 Rn. 13b, m.w.N). Dies ist hier der Fall, denn der von dem Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Originalwiderspruchsbescheid weist einen Eingangsstempel vom 20. Juni 2016 aus. Zudem hat der Bevollmächtigte schlüssig dazu vorgetragen, warum ein Zugang vor dem 20. Juni 2016 unwahrscheinlich ist. Einen Nachweis für einen früheren Zugang hat die Beklagte nicht vorgelegt.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen das Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 2015 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 S. 1 SGB X). Dem Schreiben vom 9. Oktober 2015 fehlt es indes an einer Regelungswirkung. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt hat oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt hat (z.B. BSG, Urteil vom 21.05.1996 – 12 RK 67/94 – Juris). Demgegenüber stellt eine bloße Auskunft keine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen dar, sondern enthält lediglich eine informatorische Mitteilung über die sachlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 5 RJ 14/97 – Juris).

Vorliegend erschöpft sich der Inhalt des Schreibens vom 9. Oktober 2015 in der Information darüber, dass die Bewilligung einer Dauerrente durch den Bescheid vom 24. Juli 2015 aufgrund eines Leistungsvermögens der Klägerin von unter drei Stunden werktäglich erfolgt ist. Die entsprechende Regelung – Bewilligung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung – erfolgte bereits durch den Bescheid vom 24. Juli 2015. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass dieser Bescheid keine ausdrückliche Aussage zum Umfang des Leistungsvermögens der Klägerin trifft, denn hierbei handelt es sich lediglich um eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung einer unbefristeten Rente (§ 102 Abs. 2 S. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI). Das Schreiben vom 9. Oktober 2015 enthält somit keine eigenständige Regelung, sondern lediglich eine Information über das Vorliegen einer Anspruchsvoraussetzung der bereits bewilligten Rente, d.h. über ein Begründungselement der bereits getroffenen Regelung.

Sofern die Klägerin die getroffene Regelung angreifen will, steht es ihr frei einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X hinsichtlich des Rentenbescheides vom 24. Juli 2015 zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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