L 4 AS 292/13 B ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AS 2561/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 292/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 27. August 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 11. September 2013 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 27. August 2013 ist statthaft und zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Versagungsbescheid vom 9. August 2013 hat zwar aufschiebende Wirkung, da nach § 39 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regeln, keine aufschiebende Wirkung haben. Damit allein kann die Antragstellerin jedoch ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen, so dass zusätzlich eine Regelungsanordnung nach § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG zu prüfen ist.

Nach § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund voraus, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Dies ist der Antragstellerin nicht gelungen.

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu haben. Leistungen nach dem SGB II (SGB II) erhält gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II nur, wer u. a. hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die Hilfe nicht von anderen erhält (§ 9 Absatz 1 SGB II). Die Antragstellerin hat ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Sie ist Mitgesellschafterin und Managing Director der A ... Als Mitgesellschafterin der A. hat sie Anspruch auf eine Beteiligung am Gewinn. Ihre Gesellschaftsanteile sind zudem als Vermögen zu werten. Als Managing Director hat sie Anspruch auf Entgelt, wenn die A. eine bestimmte vertraglich festgelegte Gewinnschwelle erreicht. Da die Antragstellerin nicht bereit ist, Kontoauszüge sämtlicher auf ihren Namen geführter Bankkonten sowie Geschäftsunterlagen vorzulegen, konnte sie nicht glaubhaft machen, dass sie derzeit kein Einkommen erzielt und auch ihre Gesellschafteranteile kein den Leistungsbezug ausschließendes Vermögen darstellen. Zudem hat die Antragstellerin trotz Aufforderung durch den Antragsgegner keine aktuelle Aufstellung der Betriebseinnahmen und –ausgaben (betriebswirtschaftliche Auswertung) der A. vorgelegt. Nur anhand dieser Unterlagen kann jedoch beurteilt werden, ob die von der Antragstellerin in der EKS angegebenen Zahlen eine realistische Prognose darstellen und ob die Antragstellerin auf eine Gewinnausschüttung oder Auszahlung ihres Geschäftsführergehalts hätte vorrangig hinwirken müssen bzw. hinwirken muss. Denn nach § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB II haben Leistungsberechtigte in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Der Einsatz von Leistungen, die von der Allgemeinheit finanziert werden, ist erst dann gerechtfertigt, wenn der Lebensunterhalt tatsächlich nicht gesichert werden kann. Die nachrangigen Leistungen nach dem SGB II dienen nicht dazu, es einem Antragsteller zu ermöglichen, zugunsten einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist, auf Gewinnausschüttungen zu verzichten, um sein Gesellschaftsvermögen zu vermehren.

Den Mitwirkungspflichten der Antragstellerin steht auch nicht entgegen, dass Interessen der A. berührt sein könnten. Nach dem SGB II unterliegen auch Dritte Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. In § 60 Absatz 2 Satz 1 SGB II ist geregelt, dass derjenige, der für jemanden, der Leistungen nach dem SGB II beantragt hat, Guthaben führt oder Vermögensgegenstände verwahrt, hierüber auf Verlangen sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen hat. Nach § 60 Absatz 5 SGB II hat derjenige, der jemanden beschäftigt, der Leistungen nach dem SGB II beantragt hat, auf Verlangen u. a. Einsicht in Geschäftsbücher, Geschäftsunterlagen und Belege zu gewähren, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. Muss mithin schon jeder Arbeitgeber im Zweifel Einsicht in seine Geschäftsunterlagen gewähren, so gilt dies erst recht für eine Gesellschaft, für die ein Antragsteller als Geschäftsführer tätig ist, der gleichzeitig Mitgesellschafter ist. Denn ein geschäftsführender Gesellschafter steht der Gesellschaft regelmäßig näher als ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber, an dem er keine Beteiligung hat.

Der Senat geht zudem davon aus, dass die Antragstellerin als Mitgesellschafterin tatsächlichen Zugriff auf die Geschäftsunterlagen hat. Dies gilt insbesondere auch für die von der Antragstellerin als Geschäftskonten bezeichneten Bankkonten, für die sie als Kontoinhaberin und Verfügungsberechtigte geführt wird. Auch die im Juni 2013 vorgenommene Übertragung von Gesellschafteranteilen der Antragstellerin auf ihren Geschäftspartner begründet keine andere Bewertung. Es kann dahinstehen, ob die Übertragung nicht nur zum Schein erfolgte, damit nach außen die Antragstellerin als Minderheitsgesellschafterin scheinbar nur noch einen untergeordneten Einfluss auf die geschäftlichen Belange hat. Eine drastische Reduzierung der Gesellschafteranteile der Antragstellerin auf die Hälfte, weil sie aufgrund privater Probleme kurzfristig ihre Arbeitszeit eingeschränkt hat, nachdem sie seit fünf Jahren als Geschäftsführerin mit voller Arbeitskraft am Aufbau der A. beteiligt ist, vermag nicht zu überzeugen. Jedenfalls aber kann sich die Antragstellerin nicht auf die im Gesellschaftsvertrag getroffene Vereinbarung berufen, dass Geschäftsinformationen nicht ohne schriftliche Zustimmung beider Gesellschafter unter Berücksichtigung der Gesellschafteranteile öffentlich bekanntgemacht werden dürfen. Hierbei verkennt die Antragstellerin, dass die Einsichtnahme durch eine Behörde keine Veröffentlichung im Sinne dieser Vereinbarung darstellt. Der Antragsgegner ist seinerseits an Datenschutzvorschriften gebunden und darf Daten nur zum Zweck der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem SGB II erheben und nur unter engen Voraussetzungen an andere öffentliche Einrichtungen weiterleiten. Die Erreichung der Zwecke der Gesellschaft werden hierdurch – anders als beispielsweise bei einer Bekanntmachung gegenüber Konkurrenten – nicht gefährdet. Im Übrigen entspräche aus diesem Grunde auch eine Verweigerung der Zustimmung des Mitgesellschafters nicht den guten Sitten unter Geschäftspartnern. Würde die Zustimmung vom Mitgesellschafter zur Einsichtnahme seitens des Antragsgegners verweigert, obwohl keine Gefährdung der Gesellschaftszwecke vorliegt, und würde damit die Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eines anderen Mitgesellschafters verhindert, so dürfte dies rechtswidrig sein. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund der gleichzeitigen Geschäftsführertätigkeit der Antragstellerin eine Arbeitsleistung von ihr erwartet wird, ihr aber weder Gehalt gezahlt noch Gewinn ausgeschüttet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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