S 17 R 520/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 17 R 520/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen einer Tätigkeit als Pflegekraft.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 wird aufgehoben und festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit des Klägers für die vormalige Beigeladene zu 1.) im Zeitraum vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013 bestand.

Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 1.

Der Kläger beantragte am 21. August 2013 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status.

Er gab an, dass er als Pflegefachkraft selbständig tätig sei. Er sei für folgende Auftraggeber tätig: die vormalige Beigeladene zu 1., A. und Intensivpflege Mittelhessen B-Stadt. Er sei seit 2012 freiberuflich tätig. Er verdiene regelmäßig über der Geringfügigkeitsgrenze und beschäftige keinen Arbeitnehmer. Er gab an, dass er gesetzlich krankenversichert sei, gab jedoch keine Krankenkasse an. Er arbeitete für die Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013. Auf Nachfrage hin teilte er mit, dass er Patienten zu Hause betreut habe und zwar überwiegend nur nachts. Er habe selbst festgelegt, wann er arbeite und habe sich auch die Patienten ausgesucht. Er gab an, dass er auch eine Ersatzkraft hätte stellen können, jedoch sei es dazu nie gekommen. Er teilte mit, dass er seine eigenen Arbeitsmittel benutzt habe. Er habe seine Arbeitszeit mit den jeweiligen Kunden neu abgestimmt und sich seine Kooperationspartner selbst gesucht. Er legte Rechnungen für seine Tätigkeit für die vormalige Beigeladene zu 1. vor, aus denen er sich ergibt, dass er durchschnittlich 30 Euro/Stunden verdiente. Die Beigeladene zu 1. teilte mit, dass im Oktober 2012 die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger über die Agentur E. zustande gekommen sei. Später habe der Kläger dann selbst mit ihr verhandelt. Der Kläger sei freiberuflich aufgetreten und habe auch für andere Auftraggeber gearbeitet. Der Kläger sei stets kurzfristig gebucht worden, meist bei Krankheitsausfällen fest angestellter Mitarbeiter. Der Kläger habe Behandlungspflege nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) und auch Leistungen nach § 36 SGB V erbracht, allesamt auf ärztliche Anordnung hin. Er wurde dann eingesetzt, wenn er es wollte. Er erhielt keine Arbeitskleidung von der Beigeladenen zu 1. Er musste die Arbeit so erbringen, wie es das Sachleistungsprinzip des SGB V vorsieht. Er habe eine selbst ausgewählte, aber qualifizierte Ersatzkraft stellen können. Der Kläger habe nur als Subunternehmer arbeiten dürfen, denn er habe keine Zulassung, um direkt mit der Krankenkasse abrechnen zu dürfen. Der Kläger habe nicht mit Mitarbeitern der Beigelandenen zu 1. zusammen gearbeitet und auch nicht an betriebsinternen Treffen, Teambesprechungen und Fortbildungen der Beigeladenen zu 1. teilgenommen. Er hafte selbst für sein Handeln und habe eine entsprechende Versicherung. Die bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigten Mitarbeiter hätten engeren Weisungen unterlegen und sich an das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement zu halten gehabt. Der Kläger habe keine Arbeitsmittel von der Beigeladenen zu 1. erhalten.

Die Beklagte hörte den Kläger und die vormalige Beigeladenen zu 1. am 6. November 2013 dahingehend an, dass beabsichtigt sei, festzustellen, dass die Tätigkeit vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013 versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung gewesen sei. Die Beigeladene zu 1. führte im Rahmen der Anhörung aus, dass die Tatsache, dass die Tätigkeit ausschließlich auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung erfolgte, gerade nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber spreche. Nicht der Auftraggeber bestimme Art und Umfang der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen, sondern der verordnende Arzt des Patienten bestimme über Art und Umfang der von der Krankenkasse als Sachleistung gemäß § 37 Abs. 2 SGB V zur Verfügung zu stellenden Leistungen, mit der diese einen gemäß § 132 a Abs. 2 SGB V zugelassenen Leistungserbringer beauftragt. Hierbei komme es gerade nicht auf die persönliche Leistungserbringung an. Dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit handele, ergebe sich auch aus § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, wonach die in der Krankenpflege tätigen Personen als selbstständig tätige Personen der Rentenversicherungspflicht unterliegen, wenn sie keinen eigenen Arbeitnehmer beschäftigen. Im Gegensatz dazu seien Altenpfleger, die überwiegend gesunde und lediglich wegen ihres Alters pflegebedürftige Menschen betreuen, als selbstständig Tätige nicht rentenversicherungspflichtig, da sie nicht überwiegend auf ärztliche Anordnung tätig werden. Der Kläger sei kurzfristig lediglich mit einzelnen Einsätzen bei einzelnen Patienten beauftragt worden, was ebenfalls nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hinweise. Einsatzort und -zeit seien gerade nicht vom Auftraggeber vorgegeben gewesen, sie hätten sich aus der Eigenart der vom Auftragnehmer auszuführenden Leistungen ergeben. Der Einsatzort sei immer da, wo der Patient sich aufhalte. Da es sich bei den vom Kläger versorgten Patienten zumeist um beatmungspflichtige Wachkomapatienten gehandelt habe, sei deren Aufenthaltsort relativ statisch. Ebenso seien die Einsatzzeiten nicht vom Auftraggeber bestimmt worden. Der Kläger selbst habe seine Leistungen nur für bestimmte Zeiten angeboten, die die Beigeladene zu 1. durch individuelle Auftragserteilung in Anspruch genommen habe. Es habe keinen Dienstplan gegeben, in welchem der Kläger regelmäßig verplant gewesen sei. Der Kläger habe auch keine pauschale, erfolgsunabhängige Stundenvergütung erhalten. Vielmehr sei eine vertraglich vereinbarte, zeitabhängige Vergütung für die vom Kläger konkret erbrachten Leistungen gezahlt worden. Diese Vergütung sei auch frei verhandelt worden und habe zur Abdeckung der bei dem Kläger bestehenden Risiken und angesichts der von ihm selbst zu tragenden sozialen Absicherung das Doppelte betragen wie ein sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer erhalte. Der Kläger sei zudem nicht verpflichtet gewesen, die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen. Einzig entscheidend sei gewesen, dass die Person die erforderliche Qualifikation mitbrachte. Auch aus der Verpflichtung des Klägers, seine Tätigkeit zu dokumentieren, ergebe sich nichts anderes. Dies läge vielmehr in der Eigenart der Leistung. Eine standardisierte Dokumentation der Betreuung des Patienten sei gegenüber der Krankenkasse zur Abrechnung erforderlich. Es habe auch ein unternehmerisches Risiko bestanden. Der Kläger habe gerade nicht gewusst, wann und in welchem Umfang er seine Arbeitskraft einsetzen konnte. Der Kläger habe auch seine eigenen Arbeitsmittel eingesetzt. Letztlich habe es sich bei der konkreten Tätigkeit um arbeitsmittelarme Tätigkeiten gehandelt, was aber nicht dazu führen könne, dass es sich deswegen um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe.

Die Beklagte stellte daraufhin durch Bescheide vom 3. Januar 2014 Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund der Tätigkeit des Klägers bei der vormaligen Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013 fest. Der Kläger und die Beigeladene zu 1. legten am 14. Januar 2014 Widerspruch ein. Der Kläger führte aus, dass er gerade nicht verpflichtet gewesen sei, bestimmte Arbeitszeiten zu erfüllen, sondern den Umfang und die Arbeitszeit frei wählen konnte. Er habe keinem Weisungsrecht unterlegen, sondern sei nur an die gesetzlichen Vorgaben zur Erbringung von Pflegeleistungen gebunden gewesen. Zudem habe er auch kein festes Gehalt erhalten, sondern nur im Nachhinein die Bezahlung der geleisteten Stunden, so dass ein unternehmerisches Risiko bestanden habe. Er sei zudem für mehrere Auftraggeber tätig gewesen. Letztlich habe er ein volles Haftungsrisiko getragen. Die Beklagte wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheide vom 29. Oktober 2014 zurück.

Der Kläger hat am 27. November 2014 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Die Beigeladene zu 1. hat ebenfalls beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage (S 14 KR 929/14) erhoben, welche durch Zurücknahme erledigt worden ist. Die Beigeladene zu 1. ist zwischenzeitlich liquidiert und aufgelöst worden.

Der Kläger behauptet, dass er keine abhängige Beschäftigung bei der vormaligen Beigeladenen zu 1. ausgeübt hat. Er ist daher der Ansicht, dass er nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Er verweist auf den bisherigen Vortrag.

Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2014 aufzuheben und festzustellen, dass keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die vormalige Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013 bestand.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 1. wiederholt den Vortrag aus der Anhörung im Verwaltungsverfahren.

Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2014 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Es war festzustellen, dass keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit des Klägers für die vormalige Beigeladene zu 1. im Zeitraum vom 18. Oktober 2012 bis 31. Juli 2013 bestand.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist, ob der Kläger aufgrund selbständiger Tätigkeit versicherungspflichtig in der Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) ist. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid nur das Bestehen von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung festgestellt. Eine Versicherungspflicht als Selbständiger ist damit nicht vom Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids umfasst und damit auch nicht Streitgegenstand (siehe BSG, Urt. v. 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R und v. 28. September 2011, B 12 R 17/09 R - beide juris).

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2014 ist formell rechtmäßig. Er ist nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG, Urt. v. 11. März 2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; BSG, Urt. v. 4. Juni 2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.

Materiell ist der angefochtene Bescheid allerdings rechtswidrig, denn die Beklagte hat zu Unrecht eine Beschäftigung und eine Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im Rahmen der Statusfeststellung festgestellt. Rechtsgrundlage der Statusfeststellung ist § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. nicht gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 1. Dezember 1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199; vom 4. Juni 1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; vom 22. Juni 2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 und vom 28. Mai 2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994, 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995, 12 BK 98/94; Urteil vom 25. April 2012, B 12 KR 24/10 R, juris). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, Die Beiträge, Beil 2006, 149; jeweils m. w. N.). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen, wenn es der rechtliche Rahmen des Zulässigen erlaubt (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, a. a. O., m. w. N.). Maßgeblich ist also die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris).

Unter Berücksichtigung der benannten Grundsätze ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. ausgeübt und daher keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Die Tätigkeit als Pfleger kann grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden. Die Verträge zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. waren über eine freie Mitarbeit geschlossen worden und sahen vor, dass der Kläger bei der Gestaltung der Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf Zeit, Ort, Art und Dauer, frei war und berechtigt war, Aufträge abzulehnen. Der Kläger konnte vertraglich zudem für andere Auftraggeber tätig werden. Die Leistung war nicht persönlich geschuldet, der Kläger konnte eine qualifizierte Ersatzkraft stellen. Es war einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter auf der Basis eines Stundenhonorars von durchschnittlich 30 Euro vereinbart. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vertragsverhältnis nicht entsprechend der Vereinbarung gelebt worden ist. Der Kläger unterlag keinem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1. Es waren keine festen Arbeitszeiten vereinbart, vielmehr wurde bei Ausfall eines Mitarbeiters der Beigeladenen zu 1. der Kläger angefragt, ob er Dienste übernehmen wolle. Der Kläger teilte dann mit, ob und wann er Schichten übernehmen wollte und stellte dann die erbrachte Stundenzahl für die Tätigkeit in Rechnung. Es bestand keine ständige Dienstbereitschaftspflicht und es wurden dem Kläger von der Beigeladenen zu 1. keine festen Arbeitszeiten oder Schichten ohne vorherige Absprache und gegen den Willen des Klägers zugewiesen, vielmehr bestimmte der Kläger selbst, wie viele und welche Schichten er übernahm. Er war zudem auch noch für weitere Auftraggeber tätig. Der zeitliche Umfang der übernommenen Dienste betrug in den meisten Monaten ca. 7 Einsätze. Der Kläger übte diese Tätigkeit auch hinsichtlich der Art der Tätigkeit weisungsfrei aus. Allerdings ergab sich aus der Tätigkeit selbst, dass diese in festgelegten Grenzen zu verrichten war, denn sie erfolgte auf ärztliche Anordnung. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass die Tätigkeit deshalb überhaupt nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden konnte. Denn der Behandlungsplan, der bei der Pflege zu beachten war, beruhte auf Vorgaben des Arztes und Ergänzungen durch den Patienten oder dessen Angehörigen. Es handelte sich nicht um eine Weisung der Beigeladenen zu 1. im Sinne eines Dienstplanes für den Kläger. Für die Beurteilung, ob Beschäftigung vorlag oder nicht, kommt es auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. an, so wie es tatsächlich vollzogen wurde. Es sind nicht die vertraglichen Verpflichtungen der Beigeladenen zu 1. maßgeblich. Der Kläger hatte jedoch größere Freiräume und damit einen größeren Entscheidungs- und Handlungsspielraum bei der Erfüllung der Aufträge als bei der Beigeladenen zu 1. abhängig Beschäftigte und konnte so die Pflege - entsprechend den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen - selbst gestalten. Er unterlag dabei dann wiederum umfänglich einem Haftungsrisiko und musste sich diesbezüglich selbst absichern. Es ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Tätigkeit eine Absprache beim Wechsel der einzelnen Pfleger bei Schichtwechsel voraussetzte. Bei der Pflege in Schichten, die bei Pflege rund um die Uhr wesensnotwendig ist, um eine umfassende Pflege zu sichern, unterlag der Kläger dadurch trotzdem keiner Kontrolle durch die Beigeladene zu 1. im Sinne von Einzelanordnungen. Dass er mit anderen Pflegekräften in der Weise zusammenarbeitete, dass er an deren Schichten und Tätigkeiten anknüpfte und ihm bei der Übergabe Patient, Diagnose und Umfang der Pflege vorgestellt wurden, führt nicht dazu, dass er damit schon in die Betriebsstruktur der Beigeladenen zu 1. eingegliedert war, denn es handelt sich dabei um in der Pflege übliche und notwendige Vorgehensweisen, die sich lediglich auf die konkrete Ausübung der Tätigkeit bei dem einzelnen Patienten bezieht und nicht auf eine darüber hinausgehende Einordnung oder Weisung. Der Kläger nahm nämlich im Übrigen nicht an internen Teambesprechungen oder Fortbildungen oder am internen Qualitätsmanagement teilt. Er belegte Fortbildungen nach eigener Auswahl und auf eigene Kosten. Er hielt sich auch nicht in den Betriebsräumen der Beigeladenen zu 1. auf. Er war lediglich verpflichtet, eine Dokumentation über seine Tätigkeit am jeweiligen Patienten anzufertigen, damit die Beigeladenen zu 1. die ordnungsgemäße Erbringung der nach dem SGB V geforderte Sachleistung nachweisen und mit der Krankenkasse abrechnen durfte. Soweit die erforderlichen Pflegehilfsmittel nicht aufgrund ärztlicher Verordnung von der Pflege- oder Krankenkasse bereitgestellt waren, benutzte der Kläger seine eigenen Arbeitsmittel. Er nutzte keine Betriebsmittel der Beigeladenen zu 1. Der Kläger musste auch auf eigene Kosten und mit dem eigenen Pkw zu den einzelnen Einsatzorten gelangen, er bekam kein Dienstfahrzeug gestellt. Er erhielt auch keine Arbeitskleidung der Beigeladenen zu 1. Es bestand somit auch äußerlich keine Zugehörigkeit zum Betrieb der Beigeladenen zu 1. Der Kläger hatte damit zudem - wenn auch nur in eher geringem Maße - ein für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Der Kläger hat - wie es für Dienstleistungen in der Pflege durchaus typisch ist - im Wesentlichen seine Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, folgt allerdings noch kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (BSG, Urt. v. 28. September 2011, B 12 R 17/09 R - juris); dies gilt auch im Hinblick darauf, das Anschlussangebote ungewiss sind. Doch erhielt der Kläger stets nur eine Vergütung für geleistete Pflegestunden und hing damit der Gesamtverdienst vom zeitlichen Umfang seines Einsatzes ab. Weder im Falle von Krankheit oder Urlaub noch etwa bei Einlieferung des Pflegebedürftigen in ein Krankenhaus und Ausfall des Auftrags erhielt der Kläger ein Entgelt. Insoweit trug er selbst bei einer pauschalen Vergütung, ein - wenn auch geringes Unternehmerrisiko. Letztlich spricht auch die Höhe der Vergütung für eine selbständige Tätigkeit, denn sie betrug erheblich mehr als die Höhe der Vergütung einer abhängig beschäftigen Pflegekraft.

Nach alledem überwiegen die Merkmale, welche für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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