L 5 LW 10/06

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 LW 2/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 LW 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mitglieder einer Erbengemeinschaft, zu deren Vor- oder Nachteil der Gewinn oder Verlust aus einem landwirtschaftlichen Unternehmen geht, können als Mitunternehmer Landwirte iS des § 1 Abs 2 ALG sein.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 01.02.2006 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der landwirtschaftlichen Alterskasse in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.8.2003.

Die 1940 geborene Klägerin ist mit einer Quote von 1/9 Mitglied einer seit 1960 nach dem Tode des M P bestehenden ungeteilten Erbengemeinschaft. Das Unternehmen, das eine ca 89 ha große forstwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet und aus dem in den Jahren 1995 bis 2002 ein durchschnittlicher Rohüberschuss von 4.825 EUR jährlich erzielt wurde, wurde bis zum 27.4.2003 von Dr G P und danach von H P verwaltet; seit dem 1.1.2004 wurde es an den Miterben Dr H E L verpachtet. Durch Bescheid vom 1.9.2003 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin in der landwirtschaftlichen Altersversorgung in der Zeit vom 1.1.2000 bis zum 31.8.2003 fest. Wegen einer Pflegetätigkeit wurde diese für die Jahre 1999 und 2000 gemäß § 3 Abs 1 Nr 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) von der Versicherungspflicht befreit (Bescheid vom 1.10.2003). Die Beklagte befreite die Klägerin ferner wegen eines die maßgebliche Einkommensgrenze überschreitenden Einkommens von der Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 1.9.2003 (Bescheid vom 1.9.2003). Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 3 Abs 3 ALG lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2.9.2003 ab, weil die Klägerin die Wartezeit von 180 Kalendermonaten für eine Altersrente nach dem ALG bis zur Vollendung ihres 65. Lebensjahres noch erfüllen könne.

Mit ihren gegen die Bescheide vom 1.9.2003 und 2.9.2003 eingelegten Widersprüchen machte die Klägerin geltend, dass sie keiner hauptberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehe; die aus der Versicherungspflicht resultierende Beitragspflicht stehe in keinem Verhältnis zum Ertrag aus dem landwirtschaftlichen Unternehmen. Durch Bescheid vom 28.11.2003 lehnte die Beklagte einen Beitragszuschuss an die Klägerin für die Zeit vom 1.1.2001 bis 31.8.2003 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2004 wies sie die Widersprüche zurück. Zur Begründung hieß es ua: Wenn an einem Unternehmen mehrere Personen beteiligt seien, komme es für die Versicherungspflicht des einzelnen Versicherten nur darauf an, ob das ungeteilte Unternehmen die Mindestgröße erreiche (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 9.2.1971 11 RLw 6/69). Die Klägerin sei im Zeitraum vom 1.1.2001 bis 31.8.2003 nicht gemäß § 2 ALG versicherungsfrei gewesen und auch nicht nach § 3 Abs 3 ALG oder § 85 ALG von der Versicherungspflicht zu befreien. Auch die Voraussetzungen eines Beitragszuschusses seien im hier maßgeblichen Zeitraum nicht erfüllt gewesen.

Am 31.3.2004 hat die Klägerin Klage erhoben und eine eidesstattliche Erklärung von H P vom Januar 2006 vorgelegt. Durch Urteil vom 1.2.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Dass die Klägerin als landwirtschaftliche Unternehmerin anzusehen und damit in der landwirtschaftlichen Alterskasse versicherungspflichtig sei, folge aus § 1 Abs 1 Nr 1 iVm § 1 Abs 2 Satz 1 und 2 ALG. Auch Miterben seien Unternehmer, gleichgültig ob die landwirtschaftliche Tätigkeit hauptberuflich oder im Nebenerwerb ausgeübt werde. Der Tatsache, dass sich die Erbengemeinschaft zur Abwicklung der Verwaltungsgeschäfte eines Verwalters bedient habe, komme keine entscheidende Bedeutung zu. Hierdurch werde das für die Zurechnung der in dem Unternehmen verrichteten Arbeiten an jeden einzelnen Miterben entscheidende Abgrenzungskriterium, nämlich dass das wirtschaftliche Ergebnis diesem unmittelbar zum Vor oder Nachteil gereiche, nicht tangiert. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht seien im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.4.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 3.5.2006 eingelegte Berufung der Klägerin, die vorträgt: Haftungsrechtlich sei die Miterbenstellung dem Personenkreis der beschränkt haftenden Gesellschafter iSd § 1 Abs 2 Satz 3 ALG vergleichbar, weshalb ihre Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse zu verneinen sei. Die Erbengemeinschaft betreibe den Forst ohne die Absicht einer nachhaltigen Gewinnerzielung. Soweit sie aus dem Forst Einnahmen erwirtschafte, würden diese im Wesentlichen für die Unterhaltung eines zum Erbe gehörenden denkmalgeschützten Gebäudes verwendet. Zu beanstanden sei auch, dass die Beklagte die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft nicht zu Beiträgen veranlagt habe. Sie habe sie, die Klägerin, damit so behandelt, als sei sie Alleinerbin, obwohl sie keine Rückgriffsansprüche gegen die Miterben habe. In Übereinstimmung mit dem von der Rechtsprechung entwickelten Unternehmerbegriff entfalle die Eigenschaft als Landwirt, wenn der Miterbe nicht an der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses aktiv teilnehme (vgl § 2038 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch BGB ) und die Verwaltung von der Erbengemeinschaft einer bestimmten Person zur alleinigen Ausübung und Verantwortung übertragen werde (Hinweis auf SG Augsburg, Breithaupt 1975, 217). Dass ihr, der Klägerin, das wirtschaftliche Ergebnis der Nachlassverwaltung zum Vor oder Nachteil gereiche, vermöge für sich allein betrachtet die Eigenschaft als landwirtschaftliche Unternehmerin nicht zu begründen. Die Beitragsveranlagung sei im Übrigen verfassungsrechtlich unzulässig. Sie wende sich im Berufungsverfahren nicht mehr gegen die Ablehnung eines Beitragszuschusses sowie der Befreiung von der Versicherungspflicht durch die Beklagte.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Mainz vom 1.2.2006 sowie der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten festzustellen, dass sie in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.8.2003 nicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse versichert war,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte (einschließlich der Akte S 2 ER 69/03 LW) verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG), wobei er Folgendes ergänzt:

Die Klägerin ist als Landwirtin im Sinne des ALG für die Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.8.2003 versicherungs und beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse. Landwirt ist nach § 1 Abs 2 Satz 1 ALG, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße (§ 1 Abs 5 ALG), die vorliegend überschritten war, erreicht; Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbstständig betreibt (§ 1 Abs 2 Satz 2 ALG). Betreiben mehrere Personen als Mitunternehmer ein landwirtschaftliches Unternehmen, sind alle Unternehmer iS des ALG. Nach § 1 Abs 7 ALG ist kein Landwirt, wer ein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht einer nachhaltigen Gewinnerzielung betreibt.

Die Eigenschaft der Klägerin als Landwirtin wird durch § 1 Abs 7 ALG nicht in Frage gestellt. Von einem Liebhaberbetrieb iS dieser Vorschrift kann in Anbetracht des durchschnittlichen Rohüberschusses von 4.825 EUR jährlich keine Rede sein. Wofür der Gewinn des Unternehmens genutzt wird, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die Einnahmen der Erbengemeinschaft wie die Klägerin behauptet im Wesentlichen für die Unterhaltung eines zum Erbe gehörenden denkmalgeschützten Gebäudes verwendet wurden.

Die Klägerin war vom 1.1.2001 bis zum 31.8.2003 als Mitglied der Erbengemeinschaft ebenso wie die übrigen Mitglieder Mitunternehmerin des landwirtschaftlichen Unternehmens. Zur Unternehmereigenschaft der Mitglieder einer Erbengemeinschaft kann die Rechtsprechung zu dem früheren Gesetz über eine Altershilfe der Landwirte (GAL) herangezogen werden (vgl Kommentar zum ALG, hrsg vom Gesamtverband der Alterskassen, § 1, Anm 1.5). Danach sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft Mitunternehmer, weil sie das Risiko des Unternehmens tragen. Anders ist die Rechtslage nur, wenn einem oder mehreren Miterben das landwirtschaftliche Unternehmen wirtschaftlich und tatsächlich mit der Maßgabe überlassen wird, dieses bis zur Auseinandersetzung zu betreiben und das Unternehmerrisiko zu tragen (BSG 29.7.1969 11/7 RLw 9/68; 12.12.1969 11/7 RLw 22/68). Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden (BSG 29.7.1969, aaO). Entscheidend ist, wer in der Zeit bis zur Auseinandersetzung das Risiko des Unternehmens trägt, ob also Gewinn und Verlust aus dem Unternehmen nach dem Willen der Miterben in dieser Zeit die Erbengemeinschaft oder einen der den Betrieb führenden Miterben treffen (BSG 29.7.1969, aaO). Dass ein Verwalter für das Unternehmen bestimmt ist, genügt nicht, um ihre Mitunternehmereigenschaft zu verneinen. Hiernach war die Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2001 bis zum 31.8.2003 Mitunternehmerin. Denn seinerzeit wurde weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Vereinbarung getroffen, wonach sie das Unternehmerrisiko nicht tragen sollte. Erst in der Zeit ab dem 1.1.2004 wurde das Unternehmen an den Miterben Dr H E L verpachtet. Zuvor war zwar die Verwaltung an Dr G P bzw H P übertragen. Die übrigen Miterben waren jedoch an dem Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, wie aus der Erklärung des H P vom Januar 2006 hervorgeht. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Verwaltung des Nachlasses ua die Rechnungslegung gegenüber der Erbengemeinschaft umfasste.

Die Einwendungen der Klägerin gegen diese rechtliche Beurteilung gehen fehl. Die rechtliche Stellung der Klägerin als Miterbin kann nicht mit derjenigen beschränkt haftender Gesellschafter iSd § 1 Abs 2 Satz 3 ALG verglichen werden. § 1 Abs 2 Satz 3 ALG erfasst beschränkt haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Mitglieder einer juristischen Person unter bestimmten Voraussetzungen als Landwirte, obwohl das landwirtschaftliche Unternehmen nicht unmittelbar auf deren Rechnung geführt wird. Daraus können keine Schlüsse auf die Eigenschaft von Mitgliedern einer Erbengemeinschaft, auf deren Rechnung das Unternehmen unmittelbar betrieben wird, als Landwirte iS des ALG gezogen werden.

Für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits ist es ohne Bedeutung, ob die Beklagte auch die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft zu Beiträgen veranlagt hat. Ob der jeweilige Miterbe als Unternehmer versicherungs- und beitragspflichtig ist, hängt ua auch von dessen persönlichen Voraussetzungen ab (vgl zB § 3 ALG).

Die Heranziehung der Klägerin zu Beiträgen ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe ist ein Verstoß gegen Normen des Grundgesetzes (GG) nicht ersichtlich. Die Beitragshöhe richtet sich wie die Vertreterin der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert hat nicht nach dem individuellen Unternehmensgewinn, sondern nach hiervon unabhängigen Faktoren (vgl § 68 ALG und die Satzung der Beklagten).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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