L 4 R 447/06

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 10 RA 248/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 R 447/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine nicht qualifiziert elektronisch signierte E-Mail genügt nicht den Formerfordernissen für eine wirksame Berufung.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist ist nicht zu gewähren, wenn trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung die Berufung durch eine nicht qualifiziert elektronisch signierte E-Mail erfolgt und diese am letzten Tag der Berufungsfrist nach Geschäftsschluss beim Berufungsgericht eingeht, so dass auf den Mangel der Form nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist hingewiesen werden konnte.
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens der Berufungsfrist gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Koblenz vom 08.11.2006 wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Im Vordergrund des Berufungs-verfahrens steht die Frage der Zulässigkeit der Berufung des Klägers.

Einen Antrag des Klägers vom Dezember 2003 auf Gewährung von Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2004 und Widerspruchsbe-scheid vom 25.06.2004 ab. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialge-richt Koblenz, gestützt auf Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärz-te sowie ärztliche Gutachten, mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2006 abge-wiesen, da der Kläger noch mindestens 6 Stunden arbeitstäglich leichten körperlichen Tätigkeiten unter Beachtung zusätzlicher Leistungsausschlüsse gewachsen sei und mithin die Voraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Be-rufsunfähigkeit (§§ 43; 240 SGB VI) nicht vorlägen.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 16.11.2006 zugestellt. Am Mon-tag, dem 18.12.2006 wurde von einer Frau E W durch einfache, nicht elektronisch signierte E-Mail an das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Nach Rückfragen hat der Kläger mit am 30.01.2007 beim LSG eingegangenem Schreiben mit-geteilt, die von Frau W eingelegte Berufung bleibe aufrecht erhalten. Aus Unkenntnis, was eine qualifizierte digitale Signatur sei, habe er Frau W wegen drohenden Fristablaufs gebeten, die Berufung per E-Mail einzulegen. Zudem leide er an psychischen Störungen.

Der Kläger beantragt,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beru-fungsfrist gegen des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 08.11.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 53 190451 B 014) sowie der Prozessakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfin-dung war.

II.

Der Antrag des Klägers ist abzulehnen, da die Voraussetzungen einer Wie-dereinsetzung hier nicht vorliegen.

Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzli-che Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Wiedereinset-zung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist ist dem Kläger nicht zu gewähren, da er nicht ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs. 1 SGG). Dies ist der Fall, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissen-haften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist.

Da der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 08.11.2006 dem Kläger am 16.11.2006 zugestellt worden ist, endete die Be-rufungsfrist von einem Monat (§ 151 Abs. 1 SGG) am Montag, dem 18.12.2006. Die formgerecht eingelegte Berufung des Klägers mit Telefax vom 29.01.2007 ging aber erst am 30.01.2007 und damit verspätet beim LSG ein. Die nach den Angaben des Klägers auf seine Veranlassung am 18.12.2006 beim LSG eingegangene E-Mail der Frau W stellt keine form-gerechte Berufungseinlegung dar.

Nach §§ 130 a Zivilprozessordnung (ZPO); 202 SGG i.V.m. §§ 2 Satz 1; 4 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr vom 22.12.2003 sowie Nr. 3 deren Anlage zu § 4 sind die e-lektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen, soweit das Gesetz Schriftform vor-sieht. Im Übrigen sollen die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen werden. Da für die Berufung die Schriftform vorgeschrieben ist (§ 151 Abs. 1 SGG), ist also für die Einlegung durch email eine qualifizierte digitale Signatur erforderlich. Die rheinland-pfälzische Verordnung verweist hinsichtlich der Art und Form der Signatur auf § 2 des Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektroni-sche Signaturen (Signaturgesetz), der wie folgt lautet:

"Im Sinne des Signaturgesetzes sind
1. "elektronische Signaturen" Daten in elektronischer Form, die anderen e-lektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen,
2. "fortgeschrittene elektronische Signaturen" elektronische Signaturen nach Nummer 1, die
a) ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet sind,
b) die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen,
c) mit Mitteln erzeugt werden, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, und
d) mit den Daten, auf die sie sich beziehen, so verknüpft sind, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann,
3. "qualifizierte elektronische Signaturen" elektronische Signaturen nach Nummer 2, die
a) auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und
b) mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden "

Die E-Mail der Frau W entsprach nicht diesen Vorgaben, da sie nicht digi-tal signiert war. Da sie am letzten Tag der Berufungsfrist erst nach Diens-tende am LSG um 19:02 Uhr einging, konnte Frau W auch erst am nächs-ten Tag, mithin erst nach Ablauf der Berufungsfrist auf den Formmangel hin-gewiesen werden.

Der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzu-halten, da er nicht diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissen-haften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist. In der Rechtsmittel-belehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids ist ausdrücklich darauf hin-gewiesen worden, dass eine durch E-Mail eingelegte Berufung zur Wirksam-keit qualifiziert digital signiert sein müsse. Wenn der Kläger, was glaubhaft ist, nicht wusste, welche Erfordernisse damit verbunden sind, wäre es ihm innerhalb der Berufungsfrist möglich und zumutbar gewesen, sich zu infor-mieren oder ein ihm bekanntes Medium wie Post oder Telefax zu benut- zen, statt erst wenige Stunden vor Ablauf der Berufungsfrist das Risiko ein-zugehen, einen ihm unbekannten Zugangsweg zum Berufungsgericht zu wählen.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss ist keine weitere Beschwerde statthaft (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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