S 14 AL 2396/98

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 2396/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 765/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 28.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.1998 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Teilarbeitslosengeld ab dem 01.10.1998 in gesetzlichem Umfange zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten im notwendigen Umfange zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die 1953 geborene Klägerin einen Anspruch auf Teilarbeitslosengeld hat.

Einen entsprechenden Antrag stellte die Klägerin am 16.09.1998 bei der Dienststelle A-Stadt der Beklagten zum 01.10.1998.

Seit dem 01.10.1989 ist die Klägerin bei dem Bundesgrenzschutz beschäftigt.

Bis zum 30.09.1998 arbeitete sie dort jeweils mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden als Reinigungskraft und als Schreibkraft.

Ab dem 01.10.1998 wurde die Klägerin nur noch halbtags als Schreibkraft beschäftigt.

Mit Bescheid vom 28.09.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Teilarbeitslosengeld mit der Begründung ab, die Klägerin habe zwei Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber ausgeübt. Sozialversicherungsrechtlich müsse hierbei von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Es liege damit Arbeitslosigkeit oder Teilarbeitslosigkeit nicht vor.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit am 09.11.1998 abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 06.11.1998 zurück.

Die Klägerin hat am 07.12.1998 Klage erhoben.

Sie trägt vor, Teilarbeitslosigkeit setze nur den Verlust einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und deren vorherige Ausübung neben einer oder mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen voraus. Sie sei halbtags als Reinigungskraft und halbtags als Schreibkraft beschäftigt gewesen, nach dem Wegfall der Beschäftigung als Reinigungskraft werde sie seit dem 01.10.1998 nur noch als Schreibkraft zu 19,25 Stunden beschäftigt. Faktisch sei daher die Stelle als Reinigungskraft weggefallen, damit lägen die Voraussetzungen für TeilarbeitsIosigkeit vor. Weder § 150 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) noch der Nr. 2 der genannten Vorschrift lasse sich ohne weiteres entnehmen, dass vorliegend von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen sei.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Teilarbeitslosengeld ab dem 01.10.1998 in gesetzlichem Umfange zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klägerin habe zwar zweifelsfrei bei ihrem Arbeitgeber zwei unterschiedliche Tätigkeiten verrichtet. Versicherungsrechtlich handele es sich jedoch um eine versicherungspflichtige Beschäftigung.

Das Gericht hat bei dem C. Mitte angefragt, ob mit der Klägerin zwei Arbeitsverhältnisse begründet worden waren.

Das C. Mitte hat mitgeteilt, die Klägerin habe sowohl ein Beschäftigungsverhältnis als "Schreibkraft" (Angestellte) als auch ein Beschäftigungsverhältnis als "Reinigungskraft" (Arbeiterin) gehabt. Aus diesen beiden Beschäftigungsverhältnissen seien an die jeweiligen Rentenversicherungsträger BfA und LVA Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden.

Die Leistungsakte des Arbeitsamtes Gießen mit der Stammnummer xxxxx ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.

Sie ist auch begründet.

Die Klägerin hat ab dem 01.10.1998 Anspruch auf Teilarbeitslosengeld gemäß § 150 SGB III.

Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.1998 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.

Gemäß § 150 Abs. 1 hat Anspruch auf Teilarbeitslosengeld ein Arbeitnehmer, der

1. teilarbeitslos ist
2. sich teilarbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Klägerin hat sich teilarbeitslos gemeldet, sie erfüllt die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld und sie ist insbesondere auch teilarbeitslos.

Teilarbeitslos ist nach der Definition in Abs. 2 Nr. 1 des § 150 SGB III, wer eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hat, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hat, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lagen bis zum 30.09.1998 zwei versicherungspflichtige Beschäftigungen, nämlich als Schreibkraft und als Reinigungskraft, vor.

Dass die Klägerin diese Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausgeübt hat, schließt das Vorliegen von Teilarbeitslosigkeit nicht aus.

Zu Recht weist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut die Auffassung der Beklagten nicht stützt.

Das Gesetz stellt allein auf den Verlust einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ab, die neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt wurde.

Dem Gesetzeswortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass § 150 SGB III dann nicht eingreift, wenn diese Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurden.

Gemäß § 7 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Bei einem Arbeitgeber können aber auch mehrere Arbeitsverhältnisse begründet werden. So sieht beispielsweise § 4 Abs. 1 Satz 2 des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vor, dass mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber begründet werden dürfen, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen.

Genauso verhält es sich hier.

Die Tätigkeit einer Reinigungskraft, die die Klägerin verloren hat, steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit einer Schreibkraft. Es handelt sich insoweit um völlig unterschiedliche Bereiche, was sich schon daran ersehen lässt, dass die Sozialversicherungsbeiträge an verschiedene Rentenversicherungsträger abgeführt worden sind. Es hat sowohl ein Beschäftigungsverhältnis als Schreibkraft als auch ein Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft vorgelegen. Dies wird durch die Auskunft des C. Mitte bestätigt.

Im Übrigen wäre es auch mit Sinn und Zweck der neugeschaffenen Vorschrift des § 150 SGB III nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall wie dem vorliegenden Teilarbeitslosengeld nicht gewährt werden würde.

Die Regelung soll Arbeitnehmern, die eine von mehreren nebeneinander ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen verlieren, für eine begrenzte Zeit einen angemessener Ersatz des wegen der eingetretenen Teilarbeitslosigkeit ausfallenden Arbeitsentgeltes bieten. Damit wird eine Lücke im System der Arbeitslosenversicherung für Personen geschlossen, die mehrere Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander ausüben.

Nach bisherigem Recht war der Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer eines von zwei Beschäftigungsverhältnissen, die beide die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit begründeten, verlor, da er mit dem verbleibenden Beschäftigungsverhältnis die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit nicht erfüllte (zu den Gesetzesmotiven siehe Bundestagsdrucksache 13/4941 S. 181 zu § 151).

Durch den Wegfall der Tätigkeit als Reinigungskraft hat die Klägerin einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust zu verzeichnen. Immerhin hat sie allein für diese Tätigkeit ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1617,23 DM monatlich erhalten. Gerade für eine solche Konstellation soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Gewährung von Teilarbeitslosengeld ein angemessener Ausgleich gewährt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist gemäß § 143 SGG zulässig.
Rechtskraft
Aus
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