L 5 KA 1/17

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 12 KA 277/15
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 1/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Darlegungslast eines Krankenhauses im Abrechnungsverfahren gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung

Ein Krankenhaus muss die Notwendigkeit von Labor- und Röntgenleistungen als Notfallleistung anstelle eines Vertragsarztes jedenfalls dann spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides der Kassenärztlichen Vereinigung begründen, wenn eine Vielzahl von EBM (Ä) - Positionen betroffen und im HVM geregelt ist, dass die Angabe der betreffenden Tatsachen schon im Abrechnungsverfahren erforderlich ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.11.2016 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal II/2014 in Höhe von 1.755,46 EUR.
Die Klägerin ist die Trägerin des Krankenhauses Klinikum I. Sie erbrachte im Quartal II/2014 in ihrer Notfallambulanz ambulante Notfallleistungen für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und rechnete diese unter Vorlage der Notfallscheine gegenüber der Beklagten, der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Rheinland-Pfalz, ab.
Mit Bescheid vom 14.8.2014 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung für das Quartal II/2014 vor. Sie kürzte die Abrechnung ua um die Vergütung für bestimmte Leistungen (Laborleistungen und radiologische Leistungen), da die Behandlung während der regulären Sprechstunden der vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte erfolgt sei und die Klägerin keine Umstände dargelegt habe, die ausnahmsweise die Notwendigkeit der Durchführung der Maßnahmen im Krankenhaus rechtfertigten. Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und eine Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Demnach bestehe ein Vergütungsanspruch für Notfallbehandlungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser nur in sprechstundenfreien Zeiten, weil ansonsten Vertragsärzte die Behandlung übernehmen könnten. Eine Ausnahme hiervon gelte nur dann, wenn auch während der Sprechstundenzeiten die Behandlung durch Vertragsärzte nicht vertretbar sei bzw wegen sofort einzuleitender Maßnahmen, falls nicht der Rettungsdienst zuständig bzw eine stationäre Aufnahme erfolgt sei. Nicht vertretbare Umstände seien im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen (Hinweis auf die Regelungen zur Vergütung von Notfallleistungen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten – HVM –). Die Beklagte führte die einzelnen Leistungen an Versicherte an, deretwegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung erfolgt sei, weil die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung erstreckte sich auch auf andere, den vorliegenden Rechtsstreit nicht betreffende Sachverhalte.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, ua bezüglich der im vorliegenden Rechtsstreit streitbefangenen Komplexe. Sie führte zur Begründung an, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Leistungen von Krankenhäusern im Rahmen von Notfallbehandlungen grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären; bei den von der Beklagten aufgeführten Fällen habe es sich jeweils um Notfälle im Sinne des § 3 des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V gehandelt, da die Versorgung durch den jeweiligen Vertragsarzt aufgrund der Umstände nicht vertretbar gewesen sei; sie, die Klägerin, habe jeweils eine Begründung angegeben.
Mit "Teilwiderspruchsbescheid" vom 29.7.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser dürften die EBM (Ä)-Nrn 01210 bis 01219 nur berechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und die Versorgung durch einen Vertragsarzt oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei (Hinweis auf Kapitel II Nr 1.2 EBM 8 [Ä] für die Versorgung im Notfall- und organisierten Notfalldienst). Nach § 6 Abs 1 HVM dürften nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institutionen und Krankenhäuser ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und eine Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 SGB V nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Ein Vergütungsanspruch für ambulante Notfallbehandlungen durch die in § 6 Abs 1 HVM genannten Leistungserbringer bestehe nach Abs 2 dieser Vorschrift nur, wenn die Inanspruchnahme in sprech-stundenfreien Zeiten erfolgt sei und deshalb Vertragsärzte die Behandlung nicht übernehmen könnten; nicht vertretbare Umstände iS des Abs 1 seien nach Abs 2 Satz 2 dieser Vorschrift im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen. Der Vorstand der Beklagten habe in seiner Sitzung am 7.10.2013 entschieden, Notfallbehandlungen in den Sprechzeiten Montags, Dienstags und Donnerstags von 9 Uhr bis 17 Uhr sowie Mittwochs und Freitags von 9 Uhr bis 13 Uhr nicht mehr zu korrigieren, sofern die Patienten von Bereitschaftsdienstzentralen oder von niedergelassenen Vertragsärzten zur Behandlung in eine Krankenhausnotfallambulanz geschickt würden; diese Regelung gelte seit dem Quartal IV/2013. Ein Notfall im Sinne des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V sei nur gegeben, wenn dringende Behandlungsbedürftigkeit bestehe und ein teilnahmeberechtigter Leistungserbringer mangels Erreichbarkeit, Umfang des Teilnahmerechts, Qualifikation oder eigener Bereitschaft nicht rechtzeitig zur Behandlungsübernahme zur Verfügung stehe. Dringende Behandlungsbedürftigkeit sei anzunehmen, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahren für Leib und Leben bestünden oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Sie, die Beklagte, honoriere sogar Behandlungen, die nicht als Notfälle im Sinne der Rechtsprechung des BSG beurteilt würden, stets mit der Notfallpauschale Nr 01210 EBM (Ä), da auch zum Ausschluss eines Notfalls in der Regel ein Arzt-Patienten-Kontakt erforderlich sei. Vorliegend seien die Kürzungen erfolgt, weil die Leistungen nicht zum Umfang der anrechnungsfähigen ambulanten Notfallleistungen gehörten. Es fehle an den Voraussetzungen für die Abrechenbarkeit als Notfallleistung, da entweder die Leistung nicht in sprechstundenfreien Zeiten in Anspruch genommen oder die Inanspruchnahme der Notfallbehandlung im Krankenhaus nicht als sofortige Maßnahme erforderlich gewesen sei (Hinweis auf BSG 2.7.2014 – B 6 KA 30/13 R). Durch die Abrechenbarkeit der EBM (Ä)-Nrn 01210 bis 01218 werde dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung getragen. Weitere Leistungen dürften regelmäßig nicht erbracht und abgerechnet werden. Auch die Prüfung der Behandlungsscheine habe ergeben, dass bei den sachlich-rechnerisch korrigierten Fällen aufgrund der Angaben der Klägerin die Voraussetzungen für die Abrechnung einer Notfallleistung nicht erfüllt seien. Beispielhaft führte die Beklagte einige Fälle auf, bei denen im Quartal II/2014 eine sachlich-rechnerische Korrektur durchgeführt worden sei, weil jeweils Diagnosen ohne Notfallcharakter angegeben worden seien. Die Beklagte stellte im "Teilwiderspruchsbescheid" klar, soweit die Klägerin für das Quartal II/2014 auch bezüglich anderer Sachverhalte Widerspruch eingelegt habe, werde ein gesonderter Widerspruchsbescheid ergehen.
Mit ihrer am 6.8.2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen: Notfallbehandlungen seien auch zu vergüten, wenn sie während Sprechstundenzeiten von Vertragsärzten erfolgt seien. Zwar sei der Notfalldienst auf die Erstversorgung ausgerichtet. Dies schließe aber weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, sondern begrenze diese nur auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Versorgung unerlässlich seien. Vorliegend seien die Notfallbehandlungen erforderlich gewesen; die entsprechenden Begründungen seien in den Behandlungsscheinen aufgeführt. Insbesondere bei Prellungen der Extremitäten sei eine ausreichende Diagnostik erforderlich. Die Vielzahl der pädiatrischen Behandlungsfälle sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass pädiatrische Praxen wegen Erkrankungen häufig geschlossen blieben und keine Versorgungsalternativen in zumutbarer Entfernung bestünden. Soweit erkennbar habe die Beklagte alle radiologischen Leistungen und Laborleistungen mit pauschaler Begründung beanstandet. Weder habe sie konkrete Fälle benannt noch für jeden Behandlungsfall dargelegt, warum die aufgeführte Diagnose den Umfang der Behandlung nicht rechtfertigen könne. Dieser pauschale Prüfungsansatz ohne Würdigung des Einzelfalls sei unzulässig, da als Voraussetzung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe. Dem sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Der seitens der Beklagten angenommene allgemeine Leistungsausschluss von Laborleistungen und radiologischen Leistungen im Rahmen von Notfallbehandlungen sei weder nach Gebührenregelungen noch nach der Rechtsprechung des BSG gerechtfertigt. Eine besondere Begründungspflicht des Leistungserbringers bestehe insoweit nicht. Sie, die Klägerin, sei im Rahmen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht mit neuem Vortrag im Gerichtsverfahren ausgeschlossen.
Die Klägerin hat Behandlungsdokumentationen vorgelegt.
Die Beklagte hat vorgetragen: Die Klägerin habe zu den betroffenen Maßnahmen außer den ICD-Verschlüsselungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren keine weiteren Angaben gemacht, abgesehen von dem pauschalen Textfeld, in dem sie angegeben habe, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Es treffe nicht zu, dass sie, die Beklagte, routinemäßig sämtliche radiologischen und laboratorischen Leistungen abgesetzt habe. Sie, die Beklagte, habe sich an der ICD-Verschlüsselung orientiert und die Fälle sachlich-rechnerisch berichtigt, die entweder keinen Notfall-ICD enthalten hätten oder deren Behandlung nicht an sprechstundenfreien Tagen erfolgt sei. In keinem einzigen Behandlungsfall eines Kleinkindes oder Säuglings sei eine sachlich-rechnerische Richtigstellung durchgeführt worden. Der Leistungserbringer müsse bereits im Rahmen der Abrechnung, spätestens aber im Widerspruchsverfahren, darlegen, weshalb eine weitergehende Behandlung unmittelbar durch ihn erforderlich sei. Diese Substantiierungspflicht ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG, die in ähnlich gelagerten Fallkonstellationen davon ausgehe, dass ein solcher Vortrag spätestens im Widerspruchsverfahren zu erfolgen habe.
Durch Urteil vom 2.11.2016 hat das Sozialgericht (SG) Mainz die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, über den Vergütungsanspruch für die Notfallbehandlungen im Quartal II/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, und zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Er sei bereits deshalb zu beanstanden, weil aus der Verwaltungsakte der Beklagten nicht ersichtlich sei, dass diese eine Einzelfallprüfung vorgenommen habe. Die Entscheidung der Beklagten in Bezug auf die Behandlungsfälle sei mangels einzelfallbezogener Begründungen nicht nachvollziehbar und damit nicht überprüfbar. Die sachlich-rechnerische Prüfung habe grundsätzlich anhand des Einzelfalls zu erfolgen. Im Notfalldienst seien Röntgen- und Laboruntersuchungen nicht generell ausgeschlossen, wenn auch auf unerlässliche Maßnahmen begrenzt. Die Beklagte habe lediglich beispielhaft einige Fälle im Widerspruchsbescheid aufgeführt, in denen nach ihrer Einschätzung Diagnosen ohne Notfallcharakter angegeben gewesen seien. Eine umfassende Einzelfallprüfung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil die Klägerin Begründungsanforderungen nicht eingehalten habe. Selbst wenn § 6 HVM eine generelle Begründungspflicht statuieren würde, folge daraus nicht, dass die Beklagte unter Hinweis auf deren Nichteinhaltung auf die grundsätzlich durchzuführende Einzelfallprüfung verzichten könnte. Nach dem Wortlaut des HVM sei eine besondere Begründung ohnehin lediglich für den Fall angeordnet, dass eine Versorgung durch einen Vertragsarzt aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei. Für den Fall, dass die Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 SGB V nicht möglich sei, seien dagegen im HVM keine Darlegungserfordernisse vorgesehen. Darüber hinaus seien "Wertungsgesichtspunkte" wie etwa eine Überweisung durch einen Vertragsarzt oder eine Einlieferung durch einen Rettungsdienst für die Beklagte auch ohne besondere Darlegung der Klägerin erkennbar. Ein weiterer Vortrag und eine weitere Substantiierung durch den Leistungserbringer erst im Gerichtsverfahren sei zulässig. Unabhängig davon könne sich die Beklagte auf eine fehlende Substantiierung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht berufen, weil sie es versäumt habe, die Klägerin während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens auf ein Substantiierungserfordernis hinzuweisen und ihr eine entsprechende Frist zu setzen (Hinweis auf SG Marburg 18.3.2015 – S 12 KA 616/14). Da sich die Rechtswidrigkeit aus der fehlenden Einzelfallprüfung ergebe, sei das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Beklagte zurückzuverweisen gewesen. Dagegen habe der Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides keinen Erfolg.
Gegen dieses ihr am 16.1.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.2.2017 eingelegte Berufung der Beklagten, die vorträgt: Entgegen der Auffassung des SG gebe es keinen Anspruch des Leistungserbringers auf eine Einzelfallüberprüfung jeder abgerechneten Leistung im Rahmen der Prüfung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren darzulegen, woraus sich die Notfalleigenschaft und die Notwendigkeit ergeben habe, die abgerechneten Leistungen im Rahmen von Notfallbehandlungen erbringen zu müssen. Sie, die Beklagte, sei nicht dazu verpflichtet, Widerspruchsführer auf unzureichendes Vorbringen hinzuweisen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.12.2012 (B 6 KA 5/12 R) habe eine substantiierte Darlegung von Umständen, die dazu führten, eine Behandlung als Notfallbehandlung zu qualifizieren, spätestens im Widerspruchsverfahren zu erfolgen (offengelassen von Landessozialgericht – LSG – Rheinland-Pfalz 6.10.2016 – L 5 KA 30/15).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Mainz vom 2.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Das Urteil des SG ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geforderte weitere Vergütung. Die Beklagte durfte die von der Klägerin abgerechneten Leistungen in dem erfolgten Umfang sachlich-rechnerisch richtigstellen. Die Berechtigung hierzu ergibt sich für das streitige Quartal aus § 106a Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 10.12.2012, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung prüfen und die zuständige Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt. Auf dieser Grundlage war die Beklagte befugt, die streitigen Leistungen von der Vergütung auszunehmen.
Nach § 3 des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V liegt eine Notfallbehandlung im Sinne des Vertrages insbesondere vor, wenn sich der Patient infolge von Verletzung, Krankheit oder sonstigen Umständen entweder in Lebensgefahr befindet oder der Gesundheitszustand eine wesentliche Verschlechterung befürchten lässt, wenn nicht eine sofortige ärztliche Behandlung eingeleitet wird. Gemäß § 9 des Landesvertrages müssen die Leistungen nach diesem Vertrag ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Notfalldienst ist ausschließlich auf die Notfall-Erstversorgung ausgerichtet (dazu und zum Folgenden BSG 12.12.2012 – B 6 KA 5/12 R, juris Rn 15). Der Arzt im Notfalldienst darf nicht mehr Leistungen erbringen und verordnen, als es dem Rahmen der Notfall-Erstversorgung entspricht. Behandlungen im Rahmen des Notfalldienstes haben sich auf die Erstversorgung zu beschränken; sie sind darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Der Behandlungsumfang ist beschränkt auf die Maßnahmen, die bis zum erneuten Einsetzen der Regelversorgung in den üblichen Sprechstundenzeiten erforderlich sind. Der Umfang der Diagnostik ist auf die Erstversorgung des Patienten ausgerichtet. Befunde, die dazu nicht benötigt werden, sind im Notfalldienst nicht zu erheben. Das schließt weder Röntgen- noch Laboruntersuchungen aus, begrenzt diese indessen vom Ziel der sofortigen, aber oft nur zeitlich begrenzten Behandlung her auf Maßnahmen, die bis zum Übergang des Patienten in die ambulante oder stationäre Regelversorgung unerlässlich sind. Der medizinische Bedarf für die Erstversorgung und nicht die medizinische Infrastruktur der Behandlungseinrichtung bestimmen den Umfang der Diagnostik.
Hinsichtlich der in Rede stehenden Leistungen (dazu Bl 42 ff VA) hat die Klägerin eine Vielzahl unterschiedlicher EBM (Ä)-Nrn in Ansatz gebracht. Die Abrechenbarkeit all dieser Nummern hängt davon ab, dass die Klägerin eine Notfallbehandlung durchführen durfte und zu diesem Zweck die entsprechenden Behandlungsmaßnahmen in der Notfall-Erstversorgung erfolgen durften. Die Klägerin hat im Rahmen der Abrechnung lediglich die durchgeführten Behandlungen und Diagnosen anhand der ICD-Verschlüsselung angeführt, aber keine weiteren Angaben gemacht, abgesehen von dem pauschalen Textfeld, in dem sie angegeben hat, dass eine dringende Behandlungsbedürftigkeit vorliege. Damit ist die Klägerin ihrer Darlegungspflicht im Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahren nicht hinreichend nachgekommen.
Grundsätzlich gibt es im Sozialverwaltungsverfahren und sozialgerichtlichen Verfahren wegen des herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes keine dem Zivilprozess entsprechende Darlegungslast (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, Rn 4 vor § 60). Davon gibt es im Vertragsarztrecht Ausnahmen (vgl zB BSG 15.3.2017 – B 6 KA 18/16 R, juris Rn 33). Diese beziehen sich regelmäßig auf Darlegungserfordernisse im sozialgerichtlichen Verfahren. Eine Ausnahme hiervon ist für Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren im Vertragsarztrecht anerkannt. Dort trifft den Vertragsarzt eine Darlegungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensatorische Einsparungen (vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 Rn 378). Solche Umstände muss der Arzt spätestens im Widerspruchsverfahren geltend machen. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht hat er die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen anzugeben; Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, sind unberücksichtigt zu lassen (Clemens in jurisPK-SGB V, § 106 Rn. 196, 197 mwN). Die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien im Vertragsarztrecht einen Beurteilungsspielraum haben und deshalb einzelfallbezogene Umstände, die nicht Gegenstand des Verwaltungs- bzw Widerspruchsverfahrens waren und den Prüfungsgremien nicht bekannt sind, regelmäßig unberücksichtigt bleiben müssen.
Einen vergleichbaren Beurteilungsspielraum gibt es im Rahmen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht. Dennoch gelten nach dem Urteil des BSG vom 12.12.2012 (B 6 KA 5/12 R, juris Rn 17) entsprechende Substantiierungsanforderungen (vgl dazu LSG Rheinland-Pfalz 6.10.2016 – L 5 KA 30/15), die spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erfüllt sein müssen, auch hier. Danach darf eine Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden, da nur er in der Lage ist, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falls ergeben könnte (BSG 12.12.2012 aaO). Der Senat folgt dem jedenfalls für den Fall, dass – wie vorliegend – folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Es handelt sich um Tatsachen, die der Sphäre des Arztes entstammen und ausnahmsweise eine Abweichung vom Regelfall begründen, 2. Betroffen ist eine Vielzahl von Einzel-EBM (Ä)-Positionen, 3. Es existiert eine einschlägige Regelung, wonach ausdrücklich schon im Abrechnungsverfahren die Angabe der betreffenden Tatsachen erforderlich ist.
Letzteres ist vorliegend in § 6 Abs 2 Satz 2 HVM geschehen, wonach nicht vertretbare Umstände – dh Umstände, die eine Versorgung durch einen Vertragsarzt als nicht vertretbar erscheinen lassen – im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen sind. Dem Umstand, dass sich die Darlegungslast auf nicht vertretbare Umstände im Sinne des § 6 Abs 1 HVM beschränkt und die Fälle einer unmöglichen Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht erfasst sind, kommt entgegen der Auffassung des SG keine entscheidende Bedeutung zu. Dafür, dass in den vorliegend umstrittenen Fällen die Versorgung durch einen Vertragsarzt gänzlich unmöglich war, gibt es keine Anhaltspunkte. Es geht entscheidend darum, ob die Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht vertretbar war; die Fälle der unmöglichen und der nicht vertretbaren Versorgung sind ohnehin nicht trennscharf voneinander abzugrenzen.
Der HVM ist eine Rechtsnorm und ergeht in Form einer Satzung (vgl Engelhard in Hauck/Noftz aaO, § 87b Rn 43). § 6 Abs 2 Satz 2 HVM ist eine Vorschrift, die die Mitwirkungspflicht des Leistungserbringers im vertragsarztrechtlichen Abrechnungsverfahren konkretisiert. Die Konstituierung einer solchen Mitwirkungspflicht – auch mit der Folge, dass der Beteiligte mit nachträglichem Vortrag im Gerichtsverfahren ausgeschlossen ist – hält sich im Rahmen der dem Satzungsgeber eingeräumten Gestaltungsfreiheit (vgl allgemein zu diesem Grundsatz Engelhard aaO Rn 45). Insbesondere darf im HVM auch geregelt werden, welche Begründungen und Unterlagen der Leistungserbringer bei der Abrechnung vorlegen muss, soweit ein Zusammenhang mit der Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung besteht (Engelhard aaO Rn 55 unter Hinweis auf BSG SozR 3 2500 § 85 Nr 32).
Hiernach durfte die Klägerin zwar auch im Widerspruchsverfahren noch entsprechende Tatsachen darlegen (vgl BSG 12.12.2012 aaO), nicht jedoch erst im an-schließenden Gerichtsverfahren. Umstände, die den Ansatz der in Rede stehen-den EBM (Ä)-Nummern rechtfertigen könnten, hat die Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht vorgebracht. Eine ICD-10-Diagnose und die Behauptung der dringenden Behandlungsbedürftigkeit reichen regelmäßig nicht aus, um die Notwendigkeit einer Notfallleistung zu begründen. Vielmehr hätte die Klägerin für jeden einzelnen Fall die Notwendigkeit einer Notfallleistung speziell begründen müssen. Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin lediglich behauptet, es habe sich um Notfälle im Sinne des Landesvertrages nach § 115 Abs 2 Nr 3 SGB V gehandelt, ohne weitere Angaben dazu zu machen. Dies war keinesfalls ausreichend, um das Substantiierungserfordernis zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden
Entgegen der Auffassung des SG kann der Beklagten nicht angelastet werden, dass sie die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Substantiierung spätestens im Widerspruchsverfahren nicht aufmerksam gemacht und ihr hierfür keine Frist gesetzt hat. Die Beklagte hat im Bescheid vom 14.8.2014 ausdrücklich ausgeführt, dass "nicht vertretbare Umstände", die eine Behandlung durch Vertragsärzte währen der Sprechstundenzeit ausschließen, "im Rahmen der Abrechnung gesondert darzulegen" seien und auf die Regelung in § 6 Abs 2 Satz 2 HVM hingewiesen. Damit hatte die Beklagte ihrer Hinweispflicht Genüge getan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved