L 5 KR 100/05

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 8 KR 159/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 100/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von kapitalisierten Versorgungsbezügen.

Der 1943 geborene Kläger war Geschäftsführer der Firma MDM-M mbH R B GmbH & Co. KG (MDM). Bestandteil seines Arbeitsvertrages waren 1989 und 1992 abgeschlossene Versorgungszusagen mit einem Anspruch auf Alters- und Witwenversorgung grundsätzlich ab Vollendung des 63. Lebensjahres und dem Ausscheiden aus dem Dienst, bei Vorlage eines Rentenbescheides auf Verlangen auch vorher (Nr. 2 der Versorgungszusagen). Unter Ziff. 4 enthalten die Versorgungszusagen folgende Abrede:

"Anstelle der vereinbarten Rentenleistung nach Ziffer 1 oder 2 kann eine einmalige Kapitalleistung erfolgen. Die Höhe der Kapitalleistung ergibt sich aus den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik und entspricht dem Barwert der Rentenverpflichtungen."

Ab 1. März 2003 erhielt der Kläger eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) und daneben monatliche Versorgungsbezüge aus der Versorgungszusage in Höhe von 2.096,30 EUR. Hiervon führte die MDM entsprechend dem an sie gerichteten Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab. Mit Bescheid vom selben Tag regelte die Beklagte die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge gegenüber dem Kläger. Im Dezember 2003 teilte die MDM der Beklagten telefonisch den Wunsch des Klägers zur Kapitalauszahlung mit und fragte nach der "Verbeitragung". Mit Schreiben vom 8. Januar und 16. Februar 2004 teilte die MDM der Beklagten mit, dass der Kläger sie mit Schreiben vom 17. Januar 2003 über die Rentenzahlung ab März 2003 informiert habe. Ihr gegenüber habe der Kläger seinen Wunsch geäußert, anstelle einer monatlichen Rentenzahlung eine Barabfindung zu realisieren. Daraufhin sei mit der Dezemberabrechnung 2003 der Gesamtbetrag von 324.115,01 EUR ausgezahlt worden. Mit Bescheid vom 19. Februar 2004 (Bl. 16) setzte die Beklagte unter Hinweis auf § 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) die monatlichen Beiträge für die Krankenversicherung auf 134,14 EUR und für die Pflegeversicherung in Höhe von 36,48 EUR ab 1. Dezember 2003 fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch (gemeint: Widerspruch) ein. Ihm sei die Möglichkeit der Barabfindung seiner Altersversorgung bereits 1989 in seinem Arbeitsvertrag zugesagt worden, frühestens ab 1. März 2003. Das habe er 2003 realisiert und eine vorläufige Rentenregelung ab 1. März 2003 rückabgewickelt. Damit bestehe keine Beitragspflicht. Er bitte um Rücküberweisung der bisher gezahlten Monatsbeiträge und verweise auf eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2004 wies die für die Kranken- und Pflegekasse gemeinsame Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Der Kläger habe erst nach Auszahlung der monatlichen Altersvorsorge von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht und um Barabfindung des Restbetrages gebeten. Damit sei die Barabfindung an die Stelle der bisherigen Versorgungsbezüge und der Beitragspflicht getreten. Auch der vorgelegten Pressemitteilung sei nichts anderes zu entnehmen. Dort sei vielmehr erläutert, dass Beitragsfreiheit nur bestehe, wenn die Einmalzahlung von vornherein bei Abschluss eines Vertrages vereinbart worden sei.

Der Kläger hat am 15. November 2004 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung vorgetragen: Nach Erreichen der Altersgrenze habe er mit dem Arbeitgeber über die Kapitalabfindung verhandelt. Nachdem er zunächst unter Vorbehalt monatliche Leistungen entgegengenommen habe, sei ihm mit Schreiben der MDM vom 10. Dezember 2003 die Kapitalabfindung bewilligt worden. Netto habe er am 30. Dezember 2003 einen Betrag von 213.274,00 EUR erhalten. Bei ihm liege nicht der von der Beklagten unterstellte Umwandlungsfall vor, weil die Versorgungszusage von vornherein die Möglichkeit einer Kapitalabfindung vorgesehen habe. Er, der Kläger, habe auch nicht nachträglich die Kapitalisierung gewählt. Vielmehr habe er von dem Erreichen der Altersgrenze an in Verhandlungen mit seiner Arbeitgeberin gestanden, in denen es insbesondere um die Absicherung der monatlichen Rentenleistungen über den Pensionssicherungsverein gegangen sei. Nachdem die Arbeitgeberin einen entsprechenden Nachweis nicht habe liefern können, habe er sich für die Kapitalabfindung entschieden. Zwar seien in der Zwischenzeit Monatsbeiträge gezahlt worden. Gleichwohl handele es sich nicht um die nachträgliche Umwandlung eines Rentenanspruchs, sondern um seine originäre Entscheidung bei Eintritt des Versicherungsfalls. Hilfsweise mache er geltend, dass die Beiträge ihrer Höhe nach nicht richtig berechnet worden seien.

Die Beklagte hat zur Begründung auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. August 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Gegen das ihm am 20. Oktober 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am Montag, den 21. November 2005. Zur Begründung trägt er ergänzend vor: Das Sozialgericht habe sich mit seinen Argumenten nicht näher befasst. Die Versorgungszusage habe in Ziff. 4 die Möglichkeit enthalten, die Rentenleistung durch eine einmalige Kapitalleistung zu ersetzen. Danach ständen Rente und Kapitalleistung als gleichberechtigte Alternativen nebeneinander. Damit habe er bereits am 1. Juli 1992 die Zusage einer Kapitalleistung erhalten. Er habe nach Erreichen der Altersgrenze die monatlichen Leistungen unter Vorbehalt erhalten. Bereits mit der Klageschrift habe er deutlich gemacht, dass in seinem Fall gerade keine Umwandlung vorliege. Er habe nicht über Rentenansprüche, sondern allgemein über einen Versorgungsanspruch, der nach seiner Wahl durch monatliche Renten oder eine Kapitalleistung zu erfüllen gewesen sei, verfügt. Er habe sich für die Kapitalleistung entschieden, die von vornherein Bestandteil der Zusage gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. August 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Zutreffend hat darin die Beklagte die Beitragspflicht hinsichtlich der kapitalisierten Versorgungsbezüge bestimmt.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten die grundsätzlich bestehende Beitragspflicht der an den Kläger zunächst gezahlten Versorgungsbezüge aus der entsprechenden Versorgungszusage mit seinem Arbeitgeber. Diese folgt aus § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, wonach als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) u. a. Renten der betrieblichen Altersversorgung gelten. Rechtsgrundlage für die hier streitige Beitragspflicht der dem Kläger gezahlten Kapitalabfindung ist § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Nach dieser Vorschrift in ihrer Fassung bis 2003 ist eine an die Stelle der Versorgungsbezüge tretende nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung beitragspflichtig. In dem Fall gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Diese Voraussetzungen erfüllt entgegen der Auffassung des Klägers die mit der Dezemberabrechnung 2003 von der MDM an ihn gezahlte Kapitalabfindung. Denn sie ist dem Kläger als einmalige Leistung gezahlt worden und ersetzte die ihm zunächst aus dem Versorgungsvertrag gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge. Letztere waren ihm als originäre Leistungen aus der Versorgungszusage ab März 2003 erbracht worden. Erst nachdem sich der Kläger danach zur Kapitalisierung entschlossen hatte, zahlte ihm die MDM den Kapitalbetrag und (er)setzte damit, wie in den Versorgungszusagen vorgesehen, die Kapitalleistung "anstelle der vereinbarten Rentenleistungen". Diese zeitliche Reihenfolge, zunächst Zahlung der Versorgungsbezüge und anschließend die Zahlung der Kapitalleistung, ist der in Auslegung durch das BSG (SozR 3-2500 § 129 Nr. 10) typische in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V vorgesehene Fall, dass die nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung an die Stelle der Versorgungsbezüge tritt.

Dass die Möglichkeit einer Kapitalabfindung in der Versorgungszusage von vornherein vorgesehen war und er, der Kläger, nach seinem Vortrag mit Erreichen der Altersgrenze in Verhandlungen mit seiner Arbeitgeberin hinsichtlich der Kapitalisierung gestanden habe, ändert an der Beitragspflicht der Kapitalleistung nichts. Denn solange sich der Kläger hinsichtlich der möglichen Kapitalabfindung nicht ausdrücklich entschieden hatte, war seine Arbeitgeberin zur Rentenzahlung aus der Versorgungszusage verpflichtet und war die MDM dieser Verpflichtung auch durch Zahlung der monatlichen Versorgungsbezüge nachgekommen. Erst durch die Wahl des Klägers änderte sich diese Verpflichtung im Dezember 2003 in den Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Kapitalleistung mit der Dezemberabrechnung.

Der Kläger hatte sich auch nicht bereits vorher für eine Kapitalabfindung rechtswirksam entschieden. Unabhängig davon, dass eine solche rechtswirksame Entscheidung erst mit einer Willenserklärung der MDM gegenüber wirksam geworden wäre, hat der Kläger selbst in der Klageschrift ausgeführt, dass er mit Erreichen der Altersgrenze mit seiner Arbeitgeberin über die Kapitalabfindung "verhandelt" habe. Die Entscheidung für die Kapitalabfindung traf er erst im Dezember 2003 der MDM gegenüber, und damit trat die Kapitalabfindung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V an die Stelle der bis dahin geleisteten Versorgungsbezüge.

Daran ändert sich auch nichts durch die ab 2004 geltenden Neufassung dieser Vorschrift. Durch die Ergänzung um den Halbsatz "oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden" wollte der Gesetzgeber vielmehr die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Lücke in der beitragsrechtlichen Beurteilung von Kapitalabfindungen schließen und damit eine ungerechtfertigte Umgehung verhindern (BT-Drucks. 15/1525 S. 139).

Hinsichtlich der Höhe der festgestellten Beitragspflicht ist die Entscheidung der Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit bestimmt § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, dass 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge gilt. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die eine Reduzierung nicht vorsieht und von der Beitragspflicht des Zahlbetrages ausgeht. Für die vom Kläger im Klageverfahren geäußerte Auffassung, dass Beiträge nach der fiktiven monatlichen Rente zu berechnen seien, die sich ohne die nachträgliche Umwandlung ergeben hätte, findet sich im Gesetz keinerlei Anhalt.

Dass dem Kläger netto ein geringerer Betrag als Kapitalleistung ausgezahlt wurde als die von der Beklagten zu Grunde gelegten 324.115,01 EUR, ist im Hinblick auf das Bruttoprinzip unerheblich.

Die Beklagte war auch befugt, die Beitragspflicht ab Auszahlung der Barabfindung im Dezember 2003 festzusetzen. Insbesondere stehen einer solchen rückwirkenden Festsetzung der Beitragspflicht nicht die §§ 44 ff. des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) und hier insbesondere § 48 SGB X entgegen. Zwar hatte die Beklagte mit Bescheid vom 7. August 2003 die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen gegenüber dem Kläger bestimmt. Dies geschah jedoch nicht in Form der Festsetzung bestimmter Beiträge, sondern vielmehr dahingehend, dass die Beitragspflicht grundsätzlich hinsichtlich der erbrachten Versorgungsbezüge festgesetzt und der Beitragssatz von 6,25 % mitgeteilt wurde. Den gleichen Beitragssatz legte die Beklagte auch in ihrem Bescheid vom 19. Februar 2004 hinsichtlich der Beitragspflicht aus der Abfindung zu Grunde. Außerdem wurde mit Beendigung der ab März 2003 gezahlten Versorgungsbezüge die Beitragsfestsetzung im Bescheid vom 7. August 2003 hinfällig. Damit handelte es sich bei der Festsetzung durch den Bescheid vom 19. Februar 2004 nicht um eine Abänderung des Bescheides vom 7. August 2003, sondern vielmehr um eine erstmalige Beitragsfestsetzung hinsichtlich der Kapitalabfindung, für die ein Vertrauensschutz nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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