Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 15 KA 3/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 24/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ärzte für Anästhesie sind nicht allgemein von der Abrechenbarkeit von Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä (Erhebung der Fremdanamnese) ausgeschlossen.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 1. Dezember 2004 aufgehoben und der Bescheid der Be- klagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für das Quartal III/01 die nach der Nr. 19 EBM-Ä abgerechneten Leistungen nachzuvergüten. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal III/01 zu Recht eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung der Nr. 19 (Erhebung der Fremdanamnese) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) vorgenommen und das Honorar entsprechend reduziert hat.
Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in G zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 15. März 2001 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass der prozentuale Anteil der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä bei ihm bei 44,4 %, bei der Vergleichsgruppe bei 2 % liege; möglicherweise werde die Leistungslegende von dem Kläger fehl interpretiert. Es folgte eine Beschreibung der Voraussetzungen der Leistungslegende. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich an seinem Abrechnungsverhalten hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä nichts geändert habe und dass deshalb im Quartal II/01 für diese Ziffer, ebenso wie für die Nrn. 63 ff. EBM-Ä eine nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen werde.
Mit Schreiben (Bescheid) vom 9. Januar 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Prüfung der von ihm eingereichten Abrechnungsunterlagen für das Quartal III/01 die Nr. 19 EBM-Ä 61mal unberücksichtigt gelassen werden müsse, außerdem würden die Leistungen nach den Nrn. 63 ff. EBM-Ä (in dem Schreiben im Einzelnen dargelegt; diese Kürzung hat sich inzwischen erledigt) teilweise unberücksichtigt gelassen. Insoweit werde auf das Schreiben vom 5. Oktober 2001 hingewiesen.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä im Wesentlichen vor: Eine Begründung für die Kürzung dieser Ziffer werde nicht gegeben. Soweit in dem Schreiben vom 5. Oktober 2001, auf das verwiesen werde, bemerkt werde, er habe die Nr. 19 EBM-Ä "weit über Fachgruppendurchschnitt abgerechnet", könne dies keine Begründung für eine sachlich-rechnerische Berichtigung sein. Das Schreiben enthalte keinerlei Begründung, weshalb die Leistungslegende nicht erfüllt sein solle.
Die Beklagte leitete daraufhin im Widerspruchsverfahren eine Einzelfallprüfung ein. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er die Abrechnungsscheine jeweils mit einer Vielzahl von Diagnosen versehen habe, die immer sehr stereotyp gehalten seien. Beispielsweise würden "phobische Störungen, Intelligenzminderung, Störung des Sozialverhaltens" und daneben meist zahnärztliche Diagnosen aufgelistet. Im Abrechnungsfeld werde die Nr. 19 EBM-Ä zumeist noch mit "geistige Behinderung" begründet. Ihr Prüfarzt habe in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob die Patienten möglicherweise aus einem Heim für geistig Behinderte stammten. Auch dies unterstellt, habe er dargelegt, dass sich aus den Angaben auf den Behandlungsscheinen dennoch nicht klar erkennen lasse, ob es sich tatsächlich um erheblich kommunikationsgestörte Patienten im Sinne der Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä handele, insbesondere, weil nicht jeder geistig Behinderte automatisch kommunikationsgestört im Sinne der Nr. 19 EBM-Ä sei. In diesem Zusammenhang bat sie den Kläger um nähere Begründung, insbesondere auch durch entsprechende handschriftliche Anmerkungen jeweils direkt auf den ihm in Kopie vorgelegten Scheinen. Der Kläger nahm daraufhin handschriftlich Ergänzungen auf den Abrechnungsbögen vor; insoweit wird auf die Beiakte "SKT" verwiesen.
Die Beklagte ließ die ergänzten Abrechnungsbögen durch ihren Prüfarzt auswerten und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002 zurück. Eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung des zuständigen beratenden Arztes habe ergeben, dass die Nr. 19 EBM-Ä in den beanstandeten Behandlungsfällen nicht habe in Ansatz gebracht werden dürfen. Die genannte Leistungsziffer könne nach Auffassung ihres Vorstandes grundsätzlich nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn es sich um einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Patienten handele und wenn die anamnestischen Daten deshalb bei anderen erhoben werden müssten, weil eine Kommunikation mit dem Kranken selbst aus Krankheitsgründen nicht möglich sei. Dabei müsse eine Verständigung mit dem Patienten ausgeschlossen oder in so erheblicher Weise beeinträchtigt sein, dass der Arzt für eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung zusätzlicher fremdanamnestischer Daten bedürfe. Dabei sei davon auszugehen, dass auch bei psychisch Kranken keinesfalls in allen Fällen die Erhebung einer Fremdanamnese erforderlich sei, sondern nur bei bestimmten Patienten, wenn die Eigenanamnese nicht ausreichende Klarheit bringe. Dies sollte dokumentiert werden, entsprechendes gelte für die Führung der Bezugsperson. Die Dokumentation sollte dergestalt erfolgen, dass sich das Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 19 EBM-Ä bereits aus den Abrechnungsscheinen selbst ergebe. Es sei in diesen Fällen hilfreich, wenn über die aktuelle Diagnose hinaus ein Hinweis auf die psychische oder hirnorganische Erkrankung bzw. die krankheitsbedingte erhebliche Kommunikationsstörung erfolge. Bei den zu prüfenden Behandlungsfällen sei die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Abrechnungsdiagnosen und des abrechnungstechnischen Umfeldes nicht plausibel nachvollziehbar. Es sei trotz Nachfrage unklar geblieben, in welchem Zusammenhang der Kläger die Erhebung der Fremdanamnese für notwendig gehalten habe. Da sich auf den Behandlungsausweisen häufig zahnärztliche Diagnosen fänden und zudem im Zusammenhang mit den mittlerweile zurückgenommenen Abrechnungskorrekturen von ihm vorgetragen worden sei, er führe überwiegend ambulante Narkosen nach der Nr. 463 EBM-Ä bei Operationen von Vertragszahnärzten aus, liege die Vermutung nahe, dass er die Nr. 19 EBM-Ä im Zusammenhang mit der Durchführung bzw. insbesondere Vorbereitung der Narkosen abgerechnet habe. Dafür spreche, dass ganz überwiegend Leistungen an mehreren Behandlungstagen abgerechnet worden seien, am ersten Behandlungstag überwiegend die Kombination der Nrn. 1, 19 und 50 EBM-Ä, am anderen Behandlungstag der Nrn. 2, 50, 462, 463, 90, 490, 63 ff. etc. Auch unter Einbeziehung der nachgereichten ICD-10 Diagnoseangaben ergebe sich kein deutlicheres Bild über das Vorliegen einer erheblichen Kommunikationsstörung. Die nachgereichten Angaben passten häufig nicht zu den "ursprünglichen" Diagnoseangaben. So würden beispielsweise "schwerste Intelligenzminderungen" zu "schweren Intelligenzminderungen" bzw. umgekehrt. Insgesamt scheine der Kläger Intelligenzminderungen verschiedener Schweregrade relativ "beliebig" zu Grunde zu legen. Soweit er möglicherweise Patienten aus Heimen für geistig Behinderte behandelt habe, lägen in derartigen Fällen üblicherweise Anamnesen bzw. Verläufe vor. Außerdem wären Gespräche mit dem Pflegepersonal ohnehin nicht als ausreichend für den Ansatz der Nr. 19 EBM-Ä zu betrachten. Abschließend sei anzumerken, dass es dem Vorstand durchaus zweifelhaft erscheine, inwieweit die Nr. 19 EBM-Ä - als Quartalsziffer - überhaupt regelmäßig von Anästhesisten im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen in Ansatz gebracht werden könne, dies insbesondere, weil nach der Kommentierung die Erhebung der Fremdanamnese notwendig sein müsse, weil der Arzt für eine sachgerechte "Beurteilung und Behandlung" der Erkrankung fremdanamnestischer Angaben bedürfe. Vorliegend werde die zu behandelnde Erkrankung in der Hand des Vertragszahnarztes liegen, nicht jedoch in der Hand des Anästhesisten.
Zur Begründung seiner hiergegen am 6. Januar 2003 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte verkenne, dass er als Facharzt für Anästhesiologie in einer Vielzahl von Fällen von Zahnärzten in Anspruch genommen werde, die sich ihrerseits auf die zahnärztliche Behandlung geistig behinderter Menschen spezialisiert hätten. Auf Grund der geistigen Behinderung würden die zahnärztlichen Behandlungen als ambulante oralchirurgische Operationen in Intubationsnarkose vorgenommen, die er durchführe. Als Narkosearzt müsse er unmittelbar vor der Operation absolut verlässliche Auskünfte über den jeweiligen Patienten erhalten. Da die Patienten diese Auskünfte auf Grund ihrer Behinderung nicht selbst geben könnten, sei er auf die Angaben der Bezugs- bzw. Begleitpersonen angewiesen. Für die Erhebung der Fremdanamnese sei ein erheblicher Mehraufwand an Zeit, Gesprächen und Recherchen erforderlich. Um keinen Narkosezwischenfall hervorzurufen, müsse er wissen, ob der Patient am Vorabend der Operation mit Essen und Trinken aufgehört habe und ob er am Morgen des Operationstages etwas gegessen, getrunken oder Medikamente im Rahmen einer ständigen Medikation mit Wasser heruntergespült habe. Diese Informationen benötige er unmittelbar vor der Operation. Er habe auf sämtlichen ihm von der Beklagten zurückgegebenen Behandlungsausweisen vermerkt, dass es sich bei den Behandlungsfällen um psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörte Kranke gehandelt habe. Auch in Ansehung der Stellungnahme des Prüfarztes der Beklagten, Dr. F , im Rahmen der Einzelfallprüfung sei die Zurückweisung des Widerspruchs nicht nachvollziehbar. Denn Dr. F habe angenommen, dass jedenfalls in 24 Fällen, davon drei Fällen von Trisomie, 19 Fällen von Autismus und zwei Fällen von Demenz die Abrechnung der Ziffer 19 als ausreichend plausibel zu akzeptieren und damit eine Teilabhilfe möglich wäre. Warum sich die Beklagte über die gutachterliche Feststellung ihres Prüfarztes hinweggesetzt habe, sei für ihn nicht nachvollziehbar und werde von der Beklagten auch nicht dargelegt. Der letzte Absatz auf Seite 4 des Widerspruchsbescheides zeuge von einer Unkenntnis seiner Spezialisierung und seiner Behandlungsweise. Die Erhebung der Fremdanamnese sei nicht für den Zahnarzt notwendig, der den Patienten lediglich in den Mund zu schauen brauche um festzustellen, welche Zähne behandlungsbedürftig seien oder nicht. Er selbst sei jedoch wegen der Gefahr von Narkosezwischenfällen auf die Erhebung der Fremdanamnese angewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 aufzuheben und ihm die Ziffer 19 EBM-Ä nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der Prüfarzt Dr. F offenbar nur unter Zurückstellung von Bedenken in 24 Fällen den Ansatz der Nr. 19 EBM-Ä bei den Diagnoseangaben Trisomie, Autismus und Demenz noch für ausreichend plausibel gehalten habe; ihr Vorstand habe sich dieser Einschätzung nicht anschließen können. Er vertrete die in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid bereits dargestellte Auffassung, dass es zweifelhaft sei, inwieweit die Nr. 19 EBM-Ä als Quartalsziffer überhaupt regelmäßig von Anästhesisten im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen in Ansatz gebracht werden könne. Entsprechend werde im Kölner Kommentar zur Nr. 19 EBM-Ä vorausgesetzt, dass die Erhebung der Fremdanamnese notwendig sein müsse für eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung der Erkrankung. Zwar möge es möglich sein, dass zur Vorbereitung einer Operation auch bestimmte lebensgeschichtliche und soziale Daten durch Befragung anderer Personen aus dem Interaktionsfeld des Patienten erhoben würden. Ein Gespräch dieses Inhaltes würde allerdings mit dem Operateur und nicht mit dem Anästhesisten geführt werden. Im Übrigen sei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 11/02 R - hinzuweisen, in der u. a. dargelegt sei, die Zielsetzung der Leistung nach Nr. 19 EBM-Ä, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar sei. Die von dem Kläger beschriebene Erörterung mit den Bezugs- bzw. Begleitpersonen der Patienten erfülle diese Voraussetzungen ihrer Auffassung nicht. Soweit der Kläger betone, er benötige unmittelbar vor der Operation Auskunft über die Nahrungsaufnahme durch den Patienten, sei dieses wohl kaum mit der Erhebung von lebensgeschichtlichen und sozialen Daten im Sinne des Leistungsinhaltes der Nr. 19 EBM-Ä gleichzusetzen. Im Übrigen sei vor dem Hintergrund dieses Vorbringens nicht nachvollziehbar, warum die Nr. 19 EBM-Ä nicht am Operationstag, sondern häufig ein bis zwei Tage vorher abgerechnet worden sei. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass das Praxisbudget des Klägers nahezu ausgeschöpft worden sei; lediglich in 14 Fällen wäre eine Nachvergütung der Leistung nach der Nr. 19 EBM-Ä überhaupt faktisch möglich.
Der Kläger hat dem entgegengehalten, die von der Beklagten vertretene Auffassung, es sei fraglich, ob Anästhesisten überhaupt die Nr. 19 EBM-Ä in dem genannten Zusammenhang abrechnen könnten, habe keine Grundlage im EBM selbst, da diese Leistungsziffer von allen Ärzten in Ansatz gebracht werden dürfe. Die von der Beklagten vertretene Auffassung hätte zudem die Konsequenz, dass er die Patienten am Morgen des Operationstages zuerst nüchtern zu einem Arzt schicken müsste, der berechtigt sei, die Nr. 19 EBM-Ä abzurechnen, wie z.B. der Kinderarzt oder der Hausarzt. In ländlichen Regionen würde dies zu einer erheblichen Zeitverzögerung führen, überdies zu Mehrkosten, weil der Haus- oder Kinderarzt zusätzlich zu der Fremdanamnese den ärztlichen Befundbericht, das Konsil und die Untersuchung berechne.
Das Sozialgericht hat die Klage nach mündlicher Verhandlung durch Urteil vom 1. Dezember 2004 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger bei der Narkosebehandlung bei den Zahnärzten, so wie er es beschrieben habe, mit erheblich kommunikationsgestörten Patienten gearbeitet habe. Die von ihm genannten Diagnosen, untermauert durch die Schwierigkeiten der Kommunikation, die er in der mündlichen Verhandlung beschrieben habe, seien durchaus geeignet, die Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä zu erfüllen. Es sei auch nicht erstaunlich, dass der Kläger insoweit weit über der Fachgruppe liege, da gerade oder nur er offenbar besonders stark von Zahnärzten bei der Behandlung von geistig und hirnorganisch Behinderten mit erheblicher Kommunikationsstörung in Anspruch genommen werde. Die Kammer habe auch keinen Zweifel, dass der Kläger in solchen Fällen auf fremdanamnestische Angaben angewiesen sei. Allerdings sei sie der Auffassung, dass der Kläger als Anästhesist bei der hier genannten Tätigkeit, nämlich Durchführung von Narkosen bei Zahnärzten, die Nr. 19 EBM-Ä überhaupt nicht abrechnen könne. Zwar sei diese Leistung von Ärzten aller Fachgebiete abzurechnen, soweit diese überhaupt für die in der Legende genannten Krankheitskomplexe zuständig seien. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn ein Arzt einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer - regelmäßig dauerhaften - erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und evtl. Veränderungen in seinem Gesundheitszustand keine Angaben machen könne. Das BSG habe in dem Urteil vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 11/02 R - entsprechend entschieden und weiter ausgeführt, dass mit der Nr. 19 EBM-Ä der Mehraufwand abgegolten werden solle, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue. Zwar sei der dort entschiedene Fall bezogen auf die Erhebung der Nr. 19 EBM-Ä im Notarztwagendienst ergangen, die Kammer sehe aber hier einen Zusammenhang auch mit der Durchführung von Narkosen, da diese regelmäßig keine kontinuierliche Behandlung und Betreuung des Kranken seien. Anders wäre es - und deshalb könnten selbstverständlich auch Fachärzte für Anästhesie grundsätzlich die Nr. 19 EBM-Ä abrechnen - wenn eine kontinuierliche Behandlung durchgeführt werde (z.B. Schmerztherapie oder anderes). Das BSG habe weiter ausgeführt, dass die Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, dadurch verdeutlicht werde, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar sei.
Gegen das ihm am 10. Januar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Februar 2005 Berufung eingelegt. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Erhebung der Fremdanamnese durch den Anästhesisten unmittelbar vor einer Operation bei einem der genannten Patienten wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Insbesondere verweist er auf die Entschließung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zur Qualitätssicherung in der ambulanten Anästhesie. Danach müsse das Anästhesieverfahren dem Facharztstandard entsprechen. Dazu gehöre auch präoperativ die Erhebung einer rechtzeitigen, aktuellen Anamnese eines Anästhesisten. Er sei schon aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen, die fremdanamnestischen Daten selbst zu erheben und könne nicht darauf verwiesen werden, auf die von fachfremden Kollegen erhobenen Befunde zu vertrauen. In einem Haftpflichtprozess würde ihm im Zweifel vorgehalten werden, dass er die für die Anästhesie notwendigen Befunde nicht selbst erhoben, sondern einem fachfremden Arzt vertraut habe. Unzutreffend sei die Auffassung des Sozialgerichts Kiel aber, soweit es ihn als Anästhesisten von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen seiner Tätigkeit - Narkosen bei Zahnärzten - ausschließe. Aus dem Urteil des BSG könne dies nicht abgeleitet werden. Zu Grunde gelegen habe hier der Fall einer Behandlung durch einen Arzt im Notarztwageneinsatz. Diese Behandlung unterliege völlig anderen Kriterien als eine lange vorher geplante Narkose für eine zahnärztliche Behandlung, bei der sich der Patient weder in Lebensgefahr befinde noch schwere Schäden davon trage, wenn er nicht unverzüglich medizinisch versorgt werde. Soweit das Sozialgericht eine kontinuierliche Behandlung und Betreuung von Kranken für die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä voraussetze, könne dem schon deswegen nicht gefolgt werden, weil diese Auffassung faktisch zum Ausschluss von Anästhesisten führe, die, wie er, nur Narkosen und keine Schmerzbehandlungen durchführten. Zum anderen ziehe sich die zahnärztliche Behandlung gerade im Bereich der Prothetik und der Kieferorthopädie, aber auch bei der Parodontosebehandlung über eine Vielzahl von Quartalen hin, so dass es nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass hier das Merkmal "kontinuierlich", wie es das BSG in der genannten Entscheidung herausgestellt habe, vorliege. Er sehe seine Patienten in der Regel dreimal im Quartal. Sei z. B. an einem Freitag eine Operation geplant, erfolge der erste Kontakt mit dem Patienten am Montag mit einem Vorgespräch, in dem festgestellt werde, welche Laborwerte und welche Verhaltensmaßnahmen erforderlich seien. Am Donnerstag würden in einem weiteren Arzt-Patienten-Kontakt eventuell noch auftretende Fragen der Begleitperson/Betreuer geklärt und besprochen. Am Freitag erfolge dann die Narkosevorbereitung, in der nochmals aktuelle Befunde erhoben und die Begleitpersonen befragt würden. Am Operationsabend erfolge schließlich ein Kontrollgespräch mit den Betreuern bzw. Begleitpersonen um sicherzustellen, dass postoperativ keine Komplikationen aufgetreten seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 1. Dezember 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Quartal III/01 die Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä nachzuvergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Der Hinweis des Klägers auf den Umstand, dass er von Zahnärzten für den selben Patienten von Quartal zu Quartal für Narkoseleistungen in Anspruch genommen werde und bei jeder Narkose desselben Patienten eine Anamnese erheben müsse, sei nicht geeignet, die auch vom BSG geforderte kontinuierliche Betreuung eines Patienten zu begründen. Von einer solchen sei vielmehr nur dann auszugehen, wenn die kontinuierliche Betreuung auch innerhalb des Quartals erfolge. Die von dem Kläger angeführten Vorgespräche, auch wenn diese an drei verschiedenen Tagen vor der Operation erfolgten, stellten allgemeine Aufklärungsgespräche dar, wie sie Bestandteil jeder Anästhesie- bzw. Operationsleistung seien und könnten nicht gesondert abgerechnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Sie ist insbesondere nicht gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da 61 mit jeweils 500 Punkten bewertete Leistungen im Streit sind. Ausgehend von einem Quartalspunktwert von unterstellt 6 Pfennig – diesen haben die Beteiligten in dem Termin bei dem Sozialgericht zugrunde gelegt ist ein Betrag von 1.830,00 DM (gerundet 936,00 EUR) und damit mehr als 1000 DM (500 EUR) im Streit. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die angefochtenen Bescheide rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da er – dem Grunde nach – Anspruch auf höhere Vergütung für das Quartal III/01 unter Berücksichtigung der von ihm nach der Nr. 19 EBM-Ä erbrachten Leistungen hat.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626). Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten - abrechnungsfähigen - Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu. Das Nähere zu Inhalt und Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen ist im EBM-Ä bestimmt, an dessen Vorgaben die KÄV bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilung gebunden ist (BSG, Urt. vom 22.Juni 2005 - B 6 KA 80/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 10 m. w. Nachw. zur Rspr.)
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die hier allein streitige Abrechnung von Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä sowohl im Allgemeinen als auch hinsichtlich der konkreten Art der Leistungserbringung und der Dokumentation derselben.
Die Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä lautet wie folgt:
"Erhebung der Fremdanamnese, ggf. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall."
Die Leistung nach Nr. 19 ist neben der Leistung nach Nr. 846 und in demselben Behandlungsfall nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 840 und 847 berechnungsfähig."
Weitere Ausschlusstatbestände, insbesondere bezogen auf bestimmte Arztgruppen, sind in der Leistungsbeschreibung zu Nr. 19 EBM-Ä nicht genannt. Sie ergeben sich auch nicht aus der Präambel des EBM-Ä zu "B II" "Beratungs -und Betreuungsgrundleistungen". Für die Nr. 19 EBM-Ä findet sich hier keinerlei einschränkende Regelung. Demnach gibt allein der Wortlaut der Nr. 19 EBM-Ä einschließlich der hierzu vorgegebenen Abrechnungsbeschränkungen keinen Hinweis darauf, dass bestimmte Arztgruppen generell von der Abrechnung dieser Leistungsziffer ausgeschlossen sind (ebenso für einen Hautarzt, Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – MedR 2000, 345).
Die Grenzen für die Heranziehung weiterer Kriterien neben dem Wortlaut bei der Anwendung des EBM sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eng. Für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen ist danach in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegenden maßgeblich, da das vertragliche Regelungswerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen dient und es in erster Linie Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende erfolgen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (BSG, Urt. vom 16 Mai 2001 - B 6 KA 20/00 R - BSGE 88, 126, juris Rz. 20 mit zahlreichen Nw. zur Rspr.). Nichts anderes kann für eine einengende Auslegung der Gebührenordnung gelten. Allerdings hat das BSG eine solche Auslegung der Nr. 19 EBM-Ä bezogen auf einen Notarzt im Rettungsdienst vorgenommen. In dem Urteil vom 5. Februar 2003 (- B 6 KA 11/02 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 1) ist dargelegt, für ärztliche Leistungen im Notarztwagendienst sei die Erhebung der Fremdanamnese über einen kommunikationsgestörten Patienten nach Nr. 19 EBM-Ä nicht berechnungsfähig. Die Begründung der Entscheidung ist auf mehrere Argumente gestützt, zunächst auf den Begriff "Fremdanamnese" i. S. dieser Position des Leistungsverzeichnisses, die die Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des betroffenen Patienten durch Befragung anderer Personen aus seinem Interaktionsfeld unter Einbeziehung der Erfahrungen und Beobachtungen, die die Befragten mit dem Kranken gemacht haben, umfasst. Die Fremdanamnese bei kommunikationsgestörten Patienten solle dem Arzt die Information verschaffen, die er für die sachgerechte Beurteilung und Behandlung der Erkrankung benötige, von dem betroffenen Patienten wegen dessen Kommunikationsstörung aber nicht erhalten könne. Deshalb sei der Kreis der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden könne, auf solche aus dem Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. In Betracht kämen Ehepartner bzw. Angehörige, soweit erforderlich ergänzend auch der Arbeitgeber und Arbeitskollegen. Bei dem dargestellten Verständnis der Leistungslegende sei die Nr. 19 EBM-Ä von vornherein nicht berechnungsfähig, wenn der Arzt im Notarztwageneinsatz Personen befrage, die den Patienten nicht kennten und allenfalls darüber Angaben machen könnten, wie es ggf. zu einem Unfall gekommen sei, in dessen Folge der Patient gesundheitlich geschädigt worden sei bzw. in welchem äußeren Zustand sie den Patienten etwa nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall an einem bestimmten Ort angetroffen hätten. Die Erhebung derartiger Informationen erfülle nicht den Tatbestand der umfassenden Datenerhebung über eine kommunikationsgestörte Person, wie er in Nr. 19 EBM-Ä angesprochen sei. Für die im Rahmen des Rettungsdiensteinsatzes zu treffenden ärztlichen Entscheidungen bedürfe es regelmäßig nicht der Erhebung der umfassenden Fremdanamnese. Da bereits diese Erwägungen die das Berufungsurteil bestätigende Entscheidung des BSG in vollem Umfang tragen würden, entnimmt der Senat den sich anschließenden allgemeinen Erwägungen zur "Abrechenbarkeit dieser Leistung bei der Erhebung von Daten" im Rahmen des Notarztwagendienstes keine über den entschiedenen Fall hinaus gehende einschränkende Interpretation der Nr. 19 EBM-Ä. In dieser Passage (juris Rz. 16), auf die die Beklagte sich im Wesentlichen beruft, legt das BSG dar, die systematische Stellung der Nr. 19 EBM-Ä im Kontext von anderen Beratungs- und Betreuungsleistungen stehe ebenfalls der Abrechenbarkeit der Leistung bei der "Erhebung von Daten" entgegen. Eine solche systematische Interpretation sei in der Rechtsprechung des Senats ergänzend zu einer Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende statthaft, soweit eine Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorgenommen werde. Mit der Nr. 19 EBM-Ä solle der Mehraufwand abgegolten werden, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer – regelmäßig dauerhaften – erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal im Quartal) abrechenbar sei. Auch die amtliche Anmerkung, neben der Leistung nach Nr. 19 seien die Leistungen nach Nr. 840, 846 bzw. 847 EBM-Ä unter bestimmten Voraussetzungen nicht berechnungsfähig, weise auf den Zusammenhang zwischen Erhebung der Fremdanamnese und der Psychopathologie hin. Die beschriebenen Abrechnungsausschlüsse bezögen sich auf Leistungspositionen im Rahmen der psychiatrischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen und gälten den Aufwand ab, der dem Arzt entstehe, weil er längere Beratungs- bzw. Anleitungsgespräche mit den Bezugspersonen von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen führen müsse. Damit sei eine Behandlungssituation angesprochen, die mit der ärztlichen Aufgabenstellung im Notarztwageneinsatz keine Berührungspunkte habe.
Diese Ausführungen lassen sich nach Auffassung des Senats nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Zum einen liegt es nicht nahe, dass das BSG mit den vorstehenden Ausführungen allgemeingültige, einschränkende Kriterien für die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä aufstellen wollte, schon weil, wie dargelegt, die Voraussetzungen der Erhebung einer Fremdanamnese ohnehin nicht erfüllt waren. Im Übrigen spricht die wiederholte Erwähnung der "Erhebung von Daten" dafür, dass das BSG nur seine zuvor dargelegte Auffassung, wonach das bloße Erfragen der genauen Umstände der aktuellen zu dem Notfalleinsatz führenden Umstände, zumal ggf. bei zufällig anwesenden Passanten, nicht den Begriff der "Fremdanamnese" ausfülle, weiter untermauern wollte. Eine darüber hinausgehende Bedeutung misst der Senat dem genannten Urteil auch deshalb nicht bei, weil die Grundvoraussetzungen, die das BSG selbst in ständiger Rechtsprechung für die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien angenommen hat, hier nicht vorliegen. Insbesondere ist ein unklarer, interpretationsbedürftiger Wortlaut hier nicht gegeben. Vorausgesetzt wird in der Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä vielmehr lediglich die Erhebung der Fremdanamnese, was vom Wortsinn her nichts weiteres voraussetzt als die Erhebung der Anamnese, dies jedoch in Abweichung vom Regelfall nicht durch ein Gespräch mit dem Patienten selbst, sondern mit Personen, die aus seinem familiären Umfeld stammen und die hierüber Auskunft geben können. Der Begriff "Anamnese" ist im "Pschyrembel", Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004, wie folgt beschrieben: "Krankengeschichte, Art, Beginn und Verlauf der aktuellen Beschwerden, die im ärztlichen Gespräch mit dem Kranken (Eigenanamnese) und dessen Angehörigen (Fremdanamnese) erfragt werden; neben der aktuellen Anamnese lassen sich die frühere, allgemeine, spezielle, soziale, biographische und familiäre Anamnese erheben; in der Allgemeinmedizin meist nur Erhebung einer gezielten Kurzanamnese besonders unter Berücksichtigung abwendbarer gefährlicher Verläufe schwerer Krankheiten in Umgang mit überwiegend leichten Befindlichkeitsstörungen. Demnach beinhaltet Begriff der Erhebung der Anamnese eher ein punktuelles als ein - quartalsbezogen - kontinuierliches Geschehen. Die Erhebung der Anamnese dürfte daher nicht selten, vielleicht sogar typischerweise, auch bei Ärzten, die einen Patienten kontinuierlich behandeln, innerhalb eines Quartals im Rahmen nur eines Arzt-Patientenkontakts erfolgen. Wollte man, wie es die Beklagte aus dem o. g. Urteil des BSG ganz allgemein ableitet, in jedem Fall eine kontinuierliche Betreuung voraussetzen und diese nur annehmen, wenn innerhalb eines Quartals mehrere Arzt-Patientenkontakte stattfinden, so mag dies zwar mit der Überschrift des Abschnitts B II "Beratungs- und `Betreuungs´grundleistungen" übereinstimmen, nicht hingegen dem weiteren systematischen Kontext mit den Vorgaben für die Abrechnung anderer Leistungsziffern dieses Abschnitts. So ist z. B. in der Leistungslegende der Nr. 20 EBM-Ä ausdrücklich der Begriff der "Betreuung" enthalten; eine "kontinuierliche" Betreuung wird auch in den Leistungsbeschreibungen der Nrn. 14, 15, 16 EBM-Ä ausdrücklich vorausgesetzt. Zum anderen ist nach der Präambel zu "B II" hinsichtlich der Nrn. 14, 15 und 20 EBM-Ä erforderlich, dass mindestens 5 Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall stattfinden. Eine derartige Vorgabe, auch bezüglich einer bestimmten Anzahl von Arzt-Patienten-Kontakten im Behandlungsfall, findet sich, wie eingangs dargelegt, für die Nummer 19 EBM-Ä gerade nicht. Im Übrigen sind auch andere Quartalsziffern unabhängig davon abrechenbar, wie viele Arzt-Patienten-Kontakte in einem Quartal stattfinden. Dies gilt insbesondere für die Ordinationsgebühr nach Nr. 1 EBM-Ä, die je nach Patient und Arztgruppe in dem streitigen Quartal mit bis zu 555 Punkten bewertet wurde. Es kommt hinzu, dass ein Anästhesist, anders als der Arzt im Notarztwagendienst, über die kurzfristige Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen hinaus selbst eine Behandlung des Patienten vornimmt. Der Senat hält die Ausführungen des Klägers in jeder Hinsicht für nachvollziehbar, soweit er darlegt, der Anästhesist sei für seine Behandlung auf eine sorgfältige Anamnese angewiesen. Die Behandlung durch den Anästhesisten ist zwar keine auf Dauer angelegte, jedoch dafür eine punktuell besonders einschneidende Behandlung (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, bis zur 257. Aufl. 1994, unter "Narkose", drucktechnisch besonders hervorgehoben: "Jede Narkose stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Körperintegrität dar."). Anders als bei einem Arzt im Notarztwagendienst ist bei einem Anästhesisten davon auszugehen, dass er bei den von der Nr. 19 EBM-Ä erfassten Patienten die mit dieser Leistungsziffer abgegoltene Leistung zwingend erbringen muss, sofern sie nicht bereits zuvor von einem anderen Arzt erbracht wurde. Letzteres ist hingegen keine Frage der generellen Erforderlichkeit einer Anamneseerhebung durch einen Anästhesisten, sondern eine Frage der Erforderlichkeit der Leistung im Einzelfall, die für die Frage, ob Anästhesisten generell von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ausgeschlossen sind, ohne Bedeutung ist.
Nach Auffassung des Senats folgt deshalb weder aus dem Wortlaut noch aus der Heranziehung weiterer Kriterien einschließlich des Urteils des BSG vom 5. Februar 2003 (a. a. O.) ein Abrechnungsausschluss bezüglich der Nr. 19 EBM-Ä für Anästhesiologen im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen.
Die Leistung nach der Nr. 19 EBM–Ä ist auch nicht bereits durch andere Leistungsziffern mit abgegolten. Den Leistungsbeschreibungen zu den Narkoseziffern des EBM-Ä (vor allem Nr. 462, 463, die der Kläger abgerechnet hat) ist nichts zu entnehmen, was darauf hindeutet, dass die Anamneseerhebung vor der Leistung hiervon bereits umfasst wäre. Auch ist der Präambel zum Abschnitt "D" nicht zu entnehmen, dass von den Leistungen dieses Abschnitts bestimmte Leistungen des Abschnittes "B" bereits umfasst wären. Geregelt ist lediglich, dass die Verabfolgung von Medikamenten zur Vorbereitung und Durchführung der Anästhesie/Narkose Bestandteil der Anästhesie-/Narkoseleistung ist und als Anästhesie-/Narkosedauer die Zeit von der Applikation des Anästhetikums/Narkosemittels bzw. bei Regionalanästhesie vom Eintritt der vollständigen Anästhesiewirkung bis zehn Minuten nach der Beendigung des Eingriffs gilt.
Der Kläger erfüllt auch die weiteren Abrechnungsvoraussetzungen für die Leistung nach Nr. 19 EBM-Ä. Voraussetzung ist nach der Leistungslegende, wie dargelegt – nur -, dass der Kläger die Fremdanamnese erhoben hat, d. h. sich die für seine Behandlung erforderlichen Erkenntnisse aus der Biographie des jeweiligen Patienten – für einen Anästhesisten dürfte dabei ganz vorrangig die Krankheitsgeschichte von der Geburt an von Bedeutung sein, um das Narkoserisiko allgemein und speziell das Risiko bei der Injektion bestimmter Narkosemittel abschätzen zu können – verschafft hat und zwar nicht durch ein Gespräch mit dem Patienten selbst, sondern mit einem Angehörigen. Grund hierfür muss – auch dies ergibt sich aus der Leistungslegende – sein, dass es sich um einen psychisch, hirnorganisch oder kommunikationsgestörten Kranken handelt, der deshalb nicht in der Lage ist, dem Arzt selbst die erforderlichen Angaben zu machen. Dass der Kläger in den streitigen Fällen eine Anamneseerhebung durch Befragung Dritter durchgeführt hat, wird von der Beklagten nicht bestritten. Soweit die Darlegungen des Klägers in der Klagebegründung insofern etwas missverständlich sind, als er ausführt, er müsse unmittelbar vor der Narkose erfahren, was der Patient gegessen und welche Medikamente er genommen habe, sind diese Ausführungen in den Gesamtkontext der Begründung einzuordnen. Dass die Angaben über die letzte Nahrungsaufnahme und Medikamenteneinnahme ihrerseits nicht den Begriff der Fremdanamnese ausfüllen, liegt auf der Hand. Der Kläger hat jedoch im Übrigen - so erneut in der mündlichen Verhandlung des Senats - vorgetragen, jeweils für die Durchführung der Narkose eine gründliche Anamnese durchgeführt zu haben. Die genannten missverständlichen Darlegungen sollten lediglich begründen, warum er - entgegen der Annnahme der Beklagten - die Anamnese stets aktuell selbst durchführen müsse. Hierauf kommt es jedoch im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung ohnehin nicht an: Soweit die Beklagte nämlich die Erforderlichkeit der Anamneseerhebung durch den Kläger selbst vor der Operation anzweifelt, kann dies allenfalls eine Frage der Wirtschaftlichkeit der Leistung sein – unter den gegebenen Umständen nicht nach der statistischen Methode, sondern im Rahmen einer Einzelfallprüfung, bei der geprüft werden könnte, ob der Kläger die für ihn erforderlichen Erkenntnisse nicht aus der Anamneseerhebung eines anderen Arztes, insbesondere des behandelnden Hausarztes, der bei den Patienten für seine Behandlung ebenfalls eine aktuelle Fremdanamnese durchgeführt haben könnte, hätte entnehmen können. Derartige Erwägungen rechtfertigen jedoch keine sachlich-rechnerische Berichtigung.
Soweit die Beklagte anzweifelt, dass die Patienten von ihrem Krankheitsbild her die Grundvoraussetzungen für die Erhebung der Fremdanamnese erfüllten, kann dem unter Berücksichtigung der Dokumentation durch den Kläger auf den Abrechnungsbögen nicht gefolgt werden. Zum einen ist bereits fraglich, ob eine erhebliche Kommunikationsstörung überhaupt in jedem Fall Voraussetzung für die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ist, oder ob die Vorschrift nicht so zu lesen ist, dass es sich um einen psychisch oder hirnorganisch Kranken oder einen krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken handeln muss (so Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – a. a. O. ). Dies kann jedoch hier dahin stehen. Der Kläger hat auf den geprüften Abrechnungsscheinen Diagnosen dokumentiert, die - im Zusammenhang mit einer hirnorganischen oder einer psychischen Störung - eine Kommunikationsstörung nahe legen. Sofern man auch bei psychisch oder hirnorganisch Kranken eine solche Kommunikationsstörung voraussetzt, kann der Begriff der "erheblichen" Kommunikationsstörung nicht losgelöst von der vorgesehenen Behandlung interpretiert werden. Sofern die vorgesehene Behandlung - wie eine Narkose – einen schwerwiegenden Eingriff in die Körperintegrität bedeutet, muss jede Kommunikationsstörung als erheblich angesehen werden, die das Risiko beinhaltet, dass der Patient dem Arzt keine exakt richtigen Angaben macht, und hierfür ist es unbedeutend, ob im Einzelfall eine schwere oder schwerste Intelligenzminderung bestand. Insoweit wird man vielmehr dem Anästhesisten einen weiten Beurteilungsspielraum einräumen müssen, da er das Haftungsrisiko für einen Narkosezwischenfall trägt.
Soweit die Beklagte letztlich geltend machen will, die Nr. 19 EBM-Ä sei von dem Kläger ohne hinreichende Einzelfallbegründung abgerechnet worden, ist eine solche Begründung nach der Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä nicht erforderlich; eine Begründungspflicht ist auch nicht aus anderen normativen Regelungen abzuleiten (vgl. zu diesem Erfordernis allgemein BSG, Urt. vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10, juris Rz. 16; ebenso unter Hinweis u. a. auf dieses Urt. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – a. a. O., betreffend die Nr. 19 EBM-Ä). Dies gilt auch für die – auf den Abrechnungsbögen des Klägers nicht erfolgte - Dokumentation der Person, mit deren Hilfe die Fremdanamnese erhoben wurde. Soweit von dem Kläger, der Vermutung der Beklagten entsprechend, auch Patienten aus Behinderteneinrichtungen behandelt und die Personen, die zur Erhebung der Fremdanamnese herangezogen wurden, Pflegekräfte waren, die den Behinderten langjährig betreuen, widerspricht dies der Leistungslegende und deren Interpretation durch das BSG (a. a. O.; "aus dem Interaktionsfeld ...") nicht, da es lediglich darum geht, eine Person zu befragen, die - im Prinzip von der Kindheit an – detaillierte Angaben über die (Krankheits-)Biographie des Patienten machen kann.
Soweit die 61 streitigen Abrechnungen sich in Einzelfällen auf Kinder unter 4 Jahren beziehen, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä bei Säuglingen und Kleinkindern nicht in Betracht kommt, weil hier das Alter und nicht die Kommunikationsstörung die Erhebung der Eigenanamnese verhindert (BSG, Beschl. vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 4/01 B - veröffentlicht in juris). Hierauf war jedoch hier nicht näher einzugehen und es war keine Verurteilung lediglich zur Neubescheidung auszusprechen, weil zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass wegen der Ausschöpfung des Praxisbudgets des Klägers in dem streitigen Quartal faktisch nur die Nachvergütung von 14 Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä in Betracht kommt. In diesem Umfang hat der Kläger hier in jedem Fall Anspruch auf Nachvergütung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal III/01 zu Recht eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung der Nr. 19 (Erhebung der Fremdanamnese) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) vorgenommen und das Honorar entsprechend reduziert hat.
Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in G zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 15. März 2001 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass der prozentuale Anteil der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä bei ihm bei 44,4 %, bei der Vergleichsgruppe bei 2 % liege; möglicherweise werde die Leistungslegende von dem Kläger fehl interpretiert. Es folgte eine Beschreibung der Voraussetzungen der Leistungslegende. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich an seinem Abrechnungsverhalten hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä nichts geändert habe und dass deshalb im Quartal II/01 für diese Ziffer, ebenso wie für die Nrn. 63 ff. EBM-Ä eine nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen werde.
Mit Schreiben (Bescheid) vom 9. Januar 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Prüfung der von ihm eingereichten Abrechnungsunterlagen für das Quartal III/01 die Nr. 19 EBM-Ä 61mal unberücksichtigt gelassen werden müsse, außerdem würden die Leistungen nach den Nrn. 63 ff. EBM-Ä (in dem Schreiben im Einzelnen dargelegt; diese Kürzung hat sich inzwischen erledigt) teilweise unberücksichtigt gelassen. Insoweit werde auf das Schreiben vom 5. Oktober 2001 hingewiesen.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä im Wesentlichen vor: Eine Begründung für die Kürzung dieser Ziffer werde nicht gegeben. Soweit in dem Schreiben vom 5. Oktober 2001, auf das verwiesen werde, bemerkt werde, er habe die Nr. 19 EBM-Ä "weit über Fachgruppendurchschnitt abgerechnet", könne dies keine Begründung für eine sachlich-rechnerische Berichtigung sein. Das Schreiben enthalte keinerlei Begründung, weshalb die Leistungslegende nicht erfüllt sein solle.
Die Beklagte leitete daraufhin im Widerspruchsverfahren eine Einzelfallprüfung ein. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er die Abrechnungsscheine jeweils mit einer Vielzahl von Diagnosen versehen habe, die immer sehr stereotyp gehalten seien. Beispielsweise würden "phobische Störungen, Intelligenzminderung, Störung des Sozialverhaltens" und daneben meist zahnärztliche Diagnosen aufgelistet. Im Abrechnungsfeld werde die Nr. 19 EBM-Ä zumeist noch mit "geistige Behinderung" begründet. Ihr Prüfarzt habe in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob die Patienten möglicherweise aus einem Heim für geistig Behinderte stammten. Auch dies unterstellt, habe er dargelegt, dass sich aus den Angaben auf den Behandlungsscheinen dennoch nicht klar erkennen lasse, ob es sich tatsächlich um erheblich kommunikationsgestörte Patienten im Sinne der Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä handele, insbesondere, weil nicht jeder geistig Behinderte automatisch kommunikationsgestört im Sinne der Nr. 19 EBM-Ä sei. In diesem Zusammenhang bat sie den Kläger um nähere Begründung, insbesondere auch durch entsprechende handschriftliche Anmerkungen jeweils direkt auf den ihm in Kopie vorgelegten Scheinen. Der Kläger nahm daraufhin handschriftlich Ergänzungen auf den Abrechnungsbögen vor; insoweit wird auf die Beiakte "SKT" verwiesen.
Die Beklagte ließ die ergänzten Abrechnungsbögen durch ihren Prüfarzt auswerten und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002 zurück. Eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung des zuständigen beratenden Arztes habe ergeben, dass die Nr. 19 EBM-Ä in den beanstandeten Behandlungsfällen nicht habe in Ansatz gebracht werden dürfen. Die genannte Leistungsziffer könne nach Auffassung ihres Vorstandes grundsätzlich nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn es sich um einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Patienten handele und wenn die anamnestischen Daten deshalb bei anderen erhoben werden müssten, weil eine Kommunikation mit dem Kranken selbst aus Krankheitsgründen nicht möglich sei. Dabei müsse eine Verständigung mit dem Patienten ausgeschlossen oder in so erheblicher Weise beeinträchtigt sein, dass der Arzt für eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung zusätzlicher fremdanamnestischer Daten bedürfe. Dabei sei davon auszugehen, dass auch bei psychisch Kranken keinesfalls in allen Fällen die Erhebung einer Fremdanamnese erforderlich sei, sondern nur bei bestimmten Patienten, wenn die Eigenanamnese nicht ausreichende Klarheit bringe. Dies sollte dokumentiert werden, entsprechendes gelte für die Führung der Bezugsperson. Die Dokumentation sollte dergestalt erfolgen, dass sich das Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 19 EBM-Ä bereits aus den Abrechnungsscheinen selbst ergebe. Es sei in diesen Fällen hilfreich, wenn über die aktuelle Diagnose hinaus ein Hinweis auf die psychische oder hirnorganische Erkrankung bzw. die krankheitsbedingte erhebliche Kommunikationsstörung erfolge. Bei den zu prüfenden Behandlungsfällen sei die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Abrechnungsdiagnosen und des abrechnungstechnischen Umfeldes nicht plausibel nachvollziehbar. Es sei trotz Nachfrage unklar geblieben, in welchem Zusammenhang der Kläger die Erhebung der Fremdanamnese für notwendig gehalten habe. Da sich auf den Behandlungsausweisen häufig zahnärztliche Diagnosen fänden und zudem im Zusammenhang mit den mittlerweile zurückgenommenen Abrechnungskorrekturen von ihm vorgetragen worden sei, er führe überwiegend ambulante Narkosen nach der Nr. 463 EBM-Ä bei Operationen von Vertragszahnärzten aus, liege die Vermutung nahe, dass er die Nr. 19 EBM-Ä im Zusammenhang mit der Durchführung bzw. insbesondere Vorbereitung der Narkosen abgerechnet habe. Dafür spreche, dass ganz überwiegend Leistungen an mehreren Behandlungstagen abgerechnet worden seien, am ersten Behandlungstag überwiegend die Kombination der Nrn. 1, 19 und 50 EBM-Ä, am anderen Behandlungstag der Nrn. 2, 50, 462, 463, 90, 490, 63 ff. etc. Auch unter Einbeziehung der nachgereichten ICD-10 Diagnoseangaben ergebe sich kein deutlicheres Bild über das Vorliegen einer erheblichen Kommunikationsstörung. Die nachgereichten Angaben passten häufig nicht zu den "ursprünglichen" Diagnoseangaben. So würden beispielsweise "schwerste Intelligenzminderungen" zu "schweren Intelligenzminderungen" bzw. umgekehrt. Insgesamt scheine der Kläger Intelligenzminderungen verschiedener Schweregrade relativ "beliebig" zu Grunde zu legen. Soweit er möglicherweise Patienten aus Heimen für geistig Behinderte behandelt habe, lägen in derartigen Fällen üblicherweise Anamnesen bzw. Verläufe vor. Außerdem wären Gespräche mit dem Pflegepersonal ohnehin nicht als ausreichend für den Ansatz der Nr. 19 EBM-Ä zu betrachten. Abschließend sei anzumerken, dass es dem Vorstand durchaus zweifelhaft erscheine, inwieweit die Nr. 19 EBM-Ä - als Quartalsziffer - überhaupt regelmäßig von Anästhesisten im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen in Ansatz gebracht werden könne, dies insbesondere, weil nach der Kommentierung die Erhebung der Fremdanamnese notwendig sein müsse, weil der Arzt für eine sachgerechte "Beurteilung und Behandlung" der Erkrankung fremdanamnestischer Angaben bedürfe. Vorliegend werde die zu behandelnde Erkrankung in der Hand des Vertragszahnarztes liegen, nicht jedoch in der Hand des Anästhesisten.
Zur Begründung seiner hiergegen am 6. Januar 2003 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte verkenne, dass er als Facharzt für Anästhesiologie in einer Vielzahl von Fällen von Zahnärzten in Anspruch genommen werde, die sich ihrerseits auf die zahnärztliche Behandlung geistig behinderter Menschen spezialisiert hätten. Auf Grund der geistigen Behinderung würden die zahnärztlichen Behandlungen als ambulante oralchirurgische Operationen in Intubationsnarkose vorgenommen, die er durchführe. Als Narkosearzt müsse er unmittelbar vor der Operation absolut verlässliche Auskünfte über den jeweiligen Patienten erhalten. Da die Patienten diese Auskünfte auf Grund ihrer Behinderung nicht selbst geben könnten, sei er auf die Angaben der Bezugs- bzw. Begleitpersonen angewiesen. Für die Erhebung der Fremdanamnese sei ein erheblicher Mehraufwand an Zeit, Gesprächen und Recherchen erforderlich. Um keinen Narkosezwischenfall hervorzurufen, müsse er wissen, ob der Patient am Vorabend der Operation mit Essen und Trinken aufgehört habe und ob er am Morgen des Operationstages etwas gegessen, getrunken oder Medikamente im Rahmen einer ständigen Medikation mit Wasser heruntergespült habe. Diese Informationen benötige er unmittelbar vor der Operation. Er habe auf sämtlichen ihm von der Beklagten zurückgegebenen Behandlungsausweisen vermerkt, dass es sich bei den Behandlungsfällen um psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörte Kranke gehandelt habe. Auch in Ansehung der Stellungnahme des Prüfarztes der Beklagten, Dr. F , im Rahmen der Einzelfallprüfung sei die Zurückweisung des Widerspruchs nicht nachvollziehbar. Denn Dr. F habe angenommen, dass jedenfalls in 24 Fällen, davon drei Fällen von Trisomie, 19 Fällen von Autismus und zwei Fällen von Demenz die Abrechnung der Ziffer 19 als ausreichend plausibel zu akzeptieren und damit eine Teilabhilfe möglich wäre. Warum sich die Beklagte über die gutachterliche Feststellung ihres Prüfarztes hinweggesetzt habe, sei für ihn nicht nachvollziehbar und werde von der Beklagten auch nicht dargelegt. Der letzte Absatz auf Seite 4 des Widerspruchsbescheides zeuge von einer Unkenntnis seiner Spezialisierung und seiner Behandlungsweise. Die Erhebung der Fremdanamnese sei nicht für den Zahnarzt notwendig, der den Patienten lediglich in den Mund zu schauen brauche um festzustellen, welche Zähne behandlungsbedürftig seien oder nicht. Er selbst sei jedoch wegen der Gefahr von Narkosezwischenfällen auf die Erhebung der Fremdanamnese angewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 aufzuheben und ihm die Ziffer 19 EBM-Ä nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der Prüfarzt Dr. F offenbar nur unter Zurückstellung von Bedenken in 24 Fällen den Ansatz der Nr. 19 EBM-Ä bei den Diagnoseangaben Trisomie, Autismus und Demenz noch für ausreichend plausibel gehalten habe; ihr Vorstand habe sich dieser Einschätzung nicht anschließen können. Er vertrete die in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid bereits dargestellte Auffassung, dass es zweifelhaft sei, inwieweit die Nr. 19 EBM-Ä als Quartalsziffer überhaupt regelmäßig von Anästhesisten im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen in Ansatz gebracht werden könne. Entsprechend werde im Kölner Kommentar zur Nr. 19 EBM-Ä vorausgesetzt, dass die Erhebung der Fremdanamnese notwendig sein müsse für eine sachgerechte Beurteilung und Behandlung der Erkrankung. Zwar möge es möglich sein, dass zur Vorbereitung einer Operation auch bestimmte lebensgeschichtliche und soziale Daten durch Befragung anderer Personen aus dem Interaktionsfeld des Patienten erhoben würden. Ein Gespräch dieses Inhaltes würde allerdings mit dem Operateur und nicht mit dem Anästhesisten geführt werden. Im Übrigen sei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 11/02 R - hinzuweisen, in der u. a. dargelegt sei, die Zielsetzung der Leistung nach Nr. 19 EBM-Ä, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar sei. Die von dem Kläger beschriebene Erörterung mit den Bezugs- bzw. Begleitpersonen der Patienten erfülle diese Voraussetzungen ihrer Auffassung nicht. Soweit der Kläger betone, er benötige unmittelbar vor der Operation Auskunft über die Nahrungsaufnahme durch den Patienten, sei dieses wohl kaum mit der Erhebung von lebensgeschichtlichen und sozialen Daten im Sinne des Leistungsinhaltes der Nr. 19 EBM-Ä gleichzusetzen. Im Übrigen sei vor dem Hintergrund dieses Vorbringens nicht nachvollziehbar, warum die Nr. 19 EBM-Ä nicht am Operationstag, sondern häufig ein bis zwei Tage vorher abgerechnet worden sei. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass das Praxisbudget des Klägers nahezu ausgeschöpft worden sei; lediglich in 14 Fällen wäre eine Nachvergütung der Leistung nach der Nr. 19 EBM-Ä überhaupt faktisch möglich.
Der Kläger hat dem entgegengehalten, die von der Beklagten vertretene Auffassung, es sei fraglich, ob Anästhesisten überhaupt die Nr. 19 EBM-Ä in dem genannten Zusammenhang abrechnen könnten, habe keine Grundlage im EBM selbst, da diese Leistungsziffer von allen Ärzten in Ansatz gebracht werden dürfe. Die von der Beklagten vertretene Auffassung hätte zudem die Konsequenz, dass er die Patienten am Morgen des Operationstages zuerst nüchtern zu einem Arzt schicken müsste, der berechtigt sei, die Nr. 19 EBM-Ä abzurechnen, wie z.B. der Kinderarzt oder der Hausarzt. In ländlichen Regionen würde dies zu einer erheblichen Zeitverzögerung führen, überdies zu Mehrkosten, weil der Haus- oder Kinderarzt zusätzlich zu der Fremdanamnese den ärztlichen Befundbericht, das Konsil und die Untersuchung berechne.
Das Sozialgericht hat die Klage nach mündlicher Verhandlung durch Urteil vom 1. Dezember 2004 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger bei der Narkosebehandlung bei den Zahnärzten, so wie er es beschrieben habe, mit erheblich kommunikationsgestörten Patienten gearbeitet habe. Die von ihm genannten Diagnosen, untermauert durch die Schwierigkeiten der Kommunikation, die er in der mündlichen Verhandlung beschrieben habe, seien durchaus geeignet, die Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä zu erfüllen. Es sei auch nicht erstaunlich, dass der Kläger insoweit weit über der Fachgruppe liege, da gerade oder nur er offenbar besonders stark von Zahnärzten bei der Behandlung von geistig und hirnorganisch Behinderten mit erheblicher Kommunikationsstörung in Anspruch genommen werde. Die Kammer habe auch keinen Zweifel, dass der Kläger in solchen Fällen auf fremdanamnestische Angaben angewiesen sei. Allerdings sei sie der Auffassung, dass der Kläger als Anästhesist bei der hier genannten Tätigkeit, nämlich Durchführung von Narkosen bei Zahnärzten, die Nr. 19 EBM-Ä überhaupt nicht abrechnen könne. Zwar sei diese Leistung von Ärzten aller Fachgebiete abzurechnen, soweit diese überhaupt für die in der Legende genannten Krankheitskomplexe zuständig seien. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn ein Arzt einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer - regelmäßig dauerhaften - erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und evtl. Veränderungen in seinem Gesundheitszustand keine Angaben machen könne. Das BSG habe in dem Urteil vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 11/02 R - entsprechend entschieden und weiter ausgeführt, dass mit der Nr. 19 EBM-Ä der Mehraufwand abgegolten werden solle, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue. Zwar sei der dort entschiedene Fall bezogen auf die Erhebung der Nr. 19 EBM-Ä im Notarztwagendienst ergangen, die Kammer sehe aber hier einen Zusammenhang auch mit der Durchführung von Narkosen, da diese regelmäßig keine kontinuierliche Behandlung und Betreuung des Kranken seien. Anders wäre es - und deshalb könnten selbstverständlich auch Fachärzte für Anästhesie grundsätzlich die Nr. 19 EBM-Ä abrechnen - wenn eine kontinuierliche Behandlung durchgeführt werde (z.B. Schmerztherapie oder anderes). Das BSG habe weiter ausgeführt, dass die Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, dadurch verdeutlicht werde, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar sei.
Gegen das ihm am 10. Januar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Februar 2005 Berufung eingelegt. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Erhebung der Fremdanamnese durch den Anästhesisten unmittelbar vor einer Operation bei einem der genannten Patienten wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Insbesondere verweist er auf die Entschließung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) zur Qualitätssicherung in der ambulanten Anästhesie. Danach müsse das Anästhesieverfahren dem Facharztstandard entsprechen. Dazu gehöre auch präoperativ die Erhebung einer rechtzeitigen, aktuellen Anamnese eines Anästhesisten. Er sei schon aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen, die fremdanamnestischen Daten selbst zu erheben und könne nicht darauf verwiesen werden, auf die von fachfremden Kollegen erhobenen Befunde zu vertrauen. In einem Haftpflichtprozess würde ihm im Zweifel vorgehalten werden, dass er die für die Anästhesie notwendigen Befunde nicht selbst erhoben, sondern einem fachfremden Arzt vertraut habe. Unzutreffend sei die Auffassung des Sozialgerichts Kiel aber, soweit es ihn als Anästhesisten von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen seiner Tätigkeit - Narkosen bei Zahnärzten - ausschließe. Aus dem Urteil des BSG könne dies nicht abgeleitet werden. Zu Grunde gelegen habe hier der Fall einer Behandlung durch einen Arzt im Notarztwageneinsatz. Diese Behandlung unterliege völlig anderen Kriterien als eine lange vorher geplante Narkose für eine zahnärztliche Behandlung, bei der sich der Patient weder in Lebensgefahr befinde noch schwere Schäden davon trage, wenn er nicht unverzüglich medizinisch versorgt werde. Soweit das Sozialgericht eine kontinuierliche Behandlung und Betreuung von Kranken für die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä voraussetze, könne dem schon deswegen nicht gefolgt werden, weil diese Auffassung faktisch zum Ausschluss von Anästhesisten führe, die, wie er, nur Narkosen und keine Schmerzbehandlungen durchführten. Zum anderen ziehe sich die zahnärztliche Behandlung gerade im Bereich der Prothetik und der Kieferorthopädie, aber auch bei der Parodontosebehandlung über eine Vielzahl von Quartalen hin, so dass es nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass hier das Merkmal "kontinuierlich", wie es das BSG in der genannten Entscheidung herausgestellt habe, vorliege. Er sehe seine Patienten in der Regel dreimal im Quartal. Sei z. B. an einem Freitag eine Operation geplant, erfolge der erste Kontakt mit dem Patienten am Montag mit einem Vorgespräch, in dem festgestellt werde, welche Laborwerte und welche Verhaltensmaßnahmen erforderlich seien. Am Donnerstag würden in einem weiteren Arzt-Patienten-Kontakt eventuell noch auftretende Fragen der Begleitperson/Betreuer geklärt und besprochen. Am Freitag erfolge dann die Narkosevorbereitung, in der nochmals aktuelle Befunde erhoben und die Begleitpersonen befragt würden. Am Operationsabend erfolge schließlich ein Kontrollgespräch mit den Betreuern bzw. Begleitpersonen um sicherzustellen, dass postoperativ keine Komplikationen aufgetreten seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 1. Dezember 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Quartal III/01 die Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä nachzuvergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an. Der Hinweis des Klägers auf den Umstand, dass er von Zahnärzten für den selben Patienten von Quartal zu Quartal für Narkoseleistungen in Anspruch genommen werde und bei jeder Narkose desselben Patienten eine Anamnese erheben müsse, sei nicht geeignet, die auch vom BSG geforderte kontinuierliche Betreuung eines Patienten zu begründen. Von einer solchen sei vielmehr nur dann auszugehen, wenn die kontinuierliche Betreuung auch innerhalb des Quartals erfolge. Die von dem Kläger angeführten Vorgespräche, auch wenn diese an drei verschiedenen Tagen vor der Operation erfolgten, stellten allgemeine Aufklärungsgespräche dar, wie sie Bestandteil jeder Anästhesie- bzw. Operationsleistung seien und könnten nicht gesondert abgerechnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Sie ist insbesondere nicht gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da 61 mit jeweils 500 Punkten bewertete Leistungen im Streit sind. Ausgehend von einem Quartalspunktwert von unterstellt 6 Pfennig – diesen haben die Beteiligten in dem Termin bei dem Sozialgericht zugrunde gelegt ist ein Betrag von 1.830,00 DM (gerundet 936,00 EUR) und damit mehr als 1000 DM (500 EUR) im Streit. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die angefochtenen Bescheide rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da er – dem Grunde nach – Anspruch auf höhere Vergütung für das Quartal III/01 unter Berücksichtigung der von ihm nach der Nr. 19 EBM-Ä erbrachten Leistungen hat.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V (hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626). Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten - abrechnungsfähigen - Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu. Das Nähere zu Inhalt und Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen ist im EBM-Ä bestimmt, an dessen Vorgaben die KÄV bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilung gebunden ist (BSG, Urt. vom 22.Juni 2005 - B 6 KA 80/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 10 m. w. Nachw. zur Rspr.)
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die hier allein streitige Abrechnung von Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä sowohl im Allgemeinen als auch hinsichtlich der konkreten Art der Leistungserbringung und der Dokumentation derselben.
Die Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä lautet wie folgt:
"Erhebung der Fremdanamnese, ggf. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall."
Die Leistung nach Nr. 19 ist neben der Leistung nach Nr. 846 und in demselben Behandlungsfall nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 840 und 847 berechnungsfähig."
Weitere Ausschlusstatbestände, insbesondere bezogen auf bestimmte Arztgruppen, sind in der Leistungsbeschreibung zu Nr. 19 EBM-Ä nicht genannt. Sie ergeben sich auch nicht aus der Präambel des EBM-Ä zu "B II" "Beratungs -und Betreuungsgrundleistungen". Für die Nr. 19 EBM-Ä findet sich hier keinerlei einschränkende Regelung. Demnach gibt allein der Wortlaut der Nr. 19 EBM-Ä einschließlich der hierzu vorgegebenen Abrechnungsbeschränkungen keinen Hinweis darauf, dass bestimmte Arztgruppen generell von der Abrechnung dieser Leistungsziffer ausgeschlossen sind (ebenso für einen Hautarzt, Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – MedR 2000, 345).
Die Grenzen für die Heranziehung weiterer Kriterien neben dem Wortlaut bei der Anwendung des EBM sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eng. Für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen ist danach in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegenden maßgeblich, da das vertragliche Regelungswerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen dient und es in erster Linie Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende erfolgen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (BSG, Urt. vom 16 Mai 2001 - B 6 KA 20/00 R - BSGE 88, 126, juris Rz. 20 mit zahlreichen Nw. zur Rspr.). Nichts anderes kann für eine einengende Auslegung der Gebührenordnung gelten. Allerdings hat das BSG eine solche Auslegung der Nr. 19 EBM-Ä bezogen auf einen Notarzt im Rettungsdienst vorgenommen. In dem Urteil vom 5. Februar 2003 (- B 6 KA 11/02 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 1) ist dargelegt, für ärztliche Leistungen im Notarztwagendienst sei die Erhebung der Fremdanamnese über einen kommunikationsgestörten Patienten nach Nr. 19 EBM-Ä nicht berechnungsfähig. Die Begründung der Entscheidung ist auf mehrere Argumente gestützt, zunächst auf den Begriff "Fremdanamnese" i. S. dieser Position des Leistungsverzeichnisses, die die Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des betroffenen Patienten durch Befragung anderer Personen aus seinem Interaktionsfeld unter Einbeziehung der Erfahrungen und Beobachtungen, die die Befragten mit dem Kranken gemacht haben, umfasst. Die Fremdanamnese bei kommunikationsgestörten Patienten solle dem Arzt die Information verschaffen, die er für die sachgerechte Beurteilung und Behandlung der Erkrankung benötige, von dem betroffenen Patienten wegen dessen Kommunikationsstörung aber nicht erhalten könne. Deshalb sei der Kreis der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden könne, auf solche aus dem Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. In Betracht kämen Ehepartner bzw. Angehörige, soweit erforderlich ergänzend auch der Arbeitgeber und Arbeitskollegen. Bei dem dargestellten Verständnis der Leistungslegende sei die Nr. 19 EBM-Ä von vornherein nicht berechnungsfähig, wenn der Arzt im Notarztwageneinsatz Personen befrage, die den Patienten nicht kennten und allenfalls darüber Angaben machen könnten, wie es ggf. zu einem Unfall gekommen sei, in dessen Folge der Patient gesundheitlich geschädigt worden sei bzw. in welchem äußeren Zustand sie den Patienten etwa nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall an einem bestimmten Ort angetroffen hätten. Die Erhebung derartiger Informationen erfülle nicht den Tatbestand der umfassenden Datenerhebung über eine kommunikationsgestörte Person, wie er in Nr. 19 EBM-Ä angesprochen sei. Für die im Rahmen des Rettungsdiensteinsatzes zu treffenden ärztlichen Entscheidungen bedürfe es regelmäßig nicht der Erhebung der umfassenden Fremdanamnese. Da bereits diese Erwägungen die das Berufungsurteil bestätigende Entscheidung des BSG in vollem Umfang tragen würden, entnimmt der Senat den sich anschließenden allgemeinen Erwägungen zur "Abrechenbarkeit dieser Leistung bei der Erhebung von Daten" im Rahmen des Notarztwagendienstes keine über den entschiedenen Fall hinaus gehende einschränkende Interpretation der Nr. 19 EBM-Ä. In dieser Passage (juris Rz. 16), auf die die Beklagte sich im Wesentlichen beruft, legt das BSG dar, die systematische Stellung der Nr. 19 EBM-Ä im Kontext von anderen Beratungs- und Betreuungsleistungen stehe ebenfalls der Abrechenbarkeit der Leistung bei der "Erhebung von Daten" entgegen. Eine solche systematische Interpretation sei in der Rechtsprechung des Senats ergänzend zu einer Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende statthaft, soweit eine Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorgenommen werde. Mit der Nr. 19 EBM-Ä solle der Mehraufwand abgegolten werden, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer – regelmäßig dauerhaften – erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwandes typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal im Quartal) abrechenbar sei. Auch die amtliche Anmerkung, neben der Leistung nach Nr. 19 seien die Leistungen nach Nr. 840, 846 bzw. 847 EBM-Ä unter bestimmten Voraussetzungen nicht berechnungsfähig, weise auf den Zusammenhang zwischen Erhebung der Fremdanamnese und der Psychopathologie hin. Die beschriebenen Abrechnungsausschlüsse bezögen sich auf Leistungspositionen im Rahmen der psychiatrischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen und gälten den Aufwand ab, der dem Arzt entstehe, weil er längere Beratungs- bzw. Anleitungsgespräche mit den Bezugspersonen von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen führen müsse. Damit sei eine Behandlungssituation angesprochen, die mit der ärztlichen Aufgabenstellung im Notarztwageneinsatz keine Berührungspunkte habe.
Diese Ausführungen lassen sich nach Auffassung des Senats nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Zum einen liegt es nicht nahe, dass das BSG mit den vorstehenden Ausführungen allgemeingültige, einschränkende Kriterien für die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä aufstellen wollte, schon weil, wie dargelegt, die Voraussetzungen der Erhebung einer Fremdanamnese ohnehin nicht erfüllt waren. Im Übrigen spricht die wiederholte Erwähnung der "Erhebung von Daten" dafür, dass das BSG nur seine zuvor dargelegte Auffassung, wonach das bloße Erfragen der genauen Umstände der aktuellen zu dem Notfalleinsatz führenden Umstände, zumal ggf. bei zufällig anwesenden Passanten, nicht den Begriff der "Fremdanamnese" ausfülle, weiter untermauern wollte. Eine darüber hinausgehende Bedeutung misst der Senat dem genannten Urteil auch deshalb nicht bei, weil die Grundvoraussetzungen, die das BSG selbst in ständiger Rechtsprechung für die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien angenommen hat, hier nicht vorliegen. Insbesondere ist ein unklarer, interpretationsbedürftiger Wortlaut hier nicht gegeben. Vorausgesetzt wird in der Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä vielmehr lediglich die Erhebung der Fremdanamnese, was vom Wortsinn her nichts weiteres voraussetzt als die Erhebung der Anamnese, dies jedoch in Abweichung vom Regelfall nicht durch ein Gespräch mit dem Patienten selbst, sondern mit Personen, die aus seinem familiären Umfeld stammen und die hierüber Auskunft geben können. Der Begriff "Anamnese" ist im "Pschyrembel", Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004, wie folgt beschrieben: "Krankengeschichte, Art, Beginn und Verlauf der aktuellen Beschwerden, die im ärztlichen Gespräch mit dem Kranken (Eigenanamnese) und dessen Angehörigen (Fremdanamnese) erfragt werden; neben der aktuellen Anamnese lassen sich die frühere, allgemeine, spezielle, soziale, biographische und familiäre Anamnese erheben; in der Allgemeinmedizin meist nur Erhebung einer gezielten Kurzanamnese besonders unter Berücksichtigung abwendbarer gefährlicher Verläufe schwerer Krankheiten in Umgang mit überwiegend leichten Befindlichkeitsstörungen. Demnach beinhaltet Begriff der Erhebung der Anamnese eher ein punktuelles als ein - quartalsbezogen - kontinuierliches Geschehen. Die Erhebung der Anamnese dürfte daher nicht selten, vielleicht sogar typischerweise, auch bei Ärzten, die einen Patienten kontinuierlich behandeln, innerhalb eines Quartals im Rahmen nur eines Arzt-Patientenkontakts erfolgen. Wollte man, wie es die Beklagte aus dem o. g. Urteil des BSG ganz allgemein ableitet, in jedem Fall eine kontinuierliche Betreuung voraussetzen und diese nur annehmen, wenn innerhalb eines Quartals mehrere Arzt-Patientenkontakte stattfinden, so mag dies zwar mit der Überschrift des Abschnitts B II "Beratungs- und `Betreuungs´grundleistungen" übereinstimmen, nicht hingegen dem weiteren systematischen Kontext mit den Vorgaben für die Abrechnung anderer Leistungsziffern dieses Abschnitts. So ist z. B. in der Leistungslegende der Nr. 20 EBM-Ä ausdrücklich der Begriff der "Betreuung" enthalten; eine "kontinuierliche" Betreuung wird auch in den Leistungsbeschreibungen der Nrn. 14, 15, 16 EBM-Ä ausdrücklich vorausgesetzt. Zum anderen ist nach der Präambel zu "B II" hinsichtlich der Nrn. 14, 15 und 20 EBM-Ä erforderlich, dass mindestens 5 Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall stattfinden. Eine derartige Vorgabe, auch bezüglich einer bestimmten Anzahl von Arzt-Patienten-Kontakten im Behandlungsfall, findet sich, wie eingangs dargelegt, für die Nummer 19 EBM-Ä gerade nicht. Im Übrigen sind auch andere Quartalsziffern unabhängig davon abrechenbar, wie viele Arzt-Patienten-Kontakte in einem Quartal stattfinden. Dies gilt insbesondere für die Ordinationsgebühr nach Nr. 1 EBM-Ä, die je nach Patient und Arztgruppe in dem streitigen Quartal mit bis zu 555 Punkten bewertet wurde. Es kommt hinzu, dass ein Anästhesist, anders als der Arzt im Notarztwagendienst, über die kurzfristige Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen hinaus selbst eine Behandlung des Patienten vornimmt. Der Senat hält die Ausführungen des Klägers in jeder Hinsicht für nachvollziehbar, soweit er darlegt, der Anästhesist sei für seine Behandlung auf eine sorgfältige Anamnese angewiesen. Die Behandlung durch den Anästhesisten ist zwar keine auf Dauer angelegte, jedoch dafür eine punktuell besonders einschneidende Behandlung (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, bis zur 257. Aufl. 1994, unter "Narkose", drucktechnisch besonders hervorgehoben: "Jede Narkose stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Körperintegrität dar."). Anders als bei einem Arzt im Notarztwagendienst ist bei einem Anästhesisten davon auszugehen, dass er bei den von der Nr. 19 EBM-Ä erfassten Patienten die mit dieser Leistungsziffer abgegoltene Leistung zwingend erbringen muss, sofern sie nicht bereits zuvor von einem anderen Arzt erbracht wurde. Letzteres ist hingegen keine Frage der generellen Erforderlichkeit einer Anamneseerhebung durch einen Anästhesisten, sondern eine Frage der Erforderlichkeit der Leistung im Einzelfall, die für die Frage, ob Anästhesisten generell von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ausgeschlossen sind, ohne Bedeutung ist.
Nach Auffassung des Senats folgt deshalb weder aus dem Wortlaut noch aus der Heranziehung weiterer Kriterien einschließlich des Urteils des BSG vom 5. Februar 2003 (a. a. O.) ein Abrechnungsausschluss bezüglich der Nr. 19 EBM-Ä für Anästhesiologen im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen.
Die Leistung nach der Nr. 19 EBM–Ä ist auch nicht bereits durch andere Leistungsziffern mit abgegolten. Den Leistungsbeschreibungen zu den Narkoseziffern des EBM-Ä (vor allem Nr. 462, 463, die der Kläger abgerechnet hat) ist nichts zu entnehmen, was darauf hindeutet, dass die Anamneseerhebung vor der Leistung hiervon bereits umfasst wäre. Auch ist der Präambel zum Abschnitt "D" nicht zu entnehmen, dass von den Leistungen dieses Abschnitts bestimmte Leistungen des Abschnittes "B" bereits umfasst wären. Geregelt ist lediglich, dass die Verabfolgung von Medikamenten zur Vorbereitung und Durchführung der Anästhesie/Narkose Bestandteil der Anästhesie-/Narkoseleistung ist und als Anästhesie-/Narkosedauer die Zeit von der Applikation des Anästhetikums/Narkosemittels bzw. bei Regionalanästhesie vom Eintritt der vollständigen Anästhesiewirkung bis zehn Minuten nach der Beendigung des Eingriffs gilt.
Der Kläger erfüllt auch die weiteren Abrechnungsvoraussetzungen für die Leistung nach Nr. 19 EBM-Ä. Voraussetzung ist nach der Leistungslegende, wie dargelegt – nur -, dass der Kläger die Fremdanamnese erhoben hat, d. h. sich die für seine Behandlung erforderlichen Erkenntnisse aus der Biographie des jeweiligen Patienten – für einen Anästhesisten dürfte dabei ganz vorrangig die Krankheitsgeschichte von der Geburt an von Bedeutung sein, um das Narkoserisiko allgemein und speziell das Risiko bei der Injektion bestimmter Narkosemittel abschätzen zu können – verschafft hat und zwar nicht durch ein Gespräch mit dem Patienten selbst, sondern mit einem Angehörigen. Grund hierfür muss – auch dies ergibt sich aus der Leistungslegende – sein, dass es sich um einen psychisch, hirnorganisch oder kommunikationsgestörten Kranken handelt, der deshalb nicht in der Lage ist, dem Arzt selbst die erforderlichen Angaben zu machen. Dass der Kläger in den streitigen Fällen eine Anamneseerhebung durch Befragung Dritter durchgeführt hat, wird von der Beklagten nicht bestritten. Soweit die Darlegungen des Klägers in der Klagebegründung insofern etwas missverständlich sind, als er ausführt, er müsse unmittelbar vor der Narkose erfahren, was der Patient gegessen und welche Medikamente er genommen habe, sind diese Ausführungen in den Gesamtkontext der Begründung einzuordnen. Dass die Angaben über die letzte Nahrungsaufnahme und Medikamenteneinnahme ihrerseits nicht den Begriff der Fremdanamnese ausfüllen, liegt auf der Hand. Der Kläger hat jedoch im Übrigen - so erneut in der mündlichen Verhandlung des Senats - vorgetragen, jeweils für die Durchführung der Narkose eine gründliche Anamnese durchgeführt zu haben. Die genannten missverständlichen Darlegungen sollten lediglich begründen, warum er - entgegen der Annnahme der Beklagten - die Anamnese stets aktuell selbst durchführen müsse. Hierauf kommt es jedoch im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung ohnehin nicht an: Soweit die Beklagte nämlich die Erforderlichkeit der Anamneseerhebung durch den Kläger selbst vor der Operation anzweifelt, kann dies allenfalls eine Frage der Wirtschaftlichkeit der Leistung sein – unter den gegebenen Umständen nicht nach der statistischen Methode, sondern im Rahmen einer Einzelfallprüfung, bei der geprüft werden könnte, ob der Kläger die für ihn erforderlichen Erkenntnisse nicht aus der Anamneseerhebung eines anderen Arztes, insbesondere des behandelnden Hausarztes, der bei den Patienten für seine Behandlung ebenfalls eine aktuelle Fremdanamnese durchgeführt haben könnte, hätte entnehmen können. Derartige Erwägungen rechtfertigen jedoch keine sachlich-rechnerische Berichtigung.
Soweit die Beklagte anzweifelt, dass die Patienten von ihrem Krankheitsbild her die Grundvoraussetzungen für die Erhebung der Fremdanamnese erfüllten, kann dem unter Berücksichtigung der Dokumentation durch den Kläger auf den Abrechnungsbögen nicht gefolgt werden. Zum einen ist bereits fraglich, ob eine erhebliche Kommunikationsstörung überhaupt in jedem Fall Voraussetzung für die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ist, oder ob die Vorschrift nicht so zu lesen ist, dass es sich um einen psychisch oder hirnorganisch Kranken oder einen krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken handeln muss (so Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – a. a. O. ). Dies kann jedoch hier dahin stehen. Der Kläger hat auf den geprüften Abrechnungsscheinen Diagnosen dokumentiert, die - im Zusammenhang mit einer hirnorganischen oder einer psychischen Störung - eine Kommunikationsstörung nahe legen. Sofern man auch bei psychisch oder hirnorganisch Kranken eine solche Kommunikationsstörung voraussetzt, kann der Begriff der "erheblichen" Kommunikationsstörung nicht losgelöst von der vorgesehenen Behandlung interpretiert werden. Sofern die vorgesehene Behandlung - wie eine Narkose – einen schwerwiegenden Eingriff in die Körperintegrität bedeutet, muss jede Kommunikationsstörung als erheblich angesehen werden, die das Risiko beinhaltet, dass der Patient dem Arzt keine exakt richtigen Angaben macht, und hierfür ist es unbedeutend, ob im Einzelfall eine schwere oder schwerste Intelligenzminderung bestand. Insoweit wird man vielmehr dem Anästhesisten einen weiten Beurteilungsspielraum einräumen müssen, da er das Haftungsrisiko für einen Narkosezwischenfall trägt.
Soweit die Beklagte letztlich geltend machen will, die Nr. 19 EBM-Ä sei von dem Kläger ohne hinreichende Einzelfallbegründung abgerechnet worden, ist eine solche Begründung nach der Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä nicht erforderlich; eine Begründungspflicht ist auch nicht aus anderen normativen Regelungen abzuleiten (vgl. zu diesem Erfordernis allgemein BSG, Urt. vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10, juris Rz. 16; ebenso unter Hinweis u. a. auf dieses Urt. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. vom 11. Mai 1999 – L 6 KA 38/98 – a. a. O., betreffend die Nr. 19 EBM-Ä). Dies gilt auch für die – auf den Abrechnungsbögen des Klägers nicht erfolgte - Dokumentation der Person, mit deren Hilfe die Fremdanamnese erhoben wurde. Soweit von dem Kläger, der Vermutung der Beklagten entsprechend, auch Patienten aus Behinderteneinrichtungen behandelt und die Personen, die zur Erhebung der Fremdanamnese herangezogen wurden, Pflegekräfte waren, die den Behinderten langjährig betreuen, widerspricht dies der Leistungslegende und deren Interpretation durch das BSG (a. a. O.; "aus dem Interaktionsfeld ...") nicht, da es lediglich darum geht, eine Person zu befragen, die - im Prinzip von der Kindheit an – detaillierte Angaben über die (Krankheits-)Biographie des Patienten machen kann.
Soweit die 61 streitigen Abrechnungen sich in Einzelfällen auf Kinder unter 4 Jahren beziehen, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä bei Säuglingen und Kleinkindern nicht in Betracht kommt, weil hier das Alter und nicht die Kommunikationsstörung die Erhebung der Eigenanamnese verhindert (BSG, Beschl. vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 4/01 B - veröffentlicht in juris). Hierauf war jedoch hier nicht näher einzugehen und es war keine Verurteilung lediglich zur Neubescheidung auszusprechen, weil zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass wegen der Ausschöpfung des Praxisbudgets des Klägers in dem streitigen Quartal faktisch nur die Nachvergütung von 14 Leistungen nach der Nr. 19 EBM-Ä in Betracht kommt. In diesem Umfang hat der Kläger hier in jedem Fall Anspruch auf Nachvergütung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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