Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 2 RA 112/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 R 80/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. März 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Rente.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1987 wurde ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Sie ist weiterhin als Augenoptikerin beschäftigt. Für das Jahr 1999 wurde ein monatlicher Verdienst in Höhe von 1.923,10 DM zuzüglich eines Zuschlags von 26,50 DM angegeben. Im Rahmen der regelmäßigen Überprüfungen ging am 11. Mai 2001 eine Bescheinigung des Arbeitgebers der Klägerin ein, wonach diese zuletzt im April 2001 einen Bruttoverdienst von 2.074,75 DM gehabt habe.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2001 mit, dass das Einkommen der Klägerin die neue Hinzuverdienstgrenze ab Januar 2001 überschreite, so dass die Rente auf ein Drittel zu kürzen sei. Es wurde angekündigt, die für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2001 zu viel gezahlte Rente in Höhe von 3.829,74 DM zurückzufordern.
Bereits mit Bescheid vom 29. Mai 2001 hatte die Beklagte die Rente neu berechnet und für das erste Halbjahr 2001 auf 349,84 DM festgesetzt. Mit erneutem Rentenbescheid vom 9. Oktober 2001 wurde die Rente ab 1. Januar 2001 wiederum neu berechnet und für die Zeit von Januar bis Juni 2001 eine Überzahlung von 3.829,74 DM festgestellt und dieser Betrag zurückgefordert. In der Begründungen wurde ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 28. Oktober 1987 mit Wirkung ab 1. Januar 2001 aufgehoben werde. Gegen die Rückforderung legte die Klägerin am 25. Oktober 2001 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 zurückgewiesen wurde. In diesem ist ausgeführt:
"Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides besteht. Dies folgt dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Verpflichtung, zur zweckentsprechenden Verwendung der Mittel. Es soll verhindert werden, dass Leistungen ohne ausreichende gesetzlicher Grundlage erbracht werden. Allerdings ist auf Grund der im Widerspruchsverfahren gemachten Ausführungen zur Vermeidung einer etwaigen wirtschaftlichen Notlage mit Schreiben vom 6. November 2002 im Rahmen des Ermessens eines angemessene Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR eingeräumt worden."
Die Klägerin hat am 16. Oktober 2003 Klage erhoben und gemeint, die Beklagte habe die Überzahlung zu vertreten. Weiter trägt sie vor, die Mitteilung über die Änderung der Hinzuverdienstgrenze zum Januar 2001 habe sie nie erhalten. Über die neue Rechtslage hätte die Beklagte sie aber informieren müssen. Dann hätte sie ihre Beschäftigung darauf einrichten können. Die Rückzahlung sei ihr nicht möglich, da sie einen Abtrag für ihr Haus leisten müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 9. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 aufzuheben und ihr bis zum 30. Juni ungekürzte Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich zur Begründung auf die angegriffenen Bescheide und führt weiter aus, dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Veränderungsmitteilung über die Hinzuverdienstgrenze erhalten habe, denn diese sei üblicherweise verschickt worden, und ein Postrücklauf sei in der Akte nicht vermerkt.
Das Sozialgericht Schleswig hat mit Urteil vom 8. März 2005 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 verurteilt, der Klägerin ungekürzte Berufsunfähigkeitsrente bis zum 30. Juni 2001 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne den Zugang des Merkblattes hinsichtlich der geänderten Hinzuverdienstgrenze nicht nachweisen, so dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin von den neuen Hinzuverdienstgrenzen nichts gewusst habe. Erst mit Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2001 sei sie hierüber informiert worden. Deswegen sei die teilweise Aufhebung des Rentenbescheides vom 28. Oktober 1987 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2001 rechtswidrig. Das Urteil wurde der Beklagten am 10. Juni 2005 zugestellt.
Diese hat am 1. Juli 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, es sei unerheblich, ob die Klägerin das Merkblatt über die Hinzuverdienstgrenze erhalten habe, denn nach der maßgeblichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), komme es auf die Bösgläubigkeit nicht an, sondern nur darauf, dass die Klägerin Einkommen erzielt habe, welches die Hinzuverdienstgrenze überschritten habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass sie von den neuen Hinzuverdienstgrenzen nichts gewusst habe und den Rückforderungsbetrag nicht zurückzahlen könne.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. Juli 2005 und die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 mit der Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Schleswig in seinem Urteil vom 8. März 2005 die angegriffenen Bescheide aufgehoben.
Die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 1987 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2001 war rechtswidrig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt vom 28. Oktober 1987 ist ein solcher mit Dauerwirkung. Die rechtlichen Verhältnisse haben sich dahingehend verändert, dass gemäß § 313 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), i.V.m. § 96a SGB VI ab 1. Januar 2001 neue Hinzuverdienstgrenzen gelten mit der Folge, dass die Klägerin nur noch Anspruch auf ein Drittel ihrer Rente hatte. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Ziff. 3 dieses Satzes nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die neuen Hinzuverdienstgrenzen ab 1. Januar 2001 haben zu einer Minderung des Rentenanspruchs der Klägerin geführt. "Soll" bedeutet, dass die Aufhebung des Bescheides für die Vergangenheit in aller Regel zu geschehen hat, wobei es auf Bösgläubigkeit oder Verschulden des Betroffenen nicht ankommt. Allerdings erfolgt in Ausnahmefällen - in atypischen Fällen - eine Rücknahme für die Vergangenheit nur nach Ermessen der Behörde (Wiesner in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 48, Rdnr. 20; BSG, Urt. v. 11. Januar 1989 10 RKg 12/87 -, Breith. 1989, S. 767, 769). Ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine solche Ermessensentscheidung gebietet, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu entscheiden und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser muss Merkmale aufweisen, die im Hinblick auf die mit der Rückwirkung verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X deutlich abweichen, so dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät (Bundessozialgericht, Urt. v. 3. Juli 1991 - 9b RAr 2/90 -, Breith. 1992, S. 429 f.). Dabei kann auch das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einbezogen werden. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite kann z. B. die Atypik begründen (BSG, Urt. v. 28. Juni 1990 - 7 RAr 132/88 , SozR 3-4100 § 115 Nr. 1). Hier liegt ein atypischer Fall wegen Fehlverhaltens der Beklagten vor, denn diese hat offenbar die Klägerin nicht rechtzeitig von der Änderung der Hinzuverdienstgrenze informiert. Zum einen kann sie den Zugang des Informationsmerkblatts nicht nachweisen. Die Annahme, die Klägerin werde dieses schon erhalten haben, weil diese Merkblätter üblicherweise zugegangen sind, ersetzt nicht den Nachweis des Zuganges. Außerdem hätte die Klägerin sicherlich bei Zugang dieses Informationsmerkblattes ihre Beschäftigung so eingerichtet, dass sie die erhebliche Reduzierung der Rente auf ein Drittel vermieden hätte. Denn der Großteil der Rentenbezieher wird bei einer solchen Information den Verdienst so steuern, dass er knapp unterhalb der jeweiligen Hinzuverdienstgrenze liegt (BSG, Urt. v. 28. April 2004 B 5 RJ 60/03 R - recherchiert bei juris -). Demzufolge hätte auch die Klägerin, wie sie selbst vorgetragen hat, bei Zugang des Merkblattes ihre Beschäftigung darauf eingerichtet. Im Übrigen wusste die Beklagte von dem hohen Hinzuverdienst der Klägerin, so dass sie entweder den neuesten Stand hätte erfragen müssen oder sie hätte nach dem ihr bekannten Einkommen von 1999 die Hinzuverdienstgrenze und die neue Rente berechnen können.
Die Beklagte war hier wegen Vorliegens eines atypischen Falles gehalten, eine umfassende Ermessenerwägung anzustellen. Sie hat auch im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. In diese Ermessenserwägungen sind aber nicht alle für den Fall maßgeblichen Gesichtspunkte eingeflossen, so dass hier eine Ermessensunterschreitung seitens der Beklagten vorliegt. Insbesondere hat sie nicht berücksichtigt, dass die objektive Überzahlung auf ihr Fehlverhalten zurückzuführen ist. Weiterhin hat sie nicht berücksichtigt, dass die eigentlich erwerbsunfähige Klägerin erhebliche Anstrengungen unternimmt, um trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung noch einer Beschäftigung nachzugehen. Im Übrigen hat die Beklagte zwar nach Ermessen Ratenzahlung gewährt, aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Abtrag für das Haus der Klägerin und ihres Ehemannes von ihrem Einkommen und der Rente bestritten wurde und der Ehemann ausweislich der Steuerbescheide und der vorläufigen Auswertung des Steuerberaters mit seinem Betrieb Verlust macht, so dass er zum Einkommen der Eheleute nichts Wesentliches beitragen kann. Insoweit ist nämlich auch zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) nach Lage des Falles eine Härte bedeuten würde, die den Leistungsbezieher untypischerweise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall betroffenen (vergl. BSG, Urt. v. 29. Juni 1994 - 1 RK 45/93 - recherchiert bei juris -). Diese weiter gehenden Ermessenserwägungen hätten dazu führen müssen, dass bei der hier vorliegenden Fallgestaltung das Ermessen auf Null reduziert ist. Die rückwirkende Aufhebung des Ausgangsrentenbescheides war somit nicht rechtmäßig. Lediglich ab Mitteilung im Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2001 über die neue Sachlage war diese der Klägerin bekannt und konnte eine Neuberechnung der Rente erfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Rente.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1987 wurde ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt. Sie ist weiterhin als Augenoptikerin beschäftigt. Für das Jahr 1999 wurde ein monatlicher Verdienst in Höhe von 1.923,10 DM zuzüglich eines Zuschlags von 26,50 DM angegeben. Im Rahmen der regelmäßigen Überprüfungen ging am 11. Mai 2001 eine Bescheinigung des Arbeitgebers der Klägerin ein, wonach diese zuletzt im April 2001 einen Bruttoverdienst von 2.074,75 DM gehabt habe.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 2001 mit, dass das Einkommen der Klägerin die neue Hinzuverdienstgrenze ab Januar 2001 überschreite, so dass die Rente auf ein Drittel zu kürzen sei. Es wurde angekündigt, die für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2001 zu viel gezahlte Rente in Höhe von 3.829,74 DM zurückzufordern.
Bereits mit Bescheid vom 29. Mai 2001 hatte die Beklagte die Rente neu berechnet und für das erste Halbjahr 2001 auf 349,84 DM festgesetzt. Mit erneutem Rentenbescheid vom 9. Oktober 2001 wurde die Rente ab 1. Januar 2001 wiederum neu berechnet und für die Zeit von Januar bis Juni 2001 eine Überzahlung von 3.829,74 DM festgestellt und dieser Betrag zurückgefordert. In der Begründungen wurde ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 28. Oktober 1987 mit Wirkung ab 1. Januar 2001 aufgehoben werde. Gegen die Rückforderung legte die Klägerin am 25. Oktober 2001 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2003 zurückgewiesen wurde. In diesem ist ausgeführt:
"Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides besteht. Dies folgt dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Verpflichtung, zur zweckentsprechenden Verwendung der Mittel. Es soll verhindert werden, dass Leistungen ohne ausreichende gesetzlicher Grundlage erbracht werden. Allerdings ist auf Grund der im Widerspruchsverfahren gemachten Ausführungen zur Vermeidung einer etwaigen wirtschaftlichen Notlage mit Schreiben vom 6. November 2002 im Rahmen des Ermessens eines angemessene Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR eingeräumt worden."
Die Klägerin hat am 16. Oktober 2003 Klage erhoben und gemeint, die Beklagte habe die Überzahlung zu vertreten. Weiter trägt sie vor, die Mitteilung über die Änderung der Hinzuverdienstgrenze zum Januar 2001 habe sie nie erhalten. Über die neue Rechtslage hätte die Beklagte sie aber informieren müssen. Dann hätte sie ihre Beschäftigung darauf einrichten können. Die Rückzahlung sei ihr nicht möglich, da sie einen Abtrag für ihr Haus leisten müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 9. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 aufzuheben und ihr bis zum 30. Juni ungekürzte Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich zur Begründung auf die angegriffenen Bescheide und führt weiter aus, dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Veränderungsmitteilung über die Hinzuverdienstgrenze erhalten habe, denn diese sei üblicherweise verschickt worden, und ein Postrücklauf sei in der Akte nicht vermerkt.
Das Sozialgericht Schleswig hat mit Urteil vom 8. März 2005 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2003 verurteilt, der Klägerin ungekürzte Berufsunfähigkeitsrente bis zum 30. Juni 2001 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte könne den Zugang des Merkblattes hinsichtlich der geänderten Hinzuverdienstgrenze nicht nachweisen, so dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin von den neuen Hinzuverdienstgrenzen nichts gewusst habe. Erst mit Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2001 sei sie hierüber informiert worden. Deswegen sei die teilweise Aufhebung des Rentenbescheides vom 28. Oktober 1987 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2001 rechtswidrig. Das Urteil wurde der Beklagten am 10. Juni 2005 zugestellt.
Diese hat am 1. Juli 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, es sei unerheblich, ob die Klägerin das Merkblatt über die Hinzuverdienstgrenze erhalten habe, denn nach der maßgeblichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), komme es auf die Bösgläubigkeit nicht an, sondern nur darauf, dass die Klägerin Einkommen erzielt habe, welches die Hinzuverdienstgrenze überschritten habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass sie von den neuen Hinzuverdienstgrenzen nichts gewusst habe und den Rückforderungsbetrag nicht zurückzahlen könne.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 19. Juli 2005 und die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 mit der Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Schleswig in seinem Urteil vom 8. März 2005 die angegriffenen Bescheide aufgehoben.
Die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 1987 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2001 war rechtswidrig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt vom 28. Oktober 1987 ist ein solcher mit Dauerwirkung. Die rechtlichen Verhältnisse haben sich dahingehend verändert, dass gemäß § 313 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), i.V.m. § 96a SGB VI ab 1. Januar 2001 neue Hinzuverdienstgrenzen gelten mit der Folge, dass die Klägerin nur noch Anspruch auf ein Drittel ihrer Rente hatte. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Ziff. 3 dieses Satzes nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die neuen Hinzuverdienstgrenzen ab 1. Januar 2001 haben zu einer Minderung des Rentenanspruchs der Klägerin geführt. "Soll" bedeutet, dass die Aufhebung des Bescheides für die Vergangenheit in aller Regel zu geschehen hat, wobei es auf Bösgläubigkeit oder Verschulden des Betroffenen nicht ankommt. Allerdings erfolgt in Ausnahmefällen - in atypischen Fällen - eine Rücknahme für die Vergangenheit nur nach Ermessen der Behörde (Wiesner in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 48, Rdnr. 20; BSG, Urt. v. 11. Januar 1989 10 RKg 12/87 -, Breith. 1989, S. 767, 769). Ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine solche Ermessensentscheidung gebietet, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu entscheiden und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser muss Merkmale aufweisen, die im Hinblick auf die mit der Rückwirkung verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X deutlich abweichen, so dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät (Bundessozialgericht, Urt. v. 3. Juli 1991 - 9b RAr 2/90 -, Breith. 1992, S. 429 f.). Dabei kann auch das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einbezogen werden. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite kann z. B. die Atypik begründen (BSG, Urt. v. 28. Juni 1990 - 7 RAr 132/88 , SozR 3-4100 § 115 Nr. 1). Hier liegt ein atypischer Fall wegen Fehlverhaltens der Beklagten vor, denn diese hat offenbar die Klägerin nicht rechtzeitig von der Änderung der Hinzuverdienstgrenze informiert. Zum einen kann sie den Zugang des Informationsmerkblatts nicht nachweisen. Die Annahme, die Klägerin werde dieses schon erhalten haben, weil diese Merkblätter üblicherweise zugegangen sind, ersetzt nicht den Nachweis des Zuganges. Außerdem hätte die Klägerin sicherlich bei Zugang dieses Informationsmerkblattes ihre Beschäftigung so eingerichtet, dass sie die erhebliche Reduzierung der Rente auf ein Drittel vermieden hätte. Denn der Großteil der Rentenbezieher wird bei einer solchen Information den Verdienst so steuern, dass er knapp unterhalb der jeweiligen Hinzuverdienstgrenze liegt (BSG, Urt. v. 28. April 2004 B 5 RJ 60/03 R - recherchiert bei juris -). Demzufolge hätte auch die Klägerin, wie sie selbst vorgetragen hat, bei Zugang des Merkblattes ihre Beschäftigung darauf eingerichtet. Im Übrigen wusste die Beklagte von dem hohen Hinzuverdienst der Klägerin, so dass sie entweder den neuesten Stand hätte erfragen müssen oder sie hätte nach dem ihr bekannten Einkommen von 1999 die Hinzuverdienstgrenze und die neue Rente berechnen können.
Die Beklagte war hier wegen Vorliegens eines atypischen Falles gehalten, eine umfassende Ermessenerwägung anzustellen. Sie hat auch im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. In diese Ermessenserwägungen sind aber nicht alle für den Fall maßgeblichen Gesichtspunkte eingeflossen, so dass hier eine Ermessensunterschreitung seitens der Beklagten vorliegt. Insbesondere hat sie nicht berücksichtigt, dass die objektive Überzahlung auf ihr Fehlverhalten zurückzuführen ist. Weiterhin hat sie nicht berücksichtigt, dass die eigentlich erwerbsunfähige Klägerin erhebliche Anstrengungen unternimmt, um trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung noch einer Beschäftigung nachzugehen. Im Übrigen hat die Beklagte zwar nach Ermessen Ratenzahlung gewährt, aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Abtrag für das Haus der Klägerin und ihres Ehemannes von ihrem Einkommen und der Rente bestritten wurde und der Ehemann ausweislich der Steuerbescheide und der vorläufigen Auswertung des Steuerberaters mit seinem Betrieb Verlust macht, so dass er zum Einkommen der Eheleute nichts Wesentliches beitragen kann. Insoweit ist nämlich auch zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) nach Lage des Falles eine Härte bedeuten würde, die den Leistungsbezieher untypischerweise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall betroffenen (vergl. BSG, Urt. v. 29. Juni 1994 - 1 RK 45/93 - recherchiert bei juris -). Diese weiter gehenden Ermessenserwägungen hätten dazu führen müssen, dass bei der hier vorliegenden Fallgestaltung das Ermessen auf Null reduziert ist. Die rückwirkende Aufhebung des Ausgangsrentenbescheides war somit nicht rechtmäßig. Lediglich ab Mitteilung im Anhörungsschreiben vom 13. Juni 2001 über die neue Sachlage war diese der Klägerin bekannt und konnte eine Neuberechnung der Rente erfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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