L 8 R 2/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 9 RA 65/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 R 2/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Deutsche Rentenversicherung Bund als Versorgungsträger für die Zusatzver¬sorgungssysteme die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989 als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem in der ehemaligen DDR eingerichtetem Zusatzversorgungssystem Nr. 4 (Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen -AVI-) der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) und die hieraus erzielten Arbeitsverdienste festzustellen hat.

Der am 1944 geborene Kläger hat am 19. Dezember 1969 an der E -Universität in G das Studium der Physik abgeschlossen und ist seit diesem Zeitpunkt berechtigt, die Berufsbezeichnung Physiker zu führen. Am 10. August 1972 wurde ihm der akademische Grad des Diplomphysikers verliehen. Vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989 war der Kläger als wissen¬schaftlicher Assistent (Physiker) an der Universität G tätig. Mit Wirkung zum 21. August 1989 wurde der Kläger zwangsweise ausgebürgert und siedelte in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit arbeitete der Kläger zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität L und später als Wissenschaftler im All¬gemeinen Krankenhaus St. Ga in H.

Eine Versorgungszusage zu einem Zusatzversorgungssystem ist dem Kläger für den streitigen Zeitraum nicht erteilt worden.

Am 14. Februar 2002 beantragte der Kläger die Feststellung seiner Zugehörigkeit zu dem Zusatzver¬sorgungssystem Nr. 4 für die Zeit vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der streitigen Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab, da die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine Versorgungsanwart¬schaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versor¬gungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch habe der Kläger am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wä¬re. Das AAÜG sei auf diesen Fall nicht anwendbar. Hiergegen legte der Kläger am 2. August 2002 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Wider¬spruchsbescheid vom 27. Februar 2003 zugestellt am 13. März 2003 - zurückwies.

Mit der am 10. April 2003 bei dem Sozialgericht Lübeck erhoben Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe entgegen der Ansicht der Be¬klagten beim In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft im Sin¬ne des § 1 Abs. 1 AAÜG gehabt. Er habe am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Versorgungsanwartschaft erfüllt. Eine Anwartschaft umschreibe eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalls erfüllt seien. Die Verordnung über die Altersversor¬gung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR vom 12. Juli 1951 (AVVO-Int) habe keinen Einbezie¬hungsakt des zuständigen Versorgungsträgers vorgesehen. Es habe sich vielmehr um eine obli¬gatorische Berechtigung gehandelt. Er sei als Wissenschaftler an der Universität G be¬schäftigt gewesen und unterfalle somit dem Anwendungsbereich der Verordnung. Nach § 11 Abs. 1 der Verordnung werde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Be¬günstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einer der unter § 6 genannten Einrichtungen befindet. Diese Voraussetzung habe bei ihm jeden¬falls bis zu seiner Ausbürgerung vorgelegen. In dem streitigen Zeitraum hätten damit alle Vor¬aussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalles vorgelegen. Soweit infolge seiner Ausbürgerung seine Anwartschaft verloren gegangen sein sollte, sei das AAÜG nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG auf ihn anwendbar. § 1 Abs. 1 AAÜG sei verfassungskonform ausdehnend so auszulegen, dass eine Versorgungsanwartschaft "auf Grund der Zugehörigkeit" bei nicht Nicht-Einbezogenen nicht nur in den vorgenannten sowie in den Fällen der Gleichstellung durch Satz 2 bestehe, sondern auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen fiktiven "Anspruch auf Versorgungszusage" rück¬schauend nach den zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte. Im Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden und mit Urteil vom 14. Oktober 2005 die Klage abgewiesen. In dessen Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädago¬gischen und medizinischen Einrichtungen (AVI) in der Zeit vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989 und der in diesem Zeitraum erzielten tatsächlichen Arbeitsverdienste; denn er falle schon nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG. Von diesem würden nach der Maßstabsnorm des § 1 Abs. 1 AAÜG die Versorgungsberechtigungen erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssyste¬men im Beitrittsgebiet erworben worden seien und beim In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden hätten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Sei ein Verlust der Versorgungsan¬wartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gelte dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten. Gehe man von dem Wortlaut der Vorschrift aus, erfülle der Klä¬ger beide Tatbestände nicht. Er sei nicht Inhaber einer bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft gewesen. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden sei, liege nicht vor. Er habe keine Versorgungszusage im System der AVI in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten. Der Kläger sei auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsent¬scheidung in das Versorgungssystem AVVO-Int einbezogen worden. Im Übrigen hätten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen gegolten, wenn in dem ein¬schlägigen System für sie ein Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen gewesen sei, dies treffe jedoch auf die AVI nicht zu. Für den Kläger gelte auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er habe nie vor dem 30. Juni 1990 ei¬ne Versorgungsanwartschaft innegehabt, die er hätte verlieren können. Bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen gewesen und auch nicht nachfolgend auf Grund originären Bundesrechts (Art. 17 EV) einbezogen worden seien, sei allerdings auf Grund der vom Bundessozialgericht vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. An diesem Tage habe der Kläger sich aber nicht als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler in einem Anstellungsverhältnis zu einer wissenschaftlichen Einrichtung im Sinne des § 6 AVVO-Int befunden; denn er sei mit Ablauf des 21. August 1989 (ohne Versorgungszusage) aus der Universität G ausgeschieden und anschließend - also noch am 30. Juni 1990 – arbeitslos gewesen. Er hätte deshalb nach der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachlage mangels Anstellung in einer wissenschaftlichen Einrichtung im Sinne des § 6 AVVO-Int keinen (fiktiven) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Januar 2006 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zu ihrer Begründung macht der Kläger geltend, er sei entgegen der Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts während seiner Tätigkeit als Physiker, wissenschaftlicher Assistent an der Universität G , obligatorisch in die AVI der DDR einbezogen gewesen, ohne dass es eines besonderen Einbeziehungsaktes bedurft hätte; dies ergebe sich aus §§ 2 a)und 6 der AVVO-Int. Auch sei er am 30. Juni 1990 nicht arbeitslos gewesen, sondern vielmehr vom 1. Februar 1990 bis zum 31. Januar 1991 als wissenschaftlicher Angestellter bei der Universität L beschäftigt gewesen.

Der Kläger beantragt

1. das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. 0ktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbeschei¬des vom 27. Februar 2003 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersver¬sorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medi¬zinischen Einrichtungen (Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tat¬sächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und ihre angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig. Sie trägt im Übrigen vor, dass der Kläger während seiner Tätigkeit in der DDR nicht im Besitz einer (auch erloschenen) positiven Versorgungszusage (Urkunde) aus dem System der AVI gewesen sei und es sich bei der Universität Lübeck nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung der DDR gehandelt habe, sodass aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage zu diesem Zeitpunkt bereits deshalb kein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage aus diesem System bestanden habe.

Wegen weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts¬akte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben in der Berufungsverhandlung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. April 1973 bis zum 21. August 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungsystem AVI der ehemaligen DDR festzustellen. Der Kläger hat kein Recht, von der Beklagten als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 AAÜG die begehrten Feststellungen zu verlangen. Einzige Anspruchsgrundlage hierfür könnte § 8 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 Nr. 1 AAÜG sein. Danach hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) (nunmehr die Deutsche Rentenversicherung - DRV-Bund) als danach für diese Zusatzversorgungssysteme zuständiger Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 aaO durch Bescheid bekannt zu geben, also die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG die sich daraus ergebenden tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze.

§ 8 AAÜG ist jedoch nicht anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (vgl. § 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust als nicht eingetreten (Satz 2 aaO), sodass auch in diesen Fällen das AAÜG Geltung beansprucht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Der Kläger hatte am 1. August 1991 weder auf Grund eines Verwaltungsaktes noch auf Grund eines Gesetzes eine Versorgungsanwartschaft aus Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, insbesondere nicht zu dem in der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG aufgeführten System der AVI.

Auf Grund eines Verwaltungsaktes, durch den der Kläger in dieses Zusatzversorgungssystem aufgenommen worden wäre, im Sinne einer Versorgungszusage für dieses System, während seiner Assistententätigkeit an der Universität G und vor seiner Übersiedelung aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland, hatte er nie solche Anwartschaft erlangt, weil ein solcher individueller Einbeziehungsakt nie ergangen ist. Der Kläger gehörte während dieser Zeit nach den Regelungen der AVVO-Int und den Durchführungsbestimmungen und Anwendungsrichtlinien zu ihnen auch nicht zu einem Personenkreis, der, ohne dass es eines individuellen Einbeziehungsaktes bedurfte hätte, in dieses System einbezogen war. Er hätte zwar während seiner Tätigkeit als Diplom-Physiker und wissenschaftlicher Assistent an der Universität G in die AVI in das mit Wirkung vom 12. Juli 1951 – nämlich durch die AVVO-Int von diesem Tage – eingerichtete Versorgungssystem der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG nach den in der DDR geltenden Regelungen einbezogen werden können, weil er ein hauptberuflich tätiger Wissenschaftler an einer wissenschaftlichen Einrichtung der DDR i.S. der §§ 1 i.V.m. 6 AVVO-Int war, § 2 Buchstabe a) AVVO-Int war. Aus diesen Regelungen der AVVO-Int folgt aber nur, dass der Kläger während seiner vorgenannten Tätigkeit zu einem der Personenkreise gehörte, für die die Möglichkeit der Einbeziehung in die AVI bestand. Er gehörte aber als wissenschaftlicher Assistent nicht zu den Wissenschaftlern, die nach der Richtlinie zum Abschluss von Altersversorgungen der Intelligenz vom 26. Juni 1972 - ergangen auf der Grundlage des Beschlusses des Ministerrats der DDR Nr. 02-25/I 1-2/72 vom 21. Juni 1972 - (AltVersR-Int) (abgedruckt bei Aichberger II, Sozialgesetze, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer, Verlag C.H.Beck, Stand Juli 2000) obligatorisch in die AVI einzubeziehen waren. Hinsichtlich der Angehörigen der wissenschaftlichen Intelligenz i.S. des § 2 Buchstabe a) AVVO-Int nach Punkt I dieser Richtlinie galt dies nämlich nur für Professoren und Dozenten an Akademien, Universitäten, und Hochschulen. Für sie waren die Unterlagen zur Einbeziehung direkt bei der Staatlichen Versicherung der DDR einzureichen. Ob dies so zu verstehen ist, dass für die Professoren und Dozenten ein besonderer Akt der Einbeziehung in die AVI nicht vorgesehen war, kann hier dahingestellt bleiben. Für sonstige Angehörige der wissenschaftlichen Intelligenz an Universitäten Hochschulen und Forschungsinstituten galt gleiches jedenfalls nicht. Sie konnten nur nach Punkt III. Nr. 1 Buchstabe a) AltVersR-Int bei besonderen Verdiensten und Leistungen - speziell "hohen schöpferischen Leistungen in der Forschung, kurzfristiger Überführung und Anwendung von Forschungsergebnissen mit hoher Effektivität in der Produktion, hervorragenden Ergebnissen in der Lehre und Erziehung" - in die AVI einbezogen werden. Für sie war zudem in Punkt III. Nr. 3 AltVersR-Int weiter einschränkend bestimmt, dass ihre Einbeziehung nur dann vorgeschlagen werden sollte, wenn sie aufgrund der Höhe ihres Einkommens oder infolge Alters durch den Abschluss einer freiwilligen Zusatzrentenversicherung zusammen mit den Rente aus der Sozialpflichtversicherung keinen Gesamtanspruch erwerben konnten, der mindestens 75% ihres Nettoverdienstes erreichte. Zu dem Vorschlag der jeweiligen wissenschaftlichen Einrichtung war zunächst durch diese mit zu begründendem Antrag die Zustimmung des Leiters des Staatlichen Amtes für Arbeit und Löhne beim Ministerrat einzuholen. Erst nach deren Erteilung waren die für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung notwendigen Unterlagen der Staatlichen Versicherung der DDR durch den Leiter des zentralen Staatsorgans bzw. durch den Vorsitzenden des Rats des Bezirks zu übermitteln, Punkt III. Nrn. 5 und 6 AltVersR-Int.

Der Kläger gehörte damit keinesfalls zu einem Personenkreis, der nach den in der DDR seinerzeit geltenden Regelungen ohne besonderen Einbeziehungsakt in das System der AVI einbezogen wurde bzw. einzubeziehen war.

Damit hat er bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 weder jemals Anwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zur AVI innegehabt, noch eine solche verloren. Nach dem Wortlaut des § 1 AAÜG fällt er mithin nicht in den persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes.

Er ist in diesen auch nicht unter Berücksichtigung der erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG durch den 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) einbezogen. Nach dieser ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen waren zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S 12 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S 20; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 4 S 26 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 S 32; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S 39; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 S. 59 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 8 S 73 und BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 4). Einem solcher fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage steht aber im Falle des Klägers vor allem entgegen entgegen, dass er nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage, zu diesem Stichtag, nicht mehr in einer wissenschaftlichen Einrichtung i.S. des § 6 AVVO-Int, nämlich einer solchen der DDR, sondern an der Universität L hauptberuflich als Wissenschaftler tätig war.

Überdies wäre er aber auch, selbst dann, wenn er zu diesem Stichtag in der DDR verblieben und weiter an einer dortigen wissenschaftlichen Einrichtung i.S. des § 6 AVVO-Int tätig gewesen wäre, wie oben dargelegt, nur dann obligatorisch in die AVI einzubeziehen gewesen wäre, wenn er am 30. Juni 1990 an einer solchen Einrichtung Professor oder Dozent gewesen wäre. Nur dann hätte er am Stichtag einen "Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage" gehabt. Nur Personen, die am 30. Juni 1990 nicht einbezogen waren, aber nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regeln eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten, dürfen zur Vermeidung eines mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Wertungswiderspruchs nicht anders behandelt werden als diejenigen, die eine solche Zusage zuvor verloren hatten. Bundesrecht sind nur diejenigen Regelungen geworden, die als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können. Nicht Bundesrecht geworden sind hingegen Vorschriften über die Zuteilung von Versorgungszusagen, die eine bewertende oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors einer staatlichen Stelle der DDR usw. vorsahen (vgl. z.B. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 41 f.) Deshalb sind jedenfalls die Regelungen des Punktes III der AltVersR-Int bzw. die ihnen zugrundeliegenden sonstigen Vorschriften der DDR, die für andere Angehörige des Personenkreises der Wissenschaftler i.S. des § 2 Buchstabe a) als Professoren und Dozenten eine solche Ermessensentscheidung bei der Erteilung einer Versorgungszusage für die AVI vorsahen, nicht Bundesrecht geworden. Eine Einbeziehung in die AVI durch eine Ermessensentscheidung konnte am 30. Juni 1990 nach Bundesrecht nicht mehr rechtmäßig erfolgen. Sie kann deshalb auch nicht fingiert werden. Zur Klarstellung weist der Senat im Übrigen nochmals darauf hin, dass letztere Ausführungen seine Entscheidung nicht tragen. Konkret entscheidungserheblich ist vielmehr bezogen auf die erweiternde, verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG durch das BSG allein schon der Umstand, dass der Kläger am 30. Juli 1990 nicht mehr an einer wissenschaftlichen Einrichtung der DDR, sondern in der Bundesrepublik tätig war.

Es fehlt mithin jeder rechtliche Anknüpfungspunkt dafür, unter einem auch nur denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt eine Zugehörigkeit des Klägers zum System der AVI nach § 1 Abs. 1 AAÜG zu irgendeinem Zeitpunkt zu bejahen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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