L 5 KR 54/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 234/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 54/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 12.742,29 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Beitragspflicht der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung für den bei ihr in der Zeit von Januar 2001 bis Januar 2002 und 2003 beschäftigten Beigeladenen zu 1.

Die Klägerin betreibt mehrere Autohäuser. Vom 1. Januar 2001 bis 31. Januar 2002 und vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 war der Beigeladene zu 1. bei ihr als Autoverkäufer beschäftigt. Zuvor und jetzt war bzw. ist er selbstständiger Handelsvertreter in der Textilbranche und hatte sich in diesem Zusammenhang in der Signal-Iduna privat krankenversichert. Mit dem Beigeladenen zu 1. hatte der Geschäftsführer der Klägerin einen mündlichen Arbeitsvertrag geschlossen mit der Vereinbarung eines monatlichen Fixums von 6.000,00 DM.

Am 16. März 2004 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) bei der Klägerin für den Prüfungszeitraum Dezember 1999 bis Dezember 2003 durch. Dabei stellte sie fest, dass der Beigeladene zu 1. für die streitige Zeit die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) des § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) nicht überschritten hatte. In der Schlussbesprechung wies die Beklagte die Klägerin auf diesen Umstand hin und dass nach einer telefonischen Auskunft von Frau T (Gesellschafterin der Klägerin und Ehefrau des Geschäftsführers) eine Befreiung in der Krankenversicherung nicht vorliege. Mit Bescheid vom 24. Mai 2004 stell¬te die Beklagte eine Nachforderung von 12.742,29 EUR an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung fest und bat um Zahlung an die Beigeladenen zu 2. und 3. Der Berechnung der Beitragsforderung lag ein Einkommen des Beigeladenen zu 1. für das Jahr 2001 in Höhe von 75.675,00 DM, für Januar 2002 in Höhe von 3.067,75 EUR und für das Jahr 2003 in Höhe von 36.970,70 EUR zugrunde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein unter Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 10. Januar 2003 (S 8 RA 94/02). Danach sei die Nachforderung von Beiträgen nicht zumutbar, wenn dem Beitragsanspruch kein Leistungsanspruch gegenüberstehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend zur Begründung aus, der Einwand der Klägerin treffe nicht zu. Barleistungen wie z. B. Krankengeld könnten noch nachträglich gewährt werden. Lediglich Sachleistungen seien nachträglich nicht möglich.

Am 26. Oktober 2004 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung ausgeführt: Der Beigeladene zu 1. sei nur für jeweils 12 bzw. 13 Monate bei ihr beschäf¬tigt gewesen. Da sich sein Gehalt aus einem Grundgehalt und einer Verkaufsprovision zusammengesetzt habe, hätte man das voraussichtliche Jahresarbeitsentgelt nur schätzen können. Bei schwankendem Arbeitsentgelt könne auf bisherige Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Dies unterliege dann einer Schätzung, die im Falle des Beigeladenen zu 1. dazu geführt habe, dass die JAEG erreicht werden würde. Ihre Schätzungen seien auch zutreffend gewesen. Mit dem Beigeladenen zu 1. vergleichbare Mitarbeiter hätten über der Bemessungsgrenze gelegen, so dass ein solches Ergebnis auch für ihn zu erwarten gewesen sei. Im Übrigen weiche das Gesamtentgelt des Beigeladenen zu 1. nur unwesentlich von der Bemessungsgrenze ab. Dazu hat die Klägerin diverse Lohnabrechnungen auch anderer Arbeitnehmer vorgelegt. Sie, die Klägerin, habe damals drei getrennte Autohäuser betrieben. Der Beigeladene zu 1. sei 2002 dem Autohaus in Bad S zugeordnet gewesen. Frau T hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht erklärt, sie habe zwar gewusst, dass auch im Jahr 2002 der Beigeladene zu 1. knapp unter die JAEG falle, jedoch sei sie aufgrund der geringen Differenz davon ausgegangen, dass sich sein Einkommen wie bei den ande¬ren Mitarbeitern steigern werde, so dass sie keine Notwendigkeit gesehen habe, nicht mehr die private Versicherung zu wäh¬len. Im Jahr 2002 sei das Autohaus in Bad S neu gegrün¬det worden und dementsprechend habe es auch dort gewisse Anlaufschwierigkeiten gegeben. Außerdem sei auf die Störung des versicherungsrechtlichen Gegenleistungs- und Äquivalenzprin¬zips hinzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass durch ein Büroversehen die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen rechtskräftig geworden sei. Dessen Entscheidungsgründen werde jedoch keinesfalls zugestimmt.

Der Beigeladene zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, nach dem Ausscheiden bei der Klägerin habe er sich selbstständig gemacht und sei nach wie vor privat versi¬chert.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Mai 2006 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Zwar lägen unstreitig die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor, denn die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig gewesen sei und eine Befreiung nicht vorgelegen habe. Die Nachforderung führe jedoch zu einer dem Beigeladenen zu 1. nicht zumutbaren Unterbrechung der Kontinuität seiner Versicherungsbiografie, die auch mit einer offenkundigen Störung des versicherungsrechtlichen Gegen¬leis¬tungs- und Äquivalenzprinzips verbunden sei, das weder von der Klägerin noch von dem Beigeladenen zu 1. hingenommen werden müsse. Die Nachforderung für das Jahr 2001 sei schon deswegen rechtswidrig, weil entsprechend der Regelung des § 6 Abs. 4 SGB V die Versicherungspflicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die JAEG unterschritten worden sei, beginne. Für die Rechtmäßigkeit der Nachforderung für das Jahr 2003 spreche zwar die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1. auch im Jahr 2002 das Jahresarbeitsentgelt (JAE) nach Auskunft der Klägerin unterschritten habe und ihr dies auch bekannt gewesen sei. Jedoch führe die Nachforderung der Versicherungsbeiträge für diesen Zeitraum zu einer für den Beigeladenen zu 1., der seit seinem 23. Lebensjahr privat versichert sei, unerträglichen Unterbrechung seiner Versicherungsbiografie. Es würde nämlich bedeuten, dass zum einen die Beklagte für das Jahr 2003 Beiträge erhielte, ohne jemals ein reales Versicherungsrisiko getragen zu haben. Das Gericht halte eine Rückabwicklung für undurchführbar.

Gegen das ihr am 16. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgericht am 16. Juni 2006. Zur Begründung trägt sie vor: Unstreitig sei, dass der Beigeladene die jeweils maßgebende JAEG nicht überschritten habe. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts finde § 6 Abs. 4 SGB V keine Anwendung. Diese Norm setze voraus, dass die JAEG zuvor überschritten worden sei. Unabhängig davon, dass dem Urteil hinsichtlich der Einkommenshöhe des Beigeladenen im Jahr 2000 keinerlei Angaben zu entnehmen seien, mithin überhaupt nicht bekannt gewesen sei, ob der maßgebende Grenzbetrag im Jahr 2000 überhaupt überschritten gewesen sei, könne es sich aufgrund der ausgeübten selbstständigen Tätigkeit allein um Arbeitseinkommen und nicht um Arbeitsentgelt gehandelt haben. Arbeitseinkommen sei aber nicht geeignet, ein Überschreiten der JAEG zu bewirken. Die Begründung des Sozialgerichts, die Nachforderung werde zu einer unerträglichen Unterbrechung der Versicherungsbiografie des Beigeladenen zu 1. führen, verkenne den Gesichtspunkt des Solidaritätsprinzips und die gesetzlichen Bestimmungen. Bei der vorausschauenden Betrachtungsweise, die im Falle des Beigeladenen notwendig gewesen sei, seien mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Veränderungen zu berücksichtigen. Veränderungen, die zwar zu Beginn eines Jahres nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen seien, die jedoch im Laufe des Jahres einträten, gäben Anlass für eine erneute Prüfung und wiederum vorausschauende Beurteilung von Versicherungspflicht und freiheit auch im Laufe des je¬weiligen Jahres. Die Klägerin sei demzufolge verpflichtet gewesen, nicht nur zu Beginn des Jahres 2001 in vorausschauender Betrachtungsweise zu schätzen, ob das Jahresentgelt des Beigeladenen über der JAEG gelegen habe oder nicht. Diese Verpflichtung habe auch während des gesamten Jahres 2001 fortbe¬standen. Spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 hätte die Klägerin bei gewissenhafter Schätzung erkennen können, dass die Einkommensentwicklung des Beigeladenen dazu führen werde, dass Versicherungsfreiheit nicht mehr bestehe. Beim Unterschreiten der JAEG trete die Versicherungspflicht sofort und nicht erst nach Ablauf des Jahres ein. Daraus folge die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Entwicklung des Arbeitsentgeltes kontinuierlich zu beobachten und Schätzungen vorzunehmen. Komme er dieser Pflicht nicht nach, gingen verbliebene Unsicherheiten zu seinen Lasten. Das gelte auch und insbesondere für den Zeitraum nach der erneuten Beschäftigungsaufnahme im Jahre 2003, wo für die Klägerin zweifelsfrei erkennbar gewesen sei, dass bereits in 2001 die JAEG unterschritten worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und ergänzt dies da¬hin, dass aufgrund der bisherigen selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sie, die Klägerin, für die Ermittlung des zukünftigen JAE vergleichbare Zahlen aus ihrem Betrieb herangezogen habe. Mit dem Beigeladenen zu 1. vergleichbare Mitarbeiter hätten über der Bemessungsgrenze gelegen, so dass ein solches Ergebnis auch für ihn zu erwarten gewesen sei.

Der Beigeladene zu 1. beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2. und 3 haben keine Anträge gestellt.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Frau T und den Beigeladenen zu 1. gehört.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwal¬tungs- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zutreffend hat darin die Beklagte eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. fest¬gestellt und die Klägerin zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgefordert.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind u. a. Angestellte in der Krankenversicherung versicherungspflichtig. Gleiches gilt für die Pflegeversicherung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Sozialgesetzbuches. Versicherungsfrei sind allerdings nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Angestellte, deren regelmäßiges JAE die JAEG nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt. Unstrei¬tig ist zwischen den Beteiligten, dass das JAE des Beigeladenen zu 1. die jeweils in den streitigen Jahren bestehende JAEG nicht überschritten hat, wenngleich die Beteiligten von unterschiedlichem JAE ausgehen. So legt die Beklagte für das Jahr 2001 ein Entgelt von 75.675,00 DM zugrunde, die Klägerin hingegen ausweislich ihrer für den Beigeladenen zu 1. vorgelegten Verdienstabrech¬nung 76.153,78 DM. Für Januar 2002 geht die Beklagte von 3.067,75 EUR aus und für das Jahr 2003 von 36.970,70 EUR, während die Klägerin in der ersten Instanz ein Einkommen des Beigeladenen zu 1. für 2003 in Höhe von 38.620,70 EUR mitgeteilt hat. Letztlich kann der Senat es offen lassen, welche Entgeltangabe zutreffend ist. Jedenfalls lagen auch die höheren Entgelte unter der jeweiligen JAEG in Höhe von 78.300,00 DM für das Jahr 2001, 3.375,00 EUR monatlich für das Jahr 2002 und 41.400,00 EUR bzw. 45.900,00 EUR für das Jahr 2003.

Darüber, ob die JAEG überschritten wird oder nicht und damit Versicherungsfreiheit oder Versicherungspflicht besteht, entscheidet jedoch nicht eine Feststellung am Ende des Jahres. Vielmehr muss der Arbeitgeber bei Beschäftigungsbeginn vorausschauend das voraussichtliche JAE des Arbeitnehmers bestimmen. Wie diese Berechnung im Einzelnen zu erfolgen hat, regelt das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit und überwiegender Auffassung in der Literatur ist für die Bestimmung des regelmäßigen JAE der Verdienst maßgebend, von dem bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses und jeder folgenden Arbeitsperiode zu erwarten ist, dass er bei normalem Verlauf abgesehen von einer anderweitigen Vereinbarung über das Entgelt oder von nicht voraussehbaren Änderungen in der Beschäftigung - mit hinreichender Sicherheit ein Jahr anhalten wird. Dabei können auch Erfahrungswerte aus der Vergangenheit herangezogen werden. Das regelmäßige JAE eines Beschäftigten mit fest vereinbartem Entgelt wird ermittelt, indem die zurzeit der Feststellung für die Lohnperiode des Beschäftigungsverhältnisses gezahlte oder geschuldete Vergütung auf ein Jahr umgerechnet wird. Soweit die Höhe des Arbeitsentgelts schwankt, ist der Verdienst zu schätzen. Das bei der vorausschauenden Betrachtung gewonnene Ergebnis bleibt auch dann verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen (vgl. BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 65; Peters in: KassKomm. § 6 SGB V Rz. 10 f.).

Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass der Beigeladene zu 1. mit seinem voraussichtlichen Einkommen die JAEG des § 6 Abs. 6 und 7 SGB V überschreiten werde. Das folgt bereits aus der Entgeltvereinbarung zu Beginn der Beschäftigung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Diese hatte nämlich entgegen der Klagebegründung keine Provisionsvereinbarung zum Inhalt, sondern ein monatliches Fixum von 6.000,- DM. Bei einer Berechnung des hieran orientierten JAE konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass mit diesem Fixum die JAEG überschritten werde. Vielmehr hätte das Jahresarbeitsentgelt, ausgehend von diesem Betrag, mit 72.000,00 DM weit unter der für 2001 maßgeblichen JAEG in Höhe von 78.300,00 DM gelegen. Daran ändert auch nichts der Hinweis der Frau T in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass bei entsprechenden Verkaufszahlen für den Beigeladenen zu 1. eine Umstellung auf Provisionszahlungen mit einem Fixum von 1.500,00 DM geplant gewesen sei, wenn sich die Verkaufszahlen entsprechend höher entwickelt hätten. Denn damit stand nicht mit der notwendigen hinreichen¬den Sicherheit fest, dass der Beigeladene zu 1. die JAEG des Jahres 2001 überschreiten werde. So darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beigeladene zu 1. aus der Textilbranche kam, mithin im Bereich des Automobilvertriebs keine Erfahrung hatte. Der Hinweis auf die anderen Verkäufer bei der Klägerin vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn die Unterlagen über deren Einkünfte zeigen sehr unterschiedliche Einkünfte. Während die Angestellten G und Sa mit 133.350,27 DM bzw. 117.314,74 DM im Jahr 2001 weit über der JAEG lagen, war dies bei dem Arbeitnehmer B mit einem Einkommen in Höhe von 72.677,51 DM nicht der Fall. Und auch der Arbeitnehmer E lag mit 60.847,81 DM für die Zeit von April bis Dezember 2001 nur knapp über der JAEG. Diese Zahlen über die Einkünfte anderer Arbeitnehmer machen vielmehr deutlich, dass eine weitgehende Sicherheit über voraussichtliche Einkünfte, insbesondere für einen aus einer anderen Berufsbranche kommenden Verkäufer, nicht bestand. Letztlich ist es bei dem Beigeladene zu 1. ja auch bei der Zahlung eines fixen Monatsgehalts geblieben. In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geregelte Versicherungsfreiheit die Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darstellt mit der Folge, dass bloße Erwartungen besserer Einkünfte ohne die genannte hinreichende Sicherheit für eine Versicherungsfreiheit nicht ausreicht. Die von Frau T in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Erwartung höherer Verkaufszahlen durch ein neues Modell der Firma V im Jahr 2001 und die Hoffnung des Beigeladenen zu 1. auf höhere Verkaufszahlen durch Unternehmenseinkäufe war zu wenig konkret, um darauf die hinreichende Sicherheit höherer Einnahmen zu gründen.

Für den zweiten Beschäftigungsabschnitt bei der Klägerin im Jahr 2003 hat sich an dieser Sach- und Rechtslage nichts geändert. Vielmehr konnte die Klägerin nach ihren bisherigen Erfahrungen mit dem Beigeladenen zu 1. noch weniger davon ausgehen, dass er mit seinem voraussichtlichen JAE die JAEG überschreiten werde. Denn zu diesem Zeitpunkt lagen der Klägerin Erfahrungswerte aus dem Jahre 2001, aber auch aus dem gesamten Jahr 2002 vor. Zwar gehörte im Jahre 2002 das Autohaus in Bad S , bei dem der Beigeladenen zu 1. ab Februar als Verkäufer tätig war, nicht zur Klägerin. Das Autohaus wurde aber auch von der Firma H geführt, allerdings in einer anderen Gesellschaft. Und im Jahr 2002 betrug das Einkommen des Beigeladenen zu 1. in der Zeit von Februar bis Dezember 2002 34.251,70 EUR und lag damit weit unter der JAEG (für das gesamte Jahr 2002 40.500,00 EUR, für 11 Monate 37.125,00 EUR). Insoweit trifft die Auskunft der Frau T vor dem Sozialgericht auch nicht zu, der Beigeladene zu 1. habe im Jahr 2002 "knapp" unter der Bemessungsgrenze gelegen. Fehlte mithin die zu fordernde hinreichende Sicherheit für ein JAE des Beigeladenen zu 1. über der JAEG, trat keine Versicherungsfreiheit ein und es bestand damit für den gesamten streitigen Zeitraum eine Versicherungspflicht und damit eine Zahlungspflicht der Klägerin gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV.

Der Rechtsauffassung des Sozialgerichts, gleichwohl eine Versicherungspflicht zu verneinen, vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit es für das Jahr 2001 die Versicherungsfreiheit aus § 6 Abs. 4 SGB V ableitet, weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass diese Vorschrift auf den Beigeladenen zu 1. keine Anwendung finden kann. Sie setzt nämlich voraus, dass die JAEG während des Beschäftigungsverhältnisses überschritten wird. Das folgt eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift. Das war jedoch bei dem Beigeladenen zu 1. unstreitig nicht der Fall. Die Vorschrift soll einen kurzfristigen Wechsel zwischen Versiche¬rungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden und zu einer gewissen Kontinuität der Versicherung führen. Die Vorschrift regelt damit allein die Fälle, in denen durch eine Erhöhung der Bezüge eines zunächst versicherungspflichtigen Beschäftigten die JAEG überschritten wird, verschiebt die Versicherungsfreiheit auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Kalenderjahres und dies auch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass das regelmäßige JAE auch die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende JAEG übersteigt (vgl. hierzu Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, K§ 6 Rz. 37 f.; Peters a.a.O. § 6 Rz. 14).

Soweit das Sozialgericht für das Jahr 2003 die Versicherungsfreiheit allein aus dem Gedanken der Kontinuität des Versiche¬rungsverlaufs herleitet, findet sich für diese Rechtsauffas¬sung im Gesetz keinerlei Grundlage. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestimmt die Versicherungspflicht unabhängig davon, ob und für welchen Zeitraum der Beschäftigte vorher privat krankenversichert war. Damit besteht auch Versicherungspflicht für die Beschäftigten, die vorher, auch über mehrere Jahre, privat krankenversichert waren. Allein § 8 SGB V sieht hiervon eine Ausnahme vor, wenn der Beschäftigte auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit wurde. Dies ist jedoch bei dem Beigeladenen zu 1. nach den Ermittlungen der Beklagten im Rahmen der Schlussbesprechung am 16. März 2004 nicht der Fall gewesen.

Der rückwirkend festgestellten Beitragspflicht steht auch nicht das Äquivalenzprinzip entgegen, wie das Sozialgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen meint. In der dort zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (-BSG- 4/11a RK 2/87) ging es nicht um einen Beitragsanspruch für einen zurückliegenden Zeitraum, sondern um einen Leistungsanspruch für einen solchen, dem der Leistungsträger das Sachleistungsprinzip entgegengehalten hatte. Und dazu hat das BSG ausgeführt, dass sich in dem Fall unter Umständen der Sachleistungsanspruch in einen Erstattungsanspruch umwandeln kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved