Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 912/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 59/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. März 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 7.631,78 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, Beitragsrückerstattungen mit ausstehenden Beitragsforderungen zu verrechnen.
Der Kläger wurde im Juni 2000 vom Amtsgericht Eutin vorläufig zum Insolvenzverwalter der Firma J bestellt. Mit Beschluss vom 1. September 2000 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren. Die Firma J war von dem Orthopädiemechanikermeister E Ea J als persönlich haftendem Gesellschafter und dem Beigeladenen zu 1) als Kommanditisten gegründet worden; im Innenverhältnis war sie am 1. August 1997 in Kraft getreten. Der Beigeladene zu 1) war als Beschäftigter gemeldet; in der Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 waren für ihn Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beigeladene zu 2) abgeführt worden.
Nachdem die Beigeladene zu 2) mit Bescheid vom 8. Juli 2002 festgestellt hatte, dass der Beigeladene zu 1) als Kommanditist nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege, beantragten der Beigeladene zu 1) und der Kläger ihr gegenüber mit Schreiben vom 15. Au¬gust 2002 die Beitragserstattung. Die Beigeladene zu 2) leite¬te den Antrag mit Schreiben vom 24. September 2002 an die Beklagte weiter und bat um Verrechnung des Arbeitgeberanteils mit Beitragsrückständen der Gesamtschuldnerin, die sie für den Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000 auf zunächst 234.945,13 EUR, dann 233.376,63 EUR, bezifferte. Am 4. Novem-ber 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe den Arbeitgeberanteil in Höhe von 7.631,78 EUR an die Beigeladene zu 2) ausgezahlt. Am 10. November 2003 forderte der Kläger die Überweisung des Betrages auf sein Anderkonto. Mit Schreiben vom 28. November 2003 führte die Beklagte die Anhörung durch und teilte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Verrechnung vorzunehmen. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2003 nahm sie die Verrechnung vor und führte aus, dies sei angemessen. Zwar habe der Kläger gefordert, dass der Arbeitgeberanteil zur Insolvenzmasse zu zahlen sei. Dem könne aber nicht gefolgt werden, weil die Beigeladene zu 2) das Verrechnungsersuchen direkt an sie – die Beklagte – gerichtet habe. Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 9. Januar 2004 Widerspruch ein, mit dem er ausführte, die Aufrechnung sei nach § 96 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig, denn der Antrag auf Erstattung sei nach der Insolvenzeröffnung gestellt worden, die Forderung der Beigeladenen zu 2) sei jedoch vor der Insolvenzeröffnung begründet worden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2004 zurück. Sie führte aus, der Kläger stütze sich zu Unrecht auf § 96 InsO. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schütze § 114 Abs. 2 InsO nicht nur die Aufrechnungslage, sondern auch die Verrechnungslage. Der Gesetzgeber habe in dem neu geschaffenen Insolvenzrecht einen weiten, die Verrechnung umfassenden Aufrechnungsbegriff zugrunde gelegt. Es gelte daher im Ergebnis die zu der Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weiter.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 31. März 2004 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben, mit der er vorgetragen hat, die Beklagte stütze sich zu Unrecht auf die höchstrich¬terliche Rechtsprechung, die sich nicht mit einem Insolvenzfall befasse. Die Verrechnung sei nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf der Grundlage einer Ermächtigung im Sinne des § 52 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig. Denn in der Insolvenz werde die Gläubigergleichbehandlung allein durch das Insolvenzrecht bestimmt, also durch § 96 InsO. Es gebe keinen sachlichen Grund Sozialleistungsträger gegenüber anderen Insolvenzgläubigern zu bevorzugen.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Die Beigeladene zu 2) hat sich deren Rechtsauffassung ange¬schlossen.
Der Beigeladene zu 1) hat sich nicht zur Sache eingelassen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. März 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine wirksame Verrechnung – Zuständig¬keit, Ermächtigung des anderen Leistungsträgers, Verrechnungserklärung und Verrechnungsforderung – seien erfüllt. Die Verrechnung sei nach § 114 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 InsO auch wirksam. Danach könne ein Leistungsträger gegen Forderungen aus Bezügen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zustehe. Die Vorschrift sei im Verrechnungsfall anzuwenden. Bezüge in diesem Sinne seien auch die Entgeltersatzleistungen, soweit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Anspruch dem Grunde nach bestehe. Entsprechendes gelte für einen Anspruch auf Erstattung von Arbeitgeberanteilen an den Beiträgen zur Rentenversicherung, denn dabei handele es sich um einen Anspruch auf Leistungen aus einem Sozialversicherungsverhältnis. Der Erstattungsanspruch sei vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht erst aufgrund des Antrages des Klägers entstanden. Denn ein Beitragserstattungsanspruch entstehe nicht aufgrund des Erstattungsantrages des Gläubigers, sondern kraft Gesetzes bereits mit dem Eingang der zu Unrecht gezahlten Beiträge bei dem Versicherungsträger. Der Anspruch auf Rückerstattung der streitbefangenen Beiträge sei daher in dem Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 entstanden. § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO stehe dem nicht entgegen. Zwar sei danach die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben habe. Das sei hier nicht der Fall. Ein Sozialversicherungsträger habe eine zur Verrechnung gestellte Forderung nicht im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem anderen Leistungsträger erworben.
Gegen die ihm am 24. Mai 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am Montag, dem 26. Juni 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht einge¬gangen ist. Der Kläger stützt sich weiterhin auf § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit §§ 94, 95 InsO und führt aus, der Erstattungsanspruch über die Arbeitgeberbeiträge sei zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht entstanden, weil der notwendige Erstattungsantrag erst nach Insolvenzeröffnung gestellt worden sei. Ohne den Antrag wäre es nicht zur Verrech¬nung gekommen und der Erstattungsbescheid nicht ergangen. § 1 InsO regele die Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzfall und habe Vorrang vor dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und engen Zusammenarbeit der Sozialträger. Durch § 114 Abs. 2 InsO sei allein die Aufrechnungs-, nicht aber die Verrechnungslage geschützt. Ein Sozialleistungsträger könne also mit eigenen Gegenansprüchen, nicht aber mit solchen eines Dritten gegen den Anspruch auf laufende Bezüge aufrechnen. § 96 Nr. 2 InsO erfasse nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch gesetzlich erlangte Forderungen. Im Sozialversicherungsrecht richte sich die Aufrechnung grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Regeln.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. De- zember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbeschei- des vom 18. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma J 7.631,78 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und hält an der bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die Beigeladene zu 2) beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen
und stützt die Beklagte in ihrer Rechtsauffassung.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte haben dem Senat vorgelegen. Zur Ergänzung wird darauf Bezug genom¬men.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewie¬sen, denn die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstan¬den. Sie hat in rechtlich zutreffender Weise die Verrechnung der rückzuerstattenden Beiträge mit den Forderungen der Beigeladenen zu 2. verrechnet.
Es liegt ein Sozialrechtsstreit im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor. Die Klage hat eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in sonstigen Angelegenheiten der Sozi¬al¬versicherung zum Gegenstand. Der Kläger macht gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) als Partei kraft Amtes, nämlich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, deren Anspruch auf Auszahlung der Arbeitgeberanteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Sinne des § 28d Sozialge¬setzbuch, Viertes Buch (SGB IV) geltend (vgl. BSG, Urt. v. 12. Juli 1990, 4 RA 47/88, SozR 3-1200 § 52 Nr. 1).
Da die Beklagte über die Verrechnung durch Bescheid entschie¬den hat und der Kläger Auszahlung des Arbeitgeberanteils an dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an sich begehrt, erhebt er zu Recht eine Anfechtungs- und Leistungsklage (zur Vornahme einer Verrechnung durch Formalbescheid BSG, Urt. v. 24. Juli 2003, B 4 RA 60/02 R, SozR 4-1300 § 52 Nr. 1).
Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung ist rechtmäßig. Nach § 28 Nr. 1 SGB IV kann der für die Erstattung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträ¬gers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit dem ihm obliegenden Erstattungsbetrag verrechnen. Diese Verrechnung hat die Beklagte rechtmäßig vorgenommen. Da sie die Verrechnung mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 2003 durchge¬führt hat, kann dahingestellt bleiben, ob eine Verrechnung le¬diglich eine rechtsgeschäftliche Ausübung eines schuldrechtli¬chen Gestaltungsrechts darstellt oder eine Einzelfallentschei¬dung, die den Erlass eines Verwaltungsakts erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, SozR 4-7912 § 114 Nr. 1 m. w. N.). Die Beklagte hat die Verrechnung in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Sie hat - wie dies erforderlich ist - gegenüber dem Kläger als Verwalter des Vermögens der Schuldnerin erklärt (vergl. BSG, Urt. v. 12. Juli 1990, 4 RA 47/88, SozR 3-1300 § 52 Nr. 1). Die aufzurechnende Forderung ist hinrei¬chend bestimmt (vergl. dazu BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, SozR 4-1200 § 52 Nr. 2; ferner Urt. v. 24. Ju¬li 2003, B 4 RA 60/02 R, a.a.O.). Es kann dahingestellt blei¬ben, ob der angefochtene Bescheid an den Kläger als Insolvenzverwalter die erforderlichen genaueren Angaben über die Forderungen beinhaltet. Der Kläger hat im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit seinem Schreiben vom 23. Januar 2004 ausdrücklich erklärt, dass gegen die Beträge keine Einwendungen erho¬ben werden sollen. Die Beklagte ist ferner nach § 26 SGB IV für die Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 2. zuständig. Schließlich hatte die Beklagte keinen Entscheidungsspielraum; der Wortlaut des § 28 ("kann") bedeutet nur, dass die Möglichkeit einer Verrechnung oder Anrechnung besteht, räumt dem Versicherungsträger aber keinen Ermessensspielraum ein (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, 12 RK 85/92, SozR 3-2400 § 28 Nr. 1; Baier in Krauskopf, Sozi¬ale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 28 SGB IV, Rz. 7).
Somit liegen die Voraussetzungen des § 28 Nr. 1 SGB IV für ei¬ne Verrechnung der Erstattungsansprüche mit den Beitragsforde¬rungen der Beigeladenen zu 2. vor. Der Zulässigkeit dieser Ver¬rechnung steht nicht entgegen, dass der Anspruch der Schuld¬nerin auf Rückerstattung der Arbeitgeberanteile der für den Beigeladenen zu 1. gezahlten Beiträge gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehört, dass die Schuldnerin nach § 80 Abs. 1 InsO mit der Insolvenzeröffnung keine Verfügungsbe¬fugnis mehr über die Insolvenzmasse hatte und dass die Beigeladene zu 2. nach § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen konnte. Denn die Beigeladene zu 2. hatte die Möglichkeit, bereits zur Eröffnung des Konkurs¬verfahrens mit ihren Beitragsforderungen gegen den Erstattungsanspruch der Gesamtschuldnerin aufzurech¬nen. Diese Aufrechnungslage blieb trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten und konnte von der Beklagten im We¬ge der Verrechnung gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn die Aufrechnungsberechtigung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung bestand. Dementsprechend bestimmt § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass eine Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist; Nr. 2 der Vorschrift regelt die Unzulässigkeit der Aufrechnung, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Diese Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO liegen nicht vor.
Zwar nimmt die Beklagte mit den Beitragsforderungen der Beige¬ladenen zu 2. keine Aufrechnung gegen den Erstattungsanspruch der Schuldnerin vor. Denn nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar ist (Grüneberg in: Palandt, BGB, § 395 Rz. 3), setzt die Aufrech¬nung inhaltlich gleichgeartete gegenseitige Ansprüche zweier Personen voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier zwar nicht vor, denn die Beklagte hat keine eigene Gegenforderung gegen den Anspruch der Schuldnerin, sondern macht die Forderung der Beigeladenen zu 2. geltend. Dies ist jedoch unschädlich (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, a. a. O., zu § 52 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch - SGB I -). Denn die Verrechnung nach § 28 Nr. 1 SGB IV ist - ebenso wie die nach § 52 SGB I - einer Aufrechnung unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit der Ansprüche von Schuldner und Gläubiger gleichgestellt; der ermächtigte Leistungsträger ist von Gesetzes wegen befugt, die Forderung des ermächtigenden Leistungsträgers gegen die Ansprüche des Schuldners zu verrechnen, wobei die Ermächtigung selbst keinen Einfluss auf die Verrechnungslage hat (BSG, a. a. O., m.w.N.; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 28 SGB IV Rz. 6). Die Grundsätze, die das BSG in der vorgenannten Entscheidung zu § 52 SGB I aufgestellt hat, gelten für die Verrechnung nach § 28 SGB IV in gleicher Weise, denn diese Norm entspricht der Regelung des § 52 Abs. 1 SGB I; sie ist im Bereich der Beitragsrückerstat¬tung anwendbar, während § 52 SGB I im Leistungsrecht Anwendung findet. Maßgeblich ist daher nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO, dass eine Aufrechnungs- bzw. hier: Verrechnungslage be¬reits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat. Wenn die Aufrechnungsforderung oder die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder Gläubiger erworben wurde, ist die Aufrechnung bzw. Verrechnung - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich. §§ 94 und 96 InsO zielen vielmehr darauf ab, dass eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungssituation auch nach der Insolvenzeröffnung erhal¬ten und geschützt und durch die Insolvenz nicht beeinträchtigt werden soll. Dies ist hier der Fall, denn beide Forderungen standen sich bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens am 1. September 2000 gegenüber. Die Beigeladene zu 2. hat in ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2003 mitgeteilt, dass die rückständigen Beiträge aus der Zeit vom 1. September 1998 bis 31. August 2000 datieren, also aus der Zeit unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung. Die rückzuerstattenden Arbeitgeberanteile für die Beiträge zugunsten des Beigeladenen zu 1. wurden für den Zeitraum 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 gezahlt. Auf diesen Zeitraum ist für den Beitragsrückerstattungsanspruch der Schuldnerin abzustellen. Ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV, um den es hier geht, entsteht nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem der Erstattungsantrag gestellt wird, sondern bereits mit der Entrichtung der - zu Unrecht gezahlten - Beiträge (BSG, Urt. v. 15. Dezember 1994, a. a. O.). Das ergibt sich aus § 27 Abs. 2 SGB IV, wonach die vierjährige Verjährung des Erstattungsanspruchs bereits nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ein Beginn der Verjährungsfrist vor Entstehung des Erstattungsanspruchs wäre rechtssystematisch nicht möglich (vergl. BSG, a. a. O.), so dass Letzterer nach dieser Gesetzeslage mit der Beitragszahlung entstanden ist.
Somit standen sich Forderung und Verrechnungsforderung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber, so dass dieses die Verrechnung nicht hinderte. Die dadurch entstehende Rechtslage, nämlich die Möglichkeit zur Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 2., folgt aus den insolvenzrechtlichen Bestimmungen. Die Einwände des Klägers, dass dadurch die Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Insolvenzgläubigern bevorzugt würden, greift nicht durch. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2003 (a. a. O.) hierzu ausgeführt, dass mit der Gleichstellung der Verrechnung und der Aufrechnung lediglich bewirkt wird, dass Sozialversicherungsträger als Einheit gesehen werden. Im Hinblick auf deren Aufgabenstellung und die willkürliche Zergliederung des Sozialversicherungssystems ist dies nicht zu beanstanden. Insgesamt ist die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung damit rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach den Urteilen des BSG vom 10. Dezember 2003 und vom 15. Dezember 1994 (jeweils a. a. O.) nicht vor.
Die Höhe des Streitwerts orientiert sich an der Höhe der Forderung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, Beitragsrückerstattungen mit ausstehenden Beitragsforderungen zu verrechnen.
Der Kläger wurde im Juni 2000 vom Amtsgericht Eutin vorläufig zum Insolvenzverwalter der Firma J bestellt. Mit Beschluss vom 1. September 2000 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren. Die Firma J war von dem Orthopädiemechanikermeister E Ea J als persönlich haftendem Gesellschafter und dem Beigeladenen zu 1) als Kommanditisten gegründet worden; im Innenverhältnis war sie am 1. August 1997 in Kraft getreten. Der Beigeladene zu 1) war als Beschäftigter gemeldet; in der Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 waren für ihn Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beigeladene zu 2) abgeführt worden.
Nachdem die Beigeladene zu 2) mit Bescheid vom 8. Juli 2002 festgestellt hatte, dass der Beigeladene zu 1) als Kommanditist nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege, beantragten der Beigeladene zu 1) und der Kläger ihr gegenüber mit Schreiben vom 15. Au¬gust 2002 die Beitragserstattung. Die Beigeladene zu 2) leite¬te den Antrag mit Schreiben vom 24. September 2002 an die Beklagte weiter und bat um Verrechnung des Arbeitgeberanteils mit Beitragsrückständen der Gesamtschuldnerin, die sie für den Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000 auf zunächst 234.945,13 EUR, dann 233.376,63 EUR, bezifferte. Am 4. Novem-ber 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe den Arbeitgeberanteil in Höhe von 7.631,78 EUR an die Beigeladene zu 2) ausgezahlt. Am 10. November 2003 forderte der Kläger die Überweisung des Betrages auf sein Anderkonto. Mit Schreiben vom 28. November 2003 führte die Beklagte die Anhörung durch und teilte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Verrechnung vorzunehmen. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2003 nahm sie die Verrechnung vor und führte aus, dies sei angemessen. Zwar habe der Kläger gefordert, dass der Arbeitgeberanteil zur Insolvenzmasse zu zahlen sei. Dem könne aber nicht gefolgt werden, weil die Beigeladene zu 2) das Verrechnungsersuchen direkt an sie – die Beklagte – gerichtet habe. Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 9. Januar 2004 Widerspruch ein, mit dem er ausführte, die Aufrechnung sei nach § 96 Insolvenzordnung (InsO) unzulässig, denn der Antrag auf Erstattung sei nach der Insolvenzeröffnung gestellt worden, die Forderung der Beigeladenen zu 2) sei jedoch vor der Insolvenzeröffnung begründet worden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2004 zurück. Sie führte aus, der Kläger stütze sich zu Unrecht auf § 96 InsO. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schütze § 114 Abs. 2 InsO nicht nur die Aufrechnungslage, sondern auch die Verrechnungslage. Der Gesetzgeber habe in dem neu geschaffenen Insolvenzrecht einen weiten, die Verrechnung umfassenden Aufrechnungsbegriff zugrunde gelegt. Es gelte daher im Ergebnis die zu der Konkursordnung entwickelte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weiter.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 31. März 2004 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben, mit der er vorgetragen hat, die Beklagte stütze sich zu Unrecht auf die höchstrich¬terliche Rechtsprechung, die sich nicht mit einem Insolvenzfall befasse. Die Verrechnung sei nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf der Grundlage einer Ermächtigung im Sinne des § 52 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig. Denn in der Insolvenz werde die Gläubigergleichbehandlung allein durch das Insolvenzrecht bestimmt, also durch § 96 InsO. Es gebe keinen sachlichen Grund Sozialleistungsträger gegenüber anderen Insolvenzgläubigern zu bevorzugen.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Die Beigeladene zu 2) hat sich deren Rechtsauffassung ange¬schlossen.
Der Beigeladene zu 1) hat sich nicht zur Sache eingelassen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. März 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine wirksame Verrechnung – Zuständig¬keit, Ermächtigung des anderen Leistungsträgers, Verrechnungserklärung und Verrechnungsforderung – seien erfüllt. Die Verrechnung sei nach § 114 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 InsO auch wirksam. Danach könne ein Leistungsträger gegen Forderungen aus Bezügen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zustehe. Die Vorschrift sei im Verrechnungsfall anzuwenden. Bezüge in diesem Sinne seien auch die Entgeltersatzleistungen, soweit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Anspruch dem Grunde nach bestehe. Entsprechendes gelte für einen Anspruch auf Erstattung von Arbeitgeberanteilen an den Beiträgen zur Rentenversicherung, denn dabei handele es sich um einen Anspruch auf Leistungen aus einem Sozialversicherungsverhältnis. Der Erstattungsanspruch sei vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht erst aufgrund des Antrages des Klägers entstanden. Denn ein Beitragserstattungsanspruch entstehe nicht aufgrund des Erstattungsantrages des Gläubigers, sondern kraft Gesetzes bereits mit dem Eingang der zu Unrecht gezahlten Beiträge bei dem Versicherungsträger. Der Anspruch auf Rückerstattung der streitbefangenen Beiträge sei daher in dem Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 entstanden. § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO stehe dem nicht entgegen. Zwar sei danach die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben habe. Das sei hier nicht der Fall. Ein Sozialversicherungsträger habe eine zur Verrechnung gestellte Forderung nicht im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem anderen Leistungsträger erworben.
Gegen die ihm am 24. Mai 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am Montag, dem 26. Juni 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht einge¬gangen ist. Der Kläger stützt sich weiterhin auf § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit §§ 94, 95 InsO und führt aus, der Erstattungsanspruch über die Arbeitgeberbeiträge sei zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht entstanden, weil der notwendige Erstattungsantrag erst nach Insolvenzeröffnung gestellt worden sei. Ohne den Antrag wäre es nicht zur Verrech¬nung gekommen und der Erstattungsbescheid nicht ergangen. § 1 InsO regele die Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzfall und habe Vorrang vor dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und engen Zusammenarbeit der Sozialträger. Durch § 114 Abs. 2 InsO sei allein die Aufrechnungs-, nicht aber die Verrechnungslage geschützt. Ein Sozialleistungsträger könne also mit eigenen Gegenansprüchen, nicht aber mit solchen eines Dritten gegen den Anspruch auf laufende Bezüge aufrechnen. § 96 Nr. 2 InsO erfasse nicht nur rechtsgeschäftlich, sondern auch gesetzlich erlangte Forderungen. Im Sozialversicherungsrecht richte sich die Aufrechnung grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Regeln.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. De- zember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbeschei- des vom 18. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma J 7.631,78 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und hält an der bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die Beigeladene zu 2) beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen
und stützt die Beklagte in ihrer Rechtsauffassung.
Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte haben dem Senat vorgelegen. Zur Ergänzung wird darauf Bezug genom¬men.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewie¬sen, denn die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstan¬den. Sie hat in rechtlich zutreffender Weise die Verrechnung der rückzuerstattenden Beiträge mit den Forderungen der Beigeladenen zu 2. verrechnet.
Es liegt ein Sozialrechtsstreit im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor. Die Klage hat eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in sonstigen Angelegenheiten der Sozi¬al¬versicherung zum Gegenstand. Der Kläger macht gemäß § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) als Partei kraft Amtes, nämlich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin, deren Anspruch auf Auszahlung der Arbeitgeberanteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Sinne des § 28d Sozialge¬setzbuch, Viertes Buch (SGB IV) geltend (vgl. BSG, Urt. v. 12. Juli 1990, 4 RA 47/88, SozR 3-1200 § 52 Nr. 1).
Da die Beklagte über die Verrechnung durch Bescheid entschie¬den hat und der Kläger Auszahlung des Arbeitgeberanteils an dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an sich begehrt, erhebt er zu Recht eine Anfechtungs- und Leistungsklage (zur Vornahme einer Verrechnung durch Formalbescheid BSG, Urt. v. 24. Juli 2003, B 4 RA 60/02 R, SozR 4-1300 § 52 Nr. 1).
Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung ist rechtmäßig. Nach § 28 Nr. 1 SGB IV kann der für die Erstattung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträ¬gers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit dem ihm obliegenden Erstattungsbetrag verrechnen. Diese Verrechnung hat die Beklagte rechtmäßig vorgenommen. Da sie die Verrechnung mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 2003 durchge¬führt hat, kann dahingestellt bleiben, ob eine Verrechnung le¬diglich eine rechtsgeschäftliche Ausübung eines schuldrechtli¬chen Gestaltungsrechts darstellt oder eine Einzelfallentschei¬dung, die den Erlass eines Verwaltungsakts erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, SozR 4-7912 § 114 Nr. 1 m. w. N.). Die Beklagte hat die Verrechnung in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Sie hat - wie dies erforderlich ist - gegenüber dem Kläger als Verwalter des Vermögens der Schuldnerin erklärt (vergl. BSG, Urt. v. 12. Juli 1990, 4 RA 47/88, SozR 3-1300 § 52 Nr. 1). Die aufzurechnende Forderung ist hinrei¬chend bestimmt (vergl. dazu BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, SozR 4-1200 § 52 Nr. 2; ferner Urt. v. 24. Ju¬li 2003, B 4 RA 60/02 R, a.a.O.). Es kann dahingestellt blei¬ben, ob der angefochtene Bescheid an den Kläger als Insolvenzverwalter die erforderlichen genaueren Angaben über die Forderungen beinhaltet. Der Kläger hat im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit seinem Schreiben vom 23. Januar 2004 ausdrücklich erklärt, dass gegen die Beträge keine Einwendungen erho¬ben werden sollen. Die Beklagte ist ferner nach § 26 SGB IV für die Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 2. zuständig. Schließlich hatte die Beklagte keinen Entscheidungsspielraum; der Wortlaut des § 28 ("kann") bedeutet nur, dass die Möglichkeit einer Verrechnung oder Anrechnung besteht, räumt dem Versicherungsträger aber keinen Ermessensspielraum ein (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, 12 RK 85/92, SozR 3-2400 § 28 Nr. 1; Baier in Krauskopf, Sozi¬ale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 28 SGB IV, Rz. 7).
Somit liegen die Voraussetzungen des § 28 Nr. 1 SGB IV für ei¬ne Verrechnung der Erstattungsansprüche mit den Beitragsforde¬rungen der Beigeladenen zu 2. vor. Der Zulässigkeit dieser Ver¬rechnung steht nicht entgegen, dass der Anspruch der Schuld¬nerin auf Rückerstattung der Arbeitgeberanteile der für den Beigeladenen zu 1. gezahlten Beiträge gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehört, dass die Schuldnerin nach § 80 Abs. 1 InsO mit der Insolvenzeröffnung keine Verfügungsbe¬fugnis mehr über die Insolvenzmasse hatte und dass die Beigeladene zu 2. nach § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen konnte. Denn die Beigeladene zu 2. hatte die Möglichkeit, bereits zur Eröffnung des Konkurs¬verfahrens mit ihren Beitragsforderungen gegen den Erstattungsanspruch der Gesamtschuldnerin aufzurech¬nen. Diese Aufrechnungslage blieb trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten und konnte von der Beklagten im We¬ge der Verrechnung gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn die Aufrechnungsberechtigung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung bestand. Dementsprechend bestimmt § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass eine Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist; Nr. 2 der Vorschrift regelt die Unzulässigkeit der Aufrechnung, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Diese Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO liegen nicht vor.
Zwar nimmt die Beklagte mit den Beitragsforderungen der Beige¬ladenen zu 2. keine Aufrechnung gegen den Erstattungsanspruch der Schuldnerin vor. Denn nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar ist (Grüneberg in: Palandt, BGB, § 395 Rz. 3), setzt die Aufrech¬nung inhaltlich gleichgeartete gegenseitige Ansprüche zweier Personen voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier zwar nicht vor, denn die Beklagte hat keine eigene Gegenforderung gegen den Anspruch der Schuldnerin, sondern macht die Forderung der Beigeladenen zu 2. geltend. Dies ist jedoch unschädlich (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, a. a. O., zu § 52 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch - SGB I -). Denn die Verrechnung nach § 28 Nr. 1 SGB IV ist - ebenso wie die nach § 52 SGB I - einer Aufrechnung unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit der Ansprüche von Schuldner und Gläubiger gleichgestellt; der ermächtigte Leistungsträger ist von Gesetzes wegen befugt, die Forderung des ermächtigenden Leistungsträgers gegen die Ansprüche des Schuldners zu verrechnen, wobei die Ermächtigung selbst keinen Einfluss auf die Verrechnungslage hat (BSG, a. a. O., m.w.N.; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 28 SGB IV Rz. 6). Die Grundsätze, die das BSG in der vorgenannten Entscheidung zu § 52 SGB I aufgestellt hat, gelten für die Verrechnung nach § 28 SGB IV in gleicher Weise, denn diese Norm entspricht der Regelung des § 52 Abs. 1 SGB I; sie ist im Bereich der Beitragsrückerstat¬tung anwendbar, während § 52 SGB I im Leistungsrecht Anwendung findet. Maßgeblich ist daher nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO, dass eine Aufrechnungs- bzw. hier: Verrechnungslage be¬reits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat. Wenn die Aufrechnungsforderung oder die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder Gläubiger erworben wurde, ist die Aufrechnung bzw. Verrechnung - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich. §§ 94 und 96 InsO zielen vielmehr darauf ab, dass eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungssituation auch nach der Insolvenzeröffnung erhal¬ten und geschützt und durch die Insolvenz nicht beeinträchtigt werden soll. Dies ist hier der Fall, denn beide Forderungen standen sich bereits vor der Eröffnung des Konkursverfahrens am 1. September 2000 gegenüber. Die Beigeladene zu 2. hat in ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2003 mitgeteilt, dass die rückständigen Beiträge aus der Zeit vom 1. September 1998 bis 31. August 2000 datieren, also aus der Zeit unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung. Die rückzuerstattenden Arbeitgeberanteile für die Beiträge zugunsten des Beigeladenen zu 1. wurden für den Zeitraum 1. August 1997 bis 31. Mai 2000 gezahlt. Auf diesen Zeitraum ist für den Beitragsrückerstattungsanspruch der Schuldnerin abzustellen. Ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV, um den es hier geht, entsteht nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem der Erstattungsantrag gestellt wird, sondern bereits mit der Entrichtung der - zu Unrecht gezahlten - Beiträge (BSG, Urt. v. 15. Dezember 1994, a. a. O.). Das ergibt sich aus § 27 Abs. 2 SGB IV, wonach die vierjährige Verjährung des Erstattungsanspruchs bereits nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ein Beginn der Verjährungsfrist vor Entstehung des Erstattungsanspruchs wäre rechtssystematisch nicht möglich (vergl. BSG, a. a. O.), so dass Letzterer nach dieser Gesetzeslage mit der Beitragszahlung entstanden ist.
Somit standen sich Forderung und Verrechnungsforderung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber, so dass dieses die Verrechnung nicht hinderte. Die dadurch entstehende Rechtslage, nämlich die Möglichkeit zur Verrechnung der Forderung der Beigeladenen zu 2., folgt aus den insolvenzrechtlichen Bestimmungen. Die Einwände des Klägers, dass dadurch die Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Insolvenzgläubigern bevorzugt würden, greift nicht durch. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2003 (a. a. O.) hierzu ausgeführt, dass mit der Gleichstellung der Verrechnung und der Aufrechnung lediglich bewirkt wird, dass Sozialversicherungsträger als Einheit gesehen werden. Im Hinblick auf deren Aufgabenstellung und die willkürliche Zergliederung des Sozialversicherungssystems ist dies nicht zu beanstanden. Insgesamt ist die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung damit rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach den Urteilen des BSG vom 10. Dezember 2003 und vom 15. Dezember 1994 (jeweils a. a. O.) nicht vor.
Die Höhe des Streitwerts orientiert sich an der Höhe der Forderung.
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