L 4 KA 4/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 15 KA 104/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 4/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Zulässigkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten in
Schleswig-Holstein auf der Grundlage der Prüfvereinbarung von 1995 auch
nach der Änderung des § 106 SGB V (Fassung ab 01.01.2004)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. Januar 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im gesamten Verfah- ren sind nicht erstattungsfähig. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Honorarkürzungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale IV/2003 bis II/2004.

Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin in F niedergelassen. In den streitgegenständlichen Quartalen überschritt der durchschnittliche Gesamtfallwert des Klägers den der aus 192 Praxen bestehenden Vergleichsgruppe "Praktiker Stadt" (praktische und Allgemeinärzte in Einzelpraxis in den kreisfreien Städten Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster) um ca. 50 %. Da seine Honorarforderungen das nach § 12.4 des Schleswig-Holsteinischen Honorarverteilungsmaßstabs in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung vom 26. März 2003 (HVM) ermittelte individuelle Punktzahlvolumen überschritten, erfolgte die Vergütung eines Teils der Leistungen mit dem in § 12.4 Nr. 1b des HVM für sog. Mehrleistungen geregelten Punktwert von 0,05 bis 1 Cent.

Die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein – Kammer Prüfung Honorar (Prüfungsausschuss) führte mit Bescheid vom 14. Oktober 2004 eine Beratung des Klägers mit der Begründung durch, dass dieser die Leistungen nach Nummern 11 und 691 EBM Ä in den Quartalen III/03 bis I/04 ohne nachvollziehbare Gründe viel häufiger abgerechnet habe als die Vergleichsgruppe. Gleichzeitig kürzte sie die in den Quartalen IV/03 und I/04 abgerechneten Leistungen nach Nr. 10 EBM Ä. Der Kläger hatte die Nr. 10 EBM Ä im Quartal IV/03 in 193,9 % der Behandlungsfälle abgerechnet, während die um sog. Nullabrechner modifizierte Vergleichsgruppe die Leistungen in 62,3 % der Behandlungsfälle abgerechnet hatte. Die Abrechnungshäufigkeit des Klägers betrug danach 311,24 % im Vergleich zu der modifizierten Vergleichsgruppe. Auch im Quartal I/04 rechnete der Kläger diese Leistung mehr als dreimal so häufig ab wie die modifizierten Vergleichsgruppe (319,09 %; Ansatzfrequenz der modifizierten Vergleichsgruppe: 70,2 %, Ansatzfrequenz des Klägers: 224,2 %). Zur Berechnung der Honorarminderung wurden die den 2 fachen modifizierten Gruppendurchschnitt überschreitenden Leistungen gekürzt. Mit weiterem Bescheid vom 14. Oktober 2004 führte der Prüfungsausschuss eine Beratung bezogen auf die vom Kläger im Quartal II/2004 abgerechneten Leistungen nach Nummern 11 und 691 EBM Ä durch und kürzte die den 2 fachen modifizierten Gruppendurchschnitt überschreitenden Leistungen des Klägers nach Nr. 10 EBM Ä. Den modifizierten Gruppendurchschnitt hatte der Kläger in diesem Quartal um 353,58 % überschritten (Ansatzfrequenz der modifizierten Vergleichsgruppe: 69,8 %, Ansatzfrequenz des Klägers: 246,8 %).

Gegen die mit den beiden Bescheiden verfügten Honorarkürzungen für die Quartale IV/03, I/04 und II/04 legte der Kläger am 2. November 2004 Widerspruch ein und wandte sich in der Begründung grundsätzlich gegen die Prüfung nach Durchschnittswerten. Diese sei unplausibel und willkürlich. Außerdem habe der Prüfungsausschuss es versäumt, erkennbare Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Er habe deutlich weniger Notdienstfälle abgerechnet als der Fachgruppendurchschnitt. Da die Leistung nach Nr. 10 EBM Ä in Notdienstfällen praktisch nicht abgerechnet werde, entstehe bei der Vergleichsgruppe ein höherer Verdünnungseffekt. Dieser müsse bei der Vergleichsprüfung berücksichtigt werden. Darüber hinaus fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Prüfungen nach Durchschnittswerten. Nach der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisie¬rungsgesetz) zum 1. Januar 2004 geltenden Rechtslage sei eine Prüfung nach Durchschnittswerten nur zulässig, wenn hierüber zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung eine Vereinbarung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V geschlossen worden sei, nach der die Prüfung nach Durchschnittswerten über den 31. Dezember 2003 fortgeführt werde. Eine solche Vereinbarung sei in Schleswig-Holstein nicht getroffen worden.

Mit Bescheid vom 7. April 2005 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage der Wirtschaftlichkeitsprüfung seien § 12 Abs. 1, § 106 SGB V. Es treffe zu, dass nach Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes eine Vereinbarung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V zur Prüfung nach Durchschnittswerten nicht getroffen worden sei. Dadurch sei die allgemeine Prüfung jedoch nicht ausgesetzt. Das folge aus dem Gebot des Gesetzgebers, dass ärztliche Leistungen, wenn sie von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden sollten, unter Berücksichtigung der ärztlich erforderlichen Sorgfalt auch wirtschaftlich sein müssten. Dies komme in § 106 Abs. 1 SGB V deutlich zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift hätten die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu überwachen. Dazu gehöre auch die Festsetzung von Rückforderungsansprüchen gegenüber dem Vertragsarzt. Der Grundsatz des Wirtschaftlichkeitsgebots und dessen Prüfung durch die vom Gesetzgeber eingesetzten Gremien werde nicht durch die fehlende in § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V vorgesehene Vereinbarung ausgesetzt, da anderenfalls die gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen den Willen des Gesetzgebers unterlaufen könnten, indem sie keine Vereinbarungen träfen. Dem gesetzlichen Prüfungsauftrag habe das Gremium in den angefochtenen Bescheiden zutreffend entsprochen. Mit 2.335 abgerechneten Leistungen nach Nr. 10 EBM Ä im Quartal II/2004 befinde sich der Kläger an der Spitze der gesamten Vergleichsgruppe. Diese Häufigkeit sei in keiner Weise nachvollziehbar. Bei einer Mindestdauer von zehn Minuten seien im Quartal II/2004 allein für das hausärztliche Gespräch mindestens 389 Stunden aufzuwenden. Hierbei sei noch nicht berücksichtigt, dass auch andere Gesprächsleistungen wie die Ziff. 11 überdurchschnittlich häufig abgerechnet worden seien. Ein größerer Teil der Gespräche habe länger als eine halbe Stunde gedauert. Soweit der Kläger mit dem Widerspruch auf die größere Zahl von Verdünnungsfällen aufgrund eines höheren Anteils von Notfällen in der Vergleichsgruppe hinweise, handele es sich um einen im vorliegenden Zusammenhang zu vernachlässigenden Effekt. Der Kläger habe sog. 1A Fälle in den streitgegenständlichen Quartalen im Umfang von 0,7 bis 1,4 % abgerechnet, während in der Vergleichsgruppe die sog. 1A Fälle im Umfang von 3,0 bis 3,4 % abgerechnet worden seien. Derartige Unwägbarkeiten seien durch die ohnehin eingeräumten Spielräume abgedeckt.

Dagegen hat sich der Kläger mit der am Montag, den 9. Mai 2005 beim Sozialgericht Kiel eingegangenen Klage gewandt, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft hat. Entgegen der Ansicht des Beklagten könne aus dem in § 106 Abs. 1 SGB V geregelten Gebot der Überwachung der Wirtschaftlichkeit nicht auf die Zulässigkeit einer Prüfung nach Durchschnittswerten geschlossen werden. Gegen eine derartige Interpretation spreche insbesondere die Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz. Dazu hat der Kläger auf die Bundestagsdrucksache 15/1525, S. 113, 114 Bezug genommen. In Anbetracht der daraus deutlich werdenden eindeutigen Intention des Gesetzgebers, das "qualitativ minderwertige Prüfverfahren" der Durchschnittsprüfung zu Gunsten von qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen abzuschaffen, sei es schlechthin unvertretbar, in Ermangelung einer aktuellen Prüfvereinbarung die Zulässigkeit von Durchschnittsprüfungen auch über den 1. Januar 2004 hinaus fortzuführen. Die durch den Gesetzgeber geforderte Prüfung nach Stichproben könne auf der Grundlage von § 13 der Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 durchgeführt werden, so dass nicht die Gefahr bestehe, dass durch die Neufassung des § 106 SGB V eine Wirtschaftlichkeitsprüfung unterbleibe. Im Übrigen hätten fast alle anderen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen rechtzeitig Anfang 2004 zumindest eine Übergangsvereinbarung zu den Prüfvereinbarungen getroffen, soweit eine Prüfung nach Durchschnittswerten fortgeführt werden solle. Die angefochtenen Bescheide seien auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte den Verdünnungseffekt, der aus der geringeren Zahl seiner Notdienstfälle resultiere, nicht berücksichtigt und jedenfalls den Bescheid insoweit nicht ausreichend begründet habe. Der angefochtene Bescheid sei darüber hinaus rechtswidrig, weil er sein individuelles Punktzahlvolumen in sämtlichen Quartalen deutlich überschritten habe und die Mehrleistungen nur mit einem Punktwert von 0,05 bis 1 Cent vergütet worden seien. Deshalb hätte dieser niedrige Punktwert auch bei der Berechnung der Honorarkürzung zugrunde gelegt werden müssen. Durch die davon abweichende Berechnungsweise des Beklagten werde er schlechter gestellt, als wenn er die als unwirtschaftlich beanstandeten Leistungen nicht erbracht und nicht abgerechnet hätte. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfe jedoch nur zur Kürzung des Honorars führen, das für die unwirtschaftlich erbrachten Leistungen erzielt worden sei und nicht zu einer darüber hinausgehenden Bestrafung.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 7. April 2005 abzu- ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 18. Januar 2006 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die zulässige Klage sei begründet. Nach der Begründung zum Entwurf eines GKV-Modernisierungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 15/1525, S. 114) werde mit der Ergänzung des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V klargestellt, dass die Vertragspartner vereinbaren könnten, die bisherige Prüfung nach Durchschnittswerten beizubehalten. Eine solche Prüfvereinbarung sei in Schleswig-Holstein bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht abgeschlossen worden. Der Gesetzgeber habe den Vertragsparteien auch keine Übergangsfrist eingeräumt. Vielmehr sei das Gesetz ohne Übergangsregelung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten. Aus der Neuregelung sei abzuleiten, dass für eine Prüfung nach Durchschnittswerten ab dem 1. Januar 2004 das Vorliegen einer entsprechenden Prüfvereinbarung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V zwingend vorauszusetzen sei. Denn diese Prüfmethode sei aus dem Katalog der gesetzlichen Prüfmethoden des § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V gestrichen worden. Eine Prüfung ohne entsprechende Prüfvereinbarung sei seit dem 1. Januar 2004 nicht mehr möglich. Das Schicksal der fehlenden Rechtsgrundlage treffe nicht nur die Prüfungen in den Quartalen I/2004 und II/2004, sondern auch die Prüfung im Quartal IV/2003, weil alle Prüfungen im Jahr 2004 erfolgt seien. Die Anwendung des neuen Rechts beziehe sich nach Auffassung der Kammer nicht auf das zu prüfende Quartal, sondern auf das Jahr der Durchführung der Prüfung.

Gegen das ihm am 16. Mai 2006 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der am 22. Mai 2006 beim Schleswig-Holsteini¬schen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausführt: Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass nach dem 31. Dezember 2003 die Prüfung nach Durchschnittswerten nur noch durchgeführt werden könne, wenn danach eine entsprechende Prüfvereinbarung abgeschlossen worden sei. Tatsächlich habe der Gesetzgeber lediglich die Pflicht zur Durchführung von Durchschnittsprüfungen beseitigt. Schließlich sei in Schleswig-Holstein unter dem 5. Januar 2006 eine Prüfvereinbarung gemäß § 106 SGB V abgeschlossen worden, die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten sei. In dieser Prüfvereinbarung hätten die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass ab dem 1. Januar 2004 hinsichtlich der Prüfung nach Durchschnittswerten an der bisherigen Regelung festgehalten werden solle. Die vorangehende Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 habe regelungsgleich eine Prüfung nach Durchschnittswerten vorgesehen. Unabhängig davon könne aus der Tatsache, dass die Partner der Prüfvereinbarung nach dem 1. Januar 2004 zunächst nicht zum Vertragsschluss gekommen seien, nicht abgeleitet werden, dass die Prüfgremien an der Durchführung von Prüfungen nach der statistischen Vergleichsmethode gehindert gewesen seien. Das Bundessozialgericht habe anerkannt, dass den Prüfgremien die Durchführung der einzig durchführbaren Prüfmethode auch nicht durch Regelung in Prüfvereinbarungen verschlossen werden könne. Die neue Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 entfalte gegenüber dem Kläger keine Rückwirkung, weil dadurch keine Verschlechterung der Rechtsposition bewirkt werde und damit kein Eingriff vorliege. Der Kläger habe auch nach dem 1. Januar 2004 mit der Prüfung nach Durchschnittswerten rechnen müssen. Schließlich sei das Prüfmaß nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sei mit der Kürzung erst bei einer Überschreitung von über 100 % außerordentlich zurückhaltend vorgegangen worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchs- und aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Die statistische Vergleichsprüfung sei durch das GKV-Modernisierungs¬gesetz vom 14. November 2003 gestrichen und damit als Regelprüfmethode abgeschafft worden. Sie könne seitdem nur noch nachrangig nach Abschluss einer entsprechenden Prüfvereinbarung durchgeführt werden. Die erforderliche Prüfvereinbarung sei erst am 5. Januar 2006 geschlossen und noch später veröffentlicht worden, so dass frühestens ab diesem Zeitpunkt eine Rechtsgrundlage für die Prüfung nach Durchschnittswerten geschaffen worden sei. Soweit der Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 Rückwirkung beigelegt worden sei, sei diese unwirksam, weil eine rechtswidrige echte Rückwirkung vorliege. Die Regelungen der Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 könnten ebenfalls nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Mit dem GKV Modernisierungsgesetz habe der Gesetzgeber explizit mit der statistischen Vergleichsprüfung als Prüfmethode gebrochen. Solle sie als Prüfungsart beibehalten werden, bedürfe es einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern. Es bestehe kein Automatismus in dem Sinne, dass eine vorher geschlossene Prüfvereinbarung auch nach dem 1. Januar 2004 ihre Wirkung entfalte. Für die Beibehaltung der Durchschnittsprüfung bedürfe es einer neuen Vereinbarung. Diese habe in den Jahren 2004 und 2005 nicht vorgelegen, so dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für diese Prüfmethode fehle. Im Übrigen enthalte die Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 Verfahrensvorschriften. Es stelle sich die Frage, ob derartige Verfahrensvorschriften überhaupt rückwirkend in Kraft treten könnten.

Die Prozessakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sind Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid mit der verfügten Honorarkürzung bezogen auf die Nr. 10 EBM Ä in den Quartalen IV/03 bis II/04 ist nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des Senats fehlt es insbesondere nicht an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die durchgeführte Prüfung der Behandlungsweise nach Durchschnittswerten.

Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Honorarkürzung § 106 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190) heranzuziehen ist. Der Kläger hat eine Anfechtungsklage erhoben. Bei dieser ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Begründetheit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw. – soweit ergangen – des Widerspruchsbescheides. Zwar werden hiervon in der Rechtsprechung Ausnahmen gemacht. Ein Ausnahmefall ist bei der Anfechtung von im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung erlassenen Honorarbescheiden jedoch nicht gegeben (BSG, Urteil vom 24. November 1993 6 RKa 20/91 – SozR 3 2200, § 368n Nr. 6, juris Rz. 16, m.w.N.).

Für die Prüfung der mit Bescheid vom 7. April 2005 verfügten Honorarkürzung ist deshalb § 106 SGB V in der durch Art. 1 Nr. 82 GKV-Modernisierungsgesetz geänderten Fassung maßgebend. Die Änderung ist zum 1. Januar 2004 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten. Nach § 106 Abs. 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung überwachen die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen sieht § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB V als einzige gesetzlich geregelte Prüfmethode die sog. Zufälligkeitsprüfung vor. Dabei werden die ärztlichen Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 % der Ärzte je Quartal umfassen, geprüft. Die Prüfung nach Durchschnittswerten ist seit dem 1. Januar 2004 nicht mehr als Prüfmethode gesetzlich vorgeschrieben. Sie kann jedoch vereinbart werden. Dies hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Ja¬nuar 2004 durch die Änderung des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V klargestellt. Während bis dahin nur formuliert worden war, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen (gesetzlich geregelten) Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfarten vereinbaren konnten, ist seit dem 1. Januar 2004 ausdrücklich geregelt, dass in diesem Rahmen auch die Prüfung nach Durchschnittswerten vereinbart werden kann.

Eine Vereinbarung zur Prüfung nach Durchschnittswerten hat in Schleswig-Holstein zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom 7. April 2005 in Gestalt der Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/1995, S. 26 ff.) vorgelegen. In § 7 dieser Vereinbarung sind die Prüfarten geregelt. Neben der Prüfung verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten und nach Richtgrößen, der Prüfung nach Stichproben u. a. wird in § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Prüfvereinbarung ausdrücklich die Prüfung ärztlicher Leistungen (Behandlungsweise) nach Durchschnittswerten vereinbart. Weitere Einzelheiten zur Prüfung der ärztlichen Behandlungsweise nach Durchschnittswerten sind in §§ 8, 9 der Prüfvereinbarung geregelt. Während die Vorschriften der Prüfvereinbarung, die die Zusammensetzung der Ausschüsse und die Geschäftsstelle regeln, nach dem 31. Dezember 2003 aufgrund der Änderungen durch das GKV Modernisierungs¬gesetzes nicht mehr anwendbar waren, soweit sie gegen höherrangiges Recht verstießen, ist kein Grund ersichtlich, der gegen die Fortgeltung der Bestimmungen zu den vereinbarten Prüfungsarten über den 31. Dezember 2003 hinaus sprechen würde. Das GKV-Modernisie¬rungsgesetz enthält keine Regelung, die darauf schließen ließe, dass die vor dem 1. Januar 2004 geschlossenen Prüfvereinbarungen außer Kraft getreten sind oder dass Vereinbarungen, die bereits die Prüfung nach Durchschnittswerten vorgesehen haben, nach dem 1. Januar 2004 erneut abgeschlossen oder bestätigt werden müssten. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Änderung des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V mit der Einfügung der Worte "Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder". Dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die gesetzlich geregelten Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfarten vereinbaren können, war bereits vor dem 1. Januar 2004 geregelt. Bei der Änderung des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V handelt es sich – wie auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525, S. 114 zu Nr. 82 Buchst. c, Doppelbuchst. dd) ausgeführt wird – um eine Klarstellung. Schließlich war die Prüfung nach Durchschnittswerten bereits lange vor der im Jahr 1989 erfolgten Absicherung als gesetzlich geregelte Prüfmethode in § 106 SGB V in der Praxis der Prüfgremien entwickelt und durch die Rechtsprechung als zulässige Prüfmethode bestätigt worden (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1994 – 6 RKa 14/93BSGE 75, 220 = SozR 3 2500 § 106 Nr. 24, juris Rz. 17; vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 6 RKa 18/80BSGE 55, 110 = SozR 2200 § 368n Nr. 27, juris Rz. 10). In Schleswig-Holstein war die Prüfung nach Durchschnittswerten (damals als "Normwerte" bezeichnet) für den Primärkassenbereich bereits in der Prüfvereinbarung vom 14. Oktober 1979 (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1980, 416 ff.) geregelt. Mit der Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 ist die Vereinbarung aus dem Jahr 1979 insoweit fortgeführt worden. Dabei ist trotz der im Jahr 1995 bestehenden gesetzlichen Verankerung dieser Prüfmethode weiterhin eine Regelung zur Prüfung nach Durchschnittswerten in der Prüfvereinbarung getroffen worden. Vor diesem Hintergrund kann die in §§ 7 bis 8 der Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 getroffene Vereinbarung zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Durchschnittswerten auch nicht als bloße Verweisung auf die in § 106 SGB V in der vor dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung gesetzlich geregelte Prüfmethode ausgelegt werden, sondern nur als eigenständige Regelung, die bereits vor der gesetzlichen Absicherung dieser Prüfmethode bestanden hat und die auch nach der zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderung des § 106 SGB V und dem Fortfall der Prüfung nach Durchschnittswerten als gesetzlich geregelte Prüfmethode wirksam bleibt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bedurfte es auch nicht zwingend eines neuen Normsetzungsaktes. Allerdings ist nach dem Inhalt der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber von dem Abschluss neuer Vereinbarungen ab dem 1. Januar 2004 ausgegangen ist. Dort heißt es: "Mit der Ergänzung in Satz 4 wird klargestellt, dass die Vertragspartner vereinbaren können, die bisherigen [richtig: bisherige] Prüfung nach Durchschnittswerten beizubehalten." Dieser Formulierung ist jedoch keine Aussage zu der Frage zu entnehmen, wie zu verfahren ist, wenn die bisherige Prüfung nach Durchschnittswerten nicht allein aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 106 SGB V, sondern – wie jedenfalls in Schleswig-Holstein der Fall außerdem auf der Grundlage einer eigenständig formulierten Regelung in einer Prüfvereinbarung durchgeführt worden ist. Und selbst wenn die zitierte Formulierung aus der Gesetzesbegründung in der Weise zu interpretieren wäre, dass der Gesetzgeber vom Abschluss neuer Vereinbarungen auch für den Fall ausgegangen ist, dass Vereinbarungen zur Prüfung nach Durchschnittswerten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-Modernisie¬rungsgesetzes bereits bestanden haben, so hat dies jedenfalls in dem maßgebenden Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden.

Im Übrigen spricht auch der erkennbare Sinn der Neuregelung dagegen, dass der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des GKV-Modernisierungs¬gesetzes zum 1. Januar 2004 die Prüfung nach Durchschnittswerten – vorbehaltlich einer neu abzuschließenden Vereinbarung – übergangslos abschaffen und durch die gesetzlich allein geregelte Zufälligkeitsprüfung ersetzen wollte. Nach dem Inhalt der Gesetzesbegründung war dem Gesetzgeber bekannt, dass Zufälligkeitsprüfungen bis dahin praktisch nicht durchgeführt wurden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525, S. 113) heißt es dazu: "Die Zufälligkeitsprüfungen ... wurden nach einer im Jahr 2002 abgeschlossenen Erhebung der Prüfdienste des Bundes und der Länder von den Kassenärztlichen Vereinigungen und ihren Vertragspartnern auf Seiten der Krankenkassen in nicht mehr als zwei – von insgesamt 23 – Vertragsregionen und dort nur rudimentär umgesetzt." Ferner ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass geänderte Rahmenbedingungen in Gestalt der Anpassung der Datenübermittlung nach § 297 SGB V und von neuen Richtlinien nach § 106 Abs. 2b SGB V erforderlich sein würden, um Stichprobenprüfungen in Zukunft in dem in § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V vorgesehenen Umfang durchführen zu können. Aus § 106 Abs. 2c Satz 1 SGB V folgt, dass die Zufälligkeitsprüfung auf der Grundlage der Daten durchzuführen ist, die u. a. nach § 297 Abs. 1 bis 3 SGB V in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung den Geschäftsstellen zu übermitteln sind. Dabei muss dem Gesetzgeber bewusst gewesen sein, dass die Änderung des § 297 SGB V nicht wenige Wochen nach Veröffentlichung des GKV-Modernisierungs¬gesetzes vom 14. November 2003 zum 1. Januar 2004 umgesetzt werden konnte. Zudem sieht § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V vor, dass die Richtlinien nach § 106 Abs. 2b SGB V Inhalt der Prüfvereinbarungen sind. Für die Vereinbarung dieser Richtlinien (Richtlinie zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, insbesondere zu den Beurteilungsgegenständen ...), die nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2004 erstmals geschaffen werden mussten, ist im Gesetz eine Frist bis zum 31. Dezember 2004 vorgesehen (die tatsächlich sogar überschritten wurde). Bis dahin konnten deshalb auch keine den Anforderungen des § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V vollständig entsprechende Prüfvereinbarungen bestehen. Da das Ziel der Änderung des § 106 SGB V nach der Gesetzesbegründung darin bestand, die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu verbessern und zu intensivieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Durchführung von Prüfungen der ärztlichen Leistungen bis zur Umsetzung der Richtlinien nach § 106 Abs. 2b SGB V und bis zum Zustandekommen neuer Vereinbarungen über die Prüfung nach Durchschnittswerten aussetzen wollte. Zwar hätten die in § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V genannten Vertragspartner in Schleswig-Holstein eine Regelung in Bezug auf die Fortsetzung der Prüfung nach Durchschnittswerten für einen Übergangszeitraum bis zur Etablierung der Zufälligkeitsprüfung treffen können und dies wäre zur Klarstellung auch sinnvoll gewesen. Eine solche Übergangsvereinbarung war nach Auffassung des Senats jedoch nicht zwingend erforderlich.

Die Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 ist in Schleswig-Holstein durch die Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 abgelöst werden. Diese soll nach § 17 Abs. 1 der Prüfvereinbarung rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft treten. Die neue Prüfvereinbarung sieht ebenso wie die Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 u. a. die Prüfung nach Durchschnittswerten vor. Auch bezogen auf das Prüfmaß ist keine Änderung vorgesehen. Vor diesem Hintergrund begegnet das rückwirkende Inkrafttreten jedenfalls insoweit keinen Bedenken. Wie das Bundessozialgericht bezogen auf das rückwirkende Inkrafttreten von Richtgrößen klargestellt hat, stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer echten Rückwirkung nur in den Fällen, in denen eine Verschlechterung eintritt, weil anderenfalls kein Eingriff vorliegt. Soweit also die neue Vereinbarung für den Arzt keine Verschlechterung bedeutet, steht ihrer rückwirkenden Anwendung nichts entgegen (BSG, Urteil vom 2. November 2005 – B 6 KA 63/04 RBSGE 95, 199 = SozR 4 2500 § 106 Nr. 11).

Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Prüfvereinbarung könnten allerdings bestehen, weil diese nicht im Sinne eines Abdrucks veröffentlicht worden ist, sondern nur im Sinne eines Hinweises, dass die Prüfvereinbarung im Internet eingesehen werden kann oder auf Anforderung auch in Papierform übersandt wird (vgl. Nordlicht 2006, Heft 3, S. 10, sowie Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2006, S. 79). Diese Form der "Veröffentlichung" ist in § 25 Abs. 2 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung vom 28. April 2004 (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2004, S. 68 ff.) ausdrücklich vorgesehen. Die Tatsache, dass das Internet in Deutschland inzwischen weit verbreitet ist und dass sich die Prüfvereinbarung an einen begrenzten Personenkreis richtet, der in aller Regel über einen Personalcomputer als allgemein übliche Praxisausstattung und auch über einen Internet-Anschluss verfügt, könnte dafür sprechen, dass diese Form der Veröffentlichung zusammen mit dem Angebot, den Text der Prüfvereinbarung auf Anforderung in gedruckter Form zu übersenden, ausreicht. Andererseits unterscheidet sich die Publikation im Internet jedenfalls nach dem von der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein bisher praktizierten Verfahren von dem Abdruck u. a. dadurch, dass sie verändert werden kann und dass alte Fassungen durch neue ersetzt werden, ohne dass die alte weiter im Internet auffindbar ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die praktizierte Form der "Veröffentlichung" rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Die in Art. 82 GG formulierten Anforderungen an eine Veröffentlichung dürften mit dem Einstellen in das Internet jedenfalls nicht erfüllt werden (Kissel, Internet für und gegen alle?, NJW 2006, 801, 804 ff.). Nach h. M. unterliegen nicht nur die in Art. 82 GG ausdrücklich angesprochenen Gesetze und Verordnungen, sondern ebenso andere staatliche Rechtsakte mit abstrakt-genereller Außenwirkung der Veröffentlichungspflicht. Auch nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundessozialgerichts ist die Veröffentlichung von Vereinbarungen mit Rechtsnormcharakter Voraussetzung für die Wirksamkeit, weil Normen "nach deutschem Staatsrecht" erst mit der ordnungsgemäßen Verkündung existent werden (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97BSGE 81, 86 = SozR 3 2500 § 87 Nr. 18, juris Rz. 26; zur Erforderlichkeit der Veröffentlichung einer Richtgrößenvereinbarung: LSG Berlin, Urteil vom 3. März 2004 - L 7 KA 278/02 -, u. a.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2004 – L 11 KA 174/03GesR 2004, 527). Die Frage der Wirksamkeit der Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, weil jedenfalls die Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 insoweit bezogen auf die Prüfung nach Durchschnittswerten – fortgelten würde, wenn die Prüfvereinbarung vom 5. Ja¬nuar 2006 mangels Veröffentlichung nicht wirksam geworden wäre.

Soweit die Prüfvereinbarung vom 5. Januar 2006 als wirksam anzusehen wäre, wäre allerdings zu beachten, dass nach § 6 Abs. 2 dieser Prüfvereinbarung die Zufälligkeitsprüfung vorrangig durchzuführen ist. Nur sofern die Zufälligkeitsprüfung nicht durchgeführt wird, kann in demselben Bereich (Honorar-, Arznei- und Heilmittelbereich) eine Prüfung nach Durchschnittswerten erfolgen. Diese Bestimmung ist nach § 17 der Prüfvereinbarung rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten. Dadurch ist die bei dem Kläger durchgeführte Prüfung nach Durchschnittswerten jedoch – die Wirksamkeit der neuen Prüfvereinbarung unterstellt - nicht rechtswidrig geworden. In den hier streitgegenständlichen Quartalen bis II/2004 konnten Zufälligkeitsprüfungen nicht – wie in § 106 Abs. 2c Satz 1 SGB V gefordert – auf der Grundlage der Daten durchgeführt werden, die den Geschäftsstellen u. a. nach § 297 Abs. 1 bis 3 SGB V übermittelt werden, weil – wie dem Senat bekannt ist – die Neuregelung des § 297 SGB V zu diesem Zeitpunkt noch nicht umgesetzt war. Darüber hinaus waren die Richtlinien nach § 106 Abs. 2b Satz 1 SGB V, die nach Abs. 3 Inhalt der Prüfvereinbarungen sein sollen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinbart worden. Die Vereinbarung der Richtlinie ist nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich erst bis zum 31. Dezember 2004 vorgesehen. Tatsächlich sind die Richtlinien sogar erst am 25. November 2005 rückwirkend zum 1. April 2005 betreffend die Abrechnungs- und Verordnungsquartale ab dem 1. Januar 2005 vereinbart worden. Nach § 13 Abs. 2 dieser Richtlinie ist die Zufälligkeitsprüfung erstmalig für das Jahr 2005 durchzuführen. Danach bestand jedenfalls in den hier streitigen Quartalen bis II/2004 kein Raum für eine vorrangig durchzuführende Zufälligkeitsprüfung. Daher konnte für denselben Bereich (hier: Honorar) eine Prüfung nach Durchschnittswerten erfolgen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angefochtenen Bescheide selbst dann nicht mangels Rechtsgrundlage als rechtswidrig anzusehen wären, wenn die in Schleswig-Hol¬stein geltende Prüfvereinbarung aus dem Jahr 1995 nicht als Vereinbarung im Sinne des erst seit dem 1. Januar 2004 geltenden § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V angesehen werden könnte. Der Senat geht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend davon aus, dass § 106 SGB V keine generelle Beschränkung auf die gesetzlich vorgesehenen oder vertraglich vereinbarten Prüfungsarten zu entnehmen ist. Eine andere Auslegung stünde im Widerspruch zu der in § 106 Abs. 1 SGB V geregelten Überwachungspflicht. Dieser Bestimmung ist nicht nur die Befugnis, sondern die Verpflichtung der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen als Träger der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zu entnehmen, die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu überwachen. Deshalb ist eine Gesetzesinterpretation ausgeschlossen, die im Ergebnis dazu führen würde, dass Ärzte nicht geprüft werden können, weil die gesetzlich vorgesehenen oder die vereinbarten Prüfungsarten ungeeignet oder mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 30. Novem¬ber 1994, a. a. O. BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 – B 6 KA 21/98 RBSGE 84, 85 = SozR 3 2500 § 106 Nr. 47; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 72/03 R – SozR 4 2500 § 106 Nr. 8). Wie oben dargelegt, wurden sog. Zufälligkeitsprüfungen bis zur Änderung des § 106 SGB V mit Art. 82 des GKV-Modernisie¬rungsgesetzes vom 14. November 2003 bundesweit praktisch nicht durchgeführt. Mit der Gesetzesänderung wurden zusätzliche Vorgaben für die Durchführung von Zufälligkeitsprüfungen eingeführt, die jedenfalls nicht bis zum Ablauf des hier streitgegenständlichen Quartals II/2004 umsetzbar waren. Damit bestand als einzige praktisch umsetzbare Methode der Wirtschaftlichkeitsprüfung nur die Prüfung nach Durchschnittswerten zur Verfügung. Da die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen unverzichtbar ist, durfte der Beklagte entsprechende Prüfungen unabhängig davon durchführen, ob diese Prüfmethode gesetzlich oder in Vereinbarungen ausdrücklich geregelt war.

Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht aus anderen Gründen zu beanstanden. Der Beklagte hat die Prüfung unter Beachtung der für die Prüfung nach Durchschnittswerten entwickelten Maßstäbe durchgeführt. Bei der Prüfung ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten sind die Abrechnungswerte des Arztes mit denen der Fachgruppe oder einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten Untergruppe im selben Quartal zu vergleichen. Ergibt die Prüfung auch nach Durchführung der sog. intellektuellen Betrachtung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall in offensichtlichem Missverhältnis zu dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, und er ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (BSG, Urteil vom 5. November 2003 B 6 KA 55/02 SozR 4 2500 § 106 Nr. 4). Auch die Abrechnung einzelner Leistungspositionen kann Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten sein, soweit es sich um Leistungen handelt, die für die betreffende Arztgruppe typisch sind, also von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden und damit eine ausreichende Vergleichsgrundlage abgeben.

Die genannten Voraussetzungen sind erfüllt. Bei der Bildung der Vergleichsgruppe hat sich der Beklagte zutreffend an der Fachgruppe der praktischen und Allgemeinärzte orientiert, die in Einzelpraxis tätig sind. Auch die zur weiteren Verfeinerung durchgeführte Unterteilung in Stadt- und Landpraxen ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist zutreffend der Untergruppe der "Praktiker-Stadt" zugeordnet worden. Diese Vergleichsgruppe ist mit 192 Ärzten ausreichend groß. Bei der Leistung nach Nr. 10 EBM-Ä (therapeutisches hausärztliches Gespräch zu komplexen krankheitsbedingten Patientenproblemen und/oder Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern oder Jugendlichen mit Verhaltsstörungen oder Suchtproblemen, Dauer mindestens 10 Min.) handelt es sich um eine für die Fachgruppe der Hausärzte und auch für die gebildete Untergruppe ("Stadt") typische Leistung; sie ist von fast allen Ärzten der Vergleichsgruppe jeweils in einem großen Anteil der Behandlungsfälle (durchschnittlich über 60 %) abgerechnet worden. Von der Ausrichtung der einzelnen Arztpraxis ist die Beratungsleistung nach Nr. 10 EBM-Ä weitgehend unabhängig. Sie knüpft nicht an eine spezielle, fachlich qualifizierten Ärzten vorbehaltene Leistungslegende an, sondern an die allgemeine Aufgabe des Arztes, das Krankheitsgeschehen und seine Auswirkungen bei der Mehrzahl von Erkrankungen mit dem Patienten zu erörtern (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 B 6 KA 79/03 R ArztR 2005, 291).

Auch durch das von dem Beklagten zugrunde gelegte Prüfmaß mit der Reduzierung auf das Doppelte des um die sog. Nullabrechner modifizierten Vergleichsgruppenschnitts werden jedenfalls Rechte des Klägers nicht verletzt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2005, a. a. O., juris Rz 22, m.w.N.). Der Kläger hat die Leistung nach der Nr. 10 EBM-Ä in allen streitgegenständlichen Quartalen mehr als dreimal so häufig wie der Durchschnitt der Fachgruppe abgerechnet. In den Quartalen I/04 und II/04 hat der Kläger diese Leistung sogar deutlich mehr als zweimal pro Quartal und Behandlungsfall erbracht. Gründe, die diese Häufigkeit als wirtschaftlich erscheinen lassen könnten, sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat lediglich auf eine unterdurchschnittliche Zahl von Notdienstfällen hingewiesen und einen Zusammenhang mit einer überdurchschnittlichen Häufigkeit von Leistungen nach Nr. 10 EBM-Ä insoweit hergestellt, als in Notdienstfällen kaum die Nr. 10 EBM-Ä abzurechnen sei. Zwar dürfte es zutreffen, dass die Nr. 10 EBM-Ä in Fällen der notfallmäßigen Behandlung in der Regel nicht anfallen wird, schon weil es viel¬fach an der Zeit für die Führung eines mindestens 10-minütigen Gesprächs zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen fehlen wird. Außerdem trifft es nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu, dass der Kläger weniger Notfälle als der Durchschnitt der Fachgruppe abrechnet. Dies kann jedoch die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts beim Ansatz der Nr. 10 EBM-Ä nicht im Ansatz erklären. Darauf hat der Beklagte zutreffend in dem angefochtenen Bescheid hingewiesen. Da beim Kläger der Anteil der Fälle im Notdienst oder der sonstigen notfallmäßig durchgeführten Behandlung (Abrechnung der Nr. 1 A) etwa 1 % beträgt, während diese Quote in der Fachgruppe durchschnittlich etwa 3 % beträgt (also um ca. 2 Prozentpunkte höher ist), kann dies nicht eine Überschreitung des Vergleichsgruppenschnitts auf das dreifache (300 %) begründen. Im Übrigen hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass "Unwägbarkeiten" wie eine etwas geringere Zahl von Notdienstfällen durch die ohnehin eingeräumten Spielräume abgedeckt sind. Das gilt hier angesichts des großzügig gewählten Prüfmaßes von 100 % Überschreitung in besonderer Weise. Im Übrigen spricht für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise des Klägers auch die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts beim Gesamtfallwert um etwa 50 %.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kürzung auch im Hinblick auf die Berechnungsweise nicht zu beanstanden. In Schleswig-Holstein ist seit der Abschaffung der Praxisbudgets im EBM Ä zum 1. Juli 2003 eine Vergütung nach individuellen Punktzahlvolumina im HVM geregelt. Danach werden Leistungen innerhalb des individuellen Punktzahlvolumens nach einem Referenzpunktwert vergütet, der um 4,5 Cent betragen soll. Die überschreitenden Punktzahlanforderungen (Mehrleistungen) werden mit einem floatenden Punktwert vergütet, der zwischen 0,05 und 1 Cent beträgt. Bei der Berechnung der Honorarkürzung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtigt der Beklagte nach Kenntnis des Senats, mit welchem Anteil der Kläger Leistungen innerhalb des Punktzahlvolumens erbracht hat und mit welchem Anteil Mehrleistungen mit einem niedrigeren Punktwert abgerechnet worden sind. Entsprechend diesen Anteilen erfolgt auch die Kürzung der unwirtschaftlichen Leistungen. Diese Berechnungsweise entspricht den Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der bei der Ermittlung von Honorarkürzungen von der sog. Anerkennungsquote bzw. der "verbleibenden Honorarquote" auszugehen ist (BSG, Urteil vom 5. November 2003, a. a. O.; BSG, Urteil vom 15. Mai 2002 B 6 KA 30/00 R – SozR 3 2500 § 87 Nr. 32; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 79/03 R –Arzt-R 2005, 291). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im vorliegenden Fall anders verfahren sein könnte und dies ist auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Für ein entsprechendes Vorgehen des Beklagten auch im vorliegenden Fall spricht auch die Übersicht auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides, aus der sich ergibt, dass der Honorarkürzung für die Quartale IV/03 und I/04 ein Punktwert von im Durchschnitt nur etwas mehr als 3 Cent und für das Quartal II/04 ein Punktwert von im Durchschnitt etwas weniger als 3 Cent zugrunde gelegt worden ist. Der Kläger macht jedoch geltend, dass die Kürzung nur mit dem Punktwert für die Mehrleistungen (0,05 bis 1 Cent) berechnet werden dürfe, weil er sonst durch das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung schlechter gestellt würde, als wenn er die als unwirtschaftlich gekürzten Leistungen von vornherein nicht erbracht hätte. Mit diesem Einwand hat sich das Bundessozialgericht jedoch bereits in den oben zitierten Entscheidungen ausführlich auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die vom Kläger geforderte Berechnungsweise entwertet würde. Der Senat schließt sich dieser zur Rechtslage unter Geltung des Praxisbudgets im EBM-Ä ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an. Dass an die Stelle des im EBM-Ä geregelten Praxisbudgets für die hier streitgegenständlichen Quartale eine im HVM geregelte Honorarbegrenzung getreten ist, rechtfertigt nach Auffassung des Senats keine andere Beurteilung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1. Nicht erstattungsfähig sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im gesamten Verfahren, da diese sich jeweils nicht mit einem eigenen Sachantrag an dem Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage der Rechtsgrundlage für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten gemäß § 106 SGB V in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gewesen ist.
Rechtskraft
Aus
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