L 5 R 117/14

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 19 R 412/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 117/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 166/16 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein für das Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I bestallter Seelotse erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse, weil er als Selbständiger in der Seefahrt an Bord tätig ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Januar 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Überbrückungsgeld ab 1. Dezember 2011.

Der am. 1955 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 2004 als bestallter Seelotse auf dem Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I tätig. Am 26. September 2011 beantragte er bei der Beklagten Überbrückungsgeld nach § 11 der Satzung der Seemannskasse (SSmK). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. September 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für das Überbrückungsgeld sei, dass der Kläger auf Dauer als Seemann, als bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See versicherungspflichtiger Küstenfischer und Küstenfischer und sonst als Selbstständiger in der Seefahrt an Bord – auch auf Fahrzeugen unter ausländischer Flagge – nicht mehr tätig sei. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger aufgrund seiner Lotsentätigkeit nicht.

Der Kläger erhob am 25. Oktober 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er als Seelotse auf dem Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I nicht mehr in der Seeschifffahrt tätig sei. Die Rechtsstellung seines Berufes werde ausschließlich durch das Gesetz über das Seelotswesen geregelt. Nach § 1 dieses Gesetzes sei Seelotse, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtstraßen außerhalb der Häfen oder über Seeschiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleite. Danach gehöre der Seelotse nicht zur Schiffsbesatzung. Er habe als Seelotse den Kapitän bei der Führung des Schiffes zu beraten. Die Beratung könne auch von einem anderen Schiff oder von Land aus erfolgen. Seine Beratungstätigkeit beziehe sich ausschließlich auf natürliche und gesetzliche Belange und Umstände seines Seelotsreviers, für das er bestallt und ausgebildet sei, und nicht etwa auf die Seeschifffahrt. Sie ende an den geographischen Grenzen seines Seelotsreviers. Die Beratungstätigkeit sei auch nicht auf Seeschiffe begrenzt. Lotsannahmepflicht bestehe auf deutschen Seelotsrevieren auch für Binnenschiffe oder Sportboote bei Dunkelheit. Er sei verpflichtet, freiwilligen Lotsanforderungen aller anderen Wasserfahrzeuge beim Befahren seines Reviers nachzukommen. Darüber hinaus sei er zur Radarberatung von Schiffen in seinem Revier von Land aus verpflichtet, und müsse seinen Arbeitsanteil in der Selbstverwaltung der Lotsenbrüderschaft leisten. Das seien reine Verwaltungs- und Planungstätigkeiten. Weiterhin obliege ihm die Ausbildung neuer Kollegen. All diese Tätigkeiten fänden nicht in der Seeschifffahrt statt. Er benötige für die Ausübung seines Berufes auch keine Seediensttauglichkeit. Da er nicht mehr in der Seeschifffahrt tätig sei, sei er auch nicht mehr beitragspflichtig zur Seemannskasse. Seine Tätigkeit sei einem nautischen Sachverständigen vergleichbar, der zwar in Teilbereichen für die Seeschifffahrt, aber nicht in der Seeschifffahrt arbeite.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) sei der Nord-Ostsee-Kanal – einschlie߬lich Audorfer See und Schirnauer See – von der Verbindungslinie zwischen den Molenköpfen in Brunsbüttel bis zu der Verbindungslinie zwischen den Einfahrtsfeuern in Kiel-Holtenau mit Borgstedter See mit Enge, Flemhuder See und Achterwehrer Schifffahrtskanal eine Seeschifffahrtsstraße im Sinne dieser Verordnung. Als für das Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I bestallter Seelotse übe der Kläger somit weiterhin eine seemännische Beschäftigung an Bord aus. Es sei nicht relevant, ob die Tätigkeit ausschließlich an Bord von Seeschiffen ausgeübt werde. Beachtlich sei die Eigenschaft des Seelotsrevieres als Seeschifffahrtsgebiet. Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Überbrückungsgeldes aus der Seemannskasse erfülle der Kläger daher nicht.

Der Kläger hat am 22. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Er hat geltend gemacht, dass er als Lotse kein Besatzungsmitglied oder sonstiger Arbeitnehmer an Bord sei. Das Lotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I sei ein schiffbarer Verkehrsweg im Binnenland und falle nicht unter die Seefahrt. Die Definition des § 121 Abs. 3 Satz 1 SGB VII bestimme als Seefahrt die Fahrt außerhalb der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen und auch außerhalb der Verbindungslinie der äußeren Uferausläufe bei Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen seien. Die Einordnung des Nord-Ostsee-Kanals als Seeschifffahrtsstraße nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 17 SeeSchStrO entspreche nicht dem Begriff der Seefahrt im Sinne des SGB VII. Letzterer sei jedoch maßgeblich für die Zuständigkeit der Seemannskasse und der von dieser zu gewährenden Leistungen. Er sei auch kein Seemann im Sinne des § 13 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach seien Seeleute Kapitäne und Besatzungsmitglieder von Seeschiffen. Hiervon seien die Lotsen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen. Der erkennende Senat habe in seinem Urteil vom 9. Dezember 2010 – L 5 R 6/10 – auch selbst die Tätigkeit des Lotsens nicht als seemännische Tätigkeit in der Seefahrt eingeordnet. Lotsen seien nicht in der Seefahrt tätig. § 129 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterscheide zwischen in der Seefahrt beschäftigten Personen und Seelotsen. Gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI sei die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zuständig für Versicherte, wenn diese Versicherten in der Seefahrt (Seeschifffahrt und Seefischerei) tätig seien. § 129 Abs. 2 SGB VI bestimme zudem ausdrücklich die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See auch für u. a. Seelotsen, welche versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 4 SGB VI seien. Lotsen seien selbstständig als Berater der Schiffsführung tätig, übernähmen diese jedoch nicht und stimmten in keinem Heuerverhältnis. Der Lotse sei abzugrenzen von Berufsgruppen, die dem Namen nach eine ähnliche Tätigkeit ausführten, wie beispielsweise ortskundige Besatzungsmitglieder, die auf bestimmten Gewässern als Hilfsschiffsführer angestellt würden. Schon begrifflich werde unter Seefahrt das Befahren von Ozeanen und Meeren mit Schiffen und Booten verstanden. Nicht jede Tätigkeit, die kurzzeitig an Bord eines Schiffes ausgeübt werde, stelle eine Tätigkeit in der Seefahrt dar. Andernfalls müsste auch ein Meteorloge, der für eine Schiffspassage den Wetterbericht erstelle, in der Seefahrt tätig sein wie derjenige, der das Kartenmaterial erstelle. Eine derart extensive Auslegung sei jedoch vom Wortlaut des § 10 Abs. 1 1. Spiegelstrich SSmK nicht gedeckt.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2011 aufzuheben; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – Überbrückungsgeld nach § 11 der Satzung der Seemannskasse ab dem 1. Dezember 2014 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend hat sie ausgeführt, Seelotsreviere seien Fahrtstrecken und Seegebiete, für die zur Sicherheit der Seeschifffahrt die Bereitstellung einheitlicher und ständiger Lotsendienste angeordnet sei. Der Lotsdienst auf dem Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I obliege den in der Lotsenbrüderschaft Nord-Ostsee-Kanal I (Brunsbüttel) zusammengeschlossenen Seelotsen. Entsprechend des Merkblatts für die Zulassung als Seelotsenanwärter/Seelotsenanwärterin sei für das Seelotsenrevier Nord-Ostsee-Kanal I die Wasser- und Schifffahrtdirektion Nord in Kiel zuständig. Die Beurteilung der Eignung richte sich nach den §§ 4 bis 6 der Verordnung über die seeärztliche Untersuchung der Seelotsen und dem Nichtvorhandensein der Merkmale der Anlage 1 der Verordnung über die Seediensttauglichkeit in der jeweiligen Fassung. Die Beurteilung der Eignung solle sich nach den in der Verordnung über die Seediensttauglichkeit vorgegebenen Kriterien richten. Zusätzlich werde in der Seelotsenuntersuchungsverordnung aber noch der Nachweis der "für den Seelotsenberuf erforderlichen geistigen Leistungsfähigkeit" gefordert. Weiterhin würden besondere Vorgaben für die Prüfung des Hörvermögens, des Sehvermögens sowie der Farbtüchtigkeit gemacht. Auf der Internetseite der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord werde der Nord-Ostsee-Kanal als die meistbefahrende künstliche Seeschifffahrtsstraße der Welt bezeichnet. Auch in der Karte über die Seeschifffahrtsstraßen vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sei der Nord-Ostsee-Kanal als Seeschifffahrtsstraße verzeichnet. Der gesamte internationale Frachtverkehr – vornehmlich Containerschiffe – führe von und in den Ostseeraum durch den Nord-Ostsee-Kanal. Mit den sehr seetauglichen Lotsenbooten würden die Seelotsen von den Schleusenanlagen abgeholt und zu den Schiffen der internationalen Seeschifffahrt ab einer bestimmten Größe gebracht. Dem von dem Kläger zitierten Urteil des erkennenden Senats könne nicht entnommen werden, dass die Tätigkeit des Seelotsen nicht als Tätigkeit in der Seefahrt einzuordnen wäre. In dem Rechtsstreit sei es darum gegangen, ob der Kläger als Seelotse von der Beitragspflicht zur Seemannskasse zu befreien sei. Die grundsätzliche Beitragspflicht des Seelotsen sei "wie für alle anderen Seeleute auch" festgestellt worden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2013 (richtig: 16. Januar 2014) abgewiesen und ist der Begründung des Bescheides der Beklagten vom 28. September 2011 gefolgt. Darüber hinaus hat es ausgeführt: Die Kammer schließe sich auch den Ausführungen in der Klagerwiderung der Beklagten an, wonach sich im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Klägers aus der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts nicht ergebe, dass die Tätigkeit von Lotsen nicht als seemännische Tätigkeit in der Seefahrt anzusehen sei. Die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger noch nicht aus der Seefahrt ausgeschieden sei, sei nicht zu beanstanden: In rein tatsächlicher Hinsicht habe der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2014 selbst ausgeführt, dass er als Lotse auch in der Begleitung der Schiffsführer im Bereich des Nord-Ostsee-Kanals, einer Seeschifffahrtsstraße, auf Seeschiffen tätig sei. Hiernach habe der Kläger die seemännische Tätigkeit an Bord bislang noch nicht beendet, sondern führe sie sogar unter Verwertung seiner seemännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten so fort, dass er durch den beruflichen Wechsel zur Lotsentätigkeit keinerlei Verdiensteinbuße erlitten habe. Dieser berufliche Umstieg stehe keinesfalls einer Tätigkeit an Land gleich, die für den Fall eines berechtigten Bezugs des begehrten Überbrückungsgeldes unschädlich sei.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10. Juni 2014 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die am 10. Juli 2014 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend, dass sich das Sozialgericht nicht mit der Regelung des § 129 SGB VI auseinandergesetzt habe. Nach § 129 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI sei der Begriff der Seefahrt gesetzlich dahin definiert, dass die Seefahrt die Seeschifffahrt und die Seefischerei umfasse. Nach § 129 Abs. 2 SGB VI sei die Beklagte auch für selbstständig Tätige, die als Seelotse versicherungspflichtig seien, zuständig. Ein Vergleich dieser Regelungen zeige, dass die Tätigkeit des Seelotsen gerade nicht unter dem Begriff der Seefahrt subsummiert werden könne. Andernfalls hätte es der Regelung in § 129 Abs. 2 SGB VI nicht bedurft, da der Seelotse schon über dem Begriff der Seefahrt nach § 129 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI bei der Beklagten versicherungspflichtig wäre. Die Beklagte gehe auch selbst davon aus, dass der Kläger nicht in der Seefahrt tätig sei. Sie habe die Betriebsnummer des Klägers in der Meldung zur Seesozialversicherung mit der Kennziffer "99 " versehen. Die Kennziffer stehe für "Landbetrieb". Zudem habe sie den Kläger im Bereich "nicht fahrende Versicherte – keine Fahrzeuggruppe" eingestuft. Aus der Beitragsübersicht ergebe sich, dass die Beklagte unter dem Begriff der Seeschifffahrt zahlreiche Berufe verstehe, jedoch nicht die Tätigkeit als Seelotse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Januar 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Überbrückungsgeld nach § 11 der Satzung der Seemannskasse ab dem 1. Dezember 2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei als sonstiger Selbstständiger in der Seefahrt an Bord tätig. Eine Landtätigkeit liege nur dann vor, wenn sie typischerweise nicht an Bord eines fahrenden Schiffes, sondern vielmehr ausschließlich an Land ausgeübt werde. Das treffe auf die Beratung des Kapitäns bei der Führung des Schiffes durch den Lotsen nicht zu. Gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes über das Seelotsenwesen könne seine Tätigkeit auch von einem anderen Schiff oder von Land aus erfolgen. Der Kläger sei als Seelotse auch in der Seeschifffahrt tätig. Das ergebe sich schon aus § 1 Seelotsengesetz, wonach Seelotse sei, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleite. Zudem würden die Kanalsteuerer auf dem Nord-Ostsee-Kanal schon seit 1974, als die Seemannskasse eingerichtet worden sei, von der damaligen See-Berufsgenossenschaft als Seeleute eingestuft und zahlten bis heute laufend Pflichtbeiträge in die Seemannskasse ein. Es könne daher nicht sein, dass Kanalsteuerer nachweislich Seeschifffahrt betrieben und Seelotsen, die dasselbe Einsatzgebiet hätten, Binnenschifffahrt. Schließlich dränge sich die Frage auf, welche Personengruppe der Satzungsgeber mit der Alternative "als sonstiger Selbstständiger in der Seefahrt an Bord" im Sinn gehabt haben könne als gerade die Seelotsen. Würde ihnen neben ihrem Lotsengeld noch das Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse gezahlt, läge ein Fall der Doppelversorgung vor, der nicht Intention des Satzungsgebers entsprochen habe.

Der Kläger erwidert, die Beklagte verkenne, dass Kanalsteuerer ihre Tätigkeit allein an Bord eines Schiffes erbrächten und dort am Steuer sitzen würden. Das sei eine andere Tätigkeit als die des Seelotsen. Der Nord-Ostsee-Kanal sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 17 SeeSchStrO eine Binnenwasserstraße, die im Geltungsbereich der SeeSchStrO lediglich einer Seeschifffahrtsstraße gleichgestellt sei. Da die Satzung der Beklagten für das Überbrückungsgeld keine Hinzuverdienstgrenzen vorsähe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Hauptfunktion des Überbrückungsgeldes daran liege, Einkommensverlust zu kompensieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 11 der Satzung der Seemannskasse. Er erfüllt die hier allein streitige Voraussetzung, dass er auf Dauer als Selbstständiger in der Seefahrt an Bord – auch auf Seefahrzeugen unter ausländischer Flagge – nicht mehr tätig ist, nicht.

Die Satzung der Beklagten enthält keine eigenständige Definition eines Selbstständigen in der Seefahrt an Bord. Allerdings bestimmt § 1 des Gesetzes über das Seelotswesen, dass Seelotse ist, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtsstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet. Nach § 2 des Seelotsgesetzes sind Seelotsreviere Fahrstrecken und Seegebiete, für die zur Sicherheit der Schifffahrt die Bereitstellung einheitlicher, ständiger Lotsendienste angeordnet ist. Wer den Beruf eines Seelotsen in einem Seelotsrevier ausüben will, bedarf nach § 7 Seelotsgesetz einer Bestallung. Als Seelotsenanwärter darf nur zugelassen werden, wer für den Beruf des Seelotsen aufgrund seiner Berufsausbildung und Berufserfahrung befähigt sowie geistig und körperlich geeignet ist und die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Der Bewerber muss zum Zeitpunkt der Zulassung ein gültiges Befähigungszeugnis ohne Einschränkung in den nautischen Befugnissen zum Kapitän für den Dienst auf anderen als auf Fischereifahrzeugen oder ein als gleichwertig anerkanntes Befähigungszeugnis eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum besitzen und ausweislich des Seefahrtbuches oder eines gleichwertigen amtlichen Dokuments nach dem Erwerb eines solchen Befähigungszeugnisses eine Seefahrtszeit von mindestens zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre in einer dem Befähigungszeugnis entsprechend nautisch verantwortlichen Position geleistet haben (§ 9 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 Seelotsgesetz). Der für ein Seelotsrevier bestallte Seelotse übt seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus (§ 21 Seelotsgesetz). Das Seelotsrevier Nord-Ostsee-Kanal I ist als Seeschifffahrtsstraße nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 17 Seeschifffahrtsstraßenordnung ausgewiesen. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und der Beklagten, dass der Kläger als Selbstständiger in der Seefahrt an Bord weiterhin tätig ist.

Dem steht insbesondere nicht die Regelung des § 129 SGB VI entgegen. Sie regelt die Zuständigkeit der Beklagten für Versicherte, und zwar in Abs. 1 der Versicherten, die beschäftigt sind, in Abs. 2 der selbstständig Tätigen, die als Seelotse, Küstenschiffer oder Küstenfischer versicherungspflichtig sind. Mit § 129 SGB VI werden die originären Zuständigkeiten der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See für Versicherte in den Branchen Bahn und Seefahrt festgelegt. Das SGB VI enthält für den Begriff der Seefahrt selbst keine nähere Definition. § 13 SGB IV enthält eine allgemeine, für sämtliche Sozialversicherungsbereiche gültige Bestimmung zu den Begrifflichkeiten "Reeder", "Seeleute" und "deutsche Seeschiffe". Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Seeleute sowohl Kapitäne und Besatzungsmitglieder von Seeschiffen sowie sonstige Arbeitnehmer, die an Bord von Seeschiffen während der Reise im Rahmen des Schiffsbetriebs beschäftigt sind, mit Ausnahme der Lotsen. Auch § 13 SGB IV lässt aber ungeklärt, was mit Seemann bzw. Seeschifffahrt in Abgrenzung zu sonstiger Schifffahrt wie insbesondere der Binnenschifffahrt gemeint ist. Hierüber gibt lediglich § 121 Abs. 3 SGB VII, allerdings auch nur für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes Aufschluss. Dort finden sich Zuständigkeitsregelungen für die gewerbliche Berufsgenossenschaft und in diesem Zusammenhang auch eine Begriffsbestimmung von "Seefahrt". Allerdings ist zu beachten, dass sowohl aus gesetzessystematischen Gründen als auch dem Wortlaut nach § 121 SGB VII auf die gesetzliche Rentenversicherung nicht ohne Weiteres übertragbar ist, denn § 121 Abs. 3 SGB VII spricht ausdrücklich von Seefahrt "im Sinne dieses Buches" – mithin nur im Sinne des SGB VII. Deshalb besteht kein Grund für die Annahme, dass Seefahrt, die nach § 121 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a SGB VII nur die Schifffahrt außerhalb der Festland- und Inselküstenlinie ist, auch im Geltungsbereich der Satzung der Beklagten entsprechend zu verstehen ist. Hierfür hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob eine selbstständige Tätigkeit auf einem Seeschiff ausgeübt wird, das für die Seeschifffahrt bestimmt ist und dort auch eingesetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 1984 – 1 RS 3/83 –, juris). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger aufgrund seiner Seelotsentätigkeit auf dem Nord-Ostsee-Kanal I. Der Umstand, dass er seine Lotsentätigkeit nicht ausschließlich an Bord von Seeschiffen ausübt, ist rechtlich irrelevant, denn die Satzung der Beklagten regelt in § 11 Nr. 1, dass Überbrückungsgeld nur bei einem vollständigen Ausscheiden aus der Seefahrt gewährt wird. Diese Voraussetzung wird von einem Seelotsen, der wie der Kläger, nicht ausschließlich an Land oder an Bord von Binnenschiffen tätig ist, nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved