Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 33 KR 1294/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 72/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine Behandlung mit allogener Stammzelltherapie nach zweimaliger autologer Stammzellentherapie in der Erstlinientherapie eines multiplen Myeloms entspricht keinem klinisch geprüften Behandlungskonzept.
2. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse kann bei dieser neuen nicht anerkannten Behandlungsmethode nur aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung der Normen des SGB V gegeben sein.
3. Eine wirksame Einwilligung des Versicherten ist eine weitere Voraussetzung für den Vergütungsanspruch.
4. Zu den Inhalten und Dokumentationspflichten der Aufklärung und Einwilligung bei nicht anerkannten Behandlungsmethoden mit einem hohen Risikopotenzial.
5. Das Krankenhaus muss seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse im Zweifel beweisen. Dazu gehört auch die wirksame Aufklärung und Einwilligung des Versicherten in die Heilbehandlung.
2. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse kann bei dieser neuen nicht anerkannten Behandlungsmethode nur aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung der Normen des SGB V gegeben sein.
3. Eine wirksame Einwilligung des Versicherten ist eine weitere Voraussetzung für den Vergütungsanspruch.
4. Zu den Inhalten und Dokumentationspflichten der Aufklärung und Einwilligung bei nicht anerkannten Behandlungsmethoden mit einem hohen Risikopotenzial.
5. Das Krankenhaus muss seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse im Zweifel beweisen. Dazu gehört auch die wirksame Aufklärung und Einwilligung des Versicherten in die Heilbehandlung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 81.288,56 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten für eine allogene Stammzelltherapie.
Der bei der Beklagten krankenversicherte, 1953 geborene E E (Versicherter) wurde vom 1. August bis 22. August 2005 im Universitätsklinikum des Klägers in K stationär behandelt. Der Versicherte litt an einem multiplen Myelom, einer Krebserkrankung des Knochenmarks. Nach der erstmaligen Diagnose im Juli 2004 wurde der Versicherte zunächst chemotherapeutisch behandelt. Anschließend erfolgten im November 2004 und Januar 2005 zwei autologe Stammzelltransplantationen, die zu keiner vollständigen Remission führten. Die entsprechenden Rechnungen für diese Behandlungen sind von der Beklagten bezahlt worden. Im August 2005 wurde dann eine allogene Stammzelltransplantation mit Zellen eines nicht verwandten Spenders durchgeführt. Im Jahr 2008 ist der Versicherte an seiner Krebserkrankung verstorben.
Mit Rechnungen vom 30. August 2005 und 2. März 2006 macht der Kläger hierfür insgesamt einen Betrag von 81.288,56 EUR (67.999,56 EUR und 13.289,00 EUR) gegenüber der Beklagten geltend. Diesen hat die Beklagte zunächst unter Vorbehalt bezahlt und nach Durchführung einer MDK-Prüfung am 2. Januar 2009 wieder vollständig mit anderen unstreitigen Forderungen verrechnet.
Mit der am 17. Dezember 2009 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage hat der Kläger die Begleichung des offenen Betrages in Höhe von 81.288,56 EUR begehrt. Er hat die durchgeführte stationäre Behandlung für erforderlich gehalten. Die gewählte Behandlung sei zum damaligen Zeitpunkt vom medizinischen Standpunkt als Standardtherapie anzusehen gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 81.288,56 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 2 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die durchgeführte Behandlung für medizinisch nicht erforderlich gehalten. Bei der allogenen Stammzelltransplantation mit Zellen eines nicht verwandten Spenders nach zwei vorangegangenen autologen Stammzelltransplantationen handele es sich nicht um eine Standardtherapie. Sie hat sich dabei auf ein Gutachten des MDK vom 13. März 2008 berufen. Diese Behandlung sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Vielmehr sei sie sogar mit höheren Gefahren für den Versicherten verbunden gewesen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Gutachter Prof. Dr. H hat am 15. Oktober 2011 mit zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Februar 2012 und 18. April 2012 nach Aktenlage ein Gutachten erstellt und ist bei Bestätigung der Erkrankungen des Versicherten zu der Einschätzung gelangt, dass die vorliegend durchgeführte Behandlung mit zwei autologen und einer allogenen Stammzelltransplantationen nicht dem medizinischen Standard entspreche. Als Standardtherapie zum Zeitpunkt der Behandlung müsse die Durchführung zweier autologer Stammzelltransplantationen angesehen werden. Darüber hinaus hätten bereits zu diesem Zeitpunkt belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegen, die Vorteile bei einer kombinierten Therapie aus einer autologen und einer allogenen Stammzelltransplantation mit Zellen von einem HLA-identischen Spender erkennen ließen. Dabei könnten Risiken und Nebenwirkungen autologer und allogener Stammzellen kombiniert werden, was insgesamt die Risiken für den Patienten bei verbesserter Wirksamkeit in einem vertretbaren Rahmen halte. Dies gelte aber nur für die Durchführung einer autologen und einer allogenen Transplantation und nur bei Verwendung von Spenderzellen eines HLA-identischen Spenders, da nur dabei die Verträglichkeit des Spendermaterials mit hinreichender Erfolgsaussicht sichergestellt werden könne. Entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse lägen für andere Kombinationen von autologen und allogenen Transplantationen, insbesondere mit nicht verwandtem Spendermaterial, nicht vor. Die damit einhergehenden Risiken seien daher nicht absehbar hoch.
Während sich die Beklagte im Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens bestätigt gesehen hat, hat der Kläger das Gutachten für unzutreffend gehalten. Im vorliegenden Fall habe die standardmäßige Durchführung der zweimaligen autologen Stammzelltransplantationen zwar zu einem guten Ergebnis, jedoch nicht zu einer vollständigen Remission geführt. Daher habe man sich aufgrund des Alters des Versicherten und der konkreten Umstände des Einzelfalls dazu entschlossen, eine allogene Stammzelltransplantation "nachzuschieben", um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Kombination einer autologen mit einer allogenen Stammzelltransplantation seien auf diesen Anwendungsfall übertragbar. Beim Versicherten sei der entsprechende Erfolg dann auch zunächst eingetreten.
Mit Urteil vom 13. Juni 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach § 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürften. Dies schließe Behandlungen aus, die nicht dem allgemeinen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprächen und deren Wirksamkeit für das konkrete Behandlungsziel nicht belegt seien. Auch aus § 137c SGB V folge für die Behandlung im Krankenhaus keine weitergehende Berechtigung zum Einsatz nicht dem allgemein wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechender Behandlungsmethoden. Nach diesen Maßstäben hätte die beim Versicherten durchgeführte Behandlung nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen. Es hätten zum Zeitpunkt der Behandlung – und bis heute – keine wissenschaftlichen Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit des konkret beim Versicherten zur Anwendung gebrachten Behandlungsablaufs zum Gegenstand hätten. Entgegen der Ansicht des Klägers seien die vorliegenden positiven Studienergebnisse für die Kombination einer autologen mit einer allogenen Stammzelltransplantation (vom HLA-identischen Spender) nicht auf die vorgenommene Behandlung zu übertragen.
Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 20. August 2012 bei dem Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Der Kläger hält das Gutachten von Prof. Dr. H für nicht verwertbar, da dieser von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Ein Anspruch auf eine Blutstammzelltransplantation als Sachleistung der GKV bestehe bereits dann, wenn die konkrete Nutzen–Risiko–Abwägung eine Wahrscheinlichkeit von 10 % für eine Heilung oder zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ergebe. Das sei hier der Fall. Die allogene Stammzelltherapie sei indiziert gewesen. Es hätten keine anderen zugelassenen medikamentösen Therapien mehr zur Verfügung gestanden. Der Kläger macht geltend, dass der Versicherte umfassend über die Behandlung aufgeklärt worden sei einschließlich der besonderen Risiken in seiner speziellen Situation. In diesem länger währenden Prozess hätten regelmäßig längere Gespräche mit den behandelnden Ärzten stattgefunden. Der Kläger reicht hierzu eine vom Versicherten am 13. Juli 2005 unterschriebene "Einverständniserklärung: Allogene Stammzelltransplantation" und eine "Patienteninformation: Allogene Stammzelltransplantation" zu den Akten. Die Aufklärung am 13. Juli 2005 sei im ambulanten Rahmen vor der stationären Aufnahme am 1. August 2005 erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 81.288,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 2. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, den Versicherten ein weiteres Mal stationär aufzunehmen, um ihn mit allogener Stammzelltransplantation bei nicht verwandtem Spender zu behandeln. Zum einen sei eine solche Behandlung mit erheblichen Risiken, auch für tödliche Komplikationen, belastet. Zum anderen existiere kein Hinweis darauf, dass mit einer solchen Behandlung langfristig eine signifikant höhere Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden sei. Insoweit fehle es an wissenschaftlichen Wirksamkeitsbelegen. Es seien zum Zeitpunkt der Leistungserbringung keine Daten klinischer Studien verfügbar gewesen, so dass auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 kein Anspruch gegeben sei. Es hätten rechtlich zulässige Behandlungsalternativen bestanden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass der Versicherte in der gebotenen Weise auf die besonderen Risiken in der besonderen Situation – niemals in klinischen Studien geprüftes Protokoll mit zweimalig autologer und daran anschließender allogener Stammzelltherapie – aufgeklärt worden sei. Es fehle mithin an einer wirksamen Einwilligung des Versicherten in die Behandlung. Dies stehe einem Vergütungsanspruch des Klägers entgegen. Zur näheren Begründung verweist die Beklagte auf Gutachten des Kompetenzzentrums Onkologie des MDK Nordrhein (Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, Sozialmedizin Prof. Dr. Ha ) vom 16. Dezember 2014, 13. April 2016, 8. August 2016 und 16. November 2016.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme vom 1. August 2013 von Prof. Dr. H zu den vom Kläger gegen dessen Gutachten erhobenen Einwänden und ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Prof. Dr. Dr. S aus Ka vom 21. August 2014 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 24. November 2015 und 7. November 2016 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2016 hat der Senat Prof. Dr. Ha vom MDK Nordrhein sowie Prof. Dr. G und Prof. Dr. V vom Kläger angehört und weiteren Beweis erhoben durch Vernehmung von Prof. Dr. Dr. S als medizinischen Sachverständigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten und der Krankenakten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Vergütungsanspruch für die beim Versicherten durchgeführte stationäre Behandlung mit einer allogenen Stammzelltherapie hat.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Denn bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine einseitige Regelung durch Verwaltungsakt ausscheidet. Es bedarf somit auch keines Vorverfahrens oder der Einhaltung einer besonderen Klagefrist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Mai 2004, B 3 KR 18/03 in juris).
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz i. V. m. § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz. Auch bei der Vergütung einer Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen hat das Krankenhaus einen Vergütungsanspruch gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung.
Krankenhausbehandlung ist im Sinne von § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 39 SGB V grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Generell hat sich der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und mit § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.
Auch die u. a. von § 17b KHG erfassten Leistungen müssen grundsätzlich dem Qualitätsgebot genügen, um überhaupt zu Lasten der GKV abrechenbar zu sein. Eine Abmilderung des Qualitätsgebotes kann sich insbesondere daraus ergeben, dass auch bei Beurteilung der Behandlungsmethoden im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe als Maßstab der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stattzufinden hat. Dieser Maßstab liegt auch der Regelungskonzeption des Verbotsvorbehalts gemäß § 137c SGB V zugrunde. Nach § 137c Abs. 1 SGB V überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nach § 91 SGB V auf Antrag eines Spitzenverbandes der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbands der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt. Die Regelung des § 137c SGB V darf nicht über ihren Wortlaut hinaus im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus bis zum Erlass eines Verbots nach § 137c SGB V ausgelegt werden. Sie normiert vielmehr einen bloßen Verbotsvorbehalt. Sie setzt die Geltung des alle Naturalleistungsbereiche erfassenden Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Gegenteiliges bedeutete, unter Missachtung des Zwecks der GKV die Einheit der Rechtsordnung zu gefährden. Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass – anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Leistungen – der GBA nicht in einem generalisierten, zentralisierten und formalisierten Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus erfolgt vielmehr bis zu einer Entscheidung des GBA nach § 137c SGB V individuell, grundsätzlich also zunächst präventiv im Rahmen einer Binnenkontrolle durch das Krankenhaus selbst, sodann im Wege der nachgelagerten Außenkontrolle lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post durch die Krankenkassen und anschließender Prüfung durch die Gerichte. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes und formalisiertes Verfahren nach § 137c SGB V schafft über dem Einzelfall hinaus Regelungsklarheit im Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten.
Grundsätzlich erfordert das Qualitätsgebot, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (vgl. hierzu m.w.N. Urteil des BSG vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 70/12 R, in juris Rn. 14 bis 18, 21).
Hieran gemessen hat das Sozialgericht zu Recht festgestellt, dass die Behandlung des Versicherten mit allogener Stammzelltherapie nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprach. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit der hier streitigen Behandlung.
Das haben Prof. Dr. Ha und Prof. Dr. Dr. S (wie zuvor auch Prof. Dr. H - ) übereinstimmend bestätigt. Eine Behandlung mit allogener Stammzelltherapie nach zweifacher autologer Stammzelltherapie in der Erstlinientherapie eines multiplen Myeloms entspricht keinem klinisch geprüften Behandlungskonzept. Es gibt keine Fachgesellschaft oder staatliche Gesundheitsbehörde, welche eine solche Behandlung empfiehlt. Insbesondere gilt dies für Patienten, die in der Erstlinientherapie eines multiplen Myeloms nach zweifacher autologischer Stammzelltherapie ein Ansprechen im Sinne einer partiellen Remission erreicht haben. Nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie kommt eine allogene Stammzelltherapie in Frage, wenn entweder ein zytogenetisches Hochrisikoprofil besteht oder ein Frührezidiv nach einer Erstlinientherapie zu verzeichnen ist. Beides lag hier ohne jeden Zweifel nicht vor. Beim Versicherten war es nach zwei autologen Stammzelltherapien vielmehr zu einem Rückgang der Tumormasse um 77 % gekommen (partielle Remission). Da die Behandlung mit allogener Stammzelltherapie mit erheblichen Risiken verbunden ist, hat die Internationale Myelom-Arbeitsgruppe (IMWG) im Jahre 2010 empfohlen, diese Behandlung auf klinische Studien zu beschränken. Der Versicherte wurde jedoch nicht im Rahmen einer Studie behandelt.
Im Ergebnis steht damit für den Senat fest, dass die streitige allogene Stammzelltherapie vom nicht verwandten Spender nach zwei vorangegangenen autologen Stammzelltherapien beim multiplen Myelom nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprach. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses kann dann überhaupt nur noch aufgrund einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung in Betracht kommen. Die entsprechende Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V gilt erst seit 2012 und findet daher hier keine Anwendung.
Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V hinsichtlich eines Anspruchs auf Übernahme einer Behandlungsmethode zu Lasten der GKV setzt voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. 2. Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. 3. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (ständige Rechtsprechung: vgl. BVerfGE 115, 25; BSGE 97, 190).
Das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen ist hier sehr zweifelhaft: Für das Bestehen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung reicht es nicht aus, dass das multiple Myelom hier unbehandelt zum Tode führt, weil dies nahezu für jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zutrifft. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falls bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 17. De¬zember 2013, B 1 KR 70/12 R in juris Rn. 29). Hier lag zwischen der zweifachen autologen Stammzelltherapie und der streitigen allogenen Stammzelltherapie mehr als ein halbes Jahr, in dem von den behandelnden Ärzten auch ein (noch längeres) Abwarten nach der erreichten Remission ebenso in Erwägung gezogen wurde, wie eine medikamentöse Therapie. Der Gesundheitszustand des Versicherten war nach der erreichten Teilremission gleichbleibend stabil. Im Arztbrief von Prof. Dr. W (UKSH Campus L ) vom 9. März 2005 heißt es, dass noch abgewartet werden könne, ob sich noch ein weiterer Rückgang der Paraproteinämie zeige. Möglicherweise könne man auch versuchen, vor einer erneuten Hochdosistherapie mit allogener Transplantation durch den Einsatz von Bortezomib eine weitergehende Remission zu induzieren.
Hieran knüpfen sich auch weitere Zweifel, ob die zweite Voraussetzung hier erfüllt ist, nämlich das bezüglich des multiplen Myeloms eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stand. Zwar stand keine Standardtherapie nach einer Teilremission nach zwei autologen Stammzelltherapien zur Verfügung. Allerdings gab es die Möglichkeit einer medikamentösen Therapie außerhalb des Rahmens von anerkannten Therapien, die ebenso wie die allogene Stammzelltherapie mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet war. Neben der von den Ärzten des Klägers selbst erwogenen Therapie mit Bortezomib bestand die Möglichkeit einer ambulanten Erhaltungstherapie mit den Medikamenten Thalidomid und Alpha–Interferon. Prof. Dr. Ha hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die europäische Fachgesellschaft für Blutstammzellen– und Knochenmarktransplantationen (EBMT) eine Interferonerhaltungstherapie ganz besonders für Patienten empfohlen habe, die nach Hochdosis Chemotherapie und autologer Stammzelltherapie eine partielle Remission erreicht haben, wie dies hier beim Versicherten der Fall war. Jedoch ist – wie von Prof. Dr. Dr. S ausgeführt – diese Therapie in ihrer Wirksamkeit sehr begrenzt und wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen sehr belastend für die Patienten. Im Gegensatz zu Interferon war Thalidomid zum damaligen Zeitpunkt für die Behandlung des multiplen Myeloms in Deutschland nicht zugelassen. Allerdings wurde diese Theraie nach Aussage von Prof. Dr. Ha vom MDK im Einzelfall vielfach nicht beanstandet.
Dass bezüglich der beim Versicherten angewandten neuen, nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand (dritte Voraussetzung), ist schon deshalb sehr zweifelhaft, weil diese Behandlungsmethode bislang nirgendwo im Rahmen einer Erstlinientherapie angewandt und dementsprechend auch nicht dokumentiert worden war. Zur Nutzenbewertung der durchgeführten Therapie sind weltweit keine Daten klinischer Studien verfügbar. Es gab auch keine Fachgesellschaft oder staatliche Gesundheitsbehörde, die diese Behandlung empfohlen hat. Bei der allogenen Stammzelltherapie handelt es sich gegenüber der autologen um ein grundsätzlich anderes Therapiekonzept, das darauf gründet, dass durch Einbeziehung eines Spenders auch dessen Immunsystem übertragen wird und es so zu besseren Heilungschancen kommen kann. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. S ist das allerdings mit dem Risiko verbunden, dass diese Therapie bei 10 bis 20 % aller Fälle zum Tode führt. Dass hingegen die Prognose des Versicherten mit dieser Behandlung verbessert werden kann, ist rein spekulativ und nicht erkennbar auf Indizien gestützt. Ob es insoweit ausreicht, dass dies die "einzige Therapieform mit kurativem Potential" (Prof. Dr. Dr. S ) war, die zur Verfügung stand, ist fraglich.
Ob der Vergütungsanspruch des Klägers bei grundrechtsorientierter Auslegung des SGB V hier letztlich trotz der aufgezeigten Zweifel zu bejahen ist, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, da es an einer wirksamen Einwilligung des Versicherten in die durchgeführte Behandlung fehlt. Die wirksame Einwilligung des Versicherten ist eine Vergütungsvoraussetzung. Der Versicherte muss der konkreten Heilbehandlung nach hinreichender, gebotener Aufklärung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zugestimmt haben. Erforderlich ist eine so umfassende Information über Eigenart, Nutzen und Risiken der gesamten Behandlung, dass sie dem Selbstbestimmungsrecht des Versicherten in vollem Umfang Rechnung trägt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 70/12 R in juris Rn. 25; Hauck, Die Bedeutung der Patientenautonomie für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, SGb 2014, 8 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier. Die vom Kläger vorgelegte und vom Versicherten am 13. Juli 2005 unterschriebene "Einverständniserklärung: allogene Stammzelltransplantation" (Version 5/2003) in Verbindung mit der "Patienteninformation: allogene Stammzelltransplantation" (Version 5/2003) genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, da es sich um allgemeine Formblätter ohne Bezug zu den Besonderheiten dieses konkreten Falls handelt. Eine wirksame Einwilligung des Versicherten hätte hier Aufklärungsinhalte vorausgesetzt, die den Formblättern nicht entnommen werden können. Es hätte einer zumindest stichwortartigen Dokumentation in der Krankenakte bedurft, um nach jetzt über 11 Jahren einen entsprechenden Nachweis erbringen zu können, dass der Versicherte zumindest darüber aufgeklärt wurde,
&61485; dass es keine Erfahrungsberichte über eine allogene Stammzelltherapie nach zweimaliger autologer Stammzelltherapie in der Erstlinientherapie beim multiplen Myelom gab, dementsprechend auch nicht über einen möglichen Nutzen der Therapie bei bekannt sehr hohen Risiken, &61485; dass diese Therapieform in der medizinischen Fachliteratur an keiner Stelle empfohlen wurde, &61485; dass ein weiteres Abwarten oder eine medikamentöse Therapie im Rahmen einer Nutzen/Risiko-Abwägung in Betracht kam.
Zwischen der zweimaligen autologen und der allogenen Stammzelltherapie lag über ein halbes Jahr, so dass eine Dokumentation der Aufklärung des Versicherten ohne Zeitdruck hätte erfolgen können. Insbesondere bei einem Agieren in einem Hochrisikobereich außerhalb von allgemein anerkannten Therapiekonzepten im Rahmen einer grundrechtsorientierten Auslegung des SGB V kann hierauf nicht verzichtet werden. Selbst wenn die Aufklärung und die Einwilligung des Versicherten nicht zwingend schriftlich erfolgen müssen (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2015, L 4 KR 3748/13 in juris Rn. 49), bleibt bei Zweifeln die Beweislast beim Krankenhaus, das sämtliche Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch beweisen muss. Bei einer – wie hier – vollständig fehlenden Dokumentation der Aufklärung in den Krankenhausakten und weiteren vom Kläger nicht benannten Beweismitteln kann sich der Senat kein Bild davon machen, ob die genannten Kriterien für eine wirksame Aufklärung des Versicherten erfüllt sind. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten für eine allogene Stammzelltherapie.
Der bei der Beklagten krankenversicherte, 1953 geborene E E (Versicherter) wurde vom 1. August bis 22. August 2005 im Universitätsklinikum des Klägers in K stationär behandelt. Der Versicherte litt an einem multiplen Myelom, einer Krebserkrankung des Knochenmarks. Nach der erstmaligen Diagnose im Juli 2004 wurde der Versicherte zunächst chemotherapeutisch behandelt. Anschließend erfolgten im November 2004 und Januar 2005 zwei autologe Stammzelltransplantationen, die zu keiner vollständigen Remission führten. Die entsprechenden Rechnungen für diese Behandlungen sind von der Beklagten bezahlt worden. Im August 2005 wurde dann eine allogene Stammzelltransplantation mit Zellen eines nicht verwandten Spenders durchgeführt. Im Jahr 2008 ist der Versicherte an seiner Krebserkrankung verstorben.
Mit Rechnungen vom 30. August 2005 und 2. März 2006 macht der Kläger hierfür insgesamt einen Betrag von 81.288,56 EUR (67.999,56 EUR und 13.289,00 EUR) gegenüber der Beklagten geltend. Diesen hat die Beklagte zunächst unter Vorbehalt bezahlt und nach Durchführung einer MDK-Prüfung am 2. Januar 2009 wieder vollständig mit anderen unstreitigen Forderungen verrechnet.
Mit der am 17. Dezember 2009 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage hat der Kläger die Begleichung des offenen Betrages in Höhe von 81.288,56 EUR begehrt. Er hat die durchgeführte stationäre Behandlung für erforderlich gehalten. Die gewählte Behandlung sei zum damaligen Zeitpunkt vom medizinischen Standpunkt als Standardtherapie anzusehen gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 81.288,56 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 2 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die durchgeführte Behandlung für medizinisch nicht erforderlich gehalten. Bei der allogenen Stammzelltransplantation mit Zellen eines nicht verwandten Spenders nach zwei vorangegangenen autologen Stammzelltransplantationen handele es sich nicht um eine Standardtherapie. Sie hat sich dabei auf ein Gutachten des MDK vom 13. März 2008 berufen. Diese Behandlung sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Vielmehr sei sie sogar mit höheren Gefahren für den Versicherten verbunden gewesen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Gutachter Prof. Dr. H hat am 15. Oktober 2011 mit zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Februar 2012 und 18. April 2012 nach Aktenlage ein Gutachten erstellt und ist bei Bestätigung der Erkrankungen des Versicherten zu der Einschätzung gelangt, dass die vorliegend durchgeführte Behandlung mit zwei autologen und einer allogenen Stammzelltransplantationen nicht dem medizinischen Standard entspreche. Als Standardtherapie zum Zeitpunkt der Behandlung müsse die Durchführung zweier autologer Stammzelltransplantationen angesehen werden. Darüber hinaus hätten bereits zu diesem Zeitpunkt belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegen, die Vorteile bei einer kombinierten Therapie aus einer autologen und einer allogenen Stammzelltransplantation mit Zellen von einem HLA-identischen Spender erkennen ließen. Dabei könnten Risiken und Nebenwirkungen autologer und allogener Stammzellen kombiniert werden, was insgesamt die Risiken für den Patienten bei verbesserter Wirksamkeit in einem vertretbaren Rahmen halte. Dies gelte aber nur für die Durchführung einer autologen und einer allogenen Transplantation und nur bei Verwendung von Spenderzellen eines HLA-identischen Spenders, da nur dabei die Verträglichkeit des Spendermaterials mit hinreichender Erfolgsaussicht sichergestellt werden könne. Entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse lägen für andere Kombinationen von autologen und allogenen Transplantationen, insbesondere mit nicht verwandtem Spendermaterial, nicht vor. Die damit einhergehenden Risiken seien daher nicht absehbar hoch.
Während sich die Beklagte im Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens bestätigt gesehen hat, hat der Kläger das Gutachten für unzutreffend gehalten. Im vorliegenden Fall habe die standardmäßige Durchführung der zweimaligen autologen Stammzelltransplantationen zwar zu einem guten Ergebnis, jedoch nicht zu einer vollständigen Remission geführt. Daher habe man sich aufgrund des Alters des Versicherten und der konkreten Umstände des Einzelfalls dazu entschlossen, eine allogene Stammzelltransplantation "nachzuschieben", um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Kombination einer autologen mit einer allogenen Stammzelltransplantation seien auf diesen Anwendungsfall übertragbar. Beim Versicherten sei der entsprechende Erfolg dann auch zunächst eingetreten.
Mit Urteil vom 13. Juni 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach § 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürften. Dies schließe Behandlungen aus, die nicht dem allgemeinen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprächen und deren Wirksamkeit für das konkrete Behandlungsziel nicht belegt seien. Auch aus § 137c SGB V folge für die Behandlung im Krankenhaus keine weitergehende Berechtigung zum Einsatz nicht dem allgemein wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechender Behandlungsmethoden. Nach diesen Maßstäben hätte die beim Versicherten durchgeführte Behandlung nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen. Es hätten zum Zeitpunkt der Behandlung – und bis heute – keine wissenschaftlichen Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit des konkret beim Versicherten zur Anwendung gebrachten Behandlungsablaufs zum Gegenstand hätten. Entgegen der Ansicht des Klägers seien die vorliegenden positiven Studienergebnisse für die Kombination einer autologen mit einer allogenen Stammzelltransplantation (vom HLA-identischen Spender) nicht auf die vorgenommene Behandlung zu übertragen.
Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 20. August 2012 bei dem Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Der Kläger hält das Gutachten von Prof. Dr. H für nicht verwertbar, da dieser von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Ein Anspruch auf eine Blutstammzelltransplantation als Sachleistung der GKV bestehe bereits dann, wenn die konkrete Nutzen–Risiko–Abwägung eine Wahrscheinlichkeit von 10 % für eine Heilung oder zumindest eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ergebe. Das sei hier der Fall. Die allogene Stammzelltherapie sei indiziert gewesen. Es hätten keine anderen zugelassenen medikamentösen Therapien mehr zur Verfügung gestanden. Der Kläger macht geltend, dass der Versicherte umfassend über die Behandlung aufgeklärt worden sei einschließlich der besonderen Risiken in seiner speziellen Situation. In diesem länger währenden Prozess hätten regelmäßig längere Gespräche mit den behandelnden Ärzten stattgefunden. Der Kläger reicht hierzu eine vom Versicherten am 13. Juli 2005 unterschriebene "Einverständniserklärung: Allogene Stammzelltransplantation" und eine "Patienteninformation: Allogene Stammzelltransplantation" zu den Akten. Die Aufklärung am 13. Juli 2005 sei im ambulanten Rahmen vor der stationären Aufnahme am 1. August 2005 erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 81.288,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 2. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, den Versicherten ein weiteres Mal stationär aufzunehmen, um ihn mit allogener Stammzelltransplantation bei nicht verwandtem Spender zu behandeln. Zum einen sei eine solche Behandlung mit erheblichen Risiken, auch für tödliche Komplikationen, belastet. Zum anderen existiere kein Hinweis darauf, dass mit einer solchen Behandlung langfristig eine signifikant höhere Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden sei. Insoweit fehle es an wissenschaftlichen Wirksamkeitsbelegen. Es seien zum Zeitpunkt der Leistungserbringung keine Daten klinischer Studien verfügbar gewesen, so dass auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 kein Anspruch gegeben sei. Es hätten rechtlich zulässige Behandlungsalternativen bestanden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass der Versicherte in der gebotenen Weise auf die besonderen Risiken in der besonderen Situation – niemals in klinischen Studien geprüftes Protokoll mit zweimalig autologer und daran anschließender allogener Stammzelltherapie – aufgeklärt worden sei. Es fehle mithin an einer wirksamen Einwilligung des Versicherten in die Behandlung. Dies stehe einem Vergütungsanspruch des Klägers entgegen. Zur näheren Begründung verweist die Beklagte auf Gutachten des Kompetenzzentrums Onkologie des MDK Nordrhein (Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie, Sozialmedizin Prof. Dr. Ha ) vom 16. Dezember 2014, 13. April 2016, 8. August 2016 und 16. November 2016.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme vom 1. August 2013 von Prof. Dr. H zu den vom Kläger gegen dessen Gutachten erhobenen Einwänden und ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Prof. Dr. Dr. S aus Ka vom 21. August 2014 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 24. November 2015 und 7. November 2016 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2016 hat der Senat Prof. Dr. Ha vom MDK Nordrhein sowie Prof. Dr. G und Prof. Dr. V vom Kläger angehört und weiteren Beweis erhoben durch Vernehmung von Prof. Dr. Dr. S als medizinischen Sachverständigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten und der Krankenakten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Vergütungsanspruch für die beim Versicherten durchgeführte stationäre Behandlung mit einer allogenen Stammzelltherapie hat.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Denn bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten für einen Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse handelt es sich um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine einseitige Regelung durch Verwaltungsakt ausscheidet. Es bedarf somit auch keines Vorverfahrens oder der Einhaltung einer besonderen Klagefrist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Mai 2004, B 3 KR 18/03 in juris).
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz i. V. m. § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz. Auch bei der Vergütung einer Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen hat das Krankenhaus einen Vergütungsanspruch gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung.
Krankenhausbehandlung ist im Sinne von § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 39 SGB V grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Generell hat sich der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und mit § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.
Auch die u. a. von § 17b KHG erfassten Leistungen müssen grundsätzlich dem Qualitätsgebot genügen, um überhaupt zu Lasten der GKV abrechenbar zu sein. Eine Abmilderung des Qualitätsgebotes kann sich insbesondere daraus ergeben, dass auch bei Beurteilung der Behandlungsmethoden im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe als Maßstab der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stattzufinden hat. Dieser Maßstab liegt auch der Regelungskonzeption des Verbotsvorbehalts gemäß § 137c SGB V zugrunde. Nach § 137c Abs. 1 SGB V überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nach § 91 SGB V auf Antrag eines Spitzenverbandes der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbands der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt. Die Regelung des § 137c SGB V darf nicht über ihren Wortlaut hinaus im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus bis zum Erlass eines Verbots nach § 137c SGB V ausgelegt werden. Sie normiert vielmehr einen bloßen Verbotsvorbehalt. Sie setzt die Geltung des alle Naturalleistungsbereiche erfassenden Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Gegenteiliges bedeutete, unter Missachtung des Zwecks der GKV die Einheit der Rechtsordnung zu gefährden. Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass – anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Leistungen – der GBA nicht in einem generalisierten, zentralisierten und formalisierten Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus erfolgt vielmehr bis zu einer Entscheidung des GBA nach § 137c SGB V individuell, grundsätzlich also zunächst präventiv im Rahmen einer Binnenkontrolle durch das Krankenhaus selbst, sodann im Wege der nachgelagerten Außenkontrolle lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post durch die Krankenkassen und anschließender Prüfung durch die Gerichte. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes und formalisiertes Verfahren nach § 137c SGB V schafft über dem Einzelfall hinaus Regelungsklarheit im Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten.
Grundsätzlich erfordert das Qualitätsgebot, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (vgl. hierzu m.w.N. Urteil des BSG vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 70/12 R, in juris Rn. 14 bis 18, 21).
Hieran gemessen hat das Sozialgericht zu Recht festgestellt, dass die Behandlung des Versicherten mit allogener Stammzelltherapie nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprach. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit der hier streitigen Behandlung.
Das haben Prof. Dr. Ha und Prof. Dr. Dr. S (wie zuvor auch Prof. Dr. H - ) übereinstimmend bestätigt. Eine Behandlung mit allogener Stammzelltherapie nach zweifacher autologer Stammzelltherapie in der Erstlinientherapie eines multiplen Myeloms entspricht keinem klinisch geprüften Behandlungskonzept. Es gibt keine Fachgesellschaft oder staatliche Gesundheitsbehörde, welche eine solche Behandlung empfiehlt. Insbesondere gilt dies für Patienten, die in der Erstlinientherapie eines multiplen Myeloms nach zweifacher autologischer Stammzelltherapie ein Ansprechen im Sinne einer partiellen Remission erreicht haben. Nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie kommt eine allogene Stammzelltherapie in Frage, wenn entweder ein zytogenetisches Hochrisikoprofil besteht oder ein Frührezidiv nach einer Erstlinientherapie zu verzeichnen ist. Beides lag hier ohne jeden Zweifel nicht vor. Beim Versicherten war es nach zwei autologen Stammzelltherapien vielmehr zu einem Rückgang der Tumormasse um 77 % gekommen (partielle Remission). Da die Behandlung mit allogener Stammzelltherapie mit erheblichen Risiken verbunden ist, hat die Internationale Myelom-Arbeitsgruppe (IMWG) im Jahre 2010 empfohlen, diese Behandlung auf klinische Studien zu beschränken. Der Versicherte wurde jedoch nicht im Rahmen einer Studie behandelt.
Im Ergebnis steht damit für den Senat fest, dass die streitige allogene Stammzelltherapie vom nicht verwandten Spender nach zwei vorangegangenen autologen Stammzelltherapien beim multiplen Myelom nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprach. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses kann dann überhaupt nur noch aufgrund einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung in Betracht kommen. Die entsprechende Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V gilt erst seit 2012 und findet daher hier keine Anwendung.
Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des SGB V hinsichtlich eines Anspruchs auf Übernahme einer Behandlungsmethode zu Lasten der GKV setzt voraus, dass folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. 2. Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. 3. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (ständige Rechtsprechung: vgl. BVerfGE 115, 25; BSGE 97, 190).
Das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen ist hier sehr zweifelhaft: Für das Bestehen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung reicht es nicht aus, dass das multiple Myelom hier unbehandelt zum Tode führt, weil dies nahezu für jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zutrifft. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falls bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 17. De¬zember 2013, B 1 KR 70/12 R in juris Rn. 29). Hier lag zwischen der zweifachen autologen Stammzelltherapie und der streitigen allogenen Stammzelltherapie mehr als ein halbes Jahr, in dem von den behandelnden Ärzten auch ein (noch längeres) Abwarten nach der erreichten Remission ebenso in Erwägung gezogen wurde, wie eine medikamentöse Therapie. Der Gesundheitszustand des Versicherten war nach der erreichten Teilremission gleichbleibend stabil. Im Arztbrief von Prof. Dr. W (UKSH Campus L ) vom 9. März 2005 heißt es, dass noch abgewartet werden könne, ob sich noch ein weiterer Rückgang der Paraproteinämie zeige. Möglicherweise könne man auch versuchen, vor einer erneuten Hochdosistherapie mit allogener Transplantation durch den Einsatz von Bortezomib eine weitergehende Remission zu induzieren.
Hieran knüpfen sich auch weitere Zweifel, ob die zweite Voraussetzung hier erfüllt ist, nämlich das bezüglich des multiplen Myeloms eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stand. Zwar stand keine Standardtherapie nach einer Teilremission nach zwei autologen Stammzelltherapien zur Verfügung. Allerdings gab es die Möglichkeit einer medikamentösen Therapie außerhalb des Rahmens von anerkannten Therapien, die ebenso wie die allogene Stammzelltherapie mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet war. Neben der von den Ärzten des Klägers selbst erwogenen Therapie mit Bortezomib bestand die Möglichkeit einer ambulanten Erhaltungstherapie mit den Medikamenten Thalidomid und Alpha–Interferon. Prof. Dr. Ha hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die europäische Fachgesellschaft für Blutstammzellen– und Knochenmarktransplantationen (EBMT) eine Interferonerhaltungstherapie ganz besonders für Patienten empfohlen habe, die nach Hochdosis Chemotherapie und autologer Stammzelltherapie eine partielle Remission erreicht haben, wie dies hier beim Versicherten der Fall war. Jedoch ist – wie von Prof. Dr. Dr. S ausgeführt – diese Therapie in ihrer Wirksamkeit sehr begrenzt und wegen der damit verbundenen Nebenwirkungen sehr belastend für die Patienten. Im Gegensatz zu Interferon war Thalidomid zum damaligen Zeitpunkt für die Behandlung des multiplen Myeloms in Deutschland nicht zugelassen. Allerdings wurde diese Theraie nach Aussage von Prof. Dr. Ha vom MDK im Einzelfall vielfach nicht beanstandet.
Dass bezüglich der beim Versicherten angewandten neuen, nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand (dritte Voraussetzung), ist schon deshalb sehr zweifelhaft, weil diese Behandlungsmethode bislang nirgendwo im Rahmen einer Erstlinientherapie angewandt und dementsprechend auch nicht dokumentiert worden war. Zur Nutzenbewertung der durchgeführten Therapie sind weltweit keine Daten klinischer Studien verfügbar. Es gab auch keine Fachgesellschaft oder staatliche Gesundheitsbehörde, die diese Behandlung empfohlen hat. Bei der allogenen Stammzelltherapie handelt es sich gegenüber der autologen um ein grundsätzlich anderes Therapiekonzept, das darauf gründet, dass durch Einbeziehung eines Spenders auch dessen Immunsystem übertragen wird und es so zu besseren Heilungschancen kommen kann. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. S ist das allerdings mit dem Risiko verbunden, dass diese Therapie bei 10 bis 20 % aller Fälle zum Tode führt. Dass hingegen die Prognose des Versicherten mit dieser Behandlung verbessert werden kann, ist rein spekulativ und nicht erkennbar auf Indizien gestützt. Ob es insoweit ausreicht, dass dies die "einzige Therapieform mit kurativem Potential" (Prof. Dr. Dr. S ) war, die zur Verfügung stand, ist fraglich.
Ob der Vergütungsanspruch des Klägers bei grundrechtsorientierter Auslegung des SGB V hier letztlich trotz der aufgezeigten Zweifel zu bejahen ist, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, da es an einer wirksamen Einwilligung des Versicherten in die durchgeführte Behandlung fehlt. Die wirksame Einwilligung des Versicherten ist eine Vergütungsvoraussetzung. Der Versicherte muss der konkreten Heilbehandlung nach hinreichender, gebotener Aufklärung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zugestimmt haben. Erforderlich ist eine so umfassende Information über Eigenart, Nutzen und Risiken der gesamten Behandlung, dass sie dem Selbstbestimmungsrecht des Versicherten in vollem Umfang Rechnung trägt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013, B 1 KR 70/12 R in juris Rn. 25; Hauck, Die Bedeutung der Patientenautonomie für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, SGb 2014, 8 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier. Die vom Kläger vorgelegte und vom Versicherten am 13. Juli 2005 unterschriebene "Einverständniserklärung: allogene Stammzelltransplantation" (Version 5/2003) in Verbindung mit der "Patienteninformation: allogene Stammzelltransplantation" (Version 5/2003) genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, da es sich um allgemeine Formblätter ohne Bezug zu den Besonderheiten dieses konkreten Falls handelt. Eine wirksame Einwilligung des Versicherten hätte hier Aufklärungsinhalte vorausgesetzt, die den Formblättern nicht entnommen werden können. Es hätte einer zumindest stichwortartigen Dokumentation in der Krankenakte bedurft, um nach jetzt über 11 Jahren einen entsprechenden Nachweis erbringen zu können, dass der Versicherte zumindest darüber aufgeklärt wurde,
&61485; dass es keine Erfahrungsberichte über eine allogene Stammzelltherapie nach zweimaliger autologer Stammzelltherapie in der Erstlinientherapie beim multiplen Myelom gab, dementsprechend auch nicht über einen möglichen Nutzen der Therapie bei bekannt sehr hohen Risiken, &61485; dass diese Therapieform in der medizinischen Fachliteratur an keiner Stelle empfohlen wurde, &61485; dass ein weiteres Abwarten oder eine medikamentöse Therapie im Rahmen einer Nutzen/Risiko-Abwägung in Betracht kam.
Zwischen der zweimaligen autologen und der allogenen Stammzelltherapie lag über ein halbes Jahr, so dass eine Dokumentation der Aufklärung des Versicherten ohne Zeitdruck hätte erfolgen können. Insbesondere bei einem Agieren in einem Hochrisikobereich außerhalb von allgemein anerkannten Therapiekonzepten im Rahmen einer grundrechtsorientierten Auslegung des SGB V kann hierauf nicht verzichtet werden. Selbst wenn die Aufklärung und die Einwilligung des Versicherten nicht zwingend schriftlich erfolgen müssen (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2015, L 4 KR 3748/13 in juris Rn. 49), bleibt bei Zweifeln die Beweislast beim Krankenhaus, das sämtliche Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch beweisen muss. Bei einer – wie hier – vollständig fehlenden Dokumentation der Aufklärung in den Krankenhausakten und weiteren vom Kläger nicht benannten Beweismitteln kann sich der Senat kein Bild davon machen, ob die genannten Kriterien für eine wirksame Aufklärung des Versicherten erfüllt sind. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG.
Rechtskraft
Aus
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SHS
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