Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KA 119/14
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 75/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 25/17 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozial- gerichts Kiel vom 24. September 2014 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 356,74 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Zuweisung des Regelleistungsvolumens (RLV) bzw. der Obergrenze für das Quartal I/10.
Die Klägerin ist eine aus den Ärzten M und Ma bestehende Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in Heikendorf, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und der Arztgruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, plastische Chirurgie, Herzchirurgie und Neurochirurgie zugeordnet ist. M ist seit 1. Mai 2004 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, Ma seit 1. Juli 2004.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 teilte die Beklagte der Klägerin eine vorläufige Obergrenze für das Quartal I/10 in Höhe von 27.175,08 EUR mit. Diese setzte sich zusammen aus einem auf Basis der Vorjahresfallzahl ermittelten RLV für M in Höhe von 10.975,66 EUR und einer auf Basis der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe ermittelten Obergrenze für Ma in Höhe von 16.199,42 EUR. Die Beklagte wies darauf hin, dass sie zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine vorläufige, ausdrücklich unter Vorbehalt gestellte Mitteilung zur Verfügung stellen könne. Die endgültige Mitteilung werde die Klägerin im Januar zusammen mit den dafür notwendigen Informationen erhalten. Weder sei die Vereinbarung mit den Krankenkassenverbänden unterschrieben, noch hätten die Berechnungen des Fallwertes abgeschlossen und überprüft werden können.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 22. Dezember 2009.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 korrigierte die Beklagte das RLV der Klägerin für das Quartal I/10 nach unten auf 25.748,13 EUR. Grundlage war nunmehr für beide Ärzte ein RLV, welches unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe und des Bestwertes der individuellen Fallzahlquote gebildet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zusammen mit gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale I/09 und II/09 erhobenen Widersprüchen zurück. Dabei stellte sie klar, dass der Bescheid vom 1. Februar 2010 Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung stellte sie die Regelungen der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV ab 1.Januar 2009 dar und führte aus, bei den streitigen Entscheidungen sei nach diesen Regelungen verfahren worden. Soweit die Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht eingehalten worden sei, handele es sich lediglich um eine Ordnungsfrist. Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen, weil das Eingangskriterium einer Mindestüberschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes in Punkten um mindestens 30 % nicht erfüllt sei. M habe den durchschnittlichen Fallwert im Quartal I/09 um 5,97 % überschritten und im Quartal II/09 um 0,3 % unterschritten. Für Herrn Ma ergebe sich eine Überschreitung um 3,62 % im Quartal I/09 und 8,56 % im Quartal II/09.
Mit ihrer dagegen am 11. April 2011 vor dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. Mai 2013 zunächst eine weitere Klage der Klägerin, in der über die Honorarabrechnungen für die Quartale III/10 und I/11 sowie die RLV-Mitteilungen für die Quartale I/11 und II/11 gestritten wurde, zum Verfahren hinzuverbunden. Sodann hat das Gericht mit Beschluss vom 28. Februar 2014 alle 7 Streitgegenstände (Honorar I/09, II/09, III/10 u. I/11 sowie RLV I/10, I/11 u. II/11) in einzelne Klageverfahren aufgetrennt.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin sich zunächst auch auf die Verletzung der Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 SGB V gestützt, diesen Punkt aber in Hinblick auf dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts später nicht mehr aufrechterhalten. Die Beklagte habe aber Praxisbesonderheiten fehlerhaft nicht angenommen. Deren Berechnungen zur Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes müssten in Zweifel gezogen werden. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch nicht auf den einzelnen Arzt, sondern die Berufsausübungsgemeinschaft insgesamt abzustellen sei. Auch habe die Berechnung nicht in Punkten, sondern in Euro zu erfolgen. Zu beachten sei, dass die Prüfgremien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Erbringung radiologischer Leistungen als Praxisbesonderheit der Klägerin anerkannt hätten. Auch Sicherstellungsgesichtspunkte seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, denn sie - die Klägerin - sei die einzige unfallchirurgische Praxis im Kreis P und die radiologische Versorgung unfallchirurgisch Schwerverletzter bereite insoweit Probleme. Durch Praxen im benachbarten K werde dies nicht ausreichend kompensiert. Dass die Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 Satz 1 SGB V durch das BSG lediglich als Ordnungsfrist qualifiziert worden sei, ändere nichts daran, dass die Zuweisung einer vorläufigen Obergrenze vor Beginn des Quartals und die Zuweisung des als endgültig angesehenen RLV mitten im Quartal gegen geltendes Recht verstießen. Soweit der RLV-Bescheid vom 1. Februar 2010 für das gesamte erste Quartal 2010 Geltung beanspruche, sei dieser rechtswidrig.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Bescheide vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, Praxisbesonderheiten seien mangels Erfüllung des Eingangskriteriums der Überschreitung des fachgruppendurchschnittlichen Fallwerts in Punkten um mindestens 30 % nicht anzuerkennen gewesen. Auch wenn man die BAG als Ganzes betrachte, ergebe sich keine Fallwertüberschreitung von 30 %. An dieser fehle es auch im Quartal I/10. Prognostisch sei auf Basis der RLV-Mitteilung für das Quartal I/10 für M von einer Fallwertüberschreitung von 5,50 % und für Ma von 3,42 % sowie für die Praxis insgesamt von 4,52 % auszugehen gewesen. Auf Basis der tatsächlichen Honorarabrechnung ergebe sich für M eine Fallwertüberschreitung von 8,39 %, für Ma von 4,36 % und für die Praxis insgesamt von 6,43 %. Sicherstellungsaspekte seien schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich in unmittelbarer Nähe des Niederlassungsortes H die Stadtgrenze von K befinde, wo es ausreichend Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gebe. Ihre Vorgehensweise bei Mitteilung des RLV für I/10 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Obwohl im Dezember 2009 die mit den Krankenkassen zu schließende Honorarvereinbarung für 2010 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und die Berechnung des Fallwertes nicht endgültig habe durchgeführt und überprüft werden können, habe sie sich entschieden, den Vertragsärzten zumindest ein vorläufiges RLV mitzuteilen. Dieses Mitteilungsschreiben sei ganz ausdrücklich unter Vorbehalt gestellt worden. Sie habe damit alles Erforderliche und Mögliche getan, das RLV noch rechtzeitig vor dem Gültigkeitszeitraum mitzuteilen. Vor diesem Hintergrund habe das mitgeteilte RLV auch noch im Laufe des Quartals I/10 an die tatsächlichen Fakten angepasst werden können, ohne dass das zuvor vorläufig mitgeteilte RLV fortgewirkt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 hat das Sozialgericht Kiel nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Verfahrensweise die Klage abgewiesen.
Dabei hat es zur Begründung ausgeführt, die Anerkennung einer Praxisbesonderheit setze voraus, dass eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliege. Daran fehle es. Die Ermittlung des Überschreitungsvolumens in Punkten und nicht in Euro sei nicht zu beanstanden. Der Korrekturbescheid vom 1. Februar 2010 beruhe auf einer hinreichenden, verfahrensrechtlichen Grundlage. Eine rückwirkende Korrektur von RLV-Zuweisungen sei aus Vertrauensschutzgründen an besondere Anforderungen zu knüpfen. Diese seien aber erfüllt, denn die Beklagte habe den vorläufigen RLV-Zuweisungsbescheid ausdrücklich unter Änderungsvorbehalt gestellt und dabei deutlich gemacht, unter welchen Voraussetzungen sie eine Neufestsetzung beabsichtige. Auch seien nur kleine Anteile des RLV betroffen. Das BSG habe im anderen Zusammenhang angenommen, dass Korrekturen bis zu 15% möglich seien. Zwar habe im Bescheid vom 11. Dezember 2009 jegliche weitergehende Angabe zu der ungefähr zu erwartenden RLV-Minderung gefehlt, allerdings sei entscheidend, ob und inwieweit Vorläufigkeitshinweise geeignet seien, das Vertrauen des Vertragsarztes auf den dauerhaften Bestand des vorläufigen Bescheides zu erschüttern. Dies sei jedenfalls in dem geringen Maße, in dem sie Grundlage des hier angefochtenen Korrekturbescheides geworden seien, der Fall. Im Übrigen sei die Beklagte jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zum Erlass des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 berechtigt gewesen. Es stelle sich allenfalls die Frage, welche Auswirkungen eine solche, im Laufe des Quartals verfügte Minderung des RLV für die Quartalshonorarabrechnung habe, insbesondere ob sie Geltung für das gesamte Quartal beanspruchen könne oder erst ab Erlass der Änderung zu berücksichtigen sei und wie dies dann konkret umzusetzen sei. Eine Entscheidung darüber habe aber erst im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal I/10 zu erfolgen. Weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der RLV-Zuweisung beständen nicht.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 7. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 6. November 2014.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, es seien Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Bei Anwendung der Regelung von Teil D Nr. 4.2 HVV sei auf die Fallwertüberschreitung in Euro und nicht in Punkten abzustellen. Der Auffassung des Sozialgerichts, wonach die Frage der zeitlichen Geltung des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides zu klären sei, könne sie sich nicht anschließen. Dies gelte auch für die Auffassung, der vorläufige RLV-Bescheid sei mit einem hinreichend konkreten Änderungsvorbehalt versehen gewesen. Grund für den Erlass des vorläufigen Bescheides seien allein organisatorische Probleme der Beklagten gewesen. Dies sei nicht ohne weiteres Grund dafür, einen vorläufigen anstelle eines endgültigen Bescheides zu erlassen. Aus der Begründung des Änderungsvorbehalts habe sich auch nicht ergeben, dass mit einer Absenkung des RLV zu rechnen gewesen sei. So, wie der Vorbehalt formuliert gewesen sei, hätte auch eine Erhöhung des RLV erfolgen können. Ein solcher Vorbehalt beseitige den Vertrauensschutz des Adressaten nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 24. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Entscheidung des Sozialgerichtes zum Nichtvorliegen von Praxisbesonderheiten sei rechtmäßig. Die Bemessung der Fallwertüberschreitung in Punkten sei ein sachgerechtes Kriterium für das Anerkennen von Praxisbesonderheiten. Die nachträgliche Absenkung des zuvor vorläufig mitgeteilten Regelleistungsvolumens halte sie für zulässig. Die Zuweisung eines vorläufigen RLV sei im Bemühen erfolgt, den Vertragsärzten Anhaltspunkte über die Höhe des ungefähren RLV und damit Kalkulationssicherheit zu geben. Die eingetretene Verzögerung sei von ihr nicht zu vertreten gewesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das zuvor unter Vorbehalt mitgeteilte RLV nur im geringen Umfang abgesenkt worden sei. Sie weist darauf hin, dass gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/10 kein Widerspruch eingelegt worden sei.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) bei dem Landessozialgericht eingegangen.
Auch die Klage ist zulässig, die Klägerin kann die Rechtswidrigkeit der RLV-Zuwei¬sung für das streitgegenständliche Quartal noch geltend machen, obwohl der dazugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Das BSG hat mit Urteil vom 15. August 2012 im Verfahren B 6 KA 38/11 klargestellt, dass ein bestandskräftig festgestelltes RLV die Geltendmachung von dessen Fehlerhaftigkeit im nachfolgenden Honorarstreitverfahren ausschließt und umgekehrt für die isolierte Anfechtung des RLV kein Raum bleibt, wenn der zugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Dem folgt der erkennende Senat. Danach besteht prima facie kein Raum mehr für die Anfechtung des RLV für das Quartal I/10, denn der Honorarbescheid für dieses Quartal ist in Bestandskraft erwachsen. Allerdings hat das BSG in dem genannten Urteil Vertrauensschutz in den Fällen angemahnt, in denen der Honorarbescheid vor Veröffentlichung der Entscheidung vom 15. August 2012 in Bestandskraft erwachsen ist. Der Senat folgt dem BSG auch insoweit. Danach ist die Überprüfung der RLV-Mittelung aus Vertrauensschutzgründen zuzulassen, denn der nicht angefochtene Honorarbescheid I/10 ist im Laufe des Quartals III/10 in Bestandskraft erwachsen und damit rund zwei Jahre vor Veröffentlichung des o.g. BSG-Urteils
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid abgewiesen. Die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres RLV für das Quartal I/10. Der Bescheid vom 1. Februar 2010 erweist sich als rechtmäßig. Er war nicht aufzuheben.
Gemäß § 87b Abs. 1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (alle Paragrafenangaben des SGB V beziehen sich auf diese Fassung des Gesetzes) werden abweichend von § 85 SGB V die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grundlage der regional geltenden Euro-Gebühren-Ordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet. Gemäß § 87b Abs. 2 SGB V sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Diese definieren die von einem Arzt oder einer Praxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit Entgelten der Euro-Ge¬bühren-Ordnung vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V mit abgestaffelten Preisen zu vergüten. Die Werte der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt, dass der Bewertungsausschuss erstmals zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten bestimmt. Gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V bestimmen die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam erstmalig zum 15. November 2008 und danach jeweils zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV konkret anzuwendende Berechnungsformel. Gemäß § 87b Abs. 5 S. 1 SGB V weisen die Kassenärztlichen Vereinigungen den Ärzten und Praxen deren RLV erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu.
Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene ist zunächst durch den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Versorgung vom 27./28. August 2008 (Beschluss eBA 2008) erfolgt. Dieser enthält in seinem Teil F Vorschriften zur Berechnung und zur Anpassung der arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V. Darin ist in Teil F Nr. 2.1 vorgesehen, dass Regelleistungsvolumina für die Ärzte der in der Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung kommen. Die Berechnung der arztindividuellen RLV ist in der Anlage 2 zu Teil F Beschluss eBA 2008 geregelt. Danach ist zunächst auf Grundlage des Vergütungsvolumens 2007 das vorläufige RLV-Vergü¬tungsvolumen getrennt nach hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereichen zu ermitteln (Nr. 1 der Anlage 2). Sodann ist aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zuzahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen und im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zuzahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs zu ermitteln (Nr. 2 der Anlage 2). Sodann ist ein arztgruppenspezifischer Anteil am RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs gemäß Nr. 3 der Anlage 2 zu ermitteln und gemäß Nr. 4 der Anlage 2 der arztgruppenspezifische Fallwert, der aus den arztgruppenspezifischen Behandlungsfällen des Vorjahresquartals ermittelt wird. Die Multiplikation dieses Fallwerts mit der Fallzahl des konkreten Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal gemäß Nr. 5 der Anlage 2 ist die Basis für die Ermittlung des arzt- und praxisbezogenen RLV. Es erfolgt sodann noch eine morbiditätsbezogene Differenzierung des RLV nach Altersklassen (Nr. 6 der Anlage 2). Vereinfacht ausgedrückt ist das arztbezogene RLV das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert.
Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften sieht Teil F Nr.1.2.2 Beschluss eBA 2008 zunächst eine arztbezogene Ermittlung des RLV vor. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgen dann aber gemäß Teil F Nummer 1.2.4 Beschluss eBA 2008 praxisbezogen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der einzelnen RLV der Ärzte, die in der Arztpraxis tätig sind, ergibt.
Der Beschluss eBA 2008 enthält allerdings keine Vorgaben für die Behandlung von Neuzulassungen, Umwandlungen von Kooperationsformen und Wachstumsärzten im Rahmen der RLV-Systematik. Diesbezüglich ermächtigt Teil F Nr. 3.5 Beschluss eBA 2008 die Partner der Verträge auf Landesebene zum Erlass von Anfangs- und Übergangsregelungen.
Sonderregelungen für Ärzte in der Wachstumsphase sind in S in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009 vom 25. November 2008 in der Fassung der ersten Ergänzungsvereinbarung hierzu (im folgenden HVV) getroffen worden, die in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 vom 22.Dezember 2009 fortgeschrieben wurden. Gemäß Teil D Nummer 2.1 HVV erhalten Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, ihre Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und dem RLV-Fallwert der Gruppe vergütet. Teil D Nr. 3.2 HVV sieht bei Berufsausübungsgemeinschaften, an denen Wachstumsärzte beteiligt sind, vor, dass neben bestehender RLV der einzelnen Partner die Regelung nach Abs. 2.1 trete, sodass insgesamt eine Obergrenze zu bilden ist. Nach Teil D Nr. 2.3 HVV erhält ein Arzt, der in der Wachstumsphase die Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe erstmals erreicht, in den folgenden Quartalen das RLV der Arztgruppe zugeordnet. Bleibt der Arzt während der gesamten Wachstumsphase unterdurchschnittlich, so erhält der Arzt als RLV die mit dem Bestwert seiner Fallzahlquote der letzten vier Quartale multiplizierten durchschnittlichen saisonalen RLV der Arztgruppe zugeordnet.
Entsprechend dieser rechtlichen Vorgaben ist die Beklagte bei Zuweisung des RLV an die Klägerin für das Quartal I/10 vorgegangen. Als materiell rechtmäßig erweist sich dabei der Bescheid vom 1. Februar 2010, der die RLV-Zuweisung insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung nach Teil D Nummer 2.3 HVV vornimmt. Demgegenüber erweist sich der Bescheid vom 11. Dezember 2009 ungeachtet seiner Kennzeichnung als vorläufig schon deshalb als rechtswidrig, weil darin für den Praxispartner Ma eine maximale Obergrenze entsprechend der Regelung zu Teil D Nr. 2.1 HVV gebildet worden ist, obwohl der zum dritten Quartal 2004 zugelassene Ma sich im ersten Quartal 2010 nicht mehr in der Wachstumsphase gemäß Teil D Nr. 2 HVV befunden hat. Soweit die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2017 angegeben haben, die Wachstumsphase sei zu Gunsten der Klägerin verlängert worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich eine Verlängerungsmöglichkeit für die Wachstumsphase aus den Regelungen zu Teil D Nr. 2 HVV nicht ergibt. Zur Vermeidung von Härten für Praxen, die während der fünfjährigen Wachstumsphase den Fachgruppendurchschnitt nicht erreichen, ist gerade die Regelung in Teil D Nr. 2.3 HVV vorgesehen. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 hat die Beklagte diesen Fehler aber korrigiert und das RLV der Klägerin an die Regelung zu Teil D Nr. 2.3 HVV angepasst.
Zur Überzeugung des Senats war die Beklagte auch befugt, vorliegend das vorläufig mitgeteilte RLV noch im laufenden Quartal im geschehenen Umfang anzupassen und abzuändern.
Im Verfahren B 6 KA 38/11 R hatte das Bundessozialgericht klargestellt, dass es sich bei der in § 87b Abs.5 SGB V genannten 4-Wochenfrist lediglich um eine Ordnungsfrist handele und eine spätere Zuweisung eines RLV immer noch als rechtzeitig angesehen werden müsse, solange dies vor Beginn des Quartals, für das das RLV Geltung beansprucht, erfolgt. Dem folgt der Senat.
Die RLV-Festsetzung mit Bescheid vom 1. Februar 2010 ist aber erst mitten im Quartal vorgenommen worden, so dass diese Entscheidung nicht mehr als rechtzeitig im Sinne von § 87 b Abs. 5 SGB V angesehen werden kann. Das Gesetz sieht in diesem Fall gemäß § 87 b Abs. 5 Satz 4 SGB V die vorläufige Fortgeltung des bisherigen RLV vor. Rechtsfolgen für ein zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenes RLV sind in Satz 5 der Vorschrift nur für den Fall vorgesehen, dass dieses höher als zuvor ausfällt. Dann sind entsprechende Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen. Zwar wird danach eine spätere Zuweisung des RLV, auch noch im laufenden Quartal, vorausgesetzt. Die Voraussetzungen unter denen dies mit Wirkung für die Zukunft oder mit Wirkung für die Vergangenheit geschehen kann, lassen sich dem Wortlaut des § 87 b Abs. 5 SGB V aber nicht entnehmen.
Das SGB kennt im Arbeitsförderungsrechts und im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende in § 328 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) i. V. m. § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) die Befugnis zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte, die mit der erleichterten Befugnis zum Erlass eines endgültigen Verwaltungsaktes bei Wegfall des Vorläufigkeitsgründers einhergeht. Eine solche Regelung lässt sich dem SGB V bezüglich der Zuweisung des RLV an die Vertragsärzte explizit nicht entnehmen.
Angesichts des Charakters einer RLV-Zuweisung als eigenständiger Verwaltungsakt und der fehlenden expliziten Befugnis zum Erlass einer vorläufigen RLV-Mitteilung liegt es zunächst nahe, die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Abänderung des RLV auf die allgemeinen Regelungen für die Veränderung von Verwaltungsakten gemäß §§ 44 ff Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu stützen. Danach wäre der Verwaltungsakt vom 1. Februar 2010 rechtswidrig.
Da die Beklagte in der ursprünglichen RLV-Mitteilung einen Änderungsvorbehalt aufgenommen hatte, wäre zunächst an einen Widerruf gemäß § 47 Abs. 1 Nr.1 SGB X zu denken. Diese Vorschrift sieht allerdings nur einen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft vor. Die Beklagte hatte in dem Bescheid vom 1. Februar 2010 das RLV aber für das gesamte Quartal I/10 neu festgesetzt und nicht etwa nur mit Wirkung für die Folgemonate. Diese Entscheidung über die zeitliche Geltung des RLV ist auch gerade nicht dem Honorarbescheid vorbehalten, sondern erfolgt mit der RLV-Mitteilung. Zudem erfordert ein auf § 47 Abs. 1 SGB X gestützter Widerruf die Ausübung von Ermessen ("darf"). Eine Ermessensausübung ist dem Bescheid vom 1. Februar 2010 aber nicht zu entnehmen.
Eine Abänderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auch mit Wirkung für die Vergangenheit ohne das Erfordernis der Ausübung von Ermessen ist demgegenüber in § 48 Abs. 1 S.2 SGB X vorgesehen. Eine Rechtfertigung des Verwaltungsaktes vom 1. Februar 2010 nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich möglich, denn in dem Abschluss der Verhandlungen mit den Krankenkassen am 22. Dezember 2009 kann eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift erblickt werden und Vertrauensschutz könnte in Hinblick auf den Änderungsvorbehalt in dem Bescheid vom 11. Dezember 2009 gemäß § 48 Absatz 1 S.2 Nr. 4 SGB X ausgeschlossen sein.
Da der Verwaltungsakt vom 11. Dezember 2009 aber die Klägerin zu Unrecht noch in die Regelungen für Wachstumsärzte einbezogen hat und daher bereits bei seinem Erlass rechtswidrig begünstigend war, richtete sich seine spätere Abänderung allein nach § 45 SGB X. Eine auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes erfordert indessen immer die Ausübung von Ermessen. Daran mangelt es hier.
Der Senat hat sich indessen die Überzeugung gebildet, dass die auf Grundlage von § 106a Abs. 2 SGB V bzw. § 45 Abs.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Ersatzkassenvertrag - Ärzte (EKV-Ä) entwickelten Grundsätze zur sachlich rechnerischen Berichtigung von Honorarbescheiden auch auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar sind.
Die Ermächtigung zur sachlich rechnerischen Berichtigung verdrängt als Spezialnorm § 45 SGB X. Sie berechtigt insbesondere zur nachträglichen Korrektur bereits ergangener Honorarbescheide, denn diese stellen gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R) lediglich vorläufige Regelungen über den Honoraranspruch im jeweiligen Quartal dar. Auf den dauerhaften Bestand dieser vorläufigen Regelungen können Vertragsärzte nur im beschränkten Umfang vertrauen. Eines expliziten Widerrufsvorbehaltes im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X bedarf es zum Ausschluss eines umfänglicheren Vertrauensschutzes insoweit nicht. Andererseits sind Kassenärztliche Vereinigungen auch nicht in unbegrenztem Ausmaß zur Vornahme sachlich rechnerischer Berichtigungen ermächtigt. Der mit den Honorarbescheiden verfolgte Zweck, die Vertragsärzte hinreichend und zeitnah über die Höhe ihrer Vergütung zu informieren, liefe andernfalls leer. Rechtssicherheit wäre im Bereich der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nicht mehr gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, B 5 KA 17/05 R) wird die Befugnis der KVen zur sachlich rech¬nerischen Richtigstellung der Honorarbescheide in vier Fallkonstellation aus Vertrauensschutzgründen begrenzt. Dies ist zunächst der Fall, wenn eine Frist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides bereits abgelaufen ist. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Rücknahme des Honorarbescheides nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Eine weitere Beschränkung ergibt sich in den Fällen, in denen die KV die Befugnis zur sachlich rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, weil sie die Honorarforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren der sachlich rechnerischen Richtigstellung bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. Ferner kann die Anwendung der bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften ausgeschlossen sein, wenn einer KV vorzuhalten ist, dass sie es unterlassen hat, ihre Mitglieder auf ihre bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Honorarberechnung hinzuweisen. Schließlich ist die nachträgliche Richtigstellung eines Honorarbescheides in den Fällen beschränkt, in denen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereiches einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung liegen oder in den Fällen, in denen eine KV eine bestimmte Leistungserbringung in Kenntnis aller Umstände geduldet, sie aber später als fachfremd eingestuft hat.
Die Befugnis zur sachlich rechnerischen Berichtigung eines Honorarbescheides ist auch nicht auf Fälle eingeschränkt, in denen die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheides auf Umständen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes liegen. Vielmehr kann aufgrund dieser Vorschriften grundsätzlich jedwede Art der Unrichtigkeit einer Honorarabrechnung nachträglich korrigiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R).
Diese Grundsätze sind zur Überzeugung des Senates auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar, weil RLV-Festsetzungen Teilelemente der späteren Honorarfestsetzung darstellen. (So auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016, L5 KA 1991/13; im Ergebnis schon der erkennende Senat, Urteil vom 20. Oktober 2015, L4 KA 38/13). Dafür spricht im Ergebnis der Wortlaut des § 87 b Abs. 5 SGB V, der - wie oben erläutert - zwar weder die nachträgliche Abänderbarkeit eines RLV zulasten des betroffenen Vertragsarztes regelt, noch explizit die Befugnis zum Erlass eines vorläufigen RLV beinhaltet, jedoch die vorläufige (Weiter) – Geltung eines RLV in Satz 4 nennt und von einer nachträglichen Abänderbarkeit des RLV in Satz 5 konkludent ausgeht (vgl. auch BSG, Urteil vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R).
Unter Anwendung der zur sachlich rechnerischen Berichtigung für Honoraransprüche ermittelten Regelungen, stößt der Bescheid vom 1. Februar 2010 auf keine Bedenken. Weder war die Vierjahresfrist bei seinem Erlass abgelaufen, noch hatte die Beklagte die Befugnis zur Abänderung bereits durch eine frühere Korrektur des RLV verbraucht. Sie hat die Klägerin auch hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass die Festsetzung des RLV mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 nur vorläufig erfolgen konnte, weil die Vereinbarung mit den Krankenkassen noch nicht abgeschlossen war. Die Klägerin musste daher mit einer späteren Änderung des RLV – ob nach oben oder unten – rechnen. Schließlich betrifft die vorgenommene RLV-Änderung den Fallwert der Arztgruppe und die einzubeziehende Fallzahl und damit den Kernbereich der RLV-Bildung.
Die Höhe des RLV ist auch nicht deshalb zu niedrig, weil zu Gunsten der Klägerin Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen gewesen wären.
Teil F Nr. 3.6 Beschluss eBA 2008 bestimmt zu Praxisbesonderheiten, dass diese zwischen den Parteien der Gesamtverträge zu regeln sind. Anzuerkennende Praxisbesonderheiten ergeben sich danach aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus ihnen resultierende Überschreitung des regionalen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt.
Regional umgesetzt wurde diese bundesrechtliche Vorgabe in S durch den HVV. Dieser regelt in Teil D Nr.4.2 Praxisbesonderheiten und normiert dabei insbesondere auch das Erfordernis einer Überschreitung des regionalen Fallwerts der Arztgruppe um mindestens 30 %. Danach kann der Arzt unter Benennung betroffener EBM-Gebührennummern Zuschläge auf den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe beantragen. Praxisbesonderheiten können sich aus einem besonderem Versorgungsauftrag oder einer für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine daraus resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliegt.
Mit Beschluss vom 27. Februar 2009 (Beschluss eBA 2009) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in Nr. 4 ergänzend bestimmt, dass die Partner der Gesamtverträge abweichend von den Regelungen im Beschluss vom 27./28. August 2008 aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen können, obwohl die vorgegebene Überschreitung von 30 % des Durchschnittsfallwerts nicht vorliegt.
Mit Beschluss vom 26. März 2010 (Beschluss eBA 2010) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss an dem 30 %-Kriterium für die Annahme von Praxisbesonderheiten mit Wirkung ab 1. Juli 2010 nicht mehr festgehalten.
Bei der Klägerin liegen keine Praxisbesonderheiten in diesem Sinn vor. Der Senat hat sich unter Berücksichtigung der von der Beklagten angestellten Berechnungen die Überzeugung gebildet, dass weder prospektiv noch retrospektiv einer der beiden Praxispartner im streitgegenständlichen Quartal den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe um mindestens 30 % überschritten hat. Entgegen der Äußerung der Klägerin kommt es zur Bestimmung von Praxisbesonderheiten nach Teil D Nr. 4.2 HVV auf eine arztbezogene und nicht eine praxisbezogene Berechnung an. Entscheidend ist dies indessen nicht, denn sowohl Ma und M einzeln betrachtet als auch die BAG insgesamt haben eine 30-prozentige Fallwertüberschreitung im Quartal I/10 bei weitem nicht erreicht.
Zwar hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in dem oben zitierten Beschluss vom 27. Februar 2009 die regionalen Vertragspartner ermächtigt, von dem 30 %-Kriterium abzuweichen, davon haben die Vertragspartner in S aber keinen Gebrauch gemacht. Die bundesweite Aufgabe des 30 %-Kriteriums erfolgte erst durch den oben zitierten Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 26. März 201 mit Wirkung für die Quartale ab III/10 an.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der 30%-Regelung hegt der Senat nicht. Er hat sie vielmehr in gefestigter Rechtsprechung für rechtmäßig gehalten (Urteil vom 25. Februar 2015, L 4 KA 25/13; Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15; Urteil vom 20. Oktober 2015, L 4 KA 46/13). Auch die Ermittlung der Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe in Punkten und nicht in Euro hat der Senat ausdrücklich für rechtmäßig erachtet (Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15) und hält daran fest.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 VwGO und folgt der Sachentscheidung.
Gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG war in Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der hier entschiedenen Frage der Abänderbarkeit einer RLV-Mitteilung nach Quartalsbeginn die Revision zuzulassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 97 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung für RLV-Streitigkeiten, bei denen der begehrte Differenzbetrag bezifferbar ist, den Streitwert in Höhe von einem Viertel dieses Betrages fest und berücksichtigt dabei, dass es unbillig wäre, bei der parallelen Anfechtung eines RLV-Mitteilungsbescheides und eines Honorarbescheides für das gleiche Quartal den rechnerischen Differenzbetrag zweimal in voller Höhe als Streitwert anzusetzen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Zuweisung des Regelleistungsvolumens (RLV) bzw. der Obergrenze für das Quartal I/10.
Die Klägerin ist eine aus den Ärzten M und Ma bestehende Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in Heikendorf, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und der Arztgruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie, plastische Chirurgie, Herzchirurgie und Neurochirurgie zugeordnet ist. M ist seit 1. Mai 2004 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, Ma seit 1. Juli 2004.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 teilte die Beklagte der Klägerin eine vorläufige Obergrenze für das Quartal I/10 in Höhe von 27.175,08 EUR mit. Diese setzte sich zusammen aus einem auf Basis der Vorjahresfallzahl ermittelten RLV für M in Höhe von 10.975,66 EUR und einer auf Basis der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe ermittelten Obergrenze für Ma in Höhe von 16.199,42 EUR. Die Beklagte wies darauf hin, dass sie zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine vorläufige, ausdrücklich unter Vorbehalt gestellte Mitteilung zur Verfügung stellen könne. Die endgültige Mitteilung werde die Klägerin im Januar zusammen mit den dafür notwendigen Informationen erhalten. Weder sei die Vereinbarung mit den Krankenkassenverbänden unterschrieben, noch hätten die Berechnungen des Fallwertes abgeschlossen und überprüft werden können.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 22. Dezember 2009.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 korrigierte die Beklagte das RLV der Klägerin für das Quartal I/10 nach unten auf 25.748,13 EUR. Grundlage war nunmehr für beide Ärzte ein RLV, welches unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe und des Bestwertes der individuellen Fallzahlquote gebildet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zusammen mit gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale I/09 und II/09 erhobenen Widersprüchen zurück. Dabei stellte sie klar, dass der Bescheid vom 1. Februar 2010 Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Zur Begründung ihrer Entscheidung stellte sie die Regelungen der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV ab 1.Januar 2009 dar und führte aus, bei den streitigen Entscheidungen sei nach diesen Regelungen verfahren worden. Soweit die Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht eingehalten worden sei, handele es sich lediglich um eine Ordnungsfrist. Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen, weil das Eingangskriterium einer Mindestüberschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes in Punkten um mindestens 30 % nicht erfüllt sei. M habe den durchschnittlichen Fallwert im Quartal I/09 um 5,97 % überschritten und im Quartal II/09 um 0,3 % unterschritten. Für Herrn Ma ergebe sich eine Überschreitung um 3,62 % im Quartal I/09 und 8,56 % im Quartal II/09.
Mit ihrer dagegen am 11. April 2011 vor dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. Mai 2013 zunächst eine weitere Klage der Klägerin, in der über die Honorarabrechnungen für die Quartale III/10 und I/11 sowie die RLV-Mitteilungen für die Quartale I/11 und II/11 gestritten wurde, zum Verfahren hinzuverbunden. Sodann hat das Gericht mit Beschluss vom 28. Februar 2014 alle 7 Streitgegenstände (Honorar I/09, II/09, III/10 u. I/11 sowie RLV I/10, I/11 u. II/11) in einzelne Klageverfahren aufgetrennt.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin sich zunächst auch auf die Verletzung der Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 SGB V gestützt, diesen Punkt aber in Hinblick auf dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts später nicht mehr aufrechterhalten. Die Beklagte habe aber Praxisbesonderheiten fehlerhaft nicht angenommen. Deren Berechnungen zur Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes müssten in Zweifel gezogen werden. Es sei darauf hinzuweisen, dass auch nicht auf den einzelnen Arzt, sondern die Berufsausübungsgemeinschaft insgesamt abzustellen sei. Auch habe die Berechnung nicht in Punkten, sondern in Euro zu erfolgen. Zu beachten sei, dass die Prüfgremien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Erbringung radiologischer Leistungen als Praxisbesonderheit der Klägerin anerkannt hätten. Auch Sicherstellungsgesichtspunkte seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, denn sie - die Klägerin - sei die einzige unfallchirurgische Praxis im Kreis P und die radiologische Versorgung unfallchirurgisch Schwerverletzter bereite insoweit Probleme. Durch Praxen im benachbarten K werde dies nicht ausreichend kompensiert. Dass die Vierwochenfrist des § 87 b Abs. 5 Satz 1 SGB V durch das BSG lediglich als Ordnungsfrist qualifiziert worden sei, ändere nichts daran, dass die Zuweisung einer vorläufigen Obergrenze vor Beginn des Quartals und die Zuweisung des als endgültig angesehenen RLV mitten im Quartal gegen geltendes Recht verstießen. Soweit der RLV-Bescheid vom 1. Februar 2010 für das gesamte erste Quartal 2010 Geltung beanspruche, sei dieser rechtswidrig.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Bescheide vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, Praxisbesonderheiten seien mangels Erfüllung des Eingangskriteriums der Überschreitung des fachgruppendurchschnittlichen Fallwerts in Punkten um mindestens 30 % nicht anzuerkennen gewesen. Auch wenn man die BAG als Ganzes betrachte, ergebe sich keine Fallwertüberschreitung von 30 %. An dieser fehle es auch im Quartal I/10. Prognostisch sei auf Basis der RLV-Mitteilung für das Quartal I/10 für M von einer Fallwertüberschreitung von 5,50 % und für Ma von 3,42 % sowie für die Praxis insgesamt von 4,52 % auszugehen gewesen. Auf Basis der tatsächlichen Honorarabrechnung ergebe sich für M eine Fallwertüberschreitung von 8,39 %, für Ma von 4,36 % und für die Praxis insgesamt von 6,43 %. Sicherstellungsaspekte seien schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich in unmittelbarer Nähe des Niederlassungsortes H die Stadtgrenze von K befinde, wo es ausreichend Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gebe. Ihre Vorgehensweise bei Mitteilung des RLV für I/10 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Obwohl im Dezember 2009 die mit den Krankenkassen zu schließende Honorarvereinbarung für 2010 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und die Berechnung des Fallwertes nicht endgültig habe durchgeführt und überprüft werden können, habe sie sich entschieden, den Vertragsärzten zumindest ein vorläufiges RLV mitzuteilen. Dieses Mitteilungsschreiben sei ganz ausdrücklich unter Vorbehalt gestellt worden. Sie habe damit alles Erforderliche und Mögliche getan, das RLV noch rechtzeitig vor dem Gültigkeitszeitraum mitzuteilen. Vor diesem Hintergrund habe das mitgeteilte RLV auch noch im Laufe des Quartals I/10 an die tatsächlichen Fakten angepasst werden können, ohne dass das zuvor vorläufig mitgeteilte RLV fortgewirkt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 hat das Sozialgericht Kiel nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Verfahrensweise die Klage abgewiesen.
Dabei hat es zur Begründung ausgeführt, die Anerkennung einer Praxisbesonderheit setze voraus, dass eine Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliege. Daran fehle es. Die Ermittlung des Überschreitungsvolumens in Punkten und nicht in Euro sei nicht zu beanstanden. Der Korrekturbescheid vom 1. Februar 2010 beruhe auf einer hinreichenden, verfahrensrechtlichen Grundlage. Eine rückwirkende Korrektur von RLV-Zuweisungen sei aus Vertrauensschutzgründen an besondere Anforderungen zu knüpfen. Diese seien aber erfüllt, denn die Beklagte habe den vorläufigen RLV-Zuweisungsbescheid ausdrücklich unter Änderungsvorbehalt gestellt und dabei deutlich gemacht, unter welchen Voraussetzungen sie eine Neufestsetzung beabsichtige. Auch seien nur kleine Anteile des RLV betroffen. Das BSG habe im anderen Zusammenhang angenommen, dass Korrekturen bis zu 15% möglich seien. Zwar habe im Bescheid vom 11. Dezember 2009 jegliche weitergehende Angabe zu der ungefähr zu erwartenden RLV-Minderung gefehlt, allerdings sei entscheidend, ob und inwieweit Vorläufigkeitshinweise geeignet seien, das Vertrauen des Vertragsarztes auf den dauerhaften Bestand des vorläufigen Bescheides zu erschüttern. Dies sei jedenfalls in dem geringen Maße, in dem sie Grundlage des hier angefochtenen Korrekturbescheides geworden seien, der Fall. Im Übrigen sei die Beklagte jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zum Erlass des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 berechtigt gewesen. Es stelle sich allenfalls die Frage, welche Auswirkungen eine solche, im Laufe des Quartals verfügte Minderung des RLV für die Quartalshonorarabrechnung habe, insbesondere ob sie Geltung für das gesamte Quartal beanspruchen könne oder erst ab Erlass der Änderung zu berücksichtigen sei und wie dies dann konkret umzusetzen sei. Eine Entscheidung darüber habe aber erst im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal I/10 zu erfolgen. Weitere Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der RLV-Zuweisung beständen nicht.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 7. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 6. November 2014.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, es seien Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Bei Anwendung der Regelung von Teil D Nr. 4.2 HVV sei auf die Fallwertüberschreitung in Euro und nicht in Punkten abzustellen. Der Auffassung des Sozialgerichts, wonach die Frage der zeitlichen Geltung des Korrekturbescheides vom 1. Februar 2010 im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides zu klären sei, könne sie sich nicht anschließen. Dies gelte auch für die Auffassung, der vorläufige RLV-Bescheid sei mit einem hinreichend konkreten Änderungsvorbehalt versehen gewesen. Grund für den Erlass des vorläufigen Bescheides seien allein organisatorische Probleme der Beklagten gewesen. Dies sei nicht ohne weiteres Grund dafür, einen vorläufigen anstelle eines endgültigen Bescheides zu erlassen. Aus der Begründung des Änderungsvorbehalts habe sich auch nicht ergeben, dass mit einer Absenkung des RLV zu rechnen gewesen sei. So, wie der Vorbehalt formuliert gewesen sei, hätte auch eine Erhöhung des RLV erfolgen können. Ein solcher Vorbehalt beseitige den Vertrauensschutz des Adressaten nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 24. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11. Dezember 2009 und 1. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Entscheidung des Sozialgerichtes zum Nichtvorliegen von Praxisbesonderheiten sei rechtmäßig. Die Bemessung der Fallwertüberschreitung in Punkten sei ein sachgerechtes Kriterium für das Anerkennen von Praxisbesonderheiten. Die nachträgliche Absenkung des zuvor vorläufig mitgeteilten Regelleistungsvolumens halte sie für zulässig. Die Zuweisung eines vorläufigen RLV sei im Bemühen erfolgt, den Vertragsärzten Anhaltspunkte über die Höhe des ungefähren RLV und damit Kalkulationssicherheit zu geben. Die eingetretene Verzögerung sei von ihr nicht zu vertreten gewesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das zuvor unter Vorbehalt mitgeteilte RLV nur im geringen Umfang abgesenkt worden sei. Sie weist darauf hin, dass gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/10 kein Widerspruch eingelegt worden sei.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) bei dem Landessozialgericht eingegangen.
Auch die Klage ist zulässig, die Klägerin kann die Rechtswidrigkeit der RLV-Zuwei¬sung für das streitgegenständliche Quartal noch geltend machen, obwohl der dazugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Das BSG hat mit Urteil vom 15. August 2012 im Verfahren B 6 KA 38/11 klargestellt, dass ein bestandskräftig festgestelltes RLV die Geltendmachung von dessen Fehlerhaftigkeit im nachfolgenden Honorarstreitverfahren ausschließt und umgekehrt für die isolierte Anfechtung des RLV kein Raum bleibt, wenn der zugehörige Honorarbescheid in Bestandskraft erwachsen ist. Dem folgt der erkennende Senat. Danach besteht prima facie kein Raum mehr für die Anfechtung des RLV für das Quartal I/10, denn der Honorarbescheid für dieses Quartal ist in Bestandskraft erwachsen. Allerdings hat das BSG in dem genannten Urteil Vertrauensschutz in den Fällen angemahnt, in denen der Honorarbescheid vor Veröffentlichung der Entscheidung vom 15. August 2012 in Bestandskraft erwachsen ist. Der Senat folgt dem BSG auch insoweit. Danach ist die Überprüfung der RLV-Mittelung aus Vertrauensschutzgründen zuzulassen, denn der nicht angefochtene Honorarbescheid I/10 ist im Laufe des Quartals III/10 in Bestandskraft erwachsen und damit rund zwei Jahre vor Veröffentlichung des o.g. BSG-Urteils
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid abgewiesen. Die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres RLV für das Quartal I/10. Der Bescheid vom 1. Februar 2010 erweist sich als rechtmäßig. Er war nicht aufzuheben.
Gemäß § 87b Abs. 1 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (alle Paragrafenangaben des SGB V beziehen sich auf diese Fassung des Gesetzes) werden abweichend von § 85 SGB V die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf Grundlage der regional geltenden Euro-Gebühren-Ordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V vergütet. Gemäß § 87b Abs. 2 SGB V sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Diese definieren die von einem Arzt oder einer Praxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit Entgelten der Euro-Ge¬bühren-Ordnung vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V mit abgestaffelten Preisen zu vergüten. Die Werte der RLV sind nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind gemäß § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen. § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt, dass der Bewertungsausschuss erstmals zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten bestimmt. Gemäß § 87b Abs. 4 Satz 3 SGB V bestimmen die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam erstmalig zum 15. November 2008 und danach jeweils zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV konkret anzuwendende Berechnungsformel. Gemäß § 87b Abs. 5 S. 1 SGB V weisen die Kassenärztlichen Vereinigungen den Ärzten und Praxen deren RLV erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu.
Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene ist zunächst durch den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Versorgung vom 27./28. August 2008 (Beschluss eBA 2008) erfolgt. Dieser enthält in seinem Teil F Vorschriften zur Berechnung und zur Anpassung der arzt- und praxisbezogenen RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V. Darin ist in Teil F Nr. 2.1 vorgesehen, dass Regelleistungsvolumina für die Ärzte der in der Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung kommen. Die Berechnung der arztindividuellen RLV ist in der Anlage 2 zu Teil F Beschluss eBA 2008 geregelt. Danach ist zunächst auf Grundlage des Vergütungsvolumens 2007 das vorläufige RLV-Vergü¬tungsvolumen getrennt nach hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereichen zu ermitteln (Nr. 1 der Anlage 2). Sodann ist aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zuzahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen und im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zuzahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs zu ermitteln (Nr. 2 der Anlage 2). Sodann ist ein arztgruppenspezifischer Anteil am RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs gemäß Nr. 3 der Anlage 2 zu ermitteln und gemäß Nr. 4 der Anlage 2 der arztgruppenspezifische Fallwert, der aus den arztgruppenspezifischen Behandlungsfällen des Vorjahresquartals ermittelt wird. Die Multiplikation dieses Fallwerts mit der Fallzahl des konkreten Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal gemäß Nr. 5 der Anlage 2 ist die Basis für die Ermittlung des arzt- und praxisbezogenen RLV. Es erfolgt sodann noch eine morbiditätsbezogene Differenzierung des RLV nach Altersklassen (Nr. 6 der Anlage 2). Vereinfacht ausgedrückt ist das arztbezogene RLV das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert.
Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV in Berufsausübungsgemeinschaften sieht Teil F Nr.1.2.2 Beschluss eBA 2008 zunächst eine arztbezogene Ermittlung des RLV vor. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgen dann aber gemäß Teil F Nummer 1.2.4 Beschluss eBA 2008 praxisbezogen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der einzelnen RLV der Ärzte, die in der Arztpraxis tätig sind, ergibt.
Der Beschluss eBA 2008 enthält allerdings keine Vorgaben für die Behandlung von Neuzulassungen, Umwandlungen von Kooperationsformen und Wachstumsärzten im Rahmen der RLV-Systematik. Diesbezüglich ermächtigt Teil F Nr. 3.5 Beschluss eBA 2008 die Partner der Verträge auf Landesebene zum Erlass von Anfangs- und Übergangsregelungen.
Sonderregelungen für Ärzte in der Wachstumsphase sind in S in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009 vom 25. November 2008 in der Fassung der ersten Ergänzungsvereinbarung hierzu (im folgenden HVV) getroffen worden, die in der Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2010 vom 22.Dezember 2009 fortgeschrieben wurden. Gemäß Teil D Nummer 2.1 HVV erhalten Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, ihre Leistungen bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl bis maximal zur durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe und dem RLV-Fallwert der Gruppe vergütet. Teil D Nr. 3.2 HVV sieht bei Berufsausübungsgemeinschaften, an denen Wachstumsärzte beteiligt sind, vor, dass neben bestehender RLV der einzelnen Partner die Regelung nach Abs. 2.1 trete, sodass insgesamt eine Obergrenze zu bilden ist. Nach Teil D Nr. 2.3 HVV erhält ein Arzt, der in der Wachstumsphase die Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe erstmals erreicht, in den folgenden Quartalen das RLV der Arztgruppe zugeordnet. Bleibt der Arzt während der gesamten Wachstumsphase unterdurchschnittlich, so erhält der Arzt als RLV die mit dem Bestwert seiner Fallzahlquote der letzten vier Quartale multiplizierten durchschnittlichen saisonalen RLV der Arztgruppe zugeordnet.
Entsprechend dieser rechtlichen Vorgaben ist die Beklagte bei Zuweisung des RLV an die Klägerin für das Quartal I/10 vorgegangen. Als materiell rechtmäßig erweist sich dabei der Bescheid vom 1. Februar 2010, der die RLV-Zuweisung insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung nach Teil D Nummer 2.3 HVV vornimmt. Demgegenüber erweist sich der Bescheid vom 11. Dezember 2009 ungeachtet seiner Kennzeichnung als vorläufig schon deshalb als rechtswidrig, weil darin für den Praxispartner Ma eine maximale Obergrenze entsprechend der Regelung zu Teil D Nr. 2.1 HVV gebildet worden ist, obwohl der zum dritten Quartal 2004 zugelassene Ma sich im ersten Quartal 2010 nicht mehr in der Wachstumsphase gemäß Teil D Nr. 2 HVV befunden hat. Soweit die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2017 angegeben haben, die Wachstumsphase sei zu Gunsten der Klägerin verlängert worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich eine Verlängerungsmöglichkeit für die Wachstumsphase aus den Regelungen zu Teil D Nr. 2 HVV nicht ergibt. Zur Vermeidung von Härten für Praxen, die während der fünfjährigen Wachstumsphase den Fachgruppendurchschnitt nicht erreichen, ist gerade die Regelung in Teil D Nr. 2.3 HVV vorgesehen. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 hat die Beklagte diesen Fehler aber korrigiert und das RLV der Klägerin an die Regelung zu Teil D Nr. 2.3 HVV angepasst.
Zur Überzeugung des Senats war die Beklagte auch befugt, vorliegend das vorläufig mitgeteilte RLV noch im laufenden Quartal im geschehenen Umfang anzupassen und abzuändern.
Im Verfahren B 6 KA 38/11 R hatte das Bundessozialgericht klargestellt, dass es sich bei der in § 87b Abs.5 SGB V genannten 4-Wochenfrist lediglich um eine Ordnungsfrist handele und eine spätere Zuweisung eines RLV immer noch als rechtzeitig angesehen werden müsse, solange dies vor Beginn des Quartals, für das das RLV Geltung beansprucht, erfolgt. Dem folgt der Senat.
Die RLV-Festsetzung mit Bescheid vom 1. Februar 2010 ist aber erst mitten im Quartal vorgenommen worden, so dass diese Entscheidung nicht mehr als rechtzeitig im Sinne von § 87 b Abs. 5 SGB V angesehen werden kann. Das Gesetz sieht in diesem Fall gemäß § 87 b Abs. 5 Satz 4 SGB V die vorläufige Fortgeltung des bisherigen RLV vor. Rechtsfolgen für ein zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenes RLV sind in Satz 5 der Vorschrift nur für den Fall vorgesehen, dass dieses höher als zuvor ausfällt. Dann sind entsprechende Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen. Zwar wird danach eine spätere Zuweisung des RLV, auch noch im laufenden Quartal, vorausgesetzt. Die Voraussetzungen unter denen dies mit Wirkung für die Zukunft oder mit Wirkung für die Vergangenheit geschehen kann, lassen sich dem Wortlaut des § 87 b Abs. 5 SGB V aber nicht entnehmen.
Das SGB kennt im Arbeitsförderungsrechts und im Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende in § 328 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) i. V. m. § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) die Befugnis zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte, die mit der erleichterten Befugnis zum Erlass eines endgültigen Verwaltungsaktes bei Wegfall des Vorläufigkeitsgründers einhergeht. Eine solche Regelung lässt sich dem SGB V bezüglich der Zuweisung des RLV an die Vertragsärzte explizit nicht entnehmen.
Angesichts des Charakters einer RLV-Zuweisung als eigenständiger Verwaltungsakt und der fehlenden expliziten Befugnis zum Erlass einer vorläufigen RLV-Mitteilung liegt es zunächst nahe, die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Abänderung des RLV auf die allgemeinen Regelungen für die Veränderung von Verwaltungsakten gemäß §§ 44 ff Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) zu stützen. Danach wäre der Verwaltungsakt vom 1. Februar 2010 rechtswidrig.
Da die Beklagte in der ursprünglichen RLV-Mitteilung einen Änderungsvorbehalt aufgenommen hatte, wäre zunächst an einen Widerruf gemäß § 47 Abs. 1 Nr.1 SGB X zu denken. Diese Vorschrift sieht allerdings nur einen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft vor. Die Beklagte hatte in dem Bescheid vom 1. Februar 2010 das RLV aber für das gesamte Quartal I/10 neu festgesetzt und nicht etwa nur mit Wirkung für die Folgemonate. Diese Entscheidung über die zeitliche Geltung des RLV ist auch gerade nicht dem Honorarbescheid vorbehalten, sondern erfolgt mit der RLV-Mitteilung. Zudem erfordert ein auf § 47 Abs. 1 SGB X gestützter Widerruf die Ausübung von Ermessen ("darf"). Eine Ermessensausübung ist dem Bescheid vom 1. Februar 2010 aber nicht zu entnehmen.
Eine Abänderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auch mit Wirkung für die Vergangenheit ohne das Erfordernis der Ausübung von Ermessen ist demgegenüber in § 48 Abs. 1 S.2 SGB X vorgesehen. Eine Rechtfertigung des Verwaltungsaktes vom 1. Februar 2010 nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich möglich, denn in dem Abschluss der Verhandlungen mit den Krankenkassen am 22. Dezember 2009 kann eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift erblickt werden und Vertrauensschutz könnte in Hinblick auf den Änderungsvorbehalt in dem Bescheid vom 11. Dezember 2009 gemäß § 48 Absatz 1 S.2 Nr. 4 SGB X ausgeschlossen sein.
Da der Verwaltungsakt vom 11. Dezember 2009 aber die Klägerin zu Unrecht noch in die Regelungen für Wachstumsärzte einbezogen hat und daher bereits bei seinem Erlass rechtswidrig begünstigend war, richtete sich seine spätere Abänderung allein nach § 45 SGB X. Eine auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes erfordert indessen immer die Ausübung von Ermessen. Daran mangelt es hier.
Der Senat hat sich indessen die Überzeugung gebildet, dass die auf Grundlage von § 106a Abs. 2 SGB V bzw. § 45 Abs.1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Ersatzkassenvertrag - Ärzte (EKV-Ä) entwickelten Grundsätze zur sachlich rechnerischen Berichtigung von Honorarbescheiden auch auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar sind.
Die Ermächtigung zur sachlich rechnerischen Berichtigung verdrängt als Spezialnorm § 45 SGB X. Sie berechtigt insbesondere zur nachträglichen Korrektur bereits ergangener Honorarbescheide, denn diese stellen gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R) lediglich vorläufige Regelungen über den Honoraranspruch im jeweiligen Quartal dar. Auf den dauerhaften Bestand dieser vorläufigen Regelungen können Vertragsärzte nur im beschränkten Umfang vertrauen. Eines expliziten Widerrufsvorbehaltes im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X bedarf es zum Ausschluss eines umfänglicheren Vertrauensschutzes insoweit nicht. Andererseits sind Kassenärztliche Vereinigungen auch nicht in unbegrenztem Ausmaß zur Vornahme sachlich rechnerischer Berichtigungen ermächtigt. Der mit den Honorarbescheiden verfolgte Zweck, die Vertragsärzte hinreichend und zeitnah über die Höhe ihrer Vergütung zu informieren, liefe andernfalls leer. Rechtssicherheit wäre im Bereich der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nicht mehr gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, B 5 KA 17/05 R) wird die Befugnis der KVen zur sachlich rech¬nerischen Richtigstellung der Honorarbescheide in vier Fallkonstellation aus Vertrauensschutzgründen begrenzt. Dies ist zunächst der Fall, wenn eine Frist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides bereits abgelaufen ist. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Rücknahme des Honorarbescheides nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Eine weitere Beschränkung ergibt sich in den Fällen, in denen die KV die Befugnis zur sachlich rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, weil sie die Honorarforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren der sachlich rechnerischen Richtigstellung bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. Ferner kann die Anwendung der bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften ausgeschlossen sein, wenn einer KV vorzuhalten ist, dass sie es unterlassen hat, ihre Mitglieder auf ihre bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Honorarberechnung hinzuweisen. Schließlich ist die nachträgliche Richtigstellung eines Honorarbescheides in den Fällen beschränkt, in denen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereiches einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung liegen oder in den Fällen, in denen eine KV eine bestimmte Leistungserbringung in Kenntnis aller Umstände geduldet, sie aber später als fachfremd eingestuft hat.
Die Befugnis zur sachlich rechnerischen Berichtigung eines Honorarbescheides ist auch nicht auf Fälle eingeschränkt, in denen die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheides auf Umständen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes liegen. Vielmehr kann aufgrund dieser Vorschriften grundsätzlich jedwede Art der Unrichtigkeit einer Honorarabrechnung nachträglich korrigiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R).
Diese Grundsätze sind zur Überzeugung des Senates auf RLV-Mitteilungen entsprechend anwendbar, weil RLV-Festsetzungen Teilelemente der späteren Honorarfestsetzung darstellen. (So auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016, L5 KA 1991/13; im Ergebnis schon der erkennende Senat, Urteil vom 20. Oktober 2015, L4 KA 38/13). Dafür spricht im Ergebnis der Wortlaut des § 87 b Abs. 5 SGB V, der - wie oben erläutert - zwar weder die nachträgliche Abänderbarkeit eines RLV zulasten des betroffenen Vertragsarztes regelt, noch explizit die Befugnis zum Erlass eines vorläufigen RLV beinhaltet, jedoch die vorläufige (Weiter) – Geltung eines RLV in Satz 4 nennt und von einer nachträglichen Abänderbarkeit des RLV in Satz 5 konkludent ausgeht (vgl. auch BSG, Urteil vom 15. August 2012, B 6 KA 38/11 R).
Unter Anwendung der zur sachlich rechnerischen Berichtigung für Honoraransprüche ermittelten Regelungen, stößt der Bescheid vom 1. Februar 2010 auf keine Bedenken. Weder war die Vierjahresfrist bei seinem Erlass abgelaufen, noch hatte die Beklagte die Befugnis zur Abänderung bereits durch eine frühere Korrektur des RLV verbraucht. Sie hat die Klägerin auch hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass die Festsetzung des RLV mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 nur vorläufig erfolgen konnte, weil die Vereinbarung mit den Krankenkassen noch nicht abgeschlossen war. Die Klägerin musste daher mit einer späteren Änderung des RLV – ob nach oben oder unten – rechnen. Schließlich betrifft die vorgenommene RLV-Änderung den Fallwert der Arztgruppe und die einzubeziehende Fallzahl und damit den Kernbereich der RLV-Bildung.
Die Höhe des RLV ist auch nicht deshalb zu niedrig, weil zu Gunsten der Klägerin Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen gewesen wären.
Teil F Nr. 3.6 Beschluss eBA 2008 bestimmt zu Praxisbesonderheiten, dass diese zwischen den Parteien der Gesamtverträge zu regeln sind. Anzuerkennende Praxisbesonderheiten ergeben sich danach aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus ihnen resultierende Überschreitung des regionalen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliegt.
Regional umgesetzt wurde diese bundesrechtliche Vorgabe in S durch den HVV. Dieser regelt in Teil D Nr.4.2 Praxisbesonderheiten und normiert dabei insbesondere auch das Erfordernis einer Überschreitung des regionalen Fallwerts der Arztgruppe um mindestens 30 %. Danach kann der Arzt unter Benennung betroffener EBM-Gebührennummern Zuschläge auf den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe beantragen. Praxisbesonderheiten können sich aus einem besonderem Versorgungsauftrag oder einer für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine daraus resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe um mindestens 30 % vorliegt.
Mit Beschluss vom 27. Februar 2009 (Beschluss eBA 2009) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in Nr. 4 ergänzend bestimmt, dass die Partner der Gesamtverträge abweichend von den Regelungen im Beschluss vom 27./28. August 2008 aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen können, obwohl die vorgegebene Überschreitung von 30 % des Durchschnittsfallwerts nicht vorliegt.
Mit Beschluss vom 26. März 2010 (Beschluss eBA 2010) hat der Erweiterte Bewertungsausschuss an dem 30 %-Kriterium für die Annahme von Praxisbesonderheiten mit Wirkung ab 1. Juli 2010 nicht mehr festgehalten.
Bei der Klägerin liegen keine Praxisbesonderheiten in diesem Sinn vor. Der Senat hat sich unter Berücksichtigung der von der Beklagten angestellten Berechnungen die Überzeugung gebildet, dass weder prospektiv noch retrospektiv einer der beiden Praxispartner im streitgegenständlichen Quartal den durchschnittlichen Fallwert der Arztgruppe um mindestens 30 % überschritten hat. Entgegen der Äußerung der Klägerin kommt es zur Bestimmung von Praxisbesonderheiten nach Teil D Nr. 4.2 HVV auf eine arztbezogene und nicht eine praxisbezogene Berechnung an. Entscheidend ist dies indessen nicht, denn sowohl Ma und M einzeln betrachtet als auch die BAG insgesamt haben eine 30-prozentige Fallwertüberschreitung im Quartal I/10 bei weitem nicht erreicht.
Zwar hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in dem oben zitierten Beschluss vom 27. Februar 2009 die regionalen Vertragspartner ermächtigt, von dem 30 %-Kriterium abzuweichen, davon haben die Vertragspartner in S aber keinen Gebrauch gemacht. Die bundesweite Aufgabe des 30 %-Kriteriums erfolgte erst durch den oben zitierten Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 26. März 201 mit Wirkung für die Quartale ab III/10 an.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der 30%-Regelung hegt der Senat nicht. Er hat sie vielmehr in gefestigter Rechtsprechung für rechtmäßig gehalten (Urteil vom 25. Februar 2015, L 4 KA 25/13; Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15; Urteil vom 20. Oktober 2015, L 4 KA 46/13). Auch die Ermittlung der Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe in Punkten und nicht in Euro hat der Senat ausdrücklich für rechtmäßig erachtet (Urteil vom 16. Juni 2015, L 4 KA 20/15) und hält daran fest.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 VwGO und folgt der Sachentscheidung.
Gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG war in Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der hier entschiedenen Frage der Abänderbarkeit einer RLV-Mitteilung nach Quartalsbeginn die Revision zuzulassen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 97 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung für RLV-Streitigkeiten, bei denen der begehrte Differenzbetrag bezifferbar ist, den Streitwert in Höhe von einem Viertel dieses Betrages fest und berücksichtigt dabei, dass es unbillig wäre, bei der parallelen Anfechtung eines RLV-Mitteilungsbescheides und eines Honorarbescheides für das gleiche Quartal den rechnerischen Differenzbetrag zweimal in voller Höhe als Streitwert anzusetzen.
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