S 4 SF 2229/15

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 4 SF 2229/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 428/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 16. März 2016 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren S 4 SB 1815/12 beantragte die Klägerin die Erstellung eines medizinischen Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch den Beschwerdegegner. Der Kammervorsitzende der 4. Kammer des Sozialgerichts übersandte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein entsprechendes Kostenformular, welches unter Fristsetzung vom Beschwerdeführer ausgefüllt zurückzusenden war. Der Beschwerdegegner bestätigte mit dem Kostenformular, dass sich die Gesamtkosten der Untersuchung und Begutachtung auf maximal 46,00 Euro belaufen würden. Hieraufhin forderte der Kammervorsitzende von der Klägerin einen Kostenvorschuss in dieser Höhe an. Nach Eingang des Kostenvorschusses beauftragte der Vorsitzende den Beschwerdegegner mit der Erstattung eines medizinischen Gutachtens nach § 109 SGG. Nach Erhalt der Beweisanordnung stellte der Beschwerdeführer über den Prozessbevollmächtigten der Klägerin klar, dass sich die bisher veranschlagten Kosten in Höhe von 46,00 Euro auf eine Befunderstellung bezogen hätten. Soweit eine Begutachtung erfolgen solle, würden sich die Kosten auf ca. 130,00 Euro belaufen. Hieraufhin forderte der Kammervorsitzende von der Klägerin weitere 84,00 Euro. Dieser Nachforderung kam die Klägerin nach. Nach Gutachtenerstellung begehrte der Beschwerdegegner eine Vergütung von 1.763,90 Euro. Mit Verfügung vom 11. Mai 2015 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 1.149,90 Euro und teilte mit, dass im Übrigen nur 130,00 Euro ausgezahlt werden könnten, da auch nur in dieser Höhe ein entsprechender Kostenvorschuss durch die Klägerin erfolgt sei. Bei entsprechender Nachzahlung durch die Klägerin würde auch der Beschwerdegegner weiter ausbezahlt. Mit Verfügung vom 13. Mai 2016 teilte die UkB mit, dass - wegen Überschreitung der Gutachtenkosten gegenüber den zuvor mitgeteilten Gutachtenkosten - von der Klägerin lediglich 13,00 Euro (10 % der ursprünglich benannten Kosten in Höhe von 130,00 Euro) nachgefordert werden würden und ein weiterer Anspruch auf Zahlung von einer Vergütung in Höhe von 1.019,90 Euro nicht bestehen würde. Hieraufhin hat der Beschwerdegegner einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt. Mit Beschluss vom 16. März 2016 hat das Sozialgericht das Festsetzungsschreiben der Kostenbeamtin der Geschäftsstelle vom 13. Mai 2015 aufgehoben. Im Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG) sei nicht vorgesehen, dass die UkB ihre eigene Festsetzung nachträglich zu Lasten des Antragstellers abändert. Mangels Festsetzungsantrag auch der Staatskasse sei der sich aus dem Festsetzungsschreiben vom 13. Mai 2015 ergebende Rechtsschein gerichtlich zu beseitigen; eine eigene Abänderungskompetenz habe das Gericht nicht.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass bei dem Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG das Verschlechterungsverbot nicht gelten würde. Das Sozialgericht hätte demnach die Vergütung auch auf den Festsetzungsantrag des Beschwerdegegners hin auf 130,00 Euro festsetzen müssen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. April 2016) und sie dem Senat vorgelegt.

Der Beschwerdegegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Nach § 4 Abs. 3 JVEG ist gegen den Beschluss die Beschwerde zulässig, wenn - wie hier - der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Nach § 4 Abs. 7 JVEG entscheidet das Gericht über die Beschwerde durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des 1. Senats.

Die Beschwerde ist begründet.

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, ist der Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG kein Rechtsbehelf. Daher gilt auch das Verschlechterungsverbot (sog. "Verbot der reformatio in peius") bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. August 2011 – L 6 SF 84/11, nach juris). Damit war das Sozialgericht auf den Antrag des Beschwerdegegners hin einerseits verpflichtet, überhaupt eine bezifferte Festsetzung vorzunehmen und andererseits war das Sozialgericht auch berechtigt, die Entscheidung der UkB vom 13. Mai 2015 zu bestätigen und in entsprechender Höhe festzusetzen. Ein eigener Antrag der Beschwerdeführerin war insoweit gar nicht erforderlich; er lag im Übrigen aber auch vor. Denn dem Vortrag der Beschwerdeführerin im Festsetzungsverfahren S 4 SF 2229/15 (Schriftsatz vom 24. Juli 2015) kann unzweifelhaft entnommen werden, dass sie die Kostenfestsetzung der UkB vom 11. Mai 2015 für unzutreffend erachtet und aus diesem Grund die Festsetzung durch den Richter in Höhe von 130,00 Euro begehrt.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem schweren Verfahrensfehler. Obwohl beantragt, wird im angegriffenen Beschluss des Sozialgerichts keine Vergütung festgesetzt. Tatsächlich wird vielmehr eine vorherige Festsetzung durch die UkB ohne Neufestsetzung aufgehoben. Diese Rechtsfolge ist nach geltendem Recht ausgeschlossen. Damit liegt keine Entscheidung vor, über die die Beschwerdeinstanz nach § 4 Abs. 3 JVEG entscheiden könnte. Die Sache war daher zur Nachholung der richterlichen Festsetzung zurückzuverweisen. Nachdem die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss aussteht, hat das Sozialgericht sie unverzüglich zu treffen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2014 – L 6 SF 1359/14 B, nach juris).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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