Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 255/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 2. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung nach § 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) wegen verspäteter Meldung bei einem befristeten Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin, geboren 1959, hatte sich zum 27.03.2003 in eine Arbeit als Bürohilfe bei der K. GmbH (Personalmanagement) aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet.
Am 24.11.2003 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit - Dienststelle G. arbeitssuchend.
Die Klägerin war von der K. GmbH zuletzt bei der M. GmbH & Co. KG in U. eingesetzt gewesen. Wegen der unsicheren Auftragslage bei der K. GmbH beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis bei dieser Firma und schloss ab 01.08.2003 einen bis 31.12.2003 befristeten Arbeitsvertrag als Sachbearbeiterin mit der M. GmbH & Co. KG.
Mit Bescheid vom 02.02.2004 stellte die Beklagte eine Minderung nach § 140 SGB III für die Höchstdauer von 30 Tagen, weil sich die Klägerin bereits am 01.10.2003 hätte arbeitssuchend melden müssen. Ausgehend von dem maßgeblichen Bemessungsentgelt von 540,33 EUR wurde die tägliche Minderung mit 35,00 EUR festgestellt.
Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 05.02.2004 Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Sie habe erst am 21.11.2003 erfahren, dass keine Chance bestehe.
Auf Rückfrage beim Arbeitgeber wurde mitgeteilt, dass die Verlängerung nicht in Aussicht gestellt worden sei, es zutreffend sei, dass der Klägerin im November mitgeteilt worden sei, dass es bei der Befristung verbleibe.
Der Widerspruch wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2004 zurückgewiesen. Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 23.03.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein unter Bezug auf den Gesetzeswortlaut von § 37 b Satz 2 SGB III (frühestens).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.06.2004 wurde die Klägerin zum Sachverhalt befragt. Insoweit wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin,
die Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2004.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Für den im Verfahren streitigen Sachverhalt besteht keine klare und eindeutige Regelung, auf die der Vorwurf einer Pflichtverletzung mit der Rechtsfolge der Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gestützt werden könnte.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet (§ 140 SGB III).
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden (§ 37 b Satz 1 SGB III). Im Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b Satz 2 SGB III).
Für Fälle des befristeten Arbeitsverhältnisses ist eine echte Ausnahme geregelt. Die Regelung des § 37 b Satz 2 bleibt unbefriedigend und gibt Rätsel auf (Spellbrink in Hennig, Kommentar SGB III, § 37 b RdNr. 55). In der Gesetzesbegründung ist kein plausibler Grund für die Sonderbehandlung bzw. Bevorzugung befristeter Arbeitsverhältnisse genannt.
In der Gesetzesbegründung zu § 37 b (Bundestags-Drucksache 15/25 S. 27) ist nur formuliert: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll die Meldung jedoch nicht früher als drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses erfolgen.
Jede juristische Interpretation beginnt mit dem Wortlaut. Bei der Formulierung "jedoch frühestens" handelt es sich nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sondern um eine präzise Wortbedeutung nämlich "nicht früher als". Ausgehend vom Wortlaut kann bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung erst drei Monate vor Ablauf der Befristung erfolgen. Ein "spätester" Zeitpunkt, der als Pflichtverletzung zu werten ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut für befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht geregelt. Denkbar ist nun zum einen ein Formulierungsfehler, dass der Gesetzgeber nämlich "spätestens" formulieren wollte. Denkbar ist aber auch, dass der Gesetzgeber eine Privilegierung dahingehend schaffen wollte, dass er der Rechtswirklichkeit Rechnung getragen hat. Faktisch werden erste Arbeitsverhältnisse heute in der Regel nur als befristete Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern angeboten, um den Arbeitnehmer "risikolos" kennen lernen zu können.
Ausgehend von einem Formulierungsfehler könnte man einer Lösung mit der Leseart näher kommen, die das vom Gesetzgeber nicht begründete Füllwort "frühestens" schlichtweg negiert (Spellbrink a.a.O. RdNr. 58). Dagegen spricht aber Mehrfaches.
Die Gesetzesauslegung darf nicht zum Gegenteil von dem führen, was der klare Wortlaut des Gesetzes besagt. Die Auslegung muss den zulässigen juristischen Methoden folgen. Der Weg zu einer Entscheidung muss nachvollziehbar sein, damit Willkür und Unkorrektheit des Entscheidenden (möglichst) ausgeschlossen sind. Ausgangspunkt ist für die Interpretation die Wortinterpretation, die bei Bedarf zur Satz- und grammatikalisch-logischen Interpretation zu erweitern ist, ergänzt durch die historisch-subjektive Auslegung und die teleologisch-objektive Auslegung. Das Ergebnis einer solchen Auslegung kann auch die Korrektur des Gesetzestextes sein. Es kommt die sog. Lückenschließung in Betracht. Zu unterscheiden ist die echte Lücke (der Gesetzgeber hat einen Fall "vergessen" - sog. Regelungslücke). Es gibt dann noch die sog. Wertungslücke (unechte Lücke). Diese liegt vor, wenn zwar eine gesetzliche Regelung vorliegt, diese Regelung aber nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entspricht. Es handelt sich dann um einen Fall von berichtigender Auslegung im Sinn einer teleologischen Reduktion.
Eine solche teleologische Reduktion im Sinn des Weglassens des Wortes "frühestens" ist aber nach § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgeschlossen, da ein Verstoß gegen § 37 b SGB III als Pflichtverletzung mit einer nicht unerheblichen pauschalen Schadensausgleichskonsequenz für den Versicherten geregelt ist. Nach § 31 SGB I dürfen Pflichten in den Sozialleistungsbereichen nur begründet werden, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Dieses Legalitätsprinzip verbietet es die Formulierung "frühestens" in ihr Gegenteil "spätestens" oder eine gleichgeartete Regelung (Weglassen von "frühestens") umzudeuten.
Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung nach § 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) wegen verspäteter Meldung bei einem befristeten Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin, geboren 1959, hatte sich zum 27.03.2003 in eine Arbeit als Bürohilfe bei der K. GmbH (Personalmanagement) aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet.
Am 24.11.2003 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit - Dienststelle G. arbeitssuchend.
Die Klägerin war von der K. GmbH zuletzt bei der M. GmbH & Co. KG in U. eingesetzt gewesen. Wegen der unsicheren Auftragslage bei der K. GmbH beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis bei dieser Firma und schloss ab 01.08.2003 einen bis 31.12.2003 befristeten Arbeitsvertrag als Sachbearbeiterin mit der M. GmbH & Co. KG.
Mit Bescheid vom 02.02.2004 stellte die Beklagte eine Minderung nach § 140 SGB III für die Höchstdauer von 30 Tagen, weil sich die Klägerin bereits am 01.10.2003 hätte arbeitssuchend melden müssen. Ausgehend von dem maßgeblichen Bemessungsentgelt von 540,33 EUR wurde die tägliche Minderung mit 35,00 EUR festgestellt.
Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 05.02.2004 Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Sie habe erst am 21.11.2003 erfahren, dass keine Chance bestehe.
Auf Rückfrage beim Arbeitgeber wurde mitgeteilt, dass die Verlängerung nicht in Aussicht gestellt worden sei, es zutreffend sei, dass der Klägerin im November mitgeteilt worden sei, dass es bei der Befristung verbleibe.
Der Widerspruch wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2004 zurückgewiesen. Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 23.03.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein unter Bezug auf den Gesetzeswortlaut von § 37 b Satz 2 SGB III (frühestens).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.06.2004 wurde die Klägerin zum Sachverhalt befragt. Insoweit wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin,
die Aufhebung des Bescheides vom 02.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2004.
Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Für den im Verfahren streitigen Sachverhalt besteht keine klare und eindeutige Regelung, auf die der Vorwurf einer Pflichtverletzung mit der Rechtsfolge der Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gestützt werden könnte.
Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet (§ 140 SGB III).
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden (§ 37 b Satz 1 SGB III). Im Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b Satz 2 SGB III).
Für Fälle des befristeten Arbeitsverhältnisses ist eine echte Ausnahme geregelt. Die Regelung des § 37 b Satz 2 bleibt unbefriedigend und gibt Rätsel auf (Spellbrink in Hennig, Kommentar SGB III, § 37 b RdNr. 55). In der Gesetzesbegründung ist kein plausibler Grund für die Sonderbehandlung bzw. Bevorzugung befristeter Arbeitsverhältnisse genannt.
In der Gesetzesbegründung zu § 37 b (Bundestags-Drucksache 15/25 S. 27) ist nur formuliert: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen soll die Meldung jedoch nicht früher als drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses erfolgen.
Jede juristische Interpretation beginnt mit dem Wortlaut. Bei der Formulierung "jedoch frühestens" handelt es sich nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sondern um eine präzise Wortbedeutung nämlich "nicht früher als". Ausgehend vom Wortlaut kann bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung erst drei Monate vor Ablauf der Befristung erfolgen. Ein "spätester" Zeitpunkt, der als Pflichtverletzung zu werten ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut für befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht geregelt. Denkbar ist nun zum einen ein Formulierungsfehler, dass der Gesetzgeber nämlich "spätestens" formulieren wollte. Denkbar ist aber auch, dass der Gesetzgeber eine Privilegierung dahingehend schaffen wollte, dass er der Rechtswirklichkeit Rechnung getragen hat. Faktisch werden erste Arbeitsverhältnisse heute in der Regel nur als befristete Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern angeboten, um den Arbeitnehmer "risikolos" kennen lernen zu können.
Ausgehend von einem Formulierungsfehler könnte man einer Lösung mit der Leseart näher kommen, die das vom Gesetzgeber nicht begründete Füllwort "frühestens" schlichtweg negiert (Spellbrink a.a.O. RdNr. 58). Dagegen spricht aber Mehrfaches.
Die Gesetzesauslegung darf nicht zum Gegenteil von dem führen, was der klare Wortlaut des Gesetzes besagt. Die Auslegung muss den zulässigen juristischen Methoden folgen. Der Weg zu einer Entscheidung muss nachvollziehbar sein, damit Willkür und Unkorrektheit des Entscheidenden (möglichst) ausgeschlossen sind. Ausgangspunkt ist für die Interpretation die Wortinterpretation, die bei Bedarf zur Satz- und grammatikalisch-logischen Interpretation zu erweitern ist, ergänzt durch die historisch-subjektive Auslegung und die teleologisch-objektive Auslegung. Das Ergebnis einer solchen Auslegung kann auch die Korrektur des Gesetzestextes sein. Es kommt die sog. Lückenschließung in Betracht. Zu unterscheiden ist die echte Lücke (der Gesetzgeber hat einen Fall "vergessen" - sog. Regelungslücke). Es gibt dann noch die sog. Wertungslücke (unechte Lücke). Diese liegt vor, wenn zwar eine gesetzliche Regelung vorliegt, diese Regelung aber nicht mehr den aktuellen Erfordernissen entspricht. Es handelt sich dann um einen Fall von berichtigender Auslegung im Sinn einer teleologischen Reduktion.
Eine solche teleologische Reduktion im Sinn des Weglassens des Wortes "frühestens" ist aber nach § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ausgeschlossen, da ein Verstoß gegen § 37 b SGB III als Pflichtverletzung mit einer nicht unerheblichen pauschalen Schadensausgleichskonsequenz für den Versicherten geregelt ist. Nach § 31 SGB I dürfen Pflichten in den Sozialleistungsbereichen nur begründet werden, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Dieses Legalitätsprinzip verbietet es die Formulierung "frühestens" in ihr Gegenteil "spätestens" oder eine gleichgeartete Regelung (Weglassen von "frühestens") umzudeuten.
Damit war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.
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