Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 576/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2005 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 6. Juni 2005 bis 5. August 2005 Krankengeld zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld im Zeitraum vom 06.06. bis 05.08.2005.
Der am 1949 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld bis 05.06.2005. An diesem Tag endete der Leistungszeitraum. Ab 02.06.2005 erkrankte er arbeitsunfähig. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.06.2005 eine Krankengeldzahlung ab 06.06.2005 ab. Der Kläger erhalte bereits seit 29.04.2005 durchgehend Arbeitslosengeld II (Alg II) neben dem Bezug von Arbeitslosengeld I (Alg I). Bei Beziehern von Alg II sei der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen.
Hiergegen legten die Bevollmächtigten des Klägers am 01.07.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass es nicht richtig sei, dass der Kläger bereits seit 29.04.2005 Alg II beziehe. Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. K. ein und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser hielt in seiner Stellungnahme fest, dass mit Dr. K. vereinbart werde, dass die Arbeitsunfähigkeit (AU) am 05.08.2005 ende. Der Kläger solle von da an an die Agentur für Arbeit verwiesen werden. In der Folge legte der Kläger laufend weitere AU-Bescheinigungen von Dr. K. vor, zuletzt ausgestellt für den Zeitraum vom 29.07. bis 08.08.2005. Mit Bescheid vom 29.07.2005 teilte die Beklagte dem Kläger das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 05.08.2005 mit, wobei sie gleichzeitig daran festhielt, dass eine Krankengeldzahlung ab 06.06.2005 nicht erfolge. Auch gegen diesen Bescheid legten die Bevollmächtigten Widerspruch ein. Die ARGE für Beschäftigung Augsburg-Stadt teilte auf Anfrage mit, dass der Kläger Ende April Antrag auf Alg II gestellt habe. Für den Zeitraum vom 29.04.2005 bis 31.05.2005 sei eine Zahlung von Alg II abgelehnt worden. Außerdem ging der Änderungsbescheid vom 02.08.2005 über die Bewilligung von Alg II ab 01.06.2005 ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.11.2005 zurück. Dabei stellte sie sich auf den Standpunkt, dass das Krankengeld Entgeltersatzfunktion habe. Liege kein regelmäßiges Entgelt vor, könne auch keine Krankengeldzahlung zum Tragen kommen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben hiergegen am 12.12.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung haben sie sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.09.1995 (11 RAr 35/95 in SozR 3-4100 § 105b Nr. 2) berufen, wonach der Anspruch auf Kranken-Arbeitslosengeld nicht in einen Anspruch auf Kranken-Arbeitslosenhilfe übergehe. Die Beklagte hat bestätigt, dass Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach bis 05.08.2005 anerkannt wird.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005 zu ver- urteilen, dem Kläger im Zeitraum vom 06.06.2005 bis 05.08.2005 Krankengeld zu gewähren. Außerdem beantragt sie die Zulassung der Sprungrevision.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Außerdem beantragt er die Zulassung der Sprungrevision.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Krankengeld im Zeitraum vom 06.06. bis 05.08.2005. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005 war daher aufzuehben.
Anspruch auf Krankengeld haben Versicherte, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9 oder 10 sowie die nach § 10 Versicherten haben keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V -). Der Kläger war unstreitig bis 05.08.2005 arbeitsunfähig für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zur Überzeugung des Gerichts bestand auch Mitgliedschaft bei der Beklagten mit Krankengeldanspruch. Auch das Auslaufen des Alg I und der Bezug von Alg II steht zur Überzeugung des Gerichts einem Krankengeldanspruch nicht entgegen.
Krankengeld wird jeweils aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung/Auszahlschein abschnittsweise für einen zurückliegenden Bewilligungszeitraum gewährt (BSG vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Entscheidend ist also für den Krankengeldanspruch, ob im Zeitraum der bescheinigten AU noch bei der Krankenkasse eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestand.
Der Kläger war bis 05.06.2005 als Bezieher von Alg I gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V pflichtversichert in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA). Diese Mitgliedschaft endete auch nicht mit Ablauf des letzten Tages, für den Alg I bezogen wurde (§ 190 Abs. 12 SGB V), sondern hat sich nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortgesetzt, da über das Mitgliedschaftsende am 05.06.2005 hinaus ein Anspruch auf Krankengeld bestand. Gleichzeitig setzte ab 01.06.2005 durch die rückwirkende Gewährung von Alg II eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ein (§ 186 Abs. 2a SGB V). Diese Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V würde nach § 44 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz SGB V einen Anspruch auf Krankengeld ausschließen. Diese Vorschrift ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass ein Ausschluss des Krankengeldes bei Arbeitsunfähigkeit nur hinsichtlich einer Leistung von Krankengeld aus dem Arbeitslosengeld II besteht, dass jedoch Krankengeld zu gewähren ist, wenn gleichzeitig eine andere Mitgliedschaft besteht, für die ein Anspruch auf Krankengeld nicht ausgeschlossen ist.
Anders als beispielsweise bei der Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (- KVdR -, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) fehlt für die Mitgliedschaft aufgrund Alg II-Bezuges eine Vorrang-/Nachrangregelung, wonach der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V eine andere Pflichtversicherung vorangeht (zur KVdR siehe insofern § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V). Dies bewirkt, dass die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V wegen Alg II-Bezuges und eine anderweitige Pflichtversicherung beispielsweise aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) nebeneinander bestehen können. Dass ein Alg II-Bezieher, der lediglich ergänzende Leistungen neben seinem Lohn aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erhält, aufgrund des Bezuges von Alg II kein Krankengeld als Lohnersatzleistung erhält, wenn er arbeitsunfähig für seine versicherungspflichtige Beschäftigung wird, war sicherlich nicht Intention des Gesetzgebers. Dies würde auch dem Gebot der Gleichbehandlung widersprechen und eine willkürliche Schlechterstellung von Alg II-Beziehern gegenüber anderen krankengeldberechtigten Pflichtversicherten bedeuten. Bei gleicher Beitragsleistung zur Krankenversicherung in der Beschäftigtenversicherung ist ein hinreichender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung in diesem Sinne nicht ersichtlich. Offensichtlich handelt es sich bei § 44 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB V hinsichtlich der Erwähnung von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V um eine "Fehlformulierung" des Gesetzgebers. Die Regelung ist zur Überzeugung des Gerichts verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Alg II-Bezieher nur insofern von einer Krankengeldzahlung ausgeschlossen sind, als Krankengeld aus dem bezogenen Alg II bei Arbeitsunfähigkeit nicht beansprucht werden kann.
Im Fall des Klägers bestand neben der rückwirkend zum 01.06.2005 eingetretenen Mitgliedschaft aufgrund des Alg II-Bezuges zusätzlich über den 05.06.2005 hinaus eine fortgesetzte Mitgliedschaft nach § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Bereits ab 02.06.2005 hatte der Kläger aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld, der jedoch bis 05.06.2005 durch den Bezug von Alg I nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruhte. Der Kläger war über den 05.06.2005 hinaus durchgehend bis 05.08.2005 arbeitsunfähig und hat auch laufend im Sinne von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V die ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten vorgelegt, so dass sich der Anspruch auf Krankengeld fortsetzte und damit auch die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Die fortgesetzte Mitgliedschaft ist in ihrer Wirkung derjenigen Mitgliedschaft gleichgestellt, auf der die Pflichtversicherung vor der Arbeitsunfähigkeit beruhte. Da während des Bezuges von Alg I ein Krankengeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit besteht, setzt sich diese Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld auch bei Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort, so dass fortlaufend bis 05.08.2005 ein Anspruch auf Krankengeld bestand.
Dem kann die Beklagte auch nicht wirksam entgegen halten, dass das Krankengeld eine Lohnersatzfunktion hat und dass deshalb, weil das Leistungsende des Alg I zum 05.06.2005 eingetreten war, auch kein Krankengeldanspruch im Sinne einer Lohnersatzleistung bestehen kann. Das BSG hat u.a. in seiner Entscheidung vom 22.03.2005 (aaO) herausgearbeitet, dass sich das Krankengeld bei der Krankenversicherung der Arbeitslosen nicht als Ersatz für Lohnausfall, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit darstellt. Dies würde für die Auffassung der Beklagten sprechen, dass nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes auch kein Krankengeld gezahlt werden könnte. Zur Überzeugung des Gerichts kann aber aus dieser Funktion des Krankengeldes in der KVdA bzw. der Lohnersatzfunktion bei der Krankenversicherung der Beschäftigten nicht abgeleitet werden, dass automatisch mit dem Ende des Arbeitslosengeldes bzw. mit dem Ende einer Beschäftigung auch ein Krankengeldanspruch enden würde. Der Gesetzgeber hat sich für Höhe und Berechnung des Krankengeldes dafür entschieden, dieses an der Entlohnung vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (§ 47 SGB V) bzw. dem Arbeitslosengeld vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (§ 47b SGB V) auszurichten. Eine überholende Kausalität dergestalt, dass die Krankengeldzahlung endet, wenn das (fiktive) Ende des Arbeitslosengeldbezuges bzw. ein Beschäftigungsende erreicht ist, hat der Gesetzgeber im zweiten Titel des fünften Abschnittes des dritten Kapitels des SGB V nicht vorgesehen. Diese Fallgestaltung ist dabei durchaus häufig. Zu denken ist z.B. an eine auf zwei Monate befristete Beschäftigung, bei der im Anschluss kein Anspruch auf Alg I bestehen würde, und der Versicherte während der Beschäftigung längerfristig erkrankt. Eine gesetzliche Regelung, wonach bei Ende der Beschäftigung und gleichzeitig Fehlen eines Alg I-Anspruches auch eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch enden und sich das Krankengeld nicht mehr an dem vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielten Entgelt bemessen würde, hat der Gesetzgeber nicht getroffen, auch nicht in § 192 SGB V. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass hier eine ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegen würde. Denn dass nach dem Ende des Arbeitslosengeldes weiterhin Krankengeld gezahlt wurde, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Alg I eintrat, ist altbekannt, ohne dass sich der Gesetzgeber jemals zu einer expliziten Gesetzesänderung veranlasst gesehen hätte.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Sprungrevision war zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Klärung ist für die Versicherten und die Krankenkasse von allgemeinem Interesse, da die Krankenkassen in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Fällen einen Krankengeldanspruch wie mit der im entschiedenen Verfahren gegebenen Begründung verneint haben.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Krankengeld im Zeitraum vom 06.06. bis 05.08.2005.
Der am 1949 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld bis 05.06.2005. An diesem Tag endete der Leistungszeitraum. Ab 02.06.2005 erkrankte er arbeitsunfähig. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.06.2005 eine Krankengeldzahlung ab 06.06.2005 ab. Der Kläger erhalte bereits seit 29.04.2005 durchgehend Arbeitslosengeld II (Alg II) neben dem Bezug von Arbeitslosengeld I (Alg I). Bei Beziehern von Alg II sei der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen.
Hiergegen legten die Bevollmächtigten des Klägers am 01.07.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, dass es nicht richtig sei, dass der Kläger bereits seit 29.04.2005 Alg II beziehe. Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. K. ein und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser hielt in seiner Stellungnahme fest, dass mit Dr. K. vereinbart werde, dass die Arbeitsunfähigkeit (AU) am 05.08.2005 ende. Der Kläger solle von da an an die Agentur für Arbeit verwiesen werden. In der Folge legte der Kläger laufend weitere AU-Bescheinigungen von Dr. K. vor, zuletzt ausgestellt für den Zeitraum vom 29.07. bis 08.08.2005. Mit Bescheid vom 29.07.2005 teilte die Beklagte dem Kläger das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 05.08.2005 mit, wobei sie gleichzeitig daran festhielt, dass eine Krankengeldzahlung ab 06.06.2005 nicht erfolge. Auch gegen diesen Bescheid legten die Bevollmächtigten Widerspruch ein. Die ARGE für Beschäftigung Augsburg-Stadt teilte auf Anfrage mit, dass der Kläger Ende April Antrag auf Alg II gestellt habe. Für den Zeitraum vom 29.04.2005 bis 31.05.2005 sei eine Zahlung von Alg II abgelehnt worden. Außerdem ging der Änderungsbescheid vom 02.08.2005 über die Bewilligung von Alg II ab 01.06.2005 ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.11.2005 zurück. Dabei stellte sie sich auf den Standpunkt, dass das Krankengeld Entgeltersatzfunktion habe. Liege kein regelmäßiges Entgelt vor, könne auch keine Krankengeldzahlung zum Tragen kommen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben hiergegen am 12.12.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung haben sie sich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.09.1995 (11 RAr 35/95 in SozR 3-4100 § 105b Nr. 2) berufen, wonach der Anspruch auf Kranken-Arbeitslosengeld nicht in einen Anspruch auf Kranken-Arbeitslosenhilfe übergehe. Die Beklagte hat bestätigt, dass Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach bis 05.08.2005 anerkannt wird.
Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005 zu ver- urteilen, dem Kläger im Zeitraum vom 06.06.2005 bis 05.08.2005 Krankengeld zu gewähren. Außerdem beantragt sie die Zulassung der Sprungrevision.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Außerdem beantragt er die Zulassung der Sprungrevision.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Krankengeld im Zeitraum vom 06.06. bis 05.08.2005. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2005 war daher aufzuehben.
Anspruch auf Krankengeld haben Versicherte, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9 oder 10 sowie die nach § 10 Versicherten haben keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V -). Der Kläger war unstreitig bis 05.08.2005 arbeitsunfähig für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zur Überzeugung des Gerichts bestand auch Mitgliedschaft bei der Beklagten mit Krankengeldanspruch. Auch das Auslaufen des Alg I und der Bezug von Alg II steht zur Überzeugung des Gerichts einem Krankengeldanspruch nicht entgegen.
Krankengeld wird jeweils aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung/Auszahlschein abschnittsweise für einen zurückliegenden Bewilligungszeitraum gewährt (BSG vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr 6). Entscheidend ist also für den Krankengeldanspruch, ob im Zeitraum der bescheinigten AU noch bei der Krankenkasse eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestand.
Der Kläger war bis 05.06.2005 als Bezieher von Alg I gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V pflichtversichert in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA). Diese Mitgliedschaft endete auch nicht mit Ablauf des letzten Tages, für den Alg I bezogen wurde (§ 190 Abs. 12 SGB V), sondern hat sich nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortgesetzt, da über das Mitgliedschaftsende am 05.06.2005 hinaus ein Anspruch auf Krankengeld bestand. Gleichzeitig setzte ab 01.06.2005 durch die rückwirkende Gewährung von Alg II eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ein (§ 186 Abs. 2a SGB V). Diese Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V würde nach § 44 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz SGB V einen Anspruch auf Krankengeld ausschließen. Diese Vorschrift ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass ein Ausschluss des Krankengeldes bei Arbeitsunfähigkeit nur hinsichtlich einer Leistung von Krankengeld aus dem Arbeitslosengeld II besteht, dass jedoch Krankengeld zu gewähren ist, wenn gleichzeitig eine andere Mitgliedschaft besteht, für die ein Anspruch auf Krankengeld nicht ausgeschlossen ist.
Anders als beispielsweise bei der Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (- KVdR -, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) fehlt für die Mitgliedschaft aufgrund Alg II-Bezuges eine Vorrang-/Nachrangregelung, wonach der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V eine andere Pflichtversicherung vorangeht (zur KVdR siehe insofern § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V). Dies bewirkt, dass die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V wegen Alg II-Bezuges und eine anderweitige Pflichtversicherung beispielsweise aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) nebeneinander bestehen können. Dass ein Alg II-Bezieher, der lediglich ergänzende Leistungen neben seinem Lohn aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erhält, aufgrund des Bezuges von Alg II kein Krankengeld als Lohnersatzleistung erhält, wenn er arbeitsunfähig für seine versicherungspflichtige Beschäftigung wird, war sicherlich nicht Intention des Gesetzgebers. Dies würde auch dem Gebot der Gleichbehandlung widersprechen und eine willkürliche Schlechterstellung von Alg II-Beziehern gegenüber anderen krankengeldberechtigten Pflichtversicherten bedeuten. Bei gleicher Beitragsleistung zur Krankenversicherung in der Beschäftigtenversicherung ist ein hinreichender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung in diesem Sinne nicht ersichtlich. Offensichtlich handelt es sich bei § 44 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB V hinsichtlich der Erwähnung von § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V um eine "Fehlformulierung" des Gesetzgebers. Die Regelung ist zur Überzeugung des Gerichts verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Alg II-Bezieher nur insofern von einer Krankengeldzahlung ausgeschlossen sind, als Krankengeld aus dem bezogenen Alg II bei Arbeitsunfähigkeit nicht beansprucht werden kann.
Im Fall des Klägers bestand neben der rückwirkend zum 01.06.2005 eingetretenen Mitgliedschaft aufgrund des Alg II-Bezuges zusätzlich über den 05.06.2005 hinaus eine fortgesetzte Mitgliedschaft nach § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Bereits ab 02.06.2005 hatte der Kläger aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld, der jedoch bis 05.06.2005 durch den Bezug von Alg I nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruhte. Der Kläger war über den 05.06.2005 hinaus durchgehend bis 05.08.2005 arbeitsunfähig und hat auch laufend im Sinne von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V die ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten vorgelegt, so dass sich der Anspruch auf Krankengeld fortsetzte und damit auch die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Die fortgesetzte Mitgliedschaft ist in ihrer Wirkung derjenigen Mitgliedschaft gleichgestellt, auf der die Pflichtversicherung vor der Arbeitsunfähigkeit beruhte. Da während des Bezuges von Alg I ein Krankengeldanspruch bei Arbeitsunfähigkeit besteht, setzt sich diese Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld auch bei Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort, so dass fortlaufend bis 05.08.2005 ein Anspruch auf Krankengeld bestand.
Dem kann die Beklagte auch nicht wirksam entgegen halten, dass das Krankengeld eine Lohnersatzfunktion hat und dass deshalb, weil das Leistungsende des Alg I zum 05.06.2005 eingetreten war, auch kein Krankengeldanspruch im Sinne einer Lohnersatzleistung bestehen kann. Das BSG hat u.a. in seiner Entscheidung vom 22.03.2005 (aaO) herausgearbeitet, dass sich das Krankengeld bei der Krankenversicherung der Arbeitslosen nicht als Ersatz für Lohnausfall, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit darstellt. Dies würde für die Auffassung der Beklagten sprechen, dass nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes auch kein Krankengeld gezahlt werden könnte. Zur Überzeugung des Gerichts kann aber aus dieser Funktion des Krankengeldes in der KVdA bzw. der Lohnersatzfunktion bei der Krankenversicherung der Beschäftigten nicht abgeleitet werden, dass automatisch mit dem Ende des Arbeitslosengeldes bzw. mit dem Ende einer Beschäftigung auch ein Krankengeldanspruch enden würde. Der Gesetzgeber hat sich für Höhe und Berechnung des Krankengeldes dafür entschieden, dieses an der Entlohnung vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (§ 47 SGB V) bzw. dem Arbeitslosengeld vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (§ 47b SGB V) auszurichten. Eine überholende Kausalität dergestalt, dass die Krankengeldzahlung endet, wenn das (fiktive) Ende des Arbeitslosengeldbezuges bzw. ein Beschäftigungsende erreicht ist, hat der Gesetzgeber im zweiten Titel des fünften Abschnittes des dritten Kapitels des SGB V nicht vorgesehen. Diese Fallgestaltung ist dabei durchaus häufig. Zu denken ist z.B. an eine auf zwei Monate befristete Beschäftigung, bei der im Anschluss kein Anspruch auf Alg I bestehen würde, und der Versicherte während der Beschäftigung längerfristig erkrankt. Eine gesetzliche Regelung, wonach bei Ende der Beschäftigung und gleichzeitig Fehlen eines Alg I-Anspruches auch eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch enden und sich das Krankengeld nicht mehr an dem vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielten Entgelt bemessen würde, hat der Gesetzgeber nicht getroffen, auch nicht in § 192 SGB V. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass hier eine ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegen würde. Denn dass nach dem Ende des Arbeitslosengeldes weiterhin Krankengeld gezahlt wurde, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Alg I eintrat, ist altbekannt, ohne dass sich der Gesetzgeber jemals zu einer expliziten Gesetzesänderung veranlasst gesehen hätte.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Sprungrevision war zuzulassen. Es handelt sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Klärung ist für die Versicherten und die Krankenkasse von allgemeinem Interesse, da die Krankenkassen in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Fällen einen Krankengeldanspruch wie mit der im entschiedenen Verfahren gegebenen Begründung verneint haben.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved