Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 222/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 616,11 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz ab 31. Dezember 2005.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 616,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Erstattung der Krankenhauskosten für einen stationären Aufenthalt des Versicherten M.M. vom 03. - 04.12.2005 in Höhe von 616,11 EUR zuzüglich Zinsen.
M.M. ist bei der Beklagten versichert. Er befand sich im Zeitraum vom 03.12.2005, 22.29 Uhr bis 04.12.2005, 12.00 Uhr im Krankenhaus B., dessen Trägerin die Klägerin ist, zur Behandlung. Das Krankenhaus erstellte am 09.12.2005 eine Rechnung, die mittels maschineller Datensatzübermittlung nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) am selben Tag versandt wurde. Die der Beklagten mitgeteilte Hauptdiagnose nach ICD lautete auf S43.00 (Luxation des Schultergelenkes - Glenohumeralgelenk -, nicht näher bezeichnet). Die Rechnung führt nach DRG die Fallpauschale I78Z (leichte bis moderate Verletzungen von Schulter, Arm, Ellbogen, Knie, Bein und Sprunggelenk) auf. Gleichzeitig wird ein FPG-Abschlag bei Unterschreitung der Grenzverweildauer (GVD) vorgenommen. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge ergab sich ein Rechnungsbetrag von insgesamt 616,11 EUR. Mit Schreiben vom 07.12.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Eine Plausibilitätsprüfung nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung habe ergeben, dass üblicherweise eine ambulante Behandlung möglich sei. Es wurde um Übersendung eines Kurzberichts gebeten. Noch vor Eingang des Kurzberichtes lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.12.2005, wie in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Fällen, unter Bezug auf das BSG-Urteil vom 04.03.2004 - B 3 KR 4/03 R - eine Kostenübernahme ab. Dieses Urteil gebe erstmalig Anhaltspunkte dafür, wie die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu erfolgen habe. Eine Krankenhausbehandlung habe nur dann vollstationären Charakter im Sinne des § 39 SGB V, wenn der Patient sich zeitlich ununterbrochen über mindestens einen Tag und eine Nacht (24 Stunden) regulär im Krankenhaus befand. Da dies im vorliegenden Abrechnungsfall offenkundig nicht vorliege, seien die Voraussetzungen zur Abrechnung eines stationären Behandlungsfalles nicht gegeben. Es könne lediglich eine ambulante Behandlung vergütet werden. Das Krankenhaus berichtete mit Schreiben vom 22.12.2005 kurz über den Krankenhausaufenthalt. M.M. sei wegen einer Schultergelenkluxation links stationär aufgenommen worden. Diese sei in Kurznarkose reponiert worden und M.M. habe anschließend über Nacht mit Monitor überwacht werden müssen. Die Beklagte bekräftigte mit Schreiben vom 28.12.2005 ihre Rechtsauffassung und erklärte den Vorgang für abgeschlossen. Das Krankenhaus verwies die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2006 auf eine Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung bei Zweifeln an der Behandlungsnotwendigkeit.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 21.06.2006 Klage auf Zahlung von 616,11 EUR zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung haben sie sich u. a. darauf berufen, dass die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung durch den Krankenhausarzt festgestellt worden sei. Die Bevollmächtigten der Beklagten haben dagegen unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 04.03.2004 vorgetragen, dass lediglich eine ambulante Behandlung vorliege. Es komme nicht auf die ursprüngliche Planung der Aufenthaltsdauer an, sondern auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer. Jedwede Behandlung, die unter 24 Stunden liege, sei per Definition eine ambulante Behandlung. Daher sei es auch nicht erforderlich, den MDK zwecks Überprüfung einzuschalten. Vorsorglich haben sie auch die Notwendigkeit eines stationären Aufenthaltes bestritten. Es sei vom Krankenhaus auch kein ausreichender Kurzbericht übersandt worden, weshalb die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 616,11 EUR zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 31.12.2005.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 2, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung von M.M. vom 03. - 04.12.2005 in Höhe von 616,11 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über den Basiszinssatz ab 31.12.2005.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2005. Die Abrechnung des Krankenhausaufenthaltes des Versicherten erfolgte als stationäre Leistung im Sinne von § 39 SGB V. Zwischen den Beteiligten unstreitig sind die Höhe der Rechnung an sich, die nach DRG ermittelt wurde, der Zeitpunkt der Fälligkeit sowie Höhe und Beginn der Verzinsung. Fälligkeit und Verzinsung ergeben sich dabei aus der Pflegesatzvereinbarung 2005. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob ein notwendiger vollstationärer Krankenhausaufenthalt im Sinne des § 39 SGB V tatsächlich vorlag, oder ob nicht vielmehr nur eine ambulante Leistung vom Krankenhaus gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung hätte abgerechnet werden dürfen.
Die Beklagte argumentiert - wie in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren - unter Bezug auf das Urteil des BSG vom 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 1), dass ein Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus von weniger als 24 Stunden den Tatbestand eines stationären Aufenthaltes im Sinne von § 39 SGB V nicht erfülle. Dies sei offensichtlich mit der Folge, dass auch eine Überprüfung durch den MDK zur Frage, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen sei oder nicht, nicht vorzunehmen sei.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R - in SozR 4-2500 § 39 Nr. 5 unter Bezug auf das o.g. Urteil vom 04.03.2004) die Auffassung vertreten, dass eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitgehend vermeidende Definition von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer ausgehen könne. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist danach dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist dabei zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später erfolgen. Eine ambulante Behandlung kann in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen. Auf der anderen Seite entfällt aber eine stationäre Behandlung nicht, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffes oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung. Eine Regel dergestalt, dass nur dann eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V vorliegt, wenn sich ein Versicherter mindestens einen Tag und eine Nacht, d.h. mindestens 24 Stunden, im Krankenhaus zur Behandlung befunden hat, existiert also nicht, anders als die Beklagte (auch in am hiesigen Gericht anhängigen Parallelfällen) meint. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Gründen des BSG-Urteiles vom 04.03.2004, a.a.O. Vielmehr betont das BSG in dieser Entscheidung, die mit weiterer Rechtsprechung fortgeführt wurde, dass die Abgrenzung der stationären Krankenhausbehandlung von ambulanter oder teilstationärer Behandlung vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer auszugehen hat.
Dass der Versicherte nur ca. 13,5 Stunden, jedoch "über Nacht" im Krankenhaus verblieben war, schließt einen stationären Aufenthalt, nicht aus. Dass der Aufenthalt weniger als 24 Stunden andauerte, ist kein Beweis dafür, dass nur eine ambulante Behandlung vorgelegen hat. Denn in aller Regel wird bereits bei der Aufnahme durch den aufnehmenden Krankenhausarzt die Entscheidung getroffen, ob eine stationäre Krankenhausaufnahme erfolgt. Stellt sich nachträglich heraus, dass eine stationäre Behandlung doch nicht notwendig war, wird die stationäre Behandlung nicht nachträglich in eine ambulante Behandlung umgewandelt. Auch dass der vorgenommene Eingriff (Reponieren des Schultergelenks) grundsätzlich, wie der Beklagtenbevollmächtigte vorträgt, als ambulante Behandlung möglich gewesen wäre, schließt nicht aus, dass im Fall des M.M. eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war.
Die objektive Beweislast dafür, dass ein notwendiger stationärer Krankenhausaufenthalt vorgelegen hat, liegt bei der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage grundsätzlich auf Seiten der Klägerin. In der Regel wäre wegen des Untersuchungsgrundsatzes vom Gericht im Rahmen einer Sachverständigenbegutachtung nachprüfbar, ob tatsächlich ein notwendiger vollstationärer Aufenthalt gegeben war oder nicht. Vorliegend ist jedoch eine weitere gerichtliche Sachaufklärung nicht durchzuführen, da das zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vereinbarte Verfahren von der Krankenkasse nicht eingehalten wurde.
Grundsätzlich entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (u.a. Urteil vom 17.05.2000 - B 3 KR 33/99 R - in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1) entschieden hat, unabhängig von einer Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet zunächst der Krankenhausarzt. Eine Zahlungspflicht der Krankenkasse für die stationäre Versorgung eines Versicherten entfällt nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt. Zur Prüfung der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung und der Richtigkeit der Entscheidung des Krankenhausarztes existiert in Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u.a. dem BKK-Landesverband Bayern hinsichtlich Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. § 2 Abs. 1 sieht dabei folgende Regelung vor: "Der Krankenkasse obliegt die Überprüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen der stationären Krankenhausbehandlung. Besteht aus Sicht der Krankenkasse in Einzelfällen Anlass, die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung zu überprüfen, so kann die Krankenkasse vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes unter Angabe des Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen anfordern. Das Krankenhaus erläutert die Dauer der stationären Behandlung (Kurzbericht). Ergibt sich aus Sicht der Krankenkasse die Notwendigkeit einer ärztlichen Überprüfung, so kann die Krankenkasse im Einzelfall die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte, die für den Medizinischen Dienst tätig sind, überprüfen lassen. Die §§ 275 ff. und 283 SGB V bleiben hiervon unberührt."
Im anhängigen Verfahren hat die Beklagte eine Zahlung der geltend gemachten Vergütung abgelehnt, ohne vorher eine Prüfung durch den MDK einzuleiten. Auch das Klageverfahren hat die Beklagte nicht zum Anlass genommen, den MDK einzuschalten. Vielmehr hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass offenkundig allein durch die Dauer der Krankenhausbehandlung der Beweis einer stationären Krankenhausbehandlung nicht erbracht sei.
Dieses Verhalten der Beklagten ist nicht vom o.g. Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung gedeckt. Ziel des Vertrages ist ausdrücklich, das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung im Einzelfall zu regeln (§ 1 des Vertrages). Der Vertrag sieht vor, dass zunächst ein Kurzbericht anzufordern und anschließend bei verbleibenden Zweifeln an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung der MDK einzu- schalten ist. Da es der Kasse vor Einschaltung des MDK in der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer, der stationären Aufnahme in Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden, oder etwa einer Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und Fallpauschale nach dem DRG. Dann tritt das gestufte Verfahren zur Überprüfung der Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit entspechend der o.g. Vereinbarung ein. Fristen für eine Überprüfung sieht die Vereinbarung dabei nicht vor, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass auch nach Fälligkeit der Forderung und Zahlung noch eine entsprechende Überprüfung stattfinden kann. Da die abgerechnete DRG I78Z eine untere Grenzverweildauer von einem Tag vorsieht und die mittlere Verweildauer mit 4,1 Tagen angegeben ist, sich der Versicherte aber nur 13,5 Stunden im Krankenhaus aufgehalten hat, ist für das Gericht gerade noch nachvollziehbar, dass die Beklagte sich zu Zweifeln an einer stationären Aufnahme und stationären Behandlungsnotwendigkeit veranlasst sah. Dies rechtfertigt jedoch nicht, eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung entsprechend des o.g. Vertrages rundweg zu verweigern, wie dies die Beklagte auch noch im Klageverfahren praktisch bis zur mündlichen Verhandlung getan hat. Die Einhaltung des vereinbarten Überprüfungsverfahrens ist nicht vom Krankenhaus vereitelt worden sondern an der Krankenkasse gescheitert. Soweit der Beklagtenbevollmächtigte eingewandt hat, der vom Krankenhaus vorgelegte Kurzbericht sei nicht ausreichend gewesen, und daher habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt, ist dies vom Gericht nicht nachvollziehbar und als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass der am 22.12.2005 gegebene Kurzbericht nicht ausreichend war für eine Überprüfung durch die Beklagte bzw. die Einleitung einer Überprüfung durch den MDK, zeigt das nachfolgende Verhalten der Beklagten, dass diese am Kurzbericht überhaupt nicht interessiert war. Ansonsten wäre nämlich, wenn sie den Kurzbericht für nicht aussagekräftig genug hielt, eine Nachfrage beim Krankenhaus zu erwarten gewesen und nicht ein Schreiben (vom 28.12.2005), dass der Vorgang abgeschlossen sei.
Die Weigerung eines Vertragspartners (hier der Beklagten), die vertraglich vereinbarte Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb dann notwendig, wenn die Krankenkasse Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie die Einschaltung des MDK, so ist sie mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die vorrangig einer Nachprüfung durch den MDK zugänglich sind (vgl. BSG vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).
Zur Überzeugung des Gerichts ist die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten nachgewiesen. Da über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung grundsätzlich zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und die Beklagte mangels Einschaltung des MDK keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme vorgebracht hat, spricht für das Vorliegen einer stationären Behandlung nach wie vor der durch den aufnehmenden Krankenhausarzt begründete Anscheinsbeweis, sodass sich kein Anlass für weitergehende gerichtliche Ermittlungen ergibt. Insbesondere ist kein Sachverständigengutachten zum Nachweis der Richtigkeit der von der Beklagten vertretenen Auffassung einzuholen. Wenn die Krankenkasse es versäumt, unter Ausschöpfung ihrer eigenen Ermittlungs- und Überprüfungsmöglichkeiten ihre Einwendungen spezifiziert und nicht nur in Form eines "Bestreitens des Vorbringens des Krankenhauses" darzustellen, dann ist über die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vom Gericht kein Beweis mehr zu erheben (Umkehrschluss aus BSG vom 22.07.2004 - B 3 KR 20/03 - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3).
Der Klage war daher stattzugeben.
Das Gericht sah auch keine Veranlassung, das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des 1. Senats des BSG vom 07.11.2006 (B 1 KR 32/04 R) an den Großen Senat (Termins-Bericht Nr. 59/06) auszusetzen. Der Vorlagebeschluss wirft u. a. die Frage auf, ob sich ein Gericht im Streitfall mit den Äußerungen der behandelnden Krankenhausärzte zur Notwendigkeit der stationären Behandlung zufriedengeben und sie auf bloße "Vertretbarkeit" hin überprüfen darf. Das erkennende Gericht sieht in seiner Entscheidung keinen Widerspruch zur Auffassung des 1. Senats. Denn auf die Aufnahme durch den Krankenhausarzt als Beleg für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung hat sich das Gericht im Sinne eines Anscheinsbeweises lediglich deshalb gestützt, weil die Beklagte mangels Einschaltung des MDK substantiierte Einwendungen gegen die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht vorgebracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 616,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Erstattung der Krankenhauskosten für einen stationären Aufenthalt des Versicherten M.M. vom 03. - 04.12.2005 in Höhe von 616,11 EUR zuzüglich Zinsen.
M.M. ist bei der Beklagten versichert. Er befand sich im Zeitraum vom 03.12.2005, 22.29 Uhr bis 04.12.2005, 12.00 Uhr im Krankenhaus B., dessen Trägerin die Klägerin ist, zur Behandlung. Das Krankenhaus erstellte am 09.12.2005 eine Rechnung, die mittels maschineller Datensatzübermittlung nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) am selben Tag versandt wurde. Die der Beklagten mitgeteilte Hauptdiagnose nach ICD lautete auf S43.00 (Luxation des Schultergelenkes - Glenohumeralgelenk -, nicht näher bezeichnet). Die Rechnung führt nach DRG die Fallpauschale I78Z (leichte bis moderate Verletzungen von Schulter, Arm, Ellbogen, Knie, Bein und Sprunggelenk) auf. Gleichzeitig wird ein FPG-Abschlag bei Unterschreitung der Grenzverweildauer (GVD) vorgenommen. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge ergab sich ein Rechnungsbetrag von insgesamt 616,11 EUR. Mit Schreiben vom 07.12.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Eine Plausibilitätsprüfung nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung habe ergeben, dass üblicherweise eine ambulante Behandlung möglich sei. Es wurde um Übersendung eines Kurzberichts gebeten. Noch vor Eingang des Kurzberichtes lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.12.2005, wie in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Fällen, unter Bezug auf das BSG-Urteil vom 04.03.2004 - B 3 KR 4/03 R - eine Kostenübernahme ab. Dieses Urteil gebe erstmalig Anhaltspunkte dafür, wie die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu erfolgen habe. Eine Krankenhausbehandlung habe nur dann vollstationären Charakter im Sinne des § 39 SGB V, wenn der Patient sich zeitlich ununterbrochen über mindestens einen Tag und eine Nacht (24 Stunden) regulär im Krankenhaus befand. Da dies im vorliegenden Abrechnungsfall offenkundig nicht vorliege, seien die Voraussetzungen zur Abrechnung eines stationären Behandlungsfalles nicht gegeben. Es könne lediglich eine ambulante Behandlung vergütet werden. Das Krankenhaus berichtete mit Schreiben vom 22.12.2005 kurz über den Krankenhausaufenthalt. M.M. sei wegen einer Schultergelenkluxation links stationär aufgenommen worden. Diese sei in Kurznarkose reponiert worden und M.M. habe anschließend über Nacht mit Monitor überwacht werden müssen. Die Beklagte bekräftigte mit Schreiben vom 28.12.2005 ihre Rechtsauffassung und erklärte den Vorgang für abgeschlossen. Das Krankenhaus verwies die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2006 auf eine Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung bei Zweifeln an der Behandlungsnotwendigkeit.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 21.06.2006 Klage auf Zahlung von 616,11 EUR zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung haben sie sich u. a. darauf berufen, dass die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung durch den Krankenhausarzt festgestellt worden sei. Die Bevollmächtigten der Beklagten haben dagegen unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 04.03.2004 vorgetragen, dass lediglich eine ambulante Behandlung vorliege. Es komme nicht auf die ursprüngliche Planung der Aufenthaltsdauer an, sondern auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer. Jedwede Behandlung, die unter 24 Stunden liege, sei per Definition eine ambulante Behandlung. Daher sei es auch nicht erforderlich, den MDK zwecks Überprüfung einzuschalten. Vorsorglich haben sie auch die Notwendigkeit eines stationären Aufenthaltes bestritten. Es sei vom Krankenhaus auch kein ausreichender Kurzbericht übersandt worden, weshalb die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 616,11 EUR zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 31.12.2005.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 2, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung von M.M. vom 03. - 04.12.2005 in Höhe von 616,11 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über den Basiszinssatz ab 31.12.2005.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2005. Die Abrechnung des Krankenhausaufenthaltes des Versicherten erfolgte als stationäre Leistung im Sinne von § 39 SGB V. Zwischen den Beteiligten unstreitig sind die Höhe der Rechnung an sich, die nach DRG ermittelt wurde, der Zeitpunkt der Fälligkeit sowie Höhe und Beginn der Verzinsung. Fälligkeit und Verzinsung ergeben sich dabei aus der Pflegesatzvereinbarung 2005. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob ein notwendiger vollstationärer Krankenhausaufenthalt im Sinne des § 39 SGB V tatsächlich vorlag, oder ob nicht vielmehr nur eine ambulante Leistung vom Krankenhaus gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung hätte abgerechnet werden dürfen.
Die Beklagte argumentiert - wie in weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren - unter Bezug auf das Urteil des BSG vom 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 1), dass ein Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus von weniger als 24 Stunden den Tatbestand eines stationären Aufenthaltes im Sinne von § 39 SGB V nicht erfülle. Dies sei offensichtlich mit der Folge, dass auch eine Überprüfung durch den MDK zur Frage, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen sei oder nicht, nicht vorzunehmen sei.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R - in SozR 4-2500 § 39 Nr. 5 unter Bezug auf das o.g. Urteil vom 04.03.2004) die Auffassung vertreten, dass eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitgehend vermeidende Definition von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer ausgehen könne. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist danach dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist dabei zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später erfolgen. Eine ambulante Behandlung kann in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen. Auf der anderen Seite entfällt aber eine stationäre Behandlung nicht, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffes oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung. Eine Regel dergestalt, dass nur dann eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V vorliegt, wenn sich ein Versicherter mindestens einen Tag und eine Nacht, d.h. mindestens 24 Stunden, im Krankenhaus zur Behandlung befunden hat, existiert also nicht, anders als die Beklagte (auch in am hiesigen Gericht anhängigen Parallelfällen) meint. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Gründen des BSG-Urteiles vom 04.03.2004, a.a.O. Vielmehr betont das BSG in dieser Entscheidung, die mit weiterer Rechtsprechung fortgeführt wurde, dass die Abgrenzung der stationären Krankenhausbehandlung von ambulanter oder teilstationärer Behandlung vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer auszugehen hat.
Dass der Versicherte nur ca. 13,5 Stunden, jedoch "über Nacht" im Krankenhaus verblieben war, schließt einen stationären Aufenthalt, nicht aus. Dass der Aufenthalt weniger als 24 Stunden andauerte, ist kein Beweis dafür, dass nur eine ambulante Behandlung vorgelegen hat. Denn in aller Regel wird bereits bei der Aufnahme durch den aufnehmenden Krankenhausarzt die Entscheidung getroffen, ob eine stationäre Krankenhausaufnahme erfolgt. Stellt sich nachträglich heraus, dass eine stationäre Behandlung doch nicht notwendig war, wird die stationäre Behandlung nicht nachträglich in eine ambulante Behandlung umgewandelt. Auch dass der vorgenommene Eingriff (Reponieren des Schultergelenks) grundsätzlich, wie der Beklagtenbevollmächtigte vorträgt, als ambulante Behandlung möglich gewesen wäre, schließt nicht aus, dass im Fall des M.M. eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war.
Die objektive Beweislast dafür, dass ein notwendiger stationärer Krankenhausaufenthalt vorgelegen hat, liegt bei der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage grundsätzlich auf Seiten der Klägerin. In der Regel wäre wegen des Untersuchungsgrundsatzes vom Gericht im Rahmen einer Sachverständigenbegutachtung nachprüfbar, ob tatsächlich ein notwendiger vollstationärer Aufenthalt gegeben war oder nicht. Vorliegend ist jedoch eine weitere gerichtliche Sachaufklärung nicht durchzuführen, da das zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vereinbarte Verfahren von der Krankenkasse nicht eingehalten wurde.
Grundsätzlich entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (u.a. Urteil vom 17.05.2000 - B 3 KR 33/99 R - in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1) entschieden hat, unabhängig von einer Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet zunächst der Krankenhausarzt. Eine Zahlungspflicht der Krankenkasse für die stationäre Versorgung eines Versicherten entfällt nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt. Zur Prüfung der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung und der Richtigkeit der Entscheidung des Krankenhausarztes existiert in Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u.a. dem BKK-Landesverband Bayern hinsichtlich Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. § 2 Abs. 1 sieht dabei folgende Regelung vor: "Der Krankenkasse obliegt die Überprüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen der stationären Krankenhausbehandlung. Besteht aus Sicht der Krankenkasse in Einzelfällen Anlass, die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung zu überprüfen, so kann die Krankenkasse vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes unter Angabe des Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen anfordern. Das Krankenhaus erläutert die Dauer der stationären Behandlung (Kurzbericht). Ergibt sich aus Sicht der Krankenkasse die Notwendigkeit einer ärztlichen Überprüfung, so kann die Krankenkasse im Einzelfall die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte, die für den Medizinischen Dienst tätig sind, überprüfen lassen. Die §§ 275 ff. und 283 SGB V bleiben hiervon unberührt."
Im anhängigen Verfahren hat die Beklagte eine Zahlung der geltend gemachten Vergütung abgelehnt, ohne vorher eine Prüfung durch den MDK einzuleiten. Auch das Klageverfahren hat die Beklagte nicht zum Anlass genommen, den MDK einzuschalten. Vielmehr hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass offenkundig allein durch die Dauer der Krankenhausbehandlung der Beweis einer stationären Krankenhausbehandlung nicht erbracht sei.
Dieses Verhalten der Beklagten ist nicht vom o.g. Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung gedeckt. Ziel des Vertrages ist ausdrücklich, das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung im Einzelfall zu regeln (§ 1 des Vertrages). Der Vertrag sieht vor, dass zunächst ein Kurzbericht anzufordern und anschließend bei verbleibenden Zweifeln an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung der MDK einzu- schalten ist. Da es der Kasse vor Einschaltung des MDK in der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer, der stationären Aufnahme in Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden, oder etwa einer Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und Fallpauschale nach dem DRG. Dann tritt das gestufte Verfahren zur Überprüfung der Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit entspechend der o.g. Vereinbarung ein. Fristen für eine Überprüfung sieht die Vereinbarung dabei nicht vor, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass auch nach Fälligkeit der Forderung und Zahlung noch eine entsprechende Überprüfung stattfinden kann. Da die abgerechnete DRG I78Z eine untere Grenzverweildauer von einem Tag vorsieht und die mittlere Verweildauer mit 4,1 Tagen angegeben ist, sich der Versicherte aber nur 13,5 Stunden im Krankenhaus aufgehalten hat, ist für das Gericht gerade noch nachvollziehbar, dass die Beklagte sich zu Zweifeln an einer stationären Aufnahme und stationären Behandlungsnotwendigkeit veranlasst sah. Dies rechtfertigt jedoch nicht, eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung entsprechend des o.g. Vertrages rundweg zu verweigern, wie dies die Beklagte auch noch im Klageverfahren praktisch bis zur mündlichen Verhandlung getan hat. Die Einhaltung des vereinbarten Überprüfungsverfahrens ist nicht vom Krankenhaus vereitelt worden sondern an der Krankenkasse gescheitert. Soweit der Beklagtenbevollmächtigte eingewandt hat, der vom Krankenhaus vorgelegte Kurzbericht sei nicht ausreichend gewesen, und daher habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt, ist dies vom Gericht nicht nachvollziehbar und als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass der am 22.12.2005 gegebene Kurzbericht nicht ausreichend war für eine Überprüfung durch die Beklagte bzw. die Einleitung einer Überprüfung durch den MDK, zeigt das nachfolgende Verhalten der Beklagten, dass diese am Kurzbericht überhaupt nicht interessiert war. Ansonsten wäre nämlich, wenn sie den Kurzbericht für nicht aussagekräftig genug hielt, eine Nachfrage beim Krankenhaus zu erwarten gewesen und nicht ein Schreiben (vom 28.12.2005), dass der Vorgang abgeschlossen sei.
Die Weigerung eines Vertragspartners (hier der Beklagten), die vertraglich vereinbarte Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb dann notwendig, wenn die Krankenkasse Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie die Einschaltung des MDK, so ist sie mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die vorrangig einer Nachprüfung durch den MDK zugänglich sind (vgl. BSG vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).
Zur Überzeugung des Gerichts ist die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten nachgewiesen. Da über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung grundsätzlich zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und die Beklagte mangels Einschaltung des MDK keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme vorgebracht hat, spricht für das Vorliegen einer stationären Behandlung nach wie vor der durch den aufnehmenden Krankenhausarzt begründete Anscheinsbeweis, sodass sich kein Anlass für weitergehende gerichtliche Ermittlungen ergibt. Insbesondere ist kein Sachverständigengutachten zum Nachweis der Richtigkeit der von der Beklagten vertretenen Auffassung einzuholen. Wenn die Krankenkasse es versäumt, unter Ausschöpfung ihrer eigenen Ermittlungs- und Überprüfungsmöglichkeiten ihre Einwendungen spezifiziert und nicht nur in Form eines "Bestreitens des Vorbringens des Krankenhauses" darzustellen, dann ist über die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vom Gericht kein Beweis mehr zu erheben (Umkehrschluss aus BSG vom 22.07.2004 - B 3 KR 20/03 - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3).
Der Klage war daher stattzugeben.
Das Gericht sah auch keine Veranlassung, das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des 1. Senats des BSG vom 07.11.2006 (B 1 KR 32/04 R) an den Großen Senat (Termins-Bericht Nr. 59/06) auszusetzen. Der Vorlagebeschluss wirft u. a. die Frage auf, ob sich ein Gericht im Streitfall mit den Äußerungen der behandelnden Krankenhausärzte zur Notwendigkeit der stationären Behandlung zufriedengeben und sie auf bloße "Vertretbarkeit" hin überprüfen darf. Das erkennende Gericht sieht in seiner Entscheidung keinen Widerspruch zur Auffassung des 1. Senats. Denn auf die Aufnahme durch den Krankenhausarzt als Beleg für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung hat sich das Gericht im Sinne eines Anscheinsbeweises lediglich deshalb gestützt, weil die Beklagte mangels Einschaltung des MDK substantiierte Einwendungen gegen die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht vorgebracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
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