S 6 AS 344/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 344/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. Februar 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung einer Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 streitig sowie eine damit verbundene Rückforderung in Höhe von insgesamt 2.292,00 EUR.

Der am 1980 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 11.10.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Hierbei gab er an in der Z.str. in A. zu wohnen. Unterkunfts- und Heizkosten machte er in diesem Antrag nicht geltend. Mit Bescheid vom 20.12.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 382,00 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005. Nach Beendigung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses beantragte der Kläger erneut am 22.08.2005 Leistungen bei der Beklagten. Dabei legte er einen am 28.10.2004 geschlossenen Mietvertrag über eine 48 qm große Mietwohnung in der S. Str. in A. vor. Der Mietvertrag ist von ihm und der Zeugin G. unterschrieben worden. Nachdem der Kläger angegeben hatte, dass die Zeugin G. über Einkommen verfüge, forderte die Beklagte den Kläger auf, ihre Einkommensnachweise vorzulegen. Dieser Aufforderung folgend legte der Kläger Verdienstbescheinigungen der Zeugin G. für Mai 2005 und Juni 2005 vor. Gleichfalls reichte er Kontoauszüge über ihr Konto von April 2005 bis August 2005 ein. Mit Schreiben vom 17.10.2005 hörte die Beklagte den Kläger gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen zu Unrecht bezogener Leistungen in Höhe von 2.292,00 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 an. Hierauf antwortete der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 31.10.2005, in dem er Akteneinsicht beantragte sowie eine Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum 18.11.2005.

Am 07.02.2006 bat der Bevollmächtigte des Klägers, die entstandene Überzahlung durch einen Rückforderungsbescheid festzustellen. Mit Bescheid vom 16.02.2006 forderte die Beklagte von dem Kläger Arbeitslosengeld II in Höhe von 2.292,00 EUR zurück. Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 17.03.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 22.03.2006 wurde zur Widerspruchsbegründung vorgetragen, dass der Kläger bereits im Juni 2005 382,00 EUR zurücküberwiesen habe. Dieser Betrag sei bei der Feststellung der Höhe der Rückforderungssumme nicht berücksichtigt worden. Nach einer erst unlängst veröffentlichten Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.02.2006 - L 19 B 85/05 AS ER) lasse die Dauer des Zusammenlebens des Klägers mit der Zeugin G. aktuell auch nicht den Schluss auf eine "auf Dauer angelegte Gemeinschaft" zu. Der Kläger und die Zeugin G. seien überhaupt erst seit Beginn des Jahres 2004 befreundet. Die (erste gemeinsame) Wohnung in der S. Str. in Augsburg bewohnten sie seit dem 01.11.2004. Zuvor hätten beide noch jeweils einen eigenständigen Haushalt geführt.

Unter Anrechnung des geltend gemachten Betrags in Höhe von 382,00 EUR reduzierte die Beklagte ihre Rückforderung mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006 auf 1.910,00 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Die Dauer des Zusammenlebens von regelmäßig drei Jahren als Hinweistatsache sei für das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft im Sinn einer eheähnlichen Gemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II lediglich dann als Hinweis anzusehen, soweit nicht gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingten. Als solche kämen z.B. gemeinsame langfristige Vermögensdispositionen der Partner, die Betreuung gemeinsamer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt oder das Füreinandereinstehen in Notsituationen in Betracht. Der Kläger habe in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005 monatlich 382,00 EUR an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Dieser Betrag setze sich aus 345,00 EUR Regelleistung für alleinstehende Hilfebedürftige und 37,00 EUR befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I zusammen. Die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung habe der Kläger nicht beantragt. Vielmehr habe er im Antrag vom 11.10.2004 angegeben, freies Wohnrecht bei seiner Freundin zu genießen. Auch nach der Anmietung der Wohnung in der S. Str. in Augsburg durch die Zeugin G. habe der Kläger keine (anteiligen) Kosten für Unterkunft und Heizung beantragt. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 07.04.2005 bei der zuständigen Vermittlerin habe der Kläger noch mitgeteilt, dass er eine Wohnungsmiete von 450,00 EUR habe. Er wolle aber keine Kostenübernahme beantragen, sondern diese Kosten selbst tragen, da er wegen der Größe der Wohnung nicht umziehen wolle. Es sei mithin davon auszugehen, dass die Zeugin G. in der Vergangenheit zumindest teilweise zum Lebensunterhalt des Klägers beigetragen habe, da es nicht vorstellbar sei, dass der Kläger von seiner Grundsicherung für Arbeitssuchende in Höhe von 382,00 EUR monatlich die anteiligen Wohnkosten in Höhe von 220,84 EUR (bzw. die gesamten Wohnkosten in Höhe von 441,67 EUR) und seinen sonstigen Lebensbedarf habe bestreiten können. Der Bedarfsrest habe daher durch Zuwendungen von der Zeugin G. gedeckt werden müssen. Gerade dieses Füreinanereinstehen in Notsituationen zeichne - unabhängig von der Dauer der Beziehung - eine eheähnlichen Gemeinschaft aus.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 02.05.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung ist mit Schriftsatz vom 15.11.2006 vorgetragen worden, dass der Kläger und die Zeugin G. nach wie vor keine gemeinsamen Konten, Sparbücher oder Versicherungen hätten. Sie sorgten nach wie vor abwechselnd dafür, dass der Kühlschrank gefüllt sei und trügen dabei jeweils die anfallenden Kosten. Es werde mithin nicht "aus einem Topf gewirtschaftet", vielmehr werde bis zum heutigen Tage eine Beziehung "auf Probe" gelebt. Mit Schriftsatz vom 27.12.2006 ist hierzu weiter ausgeführt worden, dass der Kläger und die Zeugin G. sich mündlich dahingehend verständigt hätten, dass die Mietzahlungen insgesamt in einem Betrag vom Konto des Klägers abgebucht würden, da der Vermieter nur eine monatliche Mietzahlung auf seinem Konto gewünscht habe. Die Zeugin G. lasse dem Kläger dann ihren Anteil an der Miete in bar oder durch Einzahlung/Überweisung auf dessen Konto zukommen. Eine getrennte Nutzung der Räumlichkeiten sei nicht gegeben, da der Kläger und die Zeugin G. seit Anfang 2004 befreundet seien. Der Haushalt werde arbeitsteilig dergestalt erledigt, dass sämtliche im Haushalt anfallende Aufgaben immer im Wechsel erledigt würden. Eingekauft werde ebenfalls abwechselnd und jeweils auf eigene Rechnung. Auf die Klagebegründungen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.02.2007 geantwortet. Der Kläger habe am 11.10.2004 erstmals einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gestellt. Darin habe er als Adresse die Z.str. in A. (die Adresse seiner Eltern) als Postadresse angegeben und mitgeteilt, dass er sich auf Wohnungssuche befände und freies Wohnrecht bei einer Freundin genieße. Dementsprechend seien dem Kläger keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt worden. Über weitere Einkommensquellen verfügte der Kläger nicht. Am 30.11.2004 sei es zu einem Postrücklauf gekommen. Die der Beklagten im Erstantrag angegebene Postadresse sei nicht mehr aktuell gewesen. Nach diesem Postrücklauf habe der Kläger am 02.12.2004 persönlich bei der Beklagten vorgesprochen und angegeben, dass er die neue Adresse bereits mehrfach mitgeteilt habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Gegebenenfalls sei eine Meldung bei der Agentur für Arbeit erfolgt, nicht jedoch bei der Beklagten. Eine entsprechende Überprüfung der Akte habe ergeben, dass der Beklagten durchgehend der Kläger als ledig und allein lebend gemeldet war. Am 07.04.2005 sei der Kläger im Rahmen eines Meldetermins von seiner Vermittlerin darauf angesprochen worden, ob sich seine Wohnsituation mittlerweile geklärt bzw. verändert habe. Er habe angegeben, dass er eine Wohnungsmiete von 450,00 EUR habe. Auf Nachfrage habe er erklärt, dass er keine Übernahme für Kosten und Unterkunft beantragt habe, da er aufgrund der Größe der Wohnung nicht umziehen wolle. Bereits hier seien der Beklagten Zweifel an der Finanzierung der Miete gekommen. Zweifel am Personenstatus des Klägers seien zusätzlich aufgekommen, als der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 15.09.2005 anlässlich der Mitteilung einer befristeten Arbeitsaufnahme den bereits am 28.10.2004 geschlossenen Mietvertrag für die Wohnung in der S. Str. in A. vorgelegt habe. Soweit vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragen worden sei, dass die Mietzahlungen vom Konto des Klägers abgebucht würden und die Zeugin G. ihren Anteil diesem in bar oder durch Einzahlung/Überweisung zukommen lasse, sei dies insgesamt nicht glaubhaft. Unter Berücksichtigung der Mietverpflichtungen des Klägers seien diesem nur 157,00 EUR monatlich für seinen Lebensunterhalt verblieben. Eine Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten (Lebensmittel, Körperpflege, Stromabschlag, Bekleidung, Schuhe etc.) erscheine mit diesen Mitteln nicht möglich. Entgegen dem Vortrag des Klägers belege zudem der mit Schriftsatz vom 27.12.2006 vorgelegte Kontoauszug vom Februar 2005, dass die Zeugin G. sich mit 290,00 EUR, also zu 2/3 an der Miete beteilige. Es stelle sich zudem die Frage, von wem die Mietkaution in Höhe von 1.050,00 EUR gestellt worden sei. Dazu hat der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 07.04.2007 Stellung genommen. Die Eintragung des angeblichen "freien Wohnrechts" im Zusatzblatt 1 zum Antrag vom 11.10.2004 stamme offensichtlich nicht vom Kläger, der tatsächlich auch niemals freies Wohnrecht bei der Zeugin G. hatte. Diese bewohnte zu dieser Zeit ohnehin nur 1 Zimmer in einer reinen Mädchen-Wohngemeinschaft in der G. Str. in A ... Die Mietkaution sei von den Eltern des Klägers mit der Abrede gestellt worden, dass diese die Kaution bei Auszug wieder zurück erhielten. Am 09.11.2004 habe der Kläger seine neue Adresse, S. Str. in der Tat irrtümlich nur bei der Agentur für Arbeit Augsburg gemeldet. Am 17.11.2004 habe der Kläger dann um 11.30 Uhr einen Termin auf Zimmer 250 im "Arbeitsamt" zur Nachreichung seiner Kontoauszüge zum Antrag vom 11.10.2004 gehabt. Er habe auch seinen Mietvertrag dabei gehabt, lautend auf die Adresse S. Str ... Weder sei der Kläger dabei über sein Recht, Unterkunftskosten zu beantragen, konkret aufgeklärt noch seine neue Adresse berücksichtigt worden. Zu dem erwähnten Postrücklauf sei es dann am 25.11.2004 aufgrund des am Briefkasten falsch geschriebenen Namens gekommen. Für diesen Fehler sei der Kläger bereits von der Agentur für Arbeit Augsburg bestraft worden. So hatte er die Arbeitslosenhilfe vom 09.11.2004 bis einschließlich 30.11.2004 zurückzubezahlen. In der Tat sei der Kläger mit 157,00 EUR als Lebensunterhalt ausgekommen. Da der Kläger und die Zeugin G. vereinbart hätten, dass sie sich die Miete und die weiteren gemeinsamen Kosten teilten, sei es zur Überweisung in Höhe von 290,00 EUR im Februar 2005 gekommen. Es sei auch unzutreffend, dass der Kläger die Beklagte bewusst im Unklaren über seine persönliche Situation gelassen habe. Der Kläger sei am 07.04.2005 bei einem Bearbeiter der Beklagten gewesen. Er habe dort eine Eingliederungsvereinbarung unterzeichnet. Hierbei habe er den Mitarbeiter auch gebeten, seine Adresse zu berichtigen, was dieser dem Kläger zugesichert habe. Des Weiteren habe der Kläger diesen Mitarbeiter bereits am 26.04.2005 auch darüber telefonisch informiert, dass er ab 25.04.2005 eine befristete Arbeitsstelle bei der Fa. V.B. in Teilzeit habe. Am 17.05.2005 habe er dann eine Kopie dieses Arbeitsvertrages persönlich bei der Beklagten abgegeben. Das erste Gehalt in Höhe von 965,09 EUR für Mai 2005 seien am 30.05.2005 auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden. Die Filiale von V.B. am Hautbahnhof habe sodann am 31.08.2005 geschlossen, so dass der Kläger ab 01.09.2005 wieder arbeitslos gewesen sei. Er habe sich gleich nach Erhalt der Kündigung bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Am 09.01.2005 habe der Kläger dann wiederum bei der Beklagten wegen dieses Antrags vorgesprochen und Unterlagen vorgelegt (u.a. den Mietvertrag sowie die Kontoauszüge und Einkommensnachweise von der Zeugin G.). Der Mitarbeiter der Beklagten habe dem Kläger dabei mitgeteilt, dass er keinerlei Leistungen der Beklagten zu erwarten hätte, da er mit der Zeugin in einem eheähnlichen Verhältnis lebe. Den Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende habe der Kläger unerledigt wieder zurückerhalten.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2007 beantragt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten,

den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, insbesondere auch auf die im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2007 enthaltenen Aussagen des Klägers und der Zeugin G ...

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Beklagte hat zu Recht gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB II ihre Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2006 rückwirkend aufgehoben und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X Leistungen insgesamt in Höhe von 2.292,00 EUR zurückgefordert. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. §§ 330 Abs. 2 SGB III und 45 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Bei dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 20.12.2004 handelt es sich um einen von § 45 Abs. 1 SGB X erfassten anfänglichen rechtswidrigen begünstigten Verwaltungsakt. Die Beklagte hat dem Kläger nämlich Leistungen bewilligt, ohne dass dieser im Sinn von § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig gewesen war. Der Kläger lebte nämlich zum Zeitpunkt der Bewilligung am 01.01.2005 mit der Zeugin G. in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinn von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung zusammen. Damit war das Einkommen der Zeugin G. auf den Bedarf des Klägers gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II anzurechnen gewesen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht nämlich fest, dass der Kläger und die Zeugin G. bereits ab 01.01.2005 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebten.

Nach der Rechtsprechung ist eine eheähnliche Gemeinschaft die Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindung auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründet, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (vgl. Bundesverfassungsgericht, 87, 234; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 m.w.N.). Ob eine solche eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen zu beurteilen. Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorgezeichneten Sinn sind u.a. deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Anhand der zu ermittelnden Hinweistatsachen ist dann zu prüfen, ob die oben genannten Voraussetzungen für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft erfüllt sind. Im Rahmen einer Gesamtschau der dafür und auch gegen eine eheähnliche Gemeinschaft sprechenden Indizien ist sodann eine Entscheidung nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu treffen (vgl. zum Ganzen: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 29 RdNr. 7 m.w.N.). Hierbei ist auch zu beachten, dass den Hinweistatsachen in der Regel auch unterschiedliches Gewicht zukommt. Besonderes Augenmerk ist auf etwaige Angaben, Umständen und Verhaltensweisen zu legen, die der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder dessen Partner erst im Hinblick auf den erhofften Leistungsbezug ändern oder ausgestaltet. Einer eheähnlichen Gemeinschaft entgegenstehende bloße Erklärungen der Partner haben daher keine durchgreifende Bedeutung (siehe LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.11.2005 - L 29 B 1212/05 AS ER, FEVS 57 (2006) S. 52 ff.). Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Erklärungen der Beteiligten, die mehr und mehr erfahren haben, worauf es ankommt, um die Voraussetzungen für eine eheähnliche Gemeinschaft auszuschließen, immer weniger glaubhaft werden (vgl. OVWG Lüneburg, FEVS 48, 545 m.w.N.). Der Begriff der Hinweistatsachen zeigt letztlich auch, dass nicht sämliche Indizien umfassend nachgewiesen sein müssen, wenn das Fehlen einzelner Indizien nicht zwangsläufig der Feststellung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft entgegensteht. Liegen nach einer erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung hinreichende Indizien vor, die das Vorhandensein aller von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft belegen, so ist es Sache des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, plausible Gründe darzulegen, die das Zusammenleben dem entgegen als reine Zweckgemeinschaft erscheinen lassen. Nach der Rechtslage seit dem 01.08.2006 hat daher der Leistungsempfänger bei Vorliegen der in § 7 Abs. 3a SGB II genannten Lebensumstände und der damit verbundenen gesetzlichen Vermutung einer eheähnlichen Gemeinschaft diese Vermutung zu widerlegen.

Unter Zugrundelegung der genannten Grundsätze ist vorliegend von einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin G. auszugehen. So ist der Kläger gemeinsam mit der Zeugin G. am 01.11.2004 in die S. Str. in A. gezogen. Diese Mietwohnung hat 48 qm Wohnfläche, so dass der Kläger und die Zeugin G. auf engstem Raum zusammenwohnen. Unstreitig wird die Wohnung auch dergestalt gemeinsam genutzt, dass jeder Raum sowohl dem Kläger als auch der Zeugin G. uneingeschränkt zur Verfügung steht. Es fehlt damit an einer wie für eine Wohngemeinschaft typisch eindeutig abgrenzbare Privatsphäre des Klägers (vgl. BayLSG, Urteil vom 11.07.2006, Az.: L 11 AS 100/05). Weder vom Kläger noch von der Zeugin G. wird eine Paarbeziehung verbunden mit einer geschlechtlichen Beziehung geleugnet. Es findet damit innerhalb der Wohnung ein Zusammenleben wie unter Eheleuten statt. Die Partnerschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin G. ist auch auf Dauer angelegt. Um dieses Merkmal bejahen zu können ist nicht Voraussetzung, dass der Kläger und die Zeugin G. mindestens drei Jahre zusammenlebten (bzw. ein Jahr nach der gesetzlichen Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II in der ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung). Vielmehr kann eine eheähnliche Gemeinschaft bereits mit dem ersten Tag des Zusammenlebens begründet sein, wenn hierfür die Würdigung aller sonst ermittelten Hinweistatsachen spricht (siehe Urteil des BayLSG vom 16.02.2005 - L 11 AS 35/05). Der feste Bindungswille zwischen dem Kläger und der Zeugin G. ergibt sich nach Ansicht des Gerichts daraus, dass die Zeugin G. bereit war, mit dem Kläger am 01.11.2004 zusammenzuziehen, obwohl sie wusste, dass dieser arbeitslos war und auch keine Arbeit in Aussicht hatte. Er verfügte damals lediglich über Einküfte in Höhe von 600,00 EUR. Wegen seiner Bedürftigkeit hat er sodann auch am 11.10.2004 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt. Unterkunfts- und Heizkosten hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Damit war für den Kläger und auch für die Zeugin G., die beim Umzug vom Verzicht des Klägers auf Unterkunfts- und Heizkosten erfahren hatte, absehbar, dass dieser ab 01.01.2005 lediglich über Regelleistungen verfügen werde. Der Verzicht auf die Unterkunfts- und Heizkosten durch den Kläger ist für das Gericht ein gewichtiges Indiz dafür, dass dieser sich darauf verlassen durfte, dass die Zeugin G. diesbezüglich für ihn einspringen werde. Die vom Kläger dagegen in der mündlichen Verhandlung angebotenen Erklärungen überzeugen nicht. So ist nicht glaubhaft, dass der Kläger auf Unterkunfts- und Heizkosten deshalb verzichten wollte, weil er mit einer kurzfristigen Anstellung rechnete. Sollte nämlich tatsächlich eine kurzfristige Anstellung erfolgen, so wäre es ohne weiteres für ihn möglich gewesen, diese Leistungen zu stornieren. Bei einer zwischen dem Kläger und der Zeugin G. lediglich vorliegenden Wirtschafts- und Haushaltsgemeinschaft wäre dies die einzig schlüssige und nachvollziehbare Handlungsweise gewesen. Bei einer reinen wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft geht nämlich keiner der Beteiligten das Risiko ein, seinen wirtschaftlichen Verpflichtungen wie etwa der Tragung der anteiligen Mieten nicht nachkommen zu können, da er dann umgehend mit der Auflösung der Zweckgemeinschaft, also Kündigung des Wohnraums rechnen muss. Von diesem Druck war der Kläger offensichtlich befreit, da er auch bei Fortgang seiner Arbeitslosigkeit nicht die Unterkunfts- und Heizkosten nachträglich beantragt hatte. Selbst heute, da der Kläger keinerlei Leistungen von der Beklagten erhält, und nur über Einkünfte aus einem 400,00 EUR-Job verfügt, lebt er nach wie vor ungekündigt mit der Zeugin G. zusammen. Es erscheint daher näher liegend, dass der Kläger durch seinen Verzicht auf Unterkunfts- und Heizkosten insgesamt dafür sorgen wollte, dass seine Wohnsituation von der Beklagten nicht weiter Überprüft wird. Die Bereitschaft der Zeugin G. für den Kläger in wirtschaftlichen Notsituationen einzustehen, ergibt sich unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten für den streitgegenständlichen Zeitraum auch daraus, dass diese in der Zeugeneinvernahme selbst ausgesagt hat, dass sie den Kläger nicht "wie eine heiße Kartoffel" fallen lassen würde. Zwar kann sie sich nicht vorstellen, dass der Kläger vollständig von ihr finanziell abhängig ist, jedoch erscheint es ihr zu genügen, dass dieser sich immer wieder um Arbeit bemüht und tatsächlich dann auch - wenn auch nur geringe - Einkünfte erzielt. Insoweit ist sie nach Überzeugung des Gerichts sehr wohl bereit, für den Kläger einzustehen. Entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten fand auch von Anfang an ein gemeinsames Wirtschaften aus einem Topf statt. So haben sowohl der Kläger als auch die Zeugin G. ausgesagt, dass die notwendigen Lebensmitteleinkäufe gemeinsam oder abwechslungsweise durchgeführt wurden und werden. Anschließend sollen zwar Ausgleichszahlungen untereinander erfolgen. Dies ist jedoch zum einen nur eine bloße Behauptung des Klägers und der Zeugin G., da dafür keine Nachweise beigebracht wurden. Zum anderen bestand aber sowohl vonseiten der Zeugin G. als auch vonseiten des Klägers die Bereitschaft, Geld für den anderen zunächst auszulegen. So wurde von der Zeugin G. angegeben, dass die Zahlung an den Kläger in Höhe von 290,00 EUR im Februar 2005 eine Schuldentilgung enthalten haben soll. Soweit steht fest, dass beide bereit waren für den anderen finanziell einzuspringen. Ob die Schulden dann tatsächlich gegenseitig - wie behauptet - immer auf Heller und Pfennig genau beglichen wurden, auch dafür liegen dem Gericht keinerlei überprüfbare Nachweise vor. Das wirtschaftliche Zusammenleben des Klägers und der Zeugin G. beruhte somit wie unter Ehepaaren üblich allein auf Vertrauensbasis. Die Zeugin G. hat dann weiter ausgesagt, dass es zwischen ihr und dem Kläger auch hin und wieder wegen der wirtschaftlichen Situation Schwierigkeiten gegeben habe. Diese finanziellen Schwierigkeiten haben jedoch nicht zum Bruch der Beziehung geführt, was deren Tragfähigkeit weiter beweist. Für eine eheähnliche Gemeinschaft spricht weiter die gemeinsame Gestaltung der Freizeit, insbesondere aber auch das gemeinschaftliche Pflegen der familiären Beziehungen zu den Eltern und "Schwiegereltern". Auch hat der Kläger angegeben, dass es der Zeugin G. nicht freigestanden habe, einen neuen Lebenspartner in die gemeinsame Wohnung mitzubringen. Damit ist die Ausschließlichkeit der Paarbeziehung zwischen dem Kläger und der Zeugin G. belegt. Insgesamt ergibt sich für das Gericht aus der Gesamtwürdigung aller ermittelten Hinweistatsachen, insbesondere aber aus der nachgewiesenen Bereitschaft der Zeugin G. mit dem Kläger, der über keine bedarfsdeckenden Mittel verfügte und verfügt, gemeinschaftlich zusammenzuleben, dass zwischen ihm und ihr eine eheähnliche Gemeinschaft bestand und auch weiterhin fortbesteht, und nicht nur eine reine wirtschaftliche Zweckgemeinschaft.

Somit sind dem Kläger mit Bescheid vom 20.12.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden, obwohl hierfür die Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Kläger kann sich dabei auch nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand dieses Bewillgungsbescheids berufen, da der Bescheid auf Angaben beruhte, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt nämlich vor, wenn dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die pesönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (sog. subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). Sowohl bei der Antragstellung am 11.10.2005 wie auch bei seinen späteren Vorsprachen vor Erlass des Bescheids vom 20.12.2004 hat der Kläger nicht mitgeteilt, dass er beabsichtige, mit der Zeugin G. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben bzw. dass er ab dem 01.11.204 mit ihr in häuslicher Gemeinschaft zusammengezogen ist. Es hätte dem Kläger jedoch angesichts der Art und Weise seines Zusammenlebens mit der Zeugin G. einleuchten müssen, dass sein Zusammenleben mit dieser die Merkmale einer eheähnlichen Gemeinschaft erfüllt. Dabei musste der Kläger nicht bezüglich jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals einer eheähnlichen Gemeinschaft gesichtertes Wissen gehabt haben. Es reicht hierfür auch die Parallelwertung in der Laienssphäre aus. Insbesondere aber durfte der Kläger sich nicht darauf verlassen, dass er das Zusammenleben mit der Zeugin G. richtig unter den Begriff einer eheähnlichen Gemeinschaft subsummiert. Auch wusste der Kläger zumindest, dass er bei Antragstellung angegeben hatte, allein zu leben, und sich insoweit seine persönlichen Verhältnisse ab 01.11.2004 tatsächlich verändert hatten. Indem der Kläger allein die Mitteilung dieses Umstandes unterlassen hat, obwohl es sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass er dies der Beklagten mitzuteilen habe, beruht der Bescheid vom 20.12.2005 auf grob fahrlässig unvollständige Angaben des Klägers. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. §§ 330 Abs. 2 SGB III und 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB II liegen damit vor. Die Beklagte hatte daher ihren Bescheid aufzuheben und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die zu Unrecht bezogenen Leistungen zurückzufordern. Hierbei stand ihr gemäß § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen zu. Da dem Kläger nur Regelleistungen bewilligt worden waren, war auch der gesamte Bewilligungsbetrag zurückzufordern, weil somit für eine abweichende Rückforderung von § 50 SGB X die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 SGB II nicht vorlagen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 16.02.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2006 war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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