Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 4485/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Witwenrente nach einem mit Wirkung zum 01.07.2005 erhöhten Rentenwert.
Die 1942 geborene Klägerin bezieht aufgrund des Bescheides vom 10.10.1997 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ab 14.08.1997 eine große Witwenrente. Mit Bescheid vom 24.05.2005 berechnete die Beklagte diese Rente mit Wirkung ab 01.07.2005 neu und legte dabei als aktuellen Rentenwert den Betrag von monatlich 26,13 EUR zugrunde. Dem widersprach die Klägerin mit dem Vortrag, dass die Nichtanpassung der Renten (Nullrunde) die Renten auszehre und damit in den Eigentumschutz des Art. 14 Grundgesetz (GG) eingreife. Mit Bescheid vom 06.09.2005 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 01.11.2005 (wegen geändertem anzurechnendem Einkommen) unter Beibehaltung des oben genannten Rentenwertes neu. Mit Bescheid vom 18.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der angefochtene Bescheid vom 24.05.2005 setze lediglich die Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 vom 06.06.2005 um.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 19.12.2005. Sie trägt vor, dass bereits im Jahr 2004 aufgrund gesetzlicher Anordnung eine an sich zu erfolgende Rentenanpassung ausgesetzt worden sei. Mit der erneuten "Nullrunde" würden die Rentnerinnen und Renter bereits zum zweiten Mal in Folge keine und innerhalb der letzten 10 Jahre eine nur geringfügige Anpassung der Renten erfahren. Durch diese wiederholten Kürzungen sei sie in ihren grundrechtlichen Positionen aus Art. 14 GG verletzt.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung der Bescheide vom 24.05.2005 und 06.09.2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 ab 01.07. 2005 große Witwenrente unter Zugrundelegung eines höheren aktuellen Rentenwertes als 26,13 EUR zu zahlen.
Hilfsweise beantragt sie,
das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzu- holen.
Weiter hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken unzutreffend seien. Im Übrigen weist sie darauf hin, dass Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen nicht dem Schutz des Art. 14 GG unterfielen. Die schließlich in Betracht zu ziehende Verfassungsnorm des Art. 2 GG sei ebenfalls nicht verletzt.
Mit Beschluss vom 05.04.2006 hat das Gericht das mit der Klage vom 19.12.2005 zugleich erhobene Begehren auf eine Rentenzahlung ohne den zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag von 0,9 v.H. in das Verfahren unter dem Az. S 3 R 4130/06 abgetrennt.
Mit Schreiben vom 23.01.2007 hat das Gericht die Beteiligten darüber informiert, dass es beabsichtige, diesen Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie war ebenso wie die Gerichtsakte dieses Verfahrens Gegenstand der Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides sind gegeben, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Rechte der Beteiligten (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG) wurden gewahrt. Die Klägerin hat sich ausrücklich mit dieser Entscheidungsform einverstanden erklärt.
Gegenstand des Verfahrens ist entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung auch der Bescheid vom 06.09.2005, weil damit mit Wirkung ab 01.11.2005 der Verwaltungsakt vom 24.05.2005 im Sinne von § 96 SGG ersetzt wird.
Die Klage ist unbegründet. Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte in ihren Bescheiden die einfachgesetzlichen Vorgaben (§§ 65, 68, 255e SGB VI) zutreffend umgesetzt hat. Die Klägerin kann ihre gleichwohl erhobene Forderung auf eine ab 01.07.2005 nach einem höheren aktuellen Rentenwert als 26,13 EUR berechnete Witwenrente nicht auf höherrangiges Recht stützen. Die in den Bescheiden zur Anwendung gekommene Rentenformel der §§ 68, 255e Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Normen.
Mit dem Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 hatte der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.08.2004 (Art. 15 Abs. 1 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) in die Formel zur Bestimmung des aktuellen Rentenwertes den sog. Nachhaltigkeitsfaktor (§ 68 Abs. 4 SGB VI) eingefügt. Er gibt die Relation von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern wieder und führt zu einer Berücksichtigung nicht nur der Lebenserwartung sondern auch der Entwicklung der Geburten und der Erwerbstätigkeit (Bt-Ds 15/2149). Der Nachhaltigkeitsfaktor als weiteres Element der Rentenformel beruht auf einem Vorschlag der "Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme" (Rürup-Kommission). Allgemein ausdrückt ist er eine der Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Rentensysteme bei zu erwartenden längeren Rentenlaufzeiten und eher sinkender Anzahl von Beitragszahlern. Letztlich soll damit eine generationengerechte Lastenverteilung bewirkt werden (aaO).
Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor (§§ 68, 255e SGB VI) hat der Gesetzgeber nicht in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Dabei ist unstreitig, weil durch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass Rentenanwartschaften von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfasst und geschützt sind (vgl. BVerfG vom 08.04.1987, Az. u.a. 1 BvR 564/84 mit weiteren Nachweisen). Ob Art. 14 GG darüber einen grundrechtlichen Anspruch auf (regelmäßige) Rentenanpassung bzw. Rentenerhöhung gewährleistet, kann letztlich dahinstehen. Weder das Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 28.04.1999, Az. 1 BvL 32/95) noch das Bundessozialgericht (Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 120/00 R) haben jedenfalls ein unbedingtes subjektiv öffentliches Recht aus Art. 14 GG auf eine (bestimmte) jährliche Rentenerhöhung bejaht. In seiner Entscheidung vom 27.03.2007 (zur Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2004) ließ das BSG (B 13 R 37/06 R) diese verfassungsrechtliche Frage ausdrücklich offen. Der entscheidende Senat betonte gleichwohl, dass selbst bei Einbeziehung des Rechtsinstituts der Rentenanpassung in den Schutzbereich des Art. 14 GG damit "kein absolut wirkendes Verbot, eine (oder mehrerere) Rentenpassung(en) auszusetzen" verbunden wäre.
Auch in diesem Rechtsstreit muss die Frage eines verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruches auf jährliche/regelmäßige Rentenanpassung nicht geklärt werden, weil die Kägerin sich in dieser Streitsache nicht auf Art. 14 GG berufen kann. Wie auch die Beklagte zutreffend ausführt beruht der Bezug einer Witwenrente nämlich nicht auf einer dem Leistungsbezieher zurechenbaren Eigenleistung, sondern stellt vielmehr eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar (BVerfG vom 18.02.1998, Az. u.a. 1 BvR 1318/96 mit weiteren Nachweisen).
Als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab verbleibt somit Art. 2 GG. Er gewährt jedermann das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Anders als bei Art. 14 GG (siehe vorstehend) ist die Klägerin hier in ihren verfassungsrechtlichen Rechten tangiert. Dafür genügt bereits, dass der Gesetzgeber durch Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt und beitragsfinanzierte Leistungen durch gesetzgeberische Maßnahmen beeinflusst (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, Az. u.a. 1 BvR 1318/86). Ein konkreter Verfassungsverstoß liegt aber dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber - wie vorliegend - im Rahmen der Schrankenbestimmung von Abs. 1 2. Halbsatz ordnend in das Leistungsgefüge der Sozialversicherung eingreift und die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Vertrauensschutzprinzip nicht widersprechen (aaO).
Eine formelle Verfassungswidrigkeit ist weder dargetan noch erkennbar.
Die Nullrunde 2005 und die gleichzeitige Einführung eines Nachhaltigkeitfaktors verstoßen nicht gegen das Vertrauenschutzprinzip. In seinem oben genannten Beschluss hat das BVerfG festgeschrieben, dass gerade in der Rentenversicherung von vornherein die Möglichkeit zur Anpassung an geänderte Verhältnisse angelegt ist. Dabei hat der Gesetzgeber unterschiedliche Gemeinwohlbelange und zum Teil gegenläufige Grundrechtspositionen zum Ausgleich zu bringen (BSG vom 31.07.2002, B 4 RA 120/00 R).
Die gegenwärtige und künftige Sicherung der sozialen Systeme insbesondere im Bereich der Alterssicherung berührt die Belange der noch im Erwerbsleben stehenden Versicherten ebenso wie die Interessen der aktuellen Rentnergeneration. Weil die Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung im sog. Umlageverfahren erfolgt, sind beide Seiten in besonderer Weise voneinander abhängig (sog. Generationenvertrag). Geburten- und Erwerbstätigenrückgang prägen und gestalten den demographischen Wandel ebenso wie eine verlängerte Lebenserwartung. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zur Lösung der Finanzierungsprobleme der Sozialsysteme eine generationengerechte Lastenverteilung angestrebt hat (zu den verschiedenen Maßnahmen betreffend die Leistungsbezieher einerseits und die Beitragszahler andererseits vgl. "Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung".B).
Der Bezieher von (Hinterbliebenen-) Rentenleistungen hat ein durch Art. 2 GG geschütztes Recht auf eine der den Vorleistungen des Versicherten verhältnismäßig entsprechenden Teilhabe. Der Gesetzgeber hat aber auch darauf zu achten, dass nachrückende Generationen in überschaubarer Zukunft ihrerseits Renten in entsprechendem Maße erhalten können. Nicht zuletzt hat er bei seinen Entscheidungen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die öffentlichen Haushalte, die Belastungen der die Beiträge zahlenden Unternehmen und die Lasten aus Steuern und anderen Abgaben einzubeziehen (BSG aaO).
Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in seinem Maßnahmebündel einseitig zu Lasten der Rentnergeneration gehandelt, insbesondere sein weites gesetzgeberisches Handlungsermessen grundrechtswidrig ausgeübt hat.
Mit der zeitlich zum Nachhaltigkeitsfaktor in § 68 Abs. 6 SGB VI eingeführten Schutzklausel hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Anwendung der neuen Rentenformel nicht zu einer Verringerung des aktuellen Rentenwertes führt. Dementsprechend wurde der in Umsetzung der neuen Rentenformel sich ab 01.07.2005 eigentlich auf 25,84 EUR verringernde aktuelle Rentenwert in der Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 vom 06.06.2005 zu Gunsten der aktuellen Rentnergeneration mit dem bisherigen Wert von 26,13 EUR festgeschrieben (s.a. Bt-Ds 242/05 S. 4). Es wurde damit dem auf gesetzgeberischem Verhalten der vergangenen Jahrzehnte beruhenden Vertrauen der Leistungsbezieher auf Nichtkürzung des (Brutto-) Rentenbetrages hinreichend Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Ermessens und seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, ordnend in das Leistungsgefüge der Sozialsysteme einzugreifen, (vgl. BSG und BVerfG aaO) ist eine Verletzung des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit bei der Klägerin nicht erkennbar. Aus der Verfassung ist kein unmittelbarer Anspruch auf eine konkrete Erhöhung zuerkannter Renten bzw. eine bestimmte Rendite im Sinne einer Garantieverzinsung ableitbar (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.03.2007, L 2 R 234/05).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Vorlageentscheidung gemäß Art. 100 GG liegen ebensowenig vor wie die Voraussetzungen für eine Sprungrevision.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Witwenrente nach einem mit Wirkung zum 01.07.2005 erhöhten Rentenwert.
Die 1942 geborene Klägerin bezieht aufgrund des Bescheides vom 10.10.1997 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes ab 14.08.1997 eine große Witwenrente. Mit Bescheid vom 24.05.2005 berechnete die Beklagte diese Rente mit Wirkung ab 01.07.2005 neu und legte dabei als aktuellen Rentenwert den Betrag von monatlich 26,13 EUR zugrunde. Dem widersprach die Klägerin mit dem Vortrag, dass die Nichtanpassung der Renten (Nullrunde) die Renten auszehre und damit in den Eigentumschutz des Art. 14 Grundgesetz (GG) eingreife. Mit Bescheid vom 06.09.2005 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 01.11.2005 (wegen geändertem anzurechnendem Einkommen) unter Beibehaltung des oben genannten Rentenwertes neu. Mit Bescheid vom 18.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der angefochtene Bescheid vom 24.05.2005 setze lediglich die Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 vom 06.06.2005 um.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 19.12.2005. Sie trägt vor, dass bereits im Jahr 2004 aufgrund gesetzlicher Anordnung eine an sich zu erfolgende Rentenanpassung ausgesetzt worden sei. Mit der erneuten "Nullrunde" würden die Rentnerinnen und Renter bereits zum zweiten Mal in Folge keine und innerhalb der letzten 10 Jahre eine nur geringfügige Anpassung der Renten erfahren. Durch diese wiederholten Kürzungen sei sie in ihren grundrechtlichen Positionen aus Art. 14 GG verletzt.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung der Bescheide vom 24.05.2005 und 06.09.2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 ab 01.07. 2005 große Witwenrente unter Zugrundelegung eines höheren aktuellen Rentenwertes als 26,13 EUR zu zahlen.
Hilfsweise beantragt sie,
das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzu- holen.
Weiter hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken unzutreffend seien. Im Übrigen weist sie darauf hin, dass Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen nicht dem Schutz des Art. 14 GG unterfielen. Die schließlich in Betracht zu ziehende Verfassungsnorm des Art. 2 GG sei ebenfalls nicht verletzt.
Mit Beschluss vom 05.04.2006 hat das Gericht das mit der Klage vom 19.12.2005 zugleich erhobene Begehren auf eine Rentenzahlung ohne den zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag von 0,9 v.H. in das Verfahren unter dem Az. S 3 R 4130/06 abgetrennt.
Mit Schreiben vom 23.01.2007 hat das Gericht die Beteiligten darüber informiert, dass es beabsichtige, diesen Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie war ebenso wie die Gerichtsakte dieses Verfahrens Gegenstand der Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides sind gegeben, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Rechte der Beteiligten (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG) wurden gewahrt. Die Klägerin hat sich ausrücklich mit dieser Entscheidungsform einverstanden erklärt.
Gegenstand des Verfahrens ist entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung auch der Bescheid vom 06.09.2005, weil damit mit Wirkung ab 01.11.2005 der Verwaltungsakt vom 24.05.2005 im Sinne von § 96 SGG ersetzt wird.
Die Klage ist unbegründet. Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte in ihren Bescheiden die einfachgesetzlichen Vorgaben (§§ 65, 68, 255e SGB VI) zutreffend umgesetzt hat. Die Klägerin kann ihre gleichwohl erhobene Forderung auf eine ab 01.07.2005 nach einem höheren aktuellen Rentenwert als 26,13 EUR berechnete Witwenrente nicht auf höherrangiges Recht stützen. Die in den Bescheiden zur Anwendung gekommene Rentenformel der §§ 68, 255e Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Normen.
Mit dem Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 hatte der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.08.2004 (Art. 15 Abs. 1 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) in die Formel zur Bestimmung des aktuellen Rentenwertes den sog. Nachhaltigkeitsfaktor (§ 68 Abs. 4 SGB VI) eingefügt. Er gibt die Relation von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern wieder und führt zu einer Berücksichtigung nicht nur der Lebenserwartung sondern auch der Entwicklung der Geburten und der Erwerbstätigkeit (Bt-Ds 15/2149). Der Nachhaltigkeitsfaktor als weiteres Element der Rentenformel beruht auf einem Vorschlag der "Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme" (Rürup-Kommission). Allgemein ausdrückt ist er eine der Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Rentensysteme bei zu erwartenden längeren Rentenlaufzeiten und eher sinkender Anzahl von Beitragszahlern. Letztlich soll damit eine generationengerechte Lastenverteilung bewirkt werden (aaO).
Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor (§§ 68, 255e SGB VI) hat der Gesetzgeber nicht in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Dabei ist unstreitig, weil durch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass Rentenanwartschaften von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfasst und geschützt sind (vgl. BVerfG vom 08.04.1987, Az. u.a. 1 BvR 564/84 mit weiteren Nachweisen). Ob Art. 14 GG darüber einen grundrechtlichen Anspruch auf (regelmäßige) Rentenanpassung bzw. Rentenerhöhung gewährleistet, kann letztlich dahinstehen. Weder das Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 28.04.1999, Az. 1 BvL 32/95) noch das Bundessozialgericht (Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 120/00 R) haben jedenfalls ein unbedingtes subjektiv öffentliches Recht aus Art. 14 GG auf eine (bestimmte) jährliche Rentenerhöhung bejaht. In seiner Entscheidung vom 27.03.2007 (zur Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2004) ließ das BSG (B 13 R 37/06 R) diese verfassungsrechtliche Frage ausdrücklich offen. Der entscheidende Senat betonte gleichwohl, dass selbst bei Einbeziehung des Rechtsinstituts der Rentenanpassung in den Schutzbereich des Art. 14 GG damit "kein absolut wirkendes Verbot, eine (oder mehrerere) Rentenpassung(en) auszusetzen" verbunden wäre.
Auch in diesem Rechtsstreit muss die Frage eines verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruches auf jährliche/regelmäßige Rentenanpassung nicht geklärt werden, weil die Kägerin sich in dieser Streitsache nicht auf Art. 14 GG berufen kann. Wie auch die Beklagte zutreffend ausführt beruht der Bezug einer Witwenrente nämlich nicht auf einer dem Leistungsbezieher zurechenbaren Eigenleistung, sondern stellt vielmehr eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar (BVerfG vom 18.02.1998, Az. u.a. 1 BvR 1318/96 mit weiteren Nachweisen).
Als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab verbleibt somit Art. 2 GG. Er gewährt jedermann das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Anders als bei Art. 14 GG (siehe vorstehend) ist die Klägerin hier in ihren verfassungsrechtlichen Rechten tangiert. Dafür genügt bereits, dass der Gesetzgeber durch Anordnung von Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung die allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung ihrer wirschaftlichen Voraussetzungen nicht unerheblich einengt und beitragsfinanzierte Leistungen durch gesetzgeberische Maßnahmen beeinflusst (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, Az. u.a. 1 BvR 1318/86). Ein konkreter Verfassungsverstoß liegt aber dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber - wie vorliegend - im Rahmen der Schrankenbestimmung von Abs. 1 2. Halbsatz ordnend in das Leistungsgefüge der Sozialversicherung eingreift und die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Vertrauensschutzprinzip nicht widersprechen (aaO).
Eine formelle Verfassungswidrigkeit ist weder dargetan noch erkennbar.
Die Nullrunde 2005 und die gleichzeitige Einführung eines Nachhaltigkeitfaktors verstoßen nicht gegen das Vertrauenschutzprinzip. In seinem oben genannten Beschluss hat das BVerfG festgeschrieben, dass gerade in der Rentenversicherung von vornherein die Möglichkeit zur Anpassung an geänderte Verhältnisse angelegt ist. Dabei hat der Gesetzgeber unterschiedliche Gemeinwohlbelange und zum Teil gegenläufige Grundrechtspositionen zum Ausgleich zu bringen (BSG vom 31.07.2002, B 4 RA 120/00 R).
Die gegenwärtige und künftige Sicherung der sozialen Systeme insbesondere im Bereich der Alterssicherung berührt die Belange der noch im Erwerbsleben stehenden Versicherten ebenso wie die Interessen der aktuellen Rentnergeneration. Weil die Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung im sog. Umlageverfahren erfolgt, sind beide Seiten in besonderer Weise voneinander abhängig (sog. Generationenvertrag). Geburten- und Erwerbstätigenrückgang prägen und gestalten den demographischen Wandel ebenso wie eine verlängerte Lebenserwartung. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zur Lösung der Finanzierungsprobleme der Sozialsysteme eine generationengerechte Lastenverteilung angestrebt hat (zu den verschiedenen Maßnahmen betreffend die Leistungsbezieher einerseits und die Beitragszahler andererseits vgl. "Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung".B).
Der Bezieher von (Hinterbliebenen-) Rentenleistungen hat ein durch Art. 2 GG geschütztes Recht auf eine der den Vorleistungen des Versicherten verhältnismäßig entsprechenden Teilhabe. Der Gesetzgeber hat aber auch darauf zu achten, dass nachrückende Generationen in überschaubarer Zukunft ihrerseits Renten in entsprechendem Maße erhalten können. Nicht zuletzt hat er bei seinen Entscheidungen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die öffentlichen Haushalte, die Belastungen der die Beiträge zahlenden Unternehmen und die Lasten aus Steuern und anderen Abgaben einzubeziehen (BSG aaO).
Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in seinem Maßnahmebündel einseitig zu Lasten der Rentnergeneration gehandelt, insbesondere sein weites gesetzgeberisches Handlungsermessen grundrechtswidrig ausgeübt hat.
Mit der zeitlich zum Nachhaltigkeitsfaktor in § 68 Abs. 6 SGB VI eingeführten Schutzklausel hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Anwendung der neuen Rentenformel nicht zu einer Verringerung des aktuellen Rentenwertes führt. Dementsprechend wurde der in Umsetzung der neuen Rentenformel sich ab 01.07.2005 eigentlich auf 25,84 EUR verringernde aktuelle Rentenwert in der Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 vom 06.06.2005 zu Gunsten der aktuellen Rentnergeneration mit dem bisherigen Wert von 26,13 EUR festgeschrieben (s.a. Bt-Ds 242/05 S. 4). Es wurde damit dem auf gesetzgeberischem Verhalten der vergangenen Jahrzehnte beruhenden Vertrauen der Leistungsbezieher auf Nichtkürzung des (Brutto-) Rentenbetrages hinreichend Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund des weiten gesetzgeberischen Ermessens und seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, ordnend in das Leistungsgefüge der Sozialsysteme einzugreifen, (vgl. BSG und BVerfG aaO) ist eine Verletzung des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit bei der Klägerin nicht erkennbar. Aus der Verfassung ist kein unmittelbarer Anspruch auf eine konkrete Erhöhung zuerkannter Renten bzw. eine bestimmte Rendite im Sinne einer Garantieverzinsung ableitbar (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.03.2007, L 2 R 234/05).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Vorlageentscheidung gemäß Art. 100 GG liegen ebensowenig vor wie die Voraussetzungen für eine Sprungrevision.
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