S 6 AS 424/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 424/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes II in dem Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2007 streitig (hier: Absenkung der Leistungen um 30 % der Regelleistung zuzüglich des Arbeitslosengeld-II-Zuschlages gemäß § 24 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) (Absenkungsbetrag insgesamt: 618,00 EUR)).

Der am 1948 geborene Kläger erhält von der Beklagten seit dem 22.02.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

In einem persönlichen Gespräch am 12.09.2006 bot die Beklagte ihm eine Eingliederungsvereinbarung an. Nach dem Gespräch händigte sie ihm diese mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen aus und forderte ihn auf, sie am 29.09.2006 unterschrieben zurückzugeben. Nachdem der Kläger die Eingliederungsvereinbarung bis Ende November 2006 nicht unterschrieben vorgelegt hatte, ersetzte die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2006 diese durch einen Verwaltungsakt (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Mit Bescheid vom 18.12.2006 senkte sodann die Beklagte die Leistungen des Klägers für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.03.2007 um 30 % der Regelleistung unter Wegfall des Arbeitslosengeld-II-Zuschlages nach § 24 SGB II ab. Der Kläger habe sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II). Gegen den die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt legte der Kläger am 22.12.2006 Widerspruch bei der Beklagten ein. Diesen begründet er damit, dass der Erlass des Verwaltungsaktes nicht notwendig sei, da es sich lediglich um ein Missverständnis handele. Er weigere sich nämlich nicht, die Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Vielmehr habe er lediglich vergessen, diese rechtzeitig unterschrieben zurückzusenden. Ihm als Analphabet sei es nicht möglich gewesen, die Eingliederungsvereinbarung sofort zu unterschreiben. Deshalb sei sie ihm mitgegeben worden. Zum gleichen Zeitraum sei sein Haus versteigert worden. Er sei nach wie vor bereit, jederzeit die Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Am 29.12.2006 wandte sich der Kläger mit Widerspruch auch gegen den Sanktionsbescheid der Beklagten vom 18.12.2006. In diesem Widerspruch wiederholte er nochmals, dass er sich nicht weigere, die Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Er habe nur vergessen, diese rechtzeitig zu unterschreiben und abzugeben. Erst mit dem Schreiben vom 18.12.2006 sei er darauf aufmerksam gemacht worden. Inzwischen sei auch ein Verwaltungsakt über denselben Inhalt der Vereinbarung erlassen worden. Da der Verwaltungsakt noch nicht rechtskräftig sei, bestehe die Möglichkeit, die Eingliederungsvereinbarung sozusagen wieder aufleben zu lassen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 zurück. Die Eingliederungsvereinbarung sei nicht innerhalb der gesetzten Frist unterschrieben zurückgereicht worden. Ein wichtiger Grund für die Nichtrückgabe der Eingliederungsvereinbarung sei nicht erkennbar. Ein Vergessen stelle keinen wichtigen Grund dar.

Dagegen hat der Kläger am 02.05.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung hat er mit Schriftsatz vom 04.06.2007 vorgetragen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, die Eingliederungsvereinbarung selbstständig zu unterzeichnen. Sie sei mündlich erläutert worden, und er habe der Vereinbarung auch mündlich zugestimmt. Lediglich die schriftliche Unterzeichnung habe nicht vorgelegen. Aufgrund seines Handicaps (Analphabet) und auch seiner Erkrankungen sowie der gleichzeitig mit Fristablauf zur Abgabe der Eingliederungsvereinbarung stattgefundenen Versteigerung seines Hauses sei es ihm nicht möglich gewesen, die Unterzeichnung des Dokumentes zu leisten. Darauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.06.2007 geantwortet. In der Nichteinreichung der Eingliederungsvereinbarung sei die Weigerung zum Nichtabschluss dieser zu erkennen. Hierdurch habe der Kläger stillschweigend keine Bereitschaft gezeigt, eine solche abzuschließen. Der Kläger habe gewusst, dass er die Eingliederungsvereinbarung unterschreiben müsse. Dies sei ihm mündlich erklärt worden. Soweit er nun erkläre, dass er mit der Eingliederungsvereinbarung einverstanden gewesen sei, sie jedoch nur nicht unterzeichnen habe können, da er Analphabet sei, sei dies nicht nachvollziehbar. Wenn er sofort mit dem Inhalt der Eingliederungsvereinbarung einverstanden gewesen wäre, hätte er sie auch sofort unterzeichnen können. Zum einen sei er zusammen mit seiner Ehefrau im Termin am 12.09.2006 anwesend gewesen, so dass diese ihn insoweit hätte unterstützen können. Zum anderen habe der Kläger seit der ersten Antragstellung seine Schreiben sowie auch die erste Eingliederungsvereinbarung eigenständig unterzeichnet. Auch die Klagebegründung vom 04.06.2007 sei vom Kläger selbst unterzeichnet worden. Durch die Mitgabe der Eingliederungsvereinbarung sei dem Kläger Gelegenheit gegeben worden, sich mit dem Inhalt nochmals vertraut zu machen. Zudem seien auch die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eigenbemühungen durch den Kläger nicht erfüllt worden. Wenn er, wie er in der Klagebegründung schilderte, der Eingliederungsvereinbarung zugestimmt habe, hätte er u.a. eine Eigenbemühungsliste führen sollen und sich monatlich bei 5 Arbeitgebern für 3 Monate bewerben sollen. Dieser Verpflichtung ist er nach Aktenlage und nach Aussage seiner zuständigen Vermittlerin ebenfalls nicht nachgekommen. Somit erfülle sein Verhalten auch den Sanktionstatbestand nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II. Hierzu hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 15.07.2007 geäußert und ausgeführt, dass seine Vermittlerin ausdrücklich darauf bestanden habe, dass er die Eingliederungsvereinbarung mit nach Hause nehme. Des Weiteren sei zu bemerken, dass er zum damaligen Zeitpunkt bereits eine Arbeit auf 400,00-EUR-Basis angenommen hatte, d.h. die Eingliederungsvereinbarung in dieser Form wäre sowieso nicht mehr notwendig gewesen. Zum Abgabetermin sei auch sein Haus versteigert worden. Wichtige Gründe für die Nichtabgabe der Eingliederungsvereinbarung lägen damit vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2007 beantragt der nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Sanktionsbescheid der Beklagten vom 18.12.2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2007 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Trotz der fehlenden notwendigen Anhörung vor Erlass des Sanktionsbescheides gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ist der Bescheid formell rechtmäßig, da dieser Mangel durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren hatte der Kläger nämlich Gelegenheit, "das letzte Wort der Verwaltung zur Sache noch zu beeinflussen" (siehe Bundessozialgericht - BSG -, 26.09.1991, 4 RK 4/91, BSGE 69, S. 247).

Auch materiell begegnet der Absenkungsbescheid der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage für die durchgeführte Leistungsabsenkung für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.03.2007 ist hier § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II. Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Am 12.09.2006 ist nämlich dem Kläger der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen bei Weigerung angeboten worden. Diese Eingliederungsvereinbarung enthält Bestimmungen, wie sie von § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II vorgesehen sind, so dass an der Rechtmäßigkeit der angebotenen Eingliederungsvereinbarung keine Zweifel bestehen. Nach Überzeugung des Gerichts hat sich der Kläger sodann geweigert, dieses abschließende Angebot der Beklagten anzunehmen. Für ein Weigern ist nicht erforderlich, dass der Hilfebedürftige dies ausdrücklich erklärt. Vielmehr kann sich seine Nichtannahme der Eingliederungsvereinbarung auch konkludent aus seinem Verhalten ergeben (vgl. Berlit in LPK-SGB II, § 31 Rdz 25). Indem der Kläger die ihm mitgegebene Eingliederungsvereinbarung weder zum festgesetzten Termin am 29.09.2006 noch danach unterschrieben zurückgegeben hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er mit dieser nicht einverstanden ist und diese nicht annehmen wolle. Nicht überzeugend ist dagegen der Vortrag des Klägers, dass er bereits im persönlichen Gespräch am 12.09.2006 erklärt habe, die Eingliederungsvereinbarung abschließen zu wollen. Wie die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen hat, hätte dann der Kläger gegebenenfalls mit Unterstützung seiner Ehefrau bereits vor Ort die Eingliederungsvereinbarung unterschreiben können. Die Mitgabe der Eingliederungsvereinbarung spricht vielmehr dafür, dass der Kläger sich eine Überlegungsfrist ausbedungen hat bzw. ihm eine solche eingeräumt worden ist. Es wäre dann Sache des Klägers gewesen, innerhalb der ihm eingeräumten Überlegungsfrist durch Unterschreiben der Eingliederungsvereinbarung zu erklären, dass er dieses Angebot annehme. Dies hat der Kläger jedoch nicht getan. Entschuldigungsgründe für sein Verhalten sind nicht erkennbar. Weder der Versteigerungstermin seines Hauses zum 29.09.2006 noch der von ihm angeführte 400,00-EUR-Job können als Entschuldigungsgrund oder als wichtiger Grund für die Nichtunterzeichnung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden. So wäre es dem Kläger zum einen möglich gewesen, die Eingliederungsvereinbarung vor Ablauf des 29.09.2006 zurückzugeben, dies um so mehr, da der Kläger selbst vorgetragen hat, mit dieser einverstanden gewesen zu sein. Insoweit wäre er gar nicht darauf angewiesen gewesen, den Ablauf der Überlegungsfrist abzuwarten. Zum anderen hat der Kläger auch nach Versteigerung des Hauses die Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben nachgereicht. Durch den Vortrag, dass die Eingliederungsvereinbarung nicht notwendig gewesen sei im Hinblick auf seine Tätigkeit auf 400,00-EUR-Basis wird darüber hinaus ein Erklärungsgrund für die Nichtabgabe der Eingliederungsvereinbarung angegeben. Der Kläger hat angesichts seiner Tätigkeit danach keine Notwendigkeit gesehen, mit der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Dabei verkennt der Kläger, dass durch diese Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit nicht entfallen ist und er weiter im Leistungsbezug der Beklagten steht. Damit war die Beklagte auch gesetzlich angehalten, ihm entsprechend § 15 SGB II eine Eingliederungsvereinbarung anzubieten. Der 400,00-EUR-Job des Klägers stellt also keinen wichtigen Grund dar, sich einer Eingliederungsvereinbarung zu entziehen. Wie die Beklagte sodann nach Auffassung des Gerichts zur Beweiswürdigung richtigerweise weiter vorgetragen hat, ist auch mitzuberücksichtigen, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung, er sei mit der Eingliederungsvereinbarung einverstanden gewesen, die ihm hierin auferlegten Pflichten nicht erfüllt hat. So liegt dem Gericht keine Eigenbemühungsliste des Klägers vor und auch nicht mindestens 5 Bewerbungen pro Monat. Die Gesamtwürdigung dieser Tatsachen ergibt eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger die Auffassung vertreten hat, dass er angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen sowie seiner Tätigkeit auf 400,00-EUR-Basis nicht verpflichtet werden könne, noch eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Deshalb hat er die Eingliederungsvereinbarung nach Überzeugung des Gerichts auch nicht unterschrieben zurückgegeben und sich damit geweigert, ohne einen wichtigen Grund hierfür nachweisen zu können, die ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Der Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II war damit erfüllt. Die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion ist auch nicht in der Höhe oder hinsichtlich des gelegten Zeitraumes rechtlich zu beanstanden. Sie entspricht vielmehr insoweit der Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 iVm § 31 Abs. 6 SGB II.

Insgesamt war daher die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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