Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1420/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 741/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt einen fünfjährigen auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraus. Leistungen nach dem SGB II scheiden gem. 7 Abs. 1 S.2 Nr. 2 SGB II aus. Leistungen nach dem SGB XII scheiden aus, da die Klägerin erwerbsfähig ist.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 11. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 wird abgewiesen.
II. Der Hilfsantrag wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.09.2015 bis 29.02.2016.
Die am 1981 geborene Klägerin lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern R. M., geboren 2013, und A. N., geboren 2015. Sie erhielt bis 30.09.2015 Leistungen nach dem SGB II (zuletzt bewilligt am 29.04.2015).
Am 02.09.2015 ging ein Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten ein. Dieser betraf den Zeitraum Oktober 2015 bis September 2016. Mit Schreiben vom 10.09.2015 forderte der Beklagte von der Klägerin weitere Angaben. Die Klägerin wurde aufgefordert, umgehend einen Antrag auf Kindergeld bei der Familienkasse A-Stadt zu stellen. Mit Bescheid vom 11.09.2015 wurde der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf den Antrag vom 02.09.2015 abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche habe. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Aus der beigezogenen Akte des Ausländeramtes der Stadt A-Stadt ergibt sich, dass die Klägerin rumänische Staatsangehörige ist. Laut Meldebescheinigung vom 22.04.2010 ist sie am 15.01.2010 in die A.-straße in O. eingezogen. Sie gab an, dass sie zu Besuch bei einer Familie H. unter der genannten Adresse sei, und zwar für länger als drei Monate. Daraufhin wurde die Klägerin vom Landratsamt Unterallgäu am 11.05.2010 mit der Bitte angeschrieben, mitzuteilen, aus welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt bestreite und ob sie einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz habe sowie den Nachweis hierüber einzureichen. Der Brief kam zurück mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln."
Es wurde dann ermittelt, dass die Klägerin am 10.05.2010 in B. in den O.-Weg eingezogen sei. Daraufhin übersandte das G. an diese Adresse einen Fragebogen, mit dem entweder eine Arbeitgeberbescheinigung oder Erklärung und Nachweis über den Lebensunterhalt und die Bestätigung über bestehenden Krankenversicherungsschutz angefordert wurde. Auch dieser Brief kam am 09.06.2010 mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.
Am 06.05.2011 wurde dem Landratsamt Unterallgäu der Zuzug der Klägerin nach W. in die O.-straße gemeldet. Daraufhin wurde die Klägerin erneut mit der Bitte angeschrieben, den Nachweis über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende finanzielle Mittel zu übersenden. Die Klägerin gab mit Schreiben vom 21.06.2011 an, dass sie zu ihrem Lebenspartner N. H. in O. ziehe. Mit Schreiben vom 11.07.2011 teilte das Landratsamt Unterallgäu der Klägerin mit, dass sie sich als rumänische Staatsangehörige bis zu drei Monaten zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten dürfe. Erneut wurde sie aufgefordert, einen Nachweis über ausreichende eigene finanzielle Mittel für ihren Lebensunterhalt und über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz in Deutschland zu erbringen.
Am 10.01.2013 ging die Anmeldung der Klägerin unter der Adresse F.weg in A-Stadt bei der Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt ein. Sie wohne seit drei Wochen in A-Stadt. Die Frage, seit wann sie sich in Deutschland aufhalte, wurde nicht beantwortet. Sie erhielt eine Bescheinigung zur Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU). Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie zur Aufnahme einer unselbstständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis/EU oder eine Arbeitsberechtigung/EU benötige. Laut Auskunft von Bad G. habe sie bis zum 15.10.2012 in W. gewohnt.
Am 08.11.2013 stellte die Klägerin Antrag auf Arbeitslosengeld II. Ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma G. war zum 30.09.2013 gekündigt worden. Laut Lohn-/Gehaltsabrechnung verdiente die Klägerin 720 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 18.12.2013 wurden der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.11.2013 bis 31.03.2014 Leistungen bewilligt. Zu dieser Zeit wohnte die Klägerin in der K.straße in A-Stadt. Am 09.01.2014 teilte die Klägerin mit, dass sie zum 01.02.2014 in die A-Straße verziehen möchte.
Mit Bescheid vom 14.01.2014 bewilligte die Stadt A-Stadt für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2019 Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Des Weiteren wurde der Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2013 Elterngeld bewilligt. Mit Bescheid vom 23.01.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02.2014 bis 31.03.2014 unter Anrechnung des Elterngeldes.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag zum 18.02.2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 weiterhin Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft. Des Weiteren wurden mit Bescheid vom 19.03.2014 Leistungen für die Wohnungserstausstattung in Höhe von 2.010 EUR bewilligt. Am 26.08.2014 ging Weiterbewilligungsantrag der Klägerin ein. Mit Bescheid vom 28.08.2014 wurden für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 weiter Leistungen bewilligt. Mit Bescheid vom 15.10.2014 bewilligte das Zentrum Bayern Familie und Soziales Betreuungsgeld für den Zeitraum 13.11.2014 bis 12.09.2016 in Höhe von 150 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 03.03.2015 wurden erneut Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Mit Schreiben vom 18.02.2015 teilte die Klägerin mit, dass sie erneut schwanger sei. Sie erhielt daraufhin Leistungen für Schwangerschaftsbekleidung und Erstausstattung bei Geburt. Am 2015 wurde A. N. geboren. Nach Angaben der Klägerin ist auch der Vater dieses Kindes nicht bekannt. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag hin wurden dann mit Bescheid vom 11.09.2015 Leistungen abgelehnt.
Hiergegen legte der Klägerbevollmächtigte am 07.10.2015 Widerspruch ein. Die Klägerin habe einen Anspruch auf eine Daueraufenthaltserlaubnis. Insoweit müsse hier mindestens die Rechtsprechung zur Höhe des Existenzminimums für Asylsuchende dementsprechend angewandt werden. Die Antragstellerin sei seit 2009 in der Bundesrepublik Deutschland. In A-Stadt sei sie erwerbstätig gewesen. Aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers sei die Erwerbstätigkeit unvermittelt beendet worden. Der Beklagte holte eine Auskunft der Verwaltungsgemeinschaft Bad G. ein. Danach sei die Klägerin am 15.10.2012 v.A.w. nach Rumänien abgemeldet worden. Seit dem 01.09.2013 sei sie wieder in A-Stadt gemeldet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.09.2015 zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Insbesondere habe sie nicht das geltend gemachte Daueraufenthaltsrecht erlangt, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Nachweise enthielten eine Lücke. Am 01.05.2011 erfolgte eine Zuzugsmeldung in die O.-straße in W ... Am 01.09.2013 erfolgte dann eine Zuzugsmeldung in den F.weg in A-Stadt. Es sei kein Nachweis zum Wegzug aus W. vorgelegt worden. Auf Nachfrage bei der Ausländerbehörde in Bad G. habe diese mitgeteilt, dass die Klägerin zum 15.10.2012 v.A.w. nach Rumänien abgemeldet worden sei. Daher sei der Aufenthalt in Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre für längere Zeit unterbrochen, so dass schon deshalb kein Daueraufenthaltsrecht erlangt werden konnte. Zudem reiche für ein Daueraufenthaltsrecht nicht der reine Zeitablauf aus, sondern dem Aufenthalt müsse jeweils auch ein Aufenthaltsrecht zu Grunde gelegen haben, d.h., es müsse jeweils ein Freizügigkeitsgrund im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU vorliegen. Dies sei schon nicht mehr zu prüfen, da die zeitliche Komponente nicht erfüllt sei. Es liege kein Freizügigkeitsrecht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) sei von einem Leistungsausschluss auszugehen, welcher planwidrig vom Gesetzgeber im SGB II nicht formuliert worden sei, aber dennoch gelte. Sollte die Klägerin nur zur Arbeitssuche in Deutschland sein, sei sie und ihre Familie ebenfalls von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 28.12.2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Augsburg ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin im Jahre 2009 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und seither hier wohne. Zunächst habe sie bei Herrn N. H. gewohnt. Ende September 2012 bzw. Oktober 2012 habe sich die Klägerin von Herrn H. getrennt und sei nach A-Stadt gezogen. Sie habe 6 1/2 Monate als Reinigungskraft gearbeitet. Der Mutterschutz habe am 29.07.2013 begonnen, am 2013 sei die Tochter der Klägerin, R. A., geboren worden. Die Klägerin habe ihren Aufenthalt in Deutschland nicht unterbrochen. Die Zwangsummeldung nach Rumänien am 15.10.2012 sei deshalb geschehen, da der bisherige Lebensgefährte der Klägerin diese abgemeldet habe. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch in Deutschland gewohnt. Der älteste Sohn der Klägerin lebe in Rumänien bei seiner Großmutter. Diese habe das Kind nach Deutschland begleitet, um die Klägerin zu besuchen. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis nicht fortsetzen können, da die vormalige Arbeitgeberin der Klägerin mittlerweile in Insolvenz gefallen sei. Maßgeblich sei nur der tatsächliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach Ablauf der Elternzeit möchte die Klägerin eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Im Beweisaufnahmetermin vom 22.03.2016 wurde die Zeugin E. vernommen. Diese bestätigte insbesondere, dass die Klägerin Ende September 2012 in A-Stadt gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 22.03.2016 verwiesen.
Der Zeuge H. konnte nicht vernommen werden, da die aktuelle Adresse vom Gericht nicht ermittelt werden konnte.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2016 bekräftigte die Klägerin nochmals, dass die Väter ihrer Kinder nicht bekannt sind. Des Weiteren gab sie an, dass sie bis Ende 2012 in W. bei Herrn H. gewohnt habe; Sohn A.-B. A. lebe seit 14.08.2016 in A-Stadt.
In der mündlichen Verhandlung beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin,
den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetz-licher Höhe zu gewähren.
Hilfsweise beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin,
die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin ab Dezember 2015 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu gewähren.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Vertreter der Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Ver-waltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie kann auch keine Leistungen von der Beigeladenen beanspruchen.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den streitbefangenen Zeitraum ab September 2015 zu gewähren.
Die Klägerin erfüllt grundsätzlich die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Insbesondere ist sie hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 und 2 SGB II. Jedoch ist die Klägerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Klägerin verfügt über kein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche.
Die Klägerin ist als Unionsbürgerin zwar grundsätzlich freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt besteht aber nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Maßgabe dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU). Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU neben Arbeitnehmern (Nr. 1) und niedergelassenen selbstständigen Erwerbstätigen (Nr. 2) auch Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten, zunächst für die Dauer von sechs Monaten, darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (Nr. 1a). Familienangehörige von Unionsbürgern haben unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 33 FreizügG/EU ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht. Gemäß § 4 FreizügG/EU haben nichterwerbstätige Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie bei ausreichendem Krankenversicherungsschutz über ausreichende Existenzmittel verfügen.
§ 4 FreizügG/EU entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1b der Richtlinie 2004/38, wonach für nichterwerbstätige Unionsbürger nach dem Ablauf von drei Monaten ein Aufenthaltsrecht nur unter der Bedingung fortbesteht, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 07.09.2004, RS.C 456/02-Trojani).
§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU scheidet aus, da die Klägerin nach eigenen Angaben nicht arbeitsuchend ist, sondern sich der Erziehung ihrer jüngeren Tochter, geboren 2015, widmen möchte. Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, da sie bei ihrem Arbeitgeber weniger als ein Jahr beschäftigt war und dies länger als sechs Monate zurückliegt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU). Somit hat die Klägerin keine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU. Sie kann sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen. Insbesondere hat sie kein Daueraufenthaltsrecht erworben.
Die Klägerin verfügt über kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 4a FreizügG/EU. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Ein ständiger Aufenthalt von fünf Jahren genügt allein nicht zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU; vielmehr muss ein Unionsbürger in diesem Zeitraum auch durchgehend materiell aufenthaltsberechtigt gewesen sein. Mit dem Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts wird auf die materiellen Freizügigkeitsvoraussetzungen abgestellt und somit unionsrechtlich vorausgesetzt, dass der Betreffende während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Artikels 7 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG, die durch das FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt worden sind, erfüllt hat (vgl. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen vom 11.04.2016, Az: L 19 AS 555/15 mit weiteren Nachweisen).
Der fünfjährige Aufenthalt eines Unionsbürgers verbunden mit der im FreizügG/EU enthaltenen generellen Freizügigkeitsvermutung begründet daher allein kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU und steht auch nicht einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU entgegen (vgl. Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt vielmehr einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraus. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland seit 15.01.2010 hat sie nicht ununterbrochen über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken. Die Ausländerakte stützt diese Auffassung, da aus der Akte hervorgeht, dass zwar häufiger hinsichtlich des Lebensunterhalts sowie der Krankenversicherung nachgefragt wurde, dann jedoch von Seiten der Klägerin, soweit aus der Akte ersichtlich, keinerlei Antwort erfolgte. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie von ihrem damaligen Lebensgefährten, Herrn H., abhängig gewesen sei, weil sie kein eigenes Geld hatte. Sie habe nicht bestimmen dürfen, wo sie wohnen. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin über keine ausreichenden Existenzmittel verfügte, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken. Auch Herr H. hat keine entsprechenden verbindlichen Erklärungen abgegeben. Anhaltspunkte für ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nach dem AufenthG entsprechende der Günstigkeitsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht. Die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus § 25 AufenthG sind nicht gegeben. Insbesondere kann die Klägerin kein Aufenthaltsrecht ableiten, da sie hier zwei Kinder geboren hat, deren Väter ihr unbekannt sind. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob dies tatsächlich so ist. Dies ist an dieser Stelle nicht zu prüfen.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist mit unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R mit weiteren Nachweisen, und vom 20.01.2016, B 14 AS 35/5 R mit weiteren Nachweisen). Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss bestehen nicht (vgl. BSG, a.a.O.). Die Klage war deshalb im Hauptantrag abzuweisen.
Auch der Hilfsantrag ist abzuweisen. Wie bereits das SG Berlin in seiner Entscheidung vom 11.12.2015 (S 149 AS 7191/13) ausgeführt hat, bestimmt § 21 Satz 1 SGB XII, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt wären, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Dies gilt auch für erwerbsfähige EU-Bürger, deren SGB-II-Anspruch wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Denn die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige an. Der diesbezüglich anderen Auffassung des BSG im Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15) kann nicht gefolgt werden. Die Rechtsauffassung des SG Berlin wurde inzwischen auch durch das LSG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 11.02.2016 (L 3 AS 668/15 B ER) bestätigt. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII regelt, dass Ausländern, die sich immer im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten ist. Dem steht jedoch § 21 SGB XII entgegen. Die Klägerin ist unstreitig erwerbsfähig. Sie erhält deshalb keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die nicht erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, ihre minderjährigen in Deutschland geborenen Kinder, erhalten für ihren Lebensunterhalt Kindergeld und Leistungen nach dem UVG. Damit ist deren Bedarf zum Lebensunterhalt gedeckt. Der nun Mitte August nach Deutschland eingereiste minderjährige Sohn der Klägerin hält sich derzeit nur besuchsweise in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zwar ist es der erklärte Wille der Klägerin, dass er auf Dauer in Deutschland verbleibt. Ob dies ausländerrechtlich bereits geklärt ist, ist hier jedoch nicht Streitgegenstand, da Streitgegenstand nur der Zeitraum bis 29.02.2016 ist.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzuweisen.
II. Der Hilfsantrag wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.09.2015 bis 29.02.2016.
Die am 1981 geborene Klägerin lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern R. M., geboren 2013, und A. N., geboren 2015. Sie erhielt bis 30.09.2015 Leistungen nach dem SGB II (zuletzt bewilligt am 29.04.2015).
Am 02.09.2015 ging ein Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten ein. Dieser betraf den Zeitraum Oktober 2015 bis September 2016. Mit Schreiben vom 10.09.2015 forderte der Beklagte von der Klägerin weitere Angaben. Die Klägerin wurde aufgefordert, umgehend einen Antrag auf Kindergeld bei der Familienkasse A-Stadt zu stellen. Mit Bescheid vom 11.09.2015 wurde der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf den Antrag vom 02.09.2015 abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche habe. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Aus der beigezogenen Akte des Ausländeramtes der Stadt A-Stadt ergibt sich, dass die Klägerin rumänische Staatsangehörige ist. Laut Meldebescheinigung vom 22.04.2010 ist sie am 15.01.2010 in die A.-straße in O. eingezogen. Sie gab an, dass sie zu Besuch bei einer Familie H. unter der genannten Adresse sei, und zwar für länger als drei Monate. Daraufhin wurde die Klägerin vom Landratsamt Unterallgäu am 11.05.2010 mit der Bitte angeschrieben, mitzuteilen, aus welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt bestreite und ob sie einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz habe sowie den Nachweis hierüber einzureichen. Der Brief kam zurück mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln."
Es wurde dann ermittelt, dass die Klägerin am 10.05.2010 in B. in den O.-Weg eingezogen sei. Daraufhin übersandte das G. an diese Adresse einen Fragebogen, mit dem entweder eine Arbeitgeberbescheinigung oder Erklärung und Nachweis über den Lebensunterhalt und die Bestätigung über bestehenden Krankenversicherungsschutz angefordert wurde. Auch dieser Brief kam am 09.06.2010 mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.
Am 06.05.2011 wurde dem Landratsamt Unterallgäu der Zuzug der Klägerin nach W. in die O.-straße gemeldet. Daraufhin wurde die Klägerin erneut mit der Bitte angeschrieben, den Nachweis über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende finanzielle Mittel zu übersenden. Die Klägerin gab mit Schreiben vom 21.06.2011 an, dass sie zu ihrem Lebenspartner N. H. in O. ziehe. Mit Schreiben vom 11.07.2011 teilte das Landratsamt Unterallgäu der Klägerin mit, dass sie sich als rumänische Staatsangehörige bis zu drei Monaten zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten dürfe. Erneut wurde sie aufgefordert, einen Nachweis über ausreichende eigene finanzielle Mittel für ihren Lebensunterhalt und über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz in Deutschland zu erbringen.
Am 10.01.2013 ging die Anmeldung der Klägerin unter der Adresse F.weg in A-Stadt bei der Ausländerbehörde der Stadt A-Stadt ein. Sie wohne seit drei Wochen in A-Stadt. Die Frage, seit wann sie sich in Deutschland aufhalte, wurde nicht beantwortet. Sie erhielt eine Bescheinigung zur Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU). Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie zur Aufnahme einer unselbstständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis/EU oder eine Arbeitsberechtigung/EU benötige. Laut Auskunft von Bad G. habe sie bis zum 15.10.2012 in W. gewohnt.
Am 08.11.2013 stellte die Klägerin Antrag auf Arbeitslosengeld II. Ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma G. war zum 30.09.2013 gekündigt worden. Laut Lohn-/Gehaltsabrechnung verdiente die Klägerin 720 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 18.12.2013 wurden der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.11.2013 bis 31.03.2014 Leistungen bewilligt. Zu dieser Zeit wohnte die Klägerin in der K.straße in A-Stadt. Am 09.01.2014 teilte die Klägerin mit, dass sie zum 01.02.2014 in die A-Straße verziehen möchte.
Mit Bescheid vom 14.01.2014 bewilligte die Stadt A-Stadt für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2019 Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Des Weiteren wurde der Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2013 Elterngeld bewilligt. Mit Bescheid vom 23.01.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02.2014 bis 31.03.2014 unter Anrechnung des Elterngeldes.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag zum 18.02.2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 weiterhin Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft. Des Weiteren wurden mit Bescheid vom 19.03.2014 Leistungen für die Wohnungserstausstattung in Höhe von 2.010 EUR bewilligt. Am 26.08.2014 ging Weiterbewilligungsantrag der Klägerin ein. Mit Bescheid vom 28.08.2014 wurden für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 weiter Leistungen bewilligt. Mit Bescheid vom 15.10.2014 bewilligte das Zentrum Bayern Familie und Soziales Betreuungsgeld für den Zeitraum 13.11.2014 bis 12.09.2016 in Höhe von 150 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 03.03.2015 wurden erneut Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Mit Schreiben vom 18.02.2015 teilte die Klägerin mit, dass sie erneut schwanger sei. Sie erhielt daraufhin Leistungen für Schwangerschaftsbekleidung und Erstausstattung bei Geburt. Am 2015 wurde A. N. geboren. Nach Angaben der Klägerin ist auch der Vater dieses Kindes nicht bekannt. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag hin wurden dann mit Bescheid vom 11.09.2015 Leistungen abgelehnt.
Hiergegen legte der Klägerbevollmächtigte am 07.10.2015 Widerspruch ein. Die Klägerin habe einen Anspruch auf eine Daueraufenthaltserlaubnis. Insoweit müsse hier mindestens die Rechtsprechung zur Höhe des Existenzminimums für Asylsuchende dementsprechend angewandt werden. Die Antragstellerin sei seit 2009 in der Bundesrepublik Deutschland. In A-Stadt sei sie erwerbstätig gewesen. Aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers sei die Erwerbstätigkeit unvermittelt beendet worden. Der Beklagte holte eine Auskunft der Verwaltungsgemeinschaft Bad G. ein. Danach sei die Klägerin am 15.10.2012 v.A.w. nach Rumänien abgemeldet worden. Seit dem 01.09.2013 sei sie wieder in A-Stadt gemeldet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.09.2015 zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU. Insbesondere habe sie nicht das geltend gemachte Daueraufenthaltsrecht erlangt, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Nachweise enthielten eine Lücke. Am 01.05.2011 erfolgte eine Zuzugsmeldung in die O.-straße in W ... Am 01.09.2013 erfolgte dann eine Zuzugsmeldung in den F.weg in A-Stadt. Es sei kein Nachweis zum Wegzug aus W. vorgelegt worden. Auf Nachfrage bei der Ausländerbehörde in Bad G. habe diese mitgeteilt, dass die Klägerin zum 15.10.2012 v.A.w. nach Rumänien abgemeldet worden sei. Daher sei der Aufenthalt in Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre für längere Zeit unterbrochen, so dass schon deshalb kein Daueraufenthaltsrecht erlangt werden konnte. Zudem reiche für ein Daueraufenthaltsrecht nicht der reine Zeitablauf aus, sondern dem Aufenthalt müsse jeweils auch ein Aufenthaltsrecht zu Grunde gelegen haben, d.h., es müsse jeweils ein Freizügigkeitsgrund im Sinne des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU vorliegen. Dies sei schon nicht mehr zu prüfen, da die zeitliche Komponente nicht erfüllt sei. Es liege kein Freizügigkeitsrecht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) sei von einem Leistungsausschluss auszugehen, welcher planwidrig vom Gesetzgeber im SGB II nicht formuliert worden sei, aber dennoch gelte. Sollte die Klägerin nur zur Arbeitssuche in Deutschland sein, sei sie und ihre Familie ebenfalls von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Hiergegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 28.12.2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Augsburg ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin im Jahre 2009 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und seither hier wohne. Zunächst habe sie bei Herrn N. H. gewohnt. Ende September 2012 bzw. Oktober 2012 habe sich die Klägerin von Herrn H. getrennt und sei nach A-Stadt gezogen. Sie habe 6 1/2 Monate als Reinigungskraft gearbeitet. Der Mutterschutz habe am 29.07.2013 begonnen, am 2013 sei die Tochter der Klägerin, R. A., geboren worden. Die Klägerin habe ihren Aufenthalt in Deutschland nicht unterbrochen. Die Zwangsummeldung nach Rumänien am 15.10.2012 sei deshalb geschehen, da der bisherige Lebensgefährte der Klägerin diese abgemeldet habe. Tatsächlich habe die Klägerin jedoch in Deutschland gewohnt. Der älteste Sohn der Klägerin lebe in Rumänien bei seiner Großmutter. Diese habe das Kind nach Deutschland begleitet, um die Klägerin zu besuchen. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis nicht fortsetzen können, da die vormalige Arbeitgeberin der Klägerin mittlerweile in Insolvenz gefallen sei. Maßgeblich sei nur der tatsächliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach Ablauf der Elternzeit möchte die Klägerin eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Im Beweisaufnahmetermin vom 22.03.2016 wurde die Zeugin E. vernommen. Diese bestätigte insbesondere, dass die Klägerin Ende September 2012 in A-Stadt gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 22.03.2016 verwiesen.
Der Zeuge H. konnte nicht vernommen werden, da die aktuelle Adresse vom Gericht nicht ermittelt werden konnte.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2016 bekräftigte die Klägerin nochmals, dass die Väter ihrer Kinder nicht bekannt sind. Des Weiteren gab sie an, dass sie bis Ende 2012 in W. bei Herrn H. gewohnt habe; Sohn A.-B. A. lebe seit 14.08.2016 in A-Stadt.
In der mündlichen Verhandlung beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin,
den Bescheid vom 11.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetz-licher Höhe zu gewähren.
Hilfsweise beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin,
die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin ab Dezember 2015 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu gewähren.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Vertreter der Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Ver-waltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie kann auch keine Leistungen von der Beigeladenen beanspruchen.
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den streitbefangenen Zeitraum ab September 2015 zu gewähren.
Die Klägerin erfüllt grundsätzlich die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Insbesondere ist sie hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 und 2 SGB II. Jedoch ist die Klägerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Klägerin verfügt über kein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche.
Die Klägerin ist als Unionsbürgerin zwar grundsätzlich freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU. Das Recht auf Einreise und Aufenthalt besteht aber nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Maßgabe dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU). Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG/EU neben Arbeitnehmern (Nr. 1) und niedergelassenen selbstständigen Erwerbstätigen (Nr. 2) auch Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten, zunächst für die Dauer von sechs Monaten, darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (Nr. 1a). Familienangehörige von Unionsbürgern haben unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 33 FreizügG/EU ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht. Gemäß § 4 FreizügG/EU haben nichterwerbstätige Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie bei ausreichendem Krankenversicherungsschutz über ausreichende Existenzmittel verfügen.
§ 4 FreizügG/EU entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1b der Richtlinie 2004/38, wonach für nichterwerbstätige Unionsbürger nach dem Ablauf von drei Monaten ein Aufenthaltsrecht nur unter der Bedingung fortbesteht, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 07.09.2004, RS.C 456/02-Trojani).
§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU scheidet aus, da die Klägerin nach eigenen Angaben nicht arbeitsuchend ist, sondern sich der Erziehung ihrer jüngeren Tochter, geboren 2015, widmen möchte. Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, da sie bei ihrem Arbeitgeber weniger als ein Jahr beschäftigt war und dies länger als sechs Monate zurückliegt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU). Somit hat die Klägerin keine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU. Sie kann sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen. Insbesondere hat sie kein Daueraufenthaltsrecht erworben.
Die Klägerin verfügt über kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 4a FreizügG/EU. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Ein ständiger Aufenthalt von fünf Jahren genügt allein nicht zur Begründung eines Daueraufenthaltsrechts im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU; vielmehr muss ein Unionsbürger in diesem Zeitraum auch durchgehend materiell aufenthaltsberechtigt gewesen sein. Mit dem Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts wird auf die materiellen Freizügigkeitsvoraussetzungen abgestellt und somit unionsrechtlich vorausgesetzt, dass der Betreffende während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Artikels 7 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG, die durch das FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt worden sind, erfüllt hat (vgl. Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen vom 11.04.2016, Az: L 19 AS 555/15 mit weiteren Nachweisen).
Der fünfjährige Aufenthalt eines Unionsbürgers verbunden mit der im FreizügG/EU enthaltenen generellen Freizügigkeitsvermutung begründet daher allein kein Daueraufenthaltsrecht im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU und steht auch nicht einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU entgegen (vgl. Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt vielmehr einen fünfjährigen, auf Unionsrecht beruhenden rechtmäßigen Aufenthalt voraus. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland seit 15.01.2010 hat sie nicht ununterbrochen über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken. Die Ausländerakte stützt diese Auffassung, da aus der Akte hervorgeht, dass zwar häufiger hinsichtlich des Lebensunterhalts sowie der Krankenversicherung nachgefragt wurde, dann jedoch von Seiten der Klägerin, soweit aus der Akte ersichtlich, keinerlei Antwort erfolgte. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie von ihrem damaligen Lebensgefährten, Herrn H., abhängig gewesen sei, weil sie kein eigenes Geld hatte. Sie habe nicht bestimmen dürfen, wo sie wohnen. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin über keine ausreichenden Existenzmittel verfügte, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken. Auch Herr H. hat keine entsprechenden verbindlichen Erklärungen abgegeben. Anhaltspunkte für ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nach dem AufenthG entsprechende der Günstigkeitsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht. Die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus § 25 AufenthG sind nicht gegeben. Insbesondere kann die Klägerin kein Aufenthaltsrecht ableiten, da sie hier zwei Kinder geboren hat, deren Väter ihr unbekannt sind. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob dies tatsächlich so ist. Dies ist an dieser Stelle nicht zu prüfen.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist mit unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R mit weiteren Nachweisen, und vom 20.01.2016, B 14 AS 35/5 R mit weiteren Nachweisen). Auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss bestehen nicht (vgl. BSG, a.a.O.). Die Klage war deshalb im Hauptantrag abzuweisen.
Auch der Hilfsantrag ist abzuweisen. Wie bereits das SG Berlin in seiner Entscheidung vom 11.12.2015 (S 149 AS 7191/13) ausgeführt hat, bestimmt § 21 Satz 1 SGB XII, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt wären, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Dies gilt auch für erwerbsfähige EU-Bürger, deren SGB-II-Anspruch wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Denn die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige an. Der diesbezüglich anderen Auffassung des BSG im Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15) kann nicht gefolgt werden. Die Rechtsauffassung des SG Berlin wurde inzwischen auch durch das LSG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 11.02.2016 (L 3 AS 668/15 B ER) bestätigt. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII regelt, dass Ausländern, die sich immer im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten ist. Dem steht jedoch § 21 SGB XII entgegen. Die Klägerin ist unstreitig erwerbsfähig. Sie erhält deshalb keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die nicht erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, ihre minderjährigen in Deutschland geborenen Kinder, erhalten für ihren Lebensunterhalt Kindergeld und Leistungen nach dem UVG. Damit ist deren Bedarf zum Lebensunterhalt gedeckt. Der nun Mitte August nach Deutschland eingereiste minderjährige Sohn der Klägerin hält sich derzeit nur besuchsweise in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zwar ist es der erklärte Wille der Klägerin, dass er auf Dauer in Deutschland verbleibt. Ob dies ausländerrechtlich bereits geklärt ist, ist hier jedoch nicht Streitgegenstand, da Streitgegenstand nur der Zeitraum bis 29.02.2016 ist.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved