S 4 U 5004/16 L

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 5004/16 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2015 den Unfall vom 28. Dezember 2014 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu erbringen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung seines Unfalles als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Der Kläger ist 1958 geboren. Der am 2014 verstorbene Vater des Klägers, A. senior, hatte den Brüdern A. und dem Kläger ein Grundstück mit einer Größe von etwa 12 ha vererbt. Bezüglich dieses Grundstückes mit Forst, Grünland und Wildtierhaltung war A. senior bei der Beklagten versichert. Die Brüder waren nach dem Tod des Vaters Miteigentümer der Grundstücksgemeinschaft. Die Beklagte teilte ihnen mit Bescheid vom 23.09.2015 die Zuständigkeit für das neue Unternehmen mit.

Mit Schreiben vom 02.09.2015 teilte A. der Beklagten mit, dass sein Bruder und er die Waldflächen bewirtschafteten. Auf dem Waldgelände befände sich ein Gehege, in dem Damwild gehalten werde. Die Tiere würden für die eigene Familie und den Bekanntenkreis geschossen.

Der Kläger erlitt am 28.12.2014 einen Unfall. Er rutsche beim Erklimmen der Kanzel eines Hochsitzes von einer vereisten Leitersprosse und fiel aus einer Höhe von ca. 3 bis 4 m zu Boden. Er erlitt dabei diverse Verletzungen, u.a. am rechten Unterschenkel.

Im Durchgangsarztbericht vom 30.12.2014 ist als Unfallbetrieb "selbst. Jäger, N. " aufgeführt. Als Erstdiagnose wird nach Röntgen eine erstgradige offene komplette distale Unterschenkelmehrfragmentfraktur rechts festgehalten.

In der Unfallanzeige, unterschieben von A., ist als Unfallort "GJR N. , 89290" genannt mit der Angabe zur Fläche "GJR 540 ha".

Der Kläger war im Besitz eines Begehungsscheines und Jagderlaubnisscheins für dieses Jagdrevier N. , ausgestellt vom Landratsamt D-Stadt am 10.04.2012.

In dem "Fragebogen Jagd" wurden Angaben zu der Pacht des GJR N. durch A. gemacht. Der Verletzte nehme Tätigkeiten wie Jagdschutz, Fütterung, Bejagung, Pflege etc. wahr. In der Anlage befand sich ein Jagdpachtvertrag vom April 2006 für das Jagdrevier N ... Jagdpächter des Reviers "Jagdrevier N. " war der Bruder des Klägers, A ... Dies ergibt sich aus dem Jagdpachtvertrag vom April 2006 für das Jagdrevier N ... Als Verpächter ist die Jagdgenossenschaft N. , als Pächter A. genannt. Der Zeitraum ist auf 01.04.2006 - 31.03.2015 festgesetzt. Der Kläger ist in diesem Jagdpachtvertrag nicht genannt, § 6 Abs. 2 des Vertrags besagt, dass der Vertrag nicht für Dritte abgeschlossen sei, jedoch sei die Erteilung eines Jagderlaubnisscheines möglich. § 7 des Vertrags regelt, dass die Vergabe von drei unentgeltlichen Jagderlaubnisscheinen möglich sei.

Mit Bescheid vom 26.01.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalles im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Kläger sei nur Jagdgast im Jagdrevier N. gewesen, dessen Pächter sein Bruder sei. Die Grundlage der Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt sei ein privates Interesse an der Jagd gewesen, dieses sei nicht gesetzlich unfallversichert.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.02.2015 Widerspruch ein und begründete dies damit, dass der Kläger Miteigentümer der Grundstücksgemeinschaft mit A. gewesen sei, was der Beklagten auch am 11.11.2014 mitgeteilt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte noch einmal aus, dass der Kläger nicht Pächter des Jagdgebietes gewesen sei, in dem er verunfallt sei. Er habe lediglich im Rahmen eines unentgeltlichen Begehungsscheines die Jagd als Jagdgast ausgeübt. Als solcher sei er nicht gesetzlich unfallversichert. Auch andere Versicherungstatbestände kämen nicht in Betracht.

Dagegen hat der Kläger am 07.01.2016 Klage vor dem Sozialgericht Augsburg erhoben.

Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2016 In der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2016 stellte der Kläger erstmals klar, dass der Unfall sich nicht - wie die Beklagte annehme - auf dem von seinem Bruder gepachteten Jagdgebiet ereignet habe, sondern auf dem gemeinsamen Grundstück, auf dem die Wildzucht gemeinsam betrieben werde. Der Bruder A. habe das Jagdrevier N. von der Jagdgenossenschaft N. gepachtet. Innerhalb dieses insgesamt ca. 540 ha Gebietes liege das vom Vater A. senior geerbte Grundstück, dieses sei ca. 12 ha groß. Auf diesem kleineren Gebiet betrieben sein Bruder und er eine Damwildzucht, die sie gemeinsam bewirtschafteten. Der Kläger sei für diesen Betrieb bei der Beklagten selbst versichert. Am Unfalltag habe er in dem Damwildgehege Jagd auf ein Wildschwein machen wollen, weil er eine entsprechende Fährte gesehen hatte. Beim Erklimmen der Kanzel des Hochsitzes in dem Damwildgehege sei es zu dem Unfall gekommen. Nach dem Unfall habe er sich in ein Jagdhaus in der Nähe geschleppt und seinen Bekannten C. angerufen, der ihn dann abgeholt habe. Er habe erst A. und dann seine Frau angerufen. Diese hätte die Idee gehabt, Herrn C. anzurufen, da der nur 2 km vom Unfallort entfernt wohne. Seinen Bruder habe er gebeten, das Gewehr vom Unfallort zu holen.

Angaben des Klägers in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 Nachdem sich der Sachverhalt gänzlich anders darstellte als bisher, wurde die Sache vertagt und die Vorsitzende veranlasste in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 die Anhörung der Zeugen C. und A ... Zunächst erläutert der Kläger nochmals, dass seine Angaben in der Sitzung vom 01.03.2016 korrekt gewesen seien. Er sei innerhalb des Damwildgeheges verunglückt. Darin stünde auch das Jagdhaus, zu dem er sich nach dem Unfall geschleppt habe. Er habe sein Handy im ca. 300 m entfernten Jagdhaus gelassen. Der Kläger legte einen Auszug aus der Feldstückkarte vor, welches unter anderem den Hof von ihm und seinem Bruder zeigte. Er zeigt darauf, dass sich der Unfall dort ereignet habe, wo die Flurstücke 921, 922 und 907 aneinandergrenzten. Das Gebiet befindet sich nördlich von N. , ca. 500 m vom geschlossenen bebauten Ortsanfang entfernt.

Telefonische Angaben von J. S. vom 26.04.2016 Der Beklagtenvertreter übergab eine Gesprächsnotiz von einem Telefonat mit J. S. , dem ersten Vorstand der Jagdgenossenschaft N. vom 26.04.2016. Herr S. habe im Telefonat angegeben, dass Herr A. ihm mitgeteilt habe, dass der Kläger auf einem Flurstück im Süden von N. mit der Flurnummer 68 bzw. 129/2 verunfallt sei. Der Beklagtenvertreter hatte dazu einen Auszug aus dem Bayernatlas mit blauer Markierung dieser Flurstücke vorgelegt. Das schlauchförmige Gebiet befindet sich südlich von N. , ca. 1 km vom geschlossenen bebauten Ortsanfang entfernt.

Angaben des Zeugen A. in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 Der Zeuge A. ist der Bruder des Klägers. Er gab an, dass der Kläger ihn am Unfalltag angerufen habe und ihm berichtet habe, dass er von der Leiter eines Hochsitzes gestürzt sei und sich dabei wahrscheinlich das Bein gebrochen habe. Er habe ihn gebeten, seine Jagdutensilien, insbesondere sein Gewehr, vom Unfallort abzuholen. Sein Bruder habe ihm beschrieben, dass der Unfall bei dem einzigen Hochstand im gemeinsamen Damwildgehege passiert sei. Er habe sich sofort nach dem Anruf des Klägers noch in der gleichen Nacht auf den Weg gemacht. Nach seiner Erinnerung habe der Kläger während der Fahrt ins Krankenhaus vom Auto aus angerufen. Der Zeuge zeigte im Auszug aus der Feldstückkarte, dass sich der Hochsitz dort befände, wo die Flurstücke 921, 922 und 907 aneinandergrenzten. Das Jagdhaus sei ca. 200 m entfernt. A. gab weiter an, dass er nicht gewusst habe, dass sein Bruder an dem Tag auf die Jagd gehen wollte. Die Unfallanzeige habe er vom Kläger ausfüllen lassen und dann unterschrieben. Den "Fragebogen Jagd" habe er selbst ausgefüllt. Den Jagdpachtvertrag mit der Jagdgenossenschaft N. habe er dem "Fragebogen Jagd" deshalb beigelegt, weil dies die Berufsgenossenschaft seiner Auffassung nach so gefordert habe. Sein Bruder habe ihn später informiert, dass die Beklagte keinen Versicherungsfall anerkannt habe. Die Angaben von Herrn J. S. gegenüber dem Beklagtenvertreter, dass sich der Unfall des Klägers südlich von N. ereignet habe, könne er sich nicht erklären. Das müsse Herr S. falsch verstanden haben.

Ausführungen des Klägers zu den Angaben des Zeugen A. Der Kläger nahm zu den Angaben des Zeugen A. wie folgt Stellung: Er habe die Tage zwischen den Jahren im Jagdhaus verbringen wollen, weshalb er mit dem Auto bis zum Jagdhaus gefahren sei. Er habe seine Sachen dort gelassen, unter anderem sein Handy. Bis zum Hochsitz sei er zu Fuß gelaufen. Ihm sei erst auf der Fahrt ins Krankenhaus eingefallen, dass er seinen Bruder anrufen könnte, damit dieser die liegengelassene Waffe aus dem Wald hole.

Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters zu der Reihenfolge der Anrufe gab der Kläger an: Er könne nicht mehr genau sagen, wann er welchen Anruf getätigt habe. Er wisse sicher, dass er als erstes seine Frau angerufen habe. Entweder habe die dann Herrn C. angerufen oder er habe dies mit einem zweiten Anruf gemacht. Er habe große Schmerzen gehabt, deshalb seien ihm Gewehr und Fernglas erst einmal nicht so wichtig gewesen. Später seien sie ihm dann eingefallen und er habe seinen Bruder gebeten die Sachen abzuholen. Er sei sich nicht sicher, ob er dies erst auf der Fahrt mit Herrn C. gemacht habe oder aber noch vom Jagdhaus aus.

Angaben des Zeugen C. in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 Der Zeuge C. ist der Cousin der Ehefrau des Klägers. Er sagte aus, dass nicht der Kläger ihn angerufen habe, sondern die Frau des Klägers. Sie habe gesagt, dass ihr Mann verletzt sei und sich im Jagdhaus befände. Es sei schon spätabends gewesen, er habe schon seinen Schlafanzug angehabt und es hätten etwa 25 cm Schnee gelegen. Er habe deshalb die Frau vom Kläger zunächst gebeten, sich etwas zu gedulden. Er habe erst einmal überlegt, ob er an dem Abend Alkohol getrunken habe, und er sei sich nicht sicher gewesen, ob er mit seinem Fahrzeug da hoch komme. Sein Auto sei damals erst zwei Monate alt gewesen, habe zwar Allradantrieb, aber er habe es nicht gleich in den Graben setzen wollen. Er habe dann seinen Schwager T. R. angerufen und ihn um Hilfe gebeten. Allein wäre er nicht gefahren. Herr R. habe zugesagt und sie seien gemeinsam zum Jagdhaus hochgefahren. Im Jagdhaus hätten sie den Kläger im Schlafzimmer am Boden gefunden. Er sei zwar bei vollen Sinnen gewesen, aber man habe sehen können, dass es ihm sehr schlecht ging. Herr R. und er hätten ihn dann gemeinsam ins Auto auf den Beifahrersitz gebracht und seien bei den herrschenden widrigen Wetterverhältnissen ins Krankenhaus in Weißenhorn gefahren. Dort hätten die Frau des Klägers und seine Tochter ihn in Empfang genommen.

Zum konkreten Unfallablauf befragt, gab der Zeuge an, dass er diesen bis heute nicht kenne. Der Kläger habe gesagt, er wäre vom Hochstand gefallen. Er wisse aber nicht genau, was er sich darunter vorzustellen habe, ob er ganz oben gewesen sei oder ob eine Sprosse durchgebrochen sei oder ähnliches. Sie hätten in der Folgezeit auch nicht darüber gesprochen, wo sich der Unfall konkret ereignet habe. Der Zeuge kenne zwar die Gegend, sei aber selbst kein Jäger und kenne sich deshalb nicht besonders gut mit den Waldwegen aus. Er wisse daher nicht, an welchem konkreten Ort der Unfall passiert sei.

Das Jagdhaus kenne er von etwa sechs bis acht Besuchen dort, z. B. zu Familienfeiern oder zum Grillen im Sommer.

Nach Vorlage der Feldstückkarte und dem Auszug aus dem Bayernatlas durch die Vorsitzende erläutert der Zeuge die Örtlichkeiten und die Fahrt wie folgt: Er sei um den Kläger abzuholen nach N. reingefahren und dann die Straße "G." hochgefahren und dann zur Jagdhütte abgebogen. Er zeigte dabei auf die Stelle nördlich von N ... Auf den Vorhalt der Vorsitzenden, dass ein anderer Ort südlich von N. als Unfallort ins Gespräch gebracht worden sei, sagte der Zeuge aus, dass er dazu keine Angaben machen könne. Er wisse nur, dass er den Kläger aus dem Jagdhaus an soeben angegebener Stelle abgeholt habe.

Zu Telefonaten befragt sagte der Zeuge aus, dass er sich daran nicht mehr genau erinnern könne. Eventuell hätten sie seine Cousine angerufen und gesagt, dass sie mit dem Kläger unterwegs seien. Eventuell habe der Kläger mit seinem Bruder telefoniert. Er wisse aber nicht mehr, ob dieses Telefonat schon im Auto oder noch im Jagdhaus stattgefunden habe. Er wisse nur, dass thematisiert worden sei, dass die Waffe noch am Unfallort liege. Der Zeuge habe auf diese Sachen auch nicht geachtet, denn es sei sehr schlechtes Wetter mit Glatteis gewesen. Sein Anliegen sei gewesen, den Kläger sicher ins Krankenhaus zu bringen und T. R. und sich selbst anschließend sicher nach Hause. Er könne sich noch daran erinnern, dass er den Kläger eigentlich ins Krankenhaus nach Ulm habe bringen wollen. Der Kläger habe jedoch darauf bestanden, nach Weißenhorn gefahren zu werden.

Er könne nicht mehr ganz genau sagen, zu welcher Uhrzeit der Anruf von der Frau des Klägers erfolgt sei. Er meine, dass es zwischen 20 und 21 Uhr gewesen sei. Er habe dann mit Herrn R. geklärt, wie sie den Kläger gemeinsam abholen würden und habe anschließend seine Cousine zurückgerufen. Nach seiner Einschätzung seien seit ihrem Anruf ca. 25 bis 30 Minuten vergangen, bis Herr R. und er beim Jagdhaus eingetroffen wären. Er könne nichts dazu sagen, ob sich beim Jagdhaus ein Wildgehege befände. Für ihn sei der Zugang zum Jagdhaus ein normales Tor. Das Wildgehege und das Jagdhaus stünden für ihn zueinander nicht in Verbindung. Sie hätten an dem Abend auch nur den "offiziellen Weg" zum Jagdhaus benutzt. Es könne sein, dass es noch weitere Zugänge gäbe, diese seien aber mit dem Auto nicht befahrbar.

Weitere Angaben des Klägers Auf Nachfrage der Vorsitzenden zu seinen Jagdplänen am Unfalltag erklärte der Kläger, dass er die Intention gehabt habe, in der Nacht Jagd auf Wildschweine zu machen. Er habe eine entsprechende Fährte im Damwildgehege gesehen. Auf Damwild habe er nicht schießen wollen, weil man da im Dunkeln mehr falsch als richtig machen könne. Füchse habe er im Damwildgehege eigentlich auch nicht haben wollen. Es sei richtig, dass von dem Hochsitz aus sowohl in das Damwildgehege als auch über das Gatter hinaus in das Gemeindejagdrevier hinein geschossen werden könne.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, den Unfall vom 28.12.2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu erbringen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagtenvertreter schätzt die Sach- und Rechtslage wie folgt ein: Es ergäbe sich nach wie vor kein klares Bild zum Unfallort. Dieser ist jedenfalls nicht mit Vollbeweis nachgewiesen. Selbst wenn der Kläger von dem Hochsitz im Damwildgehege auf Füchse und Wildschweine habe ansitzen wollen, handle es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit. Es sollte eben gerade nicht auf Damwild geschossen werden.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht die Anerkennung des Unfalles des Klägers vom 28.12.2014 abgelehnt.

Das Gericht ist nach den Angaben des Klägers sowie der Zeugen A. und C. davon überzeugt, dass der Kläger einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat. Denn das Gericht ist überzeugt, dass die Beklagte - veranlasst durch die missverständlichen und daher irreführenden Angaben des Klägers und seines Bruders A. - zunächst fälschlicherweise von einem unzutreffenden Unfallort ausgegangen ist. Zutreffend ist jedoch, dass sich der Unfall an einem Hochsitz im Wildgehege ereignet hat. Für dieses Gebiet war der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) als Unternehmer des landwirtschaftlichen Unternehmens (u.a. Damwildzucht) mit versichert. Nach der Überzeugung des Gerichts übte der Kläger im Unfallzeitpunkt auch eine Tätigkeit aus, die mit der Hege des Wildgeheges im Zusammenhang stand. Insofern geht das Gericht davon aus, dass die tatsächliche Tätigkeit im Unfallzeitpunkt (Besteigen des Hochsitzes zum Zweck, ein in das Wildgehege eingedrungenes Wildschwein zu schießen) unter den Versicherungsschutz fiel.

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Handlung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. u.a. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196-209 m.w.N.). Der Gesundheitserstschaden (Primärschaden, Gesundheitsbeeinträchtigung) ist eine den Versicherungsfall begründende Tatbestandsvoraussetzung und daher keine Folge des Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 05.07. 2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274-289). Voraussetzung für weitergehende Leistungsansprüche wie die Gewährung einer Verletztenrente ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen (weiteren Gesundheitsschäden auch Sekundärschäden oder Dauerschäden) aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) (vgl. BSG, Urteil vom 18.11. 2008 - B 2 U 27/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, SozR 4-2700 § 2 Nr. 12 m.w.N.).

Beweismaßstab für das Unfallereignis, den Gesundheitserstschaden und die weiteren Gesundheitsschäden ist nach ständiger Rechtsprechung der Vollbeweis, also die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis, dem Gesundheitserstschaden und den weiteren Gesundheitsschäden genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit, wenn nach der medizinisch-naturwissenschaftlichen Auffassung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht (vgl. BSG vom 02.04.2009, B 2 U 29/07; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R).

Ausgehend von diesen Maßgaben und nach Würdigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen und ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ist das Gericht überzeugt, dass die Voraussetzungen für einen Versicherungsfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII erfüllt sind.

Kernfrage des Verfahrens war, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt bei seiner konkreten Tätigkeit als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens zum versicherten Personenkreis gehörte.

Versicherter Personenkreis Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VII war der Kläger selbst als Unternehmer des landwirtschaftlichen Unternehmens in Form des vom Vater geerbten Waldgrundstücks, auf dem die Damwildzucht betrieben wird, versichert. Nach der Überzeugung des Gerichts geschah der Unfall auf dem versicherten Gebiet nördlich von N. , konkret an dem Hochsitz, der dort steht, wo die Flurstücke 921, 922 und 907 aneinandergrenzen. Das Gericht ist folglich auch überzeugt, dass sich der Unfall nicht auf dem Flurstück im Süden von N. mit der Flurnummer 68 bzw. 129/2 ereignet hat.

Zu dieser Überzeugung ist das Gericht gelangt durch die Angaben des Klägers und der Zeugen A. und C ... Die vom Beklagtenvertreter vorgelegten telefonischen Angaben von J. S. vom 26.4.2016 konnten dagegen nicht überzeugen. Dabei ist es dem Gericht ein Anliegen, deutlich zu machen, dass es dem Beklagtenvertreter zugesteht, das Telefonat in der Gesprächsnotiz völlig korrekt und vollständig wiedergegeben zu haben. Auch ist das Gericht davon überzeugt, dass J. S. gegenüber dem Beklagtenvertreter nach bestem Wissen und Gewissen nach seiner Erinnerung korrekte Angaben gemacht hat. Das Gericht ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass es hier zu einem nicht mehr aufklärbaren Missverständnis zwischen Herrn S. und A. gekommen ist. Insbesondere bei dem Zeugen C. konnte das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Falschaussage finden. Vielmehr war dieser Zeuge wiederholt bemüht, deutlich zu machen, was er aus eigener Wahrnehmung wusste und wozu er keine sicheren Angaben machen konnte. Auffällig war dabei, dass der Zeuge C. auf Nachfrage angab, dass ihm der konkrete Unfallort unbekannt sei und er lediglich den Kläger aus dem Jagdhaus abgeholt habe. Der Zeuge gab zu verstehen, dass ihn die ganze Hintergrundgeschichte zu dem Unfall nicht interessiere und interessiert habe. Diese Angaben und die Einstellung des Zeugen sind deshalb so bemerkenswert, weil es dem Zeugen ein leichtes gewesen wäre auszusagen, dass der Kläger ihm erzählt habe, wo er konkret verunglückt sei. Auch gewann das Gericht bei der Aussage des Zeugen C. den Eindruck, dass zwischen ihm und dem Kläger kein besonderes Näheverhältnis bestand oder besteht. Zwischen beiden schien vielmehr nur eine für eine weitere Verwandtschaft nicht untypische lockere Bekanntschaft zu bestehen. Zu keiner Zeit entstand für das Gericht der Eindruck, dass der Kläger mit dem Zeugen C. eine gemeinsame Geschichte abgesprochen habe.

Die Angaben des Zeugen A., dass er das Gewehr am Hochsitz im Damwildgehege abgeholt habe, stützen die Aussage des Klägers.

Für das Gericht ist v.a. nach den Angaben des Zeugen C. mit Vollbeweis nachgewiesen, dass dieser den Kläger im Jagdhaus nördlich von N. abholte. Wegen der übereinstimmenden Angaben des Klägers, des Zeugen A. und des Zeugen C. steht für das Gericht fest, dass sich der Unfallort an dem Hochsitz auf dem Damwildgehege, wo die Flurstücke 921, 922 und 907 aneinandergrenzen, im Norden von N. befand. Denn bei den geographischen Gegebenheiten, den winterlichen Witterungsverhältnissen und der erlittenen offenen Unterschenkelmehrfragmentfrakur wäre es gänzlich lebensfremd, wenn sich der im Süden von N. verunfallte Kläger nicht nur den etwa einen Kilometer bis zum südlichen Ortsbeginn von N. sondern darüber hinaus bis zum Jagdhaus geschleppt haben sollte.

Für dieses Unfallgebiet war der Kläger wie dargestellt nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VII selbst als Unternehmer des landwirtschaftlichen Unternehmens in Form des vom Vater geerbten Waldgrundstücks, auf dem die Damwildzucht betrieben wird, versichert.

Versicherte Tätigkeit § 123 SGB VII bestimmt den Umfang des landwirtschaftlichen Unternehmens, welches von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst werden kann. Versicherte Unternehmer sind dabei u.a. diejenigen, die Land- und Forstwirtschaft, die Aufzucht von Nutz- oder Zuchttieren sowie Jagden betreiben (vgl. auch Riebel in: Hauck/Noftz, SGB, 04/14, § 2 SGB VII, Rn. 56).

Die Brüder A. und der Kläger waren bezüglich des vom Vater geerbten Grundstücks (mit nach den letzten Angaben 2,99 ha Forst, 1,18 ha Grünland und 20 Stück Wildtierhaltung), auf dem sich nach Überzeugung des Gerichts der Unfall ereignete, wie der Vater zuvor als Grundstückseigentümer einer Grundstücksgemeinschaft versichert. Die Beklagte teilte ihnen mit Bescheid vom 23.09.2015 die Zuständigkeit für das neue Unternehmen mit.

Der Kläger selbst hat angegeben, dass er am Unfallabend kein Damwild sondern ein Wildschwein, ggf. auch einen Fuchs, schießen wollte. Nach seiner Aussage wollte er dies tun, um das Damwildgehege frei von diesen beiden anderen Wildtierarten zu halten, die er als Schädlinge und Krankheitsüberträger betrachtete.

Das Gericht ist nach den Angaben des Klägers davon überzeugt, dass der Kläger in der Unfallnacht mit dem Vorhaben, in das Damwildgehege eingedrungene Schädlinge zu erlegen, den Hochsitz erklimmen wollte. Nach der Auffassung des Gerichts handelt es sich dabei nicht um eine Tätigkeit aus reiner Jagdfreude, sondern diese sollte dem Erhalt des Wildgeheges als solchem dienen, Fremdwildschäden zu verhindern und damit dem Erhalt eines gesunden Damwildbestandes dienen. Damit stand die beabsichtigte Tätigkeit des Klägers unmittelbar mit dem versicherten Unternehmen im Zusammenhang. Aus diesem Grund sieht das Gericht die konkrete Tätigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt als versicherte Tätigkeit im Rahmen des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VII an.

Nach alledem war der Kläger bei seinem Unfall am 28.12.2014 versichert nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VII. Der Unfall des Klägers vom 28.12.2014 ist somit als Arbeitsunfall anzuerkennen und es sind entsprechend Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.

Dem Antrag des Klägers war folglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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