Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 VU 2/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VU 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) sowie einer höheren Grundrente aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit.
Die am 1950 geborene Klägerin war infolge eines Fluchtversuchs aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 21.07.1970 bis 16.02.1971 in Rumänien inhaftiert. Aufgrund ihrer Schwangerschaft wurde sie anschließend an die DDR ausgeliefert, bevor sie im Juni 1972 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) abgeschoben wurde. Mit Beschluss des Landgerichts Gera vom 21.06.2000 wurden die Urteile des Land- bzw. Bezirksgerichts Gera wegen gemeinschaftlich begangenem versuchtem ungesetzlichem Grenzübertritt aufgehoben und die Klägerin wegen der in der DDR vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 zu Unrecht verbüßten Haft rehabilitiert.
Mit Bescheid vom 10.11.2009 stellte der Beklagte bei der Klägerin ab 01.08.2007 eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge einer Schädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) fest und gewährte eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30.
Am 17.12.2009 machte die Klägerin geltend, sie sei durch die traumatischen Erlebnisse gehindert gewesen, ein Studium der Zahnmedizin aufzunehmen. Sie verwies dabei auf den Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen vom 10.09.1973, in welchem ihr ein Studienplatz im Studiengang Zahnmedizin für die Freie Universität Berlin zugesagt wurde.
Die weiteren Ermittlungen des Beklagten ergaben, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Inhaftierung als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. beschäftigt war. Die Klägerin arbeitete in der BRD kurzzeitig als Zahntechnikerin in einem zahntechnischen Labor, bevor sie ab 01.04.1975 als Zahntechnikerin für Kieferorthopädie tätig wurde.
Im Rahmen der Begutachtungsuntersuchung vom 25.07.2008 gab die Klägerin gegenüber dem Psychiater Dr. H. an, sie habe 1970 mit ihrem damaligen Verlobten und jetzigem Ehemann die Flucht nach Westdeutschland geplant. Der Schwiegervater sei bereits in A-Stadt wohnhaft gewesen und habe ein Malergeschäft betrieben, welches vom Sohn übernommen werden sollte. Von August bis November 1972 sei sie als Zahntechnikerin tätig gewesen, bis ihr Sohn aus der DDR habe ausreisen dürfen. Danach habe sie sich ihrem Sohn gewidmet. Ab 1975 sei sie als Zahntechnikerin tätig gewesen. Seit 2006 seien immer wieder Ängste, depressive Stimmungen und innere Unruhe aufgetreten. Erstmals im Mai 2007 habe sie sich in psychiatrische Behandlung begeben.
Bei der Beschuldigtenvernehmung am 03.02.1970 gab die Klägerin an, dass sie nach Beendigung der 8. Klasse in die erweiterte Oberschule gewechselt sei, um das Abitur abzulegen und den Facharbeiterbrief eines Industriekaufmanns zu erlangen. Da sie sich nicht für den Beruf eines Industriekaufmanns habe begeistern können, habe sie sich 1969 entschlossen, eine andere berufliche Laufbahn einzuschlagen. Zu diesem Zweck habe sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. aufgenommen, um danach als zahntechnische Fachkraft arbeiten zu können. Ihre Tätigkeit als zukünftige Zahntechnikerin gefalle ihr gut. Während des Aufenthalts im Juli 1970 in Rumänien habe sie sich mit dem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten. Dieser habe sich auch bereits über Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin in A-Stadt erkundigt.
Nach den Befundberichten des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 13.05.2008 und 19.05.2009 leide die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn in Verbindung mit rezidivierenden depressiven Einbrüchen. Seit den 70er Jahren bestünden posttraumatische Symptome in abgeschwächter Form. Die Klägerin habe die Belastungen infolge der traumatisierenden Erlebnisse nach Übersiedlung in die BRD lange Zeit gut kompensieren können. Durch die Folgen eines Wegeunfalles sei die Erkrankung aktiviert worden. Durch den Kampf mit den Behörden sei sie retraumatisiert worden. Auch die belastende partnerschaftliche Situation habe dazu geführt, dass die Klägerin die posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr gut kompensieren könne. Eine Verschlechterung des psychischen Zustands habe sich nach Einsicht in die Stasi-Akten eingestellt. Auch nach der ärztlichen Bestätigung des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 04.07.2007 leide die Klägerin unter einer spät manifestierten posttraumatischen Belastungsstörung, welche auf die Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Fluchtversuch aus der DDR und dem darauffolgenden Aufenthalt in einem rumänischen Gefängnis zurückzuführen sei.
Nach dem Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 05.04.2007, welches Grundlage für die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung war, sei es durch das Ellenbogentrauma rechts mit Luxation und Bandabriss zu einer Dekompensation der Belastungsstörungen der Hände und beider Ellenbogen gekommen. Die Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Zahntechnikerin mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen sei nicht mehr gegeben. Im von der Deutschen Rentenversicherung in Auftrag gegebenen Gutachten vom 17.09.2007 kam die Psychiaterin Dr. K. zu dem Ergebnis, dass die psychische Symptomatik nicht so ausgeprägt sei, dass eine völlige Erwerbsminderung gegeben sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie zumindest halbtags tätig sein. Außerdem sei die Behandlung der psychischen Störung noch nicht abgeschlossen.
In der Stellungnahme vom 05.11.2008 behaupteten die behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt, dass die Klägerin das angestrebte Zahnmedizinstudium wegen ihrer schlechten psychischen Verfassung nicht habe antreten können. Die traumatischen Erlebnisse habe sie in all den Jahren bis zum Ausbruch der aktuellen Symptomatik ganz gut verdrängen können, jedoch schon früher unter Alpträumen und Schlafstörungen gelitten. Seit Jahren vermeide sie Massenveranstaltungen und belastende Themen im Zusammenhang mit der DDR.
Gleichwohl lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2010 ab, den GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit höher zu bewerten und BSA zu gewähren. Die Klägerin habe sich in der BRD zunächst der Erziehung ihres Sohnes gewidmet und anschließend in ihrem erlernten Beruf als Zahntechnikerin gearbeitet. Auslöser der posttraumatischen Belastungsstörung seien die Auseinandersetzungen mit der Berufsgenossenschaft, der verzögerte Heilungsverlauf der durch den Wegeunfall erlittenen Ellenbogenverletzung sowie die gescheiterte berufliche Wiedereingliederung gewesen. Zuvor sei die Klägerin psychisch stabil gewesen. Infolgedessen bestünde kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und der verhinderten Teilnahme am Studium der Zahnmedizin. Aufgrund der schädigungsfremden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet beziehe die Klägerin seit 01.02.2006 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, den Wunsch, Zahnmedizin zu studieren, habe die Klägerin bereits in der DDR gehabt. Sie habe die Lehre als Zahntechnikerin begonnen, um später für ein entsprechendes Studium vorbereitet zu sein. Das Studium habe sie aber nicht aufnehmen können, da sie den psychischen Anforderungen der Immatrikulation nicht gewachsen gewesen sei. Die Menschenmassen, die immense Geräuschkulisse, die Gerüche der Menschen sowie die Enge beim Anstehen vor Info-Tafeln hätten bei ihr Übelkeit, Schwindel, Ekel und Kreislaufstörungen verursacht. Die Klägerin habe später versucht, sich an der PH in P. zu bewerben, habe aber aus denselben Gründen die Ausbildung nicht weiterverfolgen können. Sie hätte immer wieder Angstzustände und Panikattacken gehabt, wenn sie auf viele Menschen getroffen sei. Zur weiteren Begründung des Widerspruchs nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Stellungnahme der behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 03.11.2010 Bezug. Danach soll die posttraumatische Belastungsstörung zumindest in subsyndromaler Ausprägung bereits in den 70er Jahren vorgelegen haben. Aufgrund dieser Symptomatik habe die Klägerin die Einschreibung zum Studium nicht bewerkstelligen können, da sie sich durch die Menschenansammlungen getriggert gefühlt habe. Insgesamt habe die Klägerin jedoch bis 2007 ein Leben ohne klinisch relevante Beeinträchtigungen führen können.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15.12.2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg.
Das Gericht zog die Befundberichte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 14.02.2011 bei, in welchem sich die Klägerin seit 26.04.2007 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung in Behandlung befand. Der Allgemeinarzt Dr. Bürkner, der die Klägerin seit 16.10.1986 behandelte, berichtete, dass diese erstmals im April 2008 über Schlafstörungen, vermehrte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen sowie wiederholte Panikattacken bei Menschenansammlungen und engen Räumen berichtet habe.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, der Klägerin eine Grundrente nach einem höheren GdS als 30 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie BSA zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Beklagten-, Schwerbehinderten-,
Unfall- und Gerichtsakten (S 5 VH 1/09, S 5 VU 2/10, S 8 SB 284/07, S 8 U 208/07, S 8 U 312/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Sache mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört.
Die gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 6, 57 SGG, 25 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG) ist zulässig.
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Grundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit. BSA ist ihr ebenfalls nicht zu gewähren.
Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes, § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG.
Nach § 30 Abs. 2 BVG ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er aufgrund der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.
Unter dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf ist nur der letzte vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu verstehen (Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 30 - 16). Den Regelbeispielen des § 30 Abs. 2 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist gemeinsam, dass die beruflichen Nachteile den Beschädigten besonderes treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen. Soweit das besondere berufliche Betroffensein in den mit der Schädigung verbundenen Nachteilen besteht, müssen diese Nachteile zu einer erheblich höheren Erwerbsminderung als nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Arbeitsleben führen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 09.05.1979, 9 RV 71/78).
Eine rechtserhebliche besondere berufliche Betroffenheit ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 lit. a BVG a.F. gegeben, wenn infolge der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Dabei sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend; auch unabhängig von den Einkommensverhältnissen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial ungleichwertig sein (BSG, a.a.O.).
Für die Kausalität zwischen den Schädigungsfolgen und der Berufsaufgabe bzw. der mangelnden Fähigkeit, einen sozial gleichwertigen Beruf auszuüben, gilt im sozialen Entschädigungsrecht - wie auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung - die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Gewalttat und dem Gesundheitsschaden voraus, sowie dass die Gewalttat für den Gesundheitsschaden und dieser für die berufliche Beeinträchtigung wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr.: BSGE 1, 72, 76; 1, 150, 156 f; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Gab es neben den Schädigungsfolgen noch konkurrierende Ursachen, z.B. schädigungsfremde Gesundheitsstörungen, Insolvenz, so waren die Schädigungsfolgen wesentlich, solange die konkurrierende Ursache nicht von überragender Bedeutung war.
Für den o.g. Ursachenzusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist eine Kausalität dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht bzw. wenn die für den Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Es genügt nicht, dass ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann oder nur möglich ist; auch die "gute Möglichkeit" genügt nicht (BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84 - SozR 3850 § 51 Nr. 9).
Die Klägerin war nach der Schädigung im erlernten und ausgeübten Beruf als Zahntechnikerin tätig. Die krankheitsbedingte Aufgabe des Berufes erfolgte nach den Feststellungen des Gutachtens des Dr. J. vom 05.04.2007, welches Grundlage für die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung war, infolge des Ellenbogentraumas rechts sowie der Belastungsstörungen der Hände und beider Ellenbogen. Diese schädigungsfremden Gesundheitsstörungen führten zu einer Aufhebung der Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Zahntechnikerin mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen. Infolgedessen kommt eine Anhebung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 1. Fall BVG nicht in Betracht.
Weiter ist ein besonderes berufliches Betroffensein nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BVG auszuschließen, da weder von der Klägerin vorgetragen noch erkennbar ist, dass die Klägerin durch die Schädigung am weiteren Aufstieg im Beruf gehindert war.
Eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2. Fall BVG liegt ebenfalls nicht vor. Denn für das Gericht ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlich nachgewiesen, dass die Schädigungsfolgen dazu führten, dass die Klägerin den vermeintlich angestrebten Beruf als Zahnmedizinerin nicht aufnehmen konnte.
Von einem nachweislich angestrebten Beruf kann nur dann gesprochen werden, wenn sich der Ausbildungswille in Richtung auf das Berufsziel aus konkreten Gesichtspunkten ergibt; fehlt es am solchen, kann von einem nachweislich angestrebten Beruf nicht ausgegangen werden (Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, Soziales Entschädigungsrecht und Sozialgesetzbücher, Kommentar - R/S/D - § 30-17 m.w.N.).
Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Klägerin den Berufswunsch der Zahnmedizinerin aufgrund der Schädigungsfolgen nicht weiter verfolgen konnte. Zum Nachweis genügt ihm nicht der Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen vom 10.09.1973, in welchem der Klägerin ein Studienplatz im Studiengang Zahnmedizin für die Freie Universität Berlin zugesagt wurde. Vielmehr geht das Gericht wie der Beklagte davon aus, dass diese aus schädigungsfremden Motiven von einem entsprechenden Studium Abstand nahm und den erlernten Beruf als Zahntechnikerin ausübte. So gab die Klägerin im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 03.02.1970 an, dass sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. aufgenommen hat, um danach als zahntechnische Fachkraft arbeiten zu können. Während des Aufenthalts im Juli 1970 in Rumänien hatte sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten. Dieser hatte sich dann auch über Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin erkundigt. Dies spricht aus Sicht des Gerichts dafür, dass die Klägerin beabsichtigte, als Zahntechnikerin beschäftigt zu werden. Weiter erklärte die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. H. vom 25.07.2008, dass sie die Flucht in die BRD mit ihrem damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann geplant hatte, welcher den Malerbetrieb seines Vaters in A-Stadt übernehmen sollte. Vor diesem Hintergrund schließt das Gericht es aus, dass die Klägerin ernsthaft in Erwägung zog, ein Studium in Berlin aufzunehmen, während sich der Ehemann in A-Stadt befand; dies umso mehr, als die Klägerin ein kleines Kind zu versorgen hatte. Unabhängig davon ist für das Gericht entgegen der zahlreichen klägerfreundlichen Stellungnahmen und Atteste des Bezirkskrankenhauses A-Stadt überhaupt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt unter nennenswerten psychischen Störungen litt. Denn solche sind erst ab 2007 dokumentiert. Selbst die behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt müssen einräumen, dass die Klägerin die traumatisierenden Erlebnisse lange Zeit gut kompensieren konnte und keine klinisch relevanten Beeinträchtigungen zu beklagen hatte.
Aus dem vorgenannten Grund kommt auch eine Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BVG nicht in Betracht, da die psychischen Störungen die Berufsausübung als Zahntechnikerin nicht wesentlich beeinträchtigten.
Da weitere Gründe für eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG nicht gegeben sind, kommt eine Anhebung des GdS nicht in Betracht.
Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten BSA, § 30 Abs. 3 BVG. Es kommt somit auf die wesentliche Verursachung des Einkommensverlustes durch die Schädigungsfolgen an (BSG, Urteil vom 17.12.1997, 9 RV 23/96). Ein solcher ist hier aus den oben genannten Gründen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Im Übrigen wird aufgrund der zutreffenden Begründung des Beklagten im Bescheid vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 SGG abgesehen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Grundrente infolge besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA hat. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) sowie einer höheren Grundrente aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit.
Die am 1950 geborene Klägerin war infolge eines Fluchtversuchs aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vom 21.07.1970 bis 16.02.1971 in Rumänien inhaftiert. Aufgrund ihrer Schwangerschaft wurde sie anschließend an die DDR ausgeliefert, bevor sie im Juni 1972 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) abgeschoben wurde. Mit Beschluss des Landgerichts Gera vom 21.06.2000 wurden die Urteile des Land- bzw. Bezirksgerichts Gera wegen gemeinschaftlich begangenem versuchtem ungesetzlichem Grenzübertritt aufgehoben und die Klägerin wegen der in der DDR vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 zu Unrecht verbüßten Haft rehabilitiert.
Mit Bescheid vom 10.11.2009 stellte der Beklagte bei der Klägerin ab 01.08.2007 eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge einer Schädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) fest und gewährte eine Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30.
Am 17.12.2009 machte die Klägerin geltend, sie sei durch die traumatischen Erlebnisse gehindert gewesen, ein Studium der Zahnmedizin aufzunehmen. Sie verwies dabei auf den Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen vom 10.09.1973, in welchem ihr ein Studienplatz im Studiengang Zahnmedizin für die Freie Universität Berlin zugesagt wurde.
Die weiteren Ermittlungen des Beklagten ergaben, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Inhaftierung als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. beschäftigt war. Die Klägerin arbeitete in der BRD kurzzeitig als Zahntechnikerin in einem zahntechnischen Labor, bevor sie ab 01.04.1975 als Zahntechnikerin für Kieferorthopädie tätig wurde.
Im Rahmen der Begutachtungsuntersuchung vom 25.07.2008 gab die Klägerin gegenüber dem Psychiater Dr. H. an, sie habe 1970 mit ihrem damaligen Verlobten und jetzigem Ehemann die Flucht nach Westdeutschland geplant. Der Schwiegervater sei bereits in A-Stadt wohnhaft gewesen und habe ein Malergeschäft betrieben, welches vom Sohn übernommen werden sollte. Von August bis November 1972 sei sie als Zahntechnikerin tätig gewesen, bis ihr Sohn aus der DDR habe ausreisen dürfen. Danach habe sie sich ihrem Sohn gewidmet. Ab 1975 sei sie als Zahntechnikerin tätig gewesen. Seit 2006 seien immer wieder Ängste, depressive Stimmungen und innere Unruhe aufgetreten. Erstmals im Mai 2007 habe sie sich in psychiatrische Behandlung begeben.
Bei der Beschuldigtenvernehmung am 03.02.1970 gab die Klägerin an, dass sie nach Beendigung der 8. Klasse in die erweiterte Oberschule gewechselt sei, um das Abitur abzulegen und den Facharbeiterbrief eines Industriekaufmanns zu erlangen. Da sie sich nicht für den Beruf eines Industriekaufmanns habe begeistern können, habe sie sich 1969 entschlossen, eine andere berufliche Laufbahn einzuschlagen. Zu diesem Zweck habe sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. aufgenommen, um danach als zahntechnische Fachkraft arbeiten zu können. Ihre Tätigkeit als zukünftige Zahntechnikerin gefalle ihr gut. Während des Aufenthalts im Juli 1970 in Rumänien habe sie sich mit dem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten. Dieser habe sich auch bereits über Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin in A-Stadt erkundigt.
Nach den Befundberichten des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 13.05.2008 und 19.05.2009 leide die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn in Verbindung mit rezidivierenden depressiven Einbrüchen. Seit den 70er Jahren bestünden posttraumatische Symptome in abgeschwächter Form. Die Klägerin habe die Belastungen infolge der traumatisierenden Erlebnisse nach Übersiedlung in die BRD lange Zeit gut kompensieren können. Durch die Folgen eines Wegeunfalles sei die Erkrankung aktiviert worden. Durch den Kampf mit den Behörden sei sie retraumatisiert worden. Auch die belastende partnerschaftliche Situation habe dazu geführt, dass die Klägerin die posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr gut kompensieren könne. Eine Verschlechterung des psychischen Zustands habe sich nach Einsicht in die Stasi-Akten eingestellt. Auch nach der ärztlichen Bestätigung des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 04.07.2007 leide die Klägerin unter einer spät manifestierten posttraumatischen Belastungsstörung, welche auf die Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Fluchtversuch aus der DDR und dem darauffolgenden Aufenthalt in einem rumänischen Gefängnis zurückzuführen sei.
Nach dem Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 05.04.2007, welches Grundlage für die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung war, sei es durch das Ellenbogentrauma rechts mit Luxation und Bandabriss zu einer Dekompensation der Belastungsstörungen der Hände und beider Ellenbogen gekommen. Die Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Zahntechnikerin mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen sei nicht mehr gegeben. Im von der Deutschen Rentenversicherung in Auftrag gegebenen Gutachten vom 17.09.2007 kam die Psychiaterin Dr. K. zu dem Ergebnis, dass die psychische Symptomatik nicht so ausgeprägt sei, dass eine völlige Erwerbsminderung gegeben sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie zumindest halbtags tätig sein. Außerdem sei die Behandlung der psychischen Störung noch nicht abgeschlossen.
In der Stellungnahme vom 05.11.2008 behaupteten die behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt, dass die Klägerin das angestrebte Zahnmedizinstudium wegen ihrer schlechten psychischen Verfassung nicht habe antreten können. Die traumatischen Erlebnisse habe sie in all den Jahren bis zum Ausbruch der aktuellen Symptomatik ganz gut verdrängen können, jedoch schon früher unter Alpträumen und Schlafstörungen gelitten. Seit Jahren vermeide sie Massenveranstaltungen und belastende Themen im Zusammenhang mit der DDR.
Gleichwohl lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2010 ab, den GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit höher zu bewerten und BSA zu gewähren. Die Klägerin habe sich in der BRD zunächst der Erziehung ihres Sohnes gewidmet und anschließend in ihrem erlernten Beruf als Zahntechnikerin gearbeitet. Auslöser der posttraumatischen Belastungsstörung seien die Auseinandersetzungen mit der Berufsgenossenschaft, der verzögerte Heilungsverlauf der durch den Wegeunfall erlittenen Ellenbogenverletzung sowie die gescheiterte berufliche Wiedereingliederung gewesen. Zuvor sei die Klägerin psychisch stabil gewesen. Infolgedessen bestünde kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den anerkannten Schädigungsfolgen und der verhinderten Teilnahme am Studium der Zahnmedizin. Aufgrund der schädigungsfremden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet beziehe die Klägerin seit 01.02.2006 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, den Wunsch, Zahnmedizin zu studieren, habe die Klägerin bereits in der DDR gehabt. Sie habe die Lehre als Zahntechnikerin begonnen, um später für ein entsprechendes Studium vorbereitet zu sein. Das Studium habe sie aber nicht aufnehmen können, da sie den psychischen Anforderungen der Immatrikulation nicht gewachsen gewesen sei. Die Menschenmassen, die immense Geräuschkulisse, die Gerüche der Menschen sowie die Enge beim Anstehen vor Info-Tafeln hätten bei ihr Übelkeit, Schwindel, Ekel und Kreislaufstörungen verursacht. Die Klägerin habe später versucht, sich an der PH in P. zu bewerben, habe aber aus denselben Gründen die Ausbildung nicht weiterverfolgen können. Sie hätte immer wieder Angstzustände und Panikattacken gehabt, wenn sie auf viele Menschen getroffen sei. Zur weiteren Begründung des Widerspruchs nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Stellungnahme der behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 03.11.2010 Bezug. Danach soll die posttraumatische Belastungsstörung zumindest in subsyndromaler Ausprägung bereits in den 70er Jahren vorgelegen haben. Aufgrund dieser Symptomatik habe die Klägerin die Einschreibung zum Studium nicht bewerkstelligen können, da sie sich durch die Menschenansammlungen getriggert gefühlt habe. Insgesamt habe die Klägerin jedoch bis 2007 ein Leben ohne klinisch relevante Beeinträchtigungen führen können.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15.12.2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg.
Das Gericht zog die Befundberichte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt vom 14.02.2011 bei, in welchem sich die Klägerin seit 26.04.2007 wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung in Behandlung befand. Der Allgemeinarzt Dr. Bürkner, der die Klägerin seit 16.10.1986 behandelte, berichtete, dass diese erstmals im April 2008 über Schlafstörungen, vermehrte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen sowie wiederholte Panikattacken bei Menschenansammlungen und engen Räumen berichtet habe.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, der Klägerin eine Grundrente nach einem höheren GdS als 30 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie BSA zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Beklagten-, Schwerbehinderten-,
Unfall- und Gerichtsakten (S 5 VH 1/09, S 5 VU 2/10, S 8 SB 284/07, S 8 U 208/07, S 8 U 312/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die zu entscheidende Sache mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört.
Die gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhobene Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 6, 57 SGG, 25 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG) ist zulässig.
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Grundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit. BSA ist ihr ebenfalls nicht zu gewähren.
Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes, § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG.
Nach § 30 Abs. 2 BVG ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er aufgrund der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.
Unter dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf ist nur der letzte vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu verstehen (Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 30 - 16). Den Regelbeispielen des § 30 Abs. 2 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist gemeinsam, dass die beruflichen Nachteile den Beschädigten besonderes treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen. Soweit das besondere berufliche Betroffensein in den mit der Schädigung verbundenen Nachteilen besteht, müssen diese Nachteile zu einer erheblich höheren Erwerbsminderung als nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Arbeitsleben führen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 09.05.1979, 9 RV 71/78).
Eine rechtserhebliche besondere berufliche Betroffenheit ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 lit. a BVG a.F. gegeben, wenn infolge der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Dabei sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend; auch unabhängig von den Einkommensverhältnissen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einem anderen gegenüber sozial ungleichwertig sein (BSG, a.a.O.).
Für die Kausalität zwischen den Schädigungsfolgen und der Berufsaufgabe bzw. der mangelnden Fähigkeit, einen sozial gleichwertigen Beruf auszuüben, gilt im sozialen Entschädigungsrecht - wie auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung - die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Gewalttat und dem Gesundheitsschaden voraus, sowie dass die Gewalttat für den Gesundheitsschaden und dieser für die berufliche Beeinträchtigung wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr.: BSGE 1, 72, 76; 1, 150, 156 f; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Gab es neben den Schädigungsfolgen noch konkurrierende Ursachen, z.B. schädigungsfremde Gesundheitsstörungen, Insolvenz, so waren die Schädigungsfolgen wesentlich, solange die konkurrierende Ursache nicht von überragender Bedeutung war.
Für den o.g. Ursachenzusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist eine Kausalität dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht bzw. wenn die für den Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Es genügt nicht, dass ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann oder nur möglich ist; auch die "gute Möglichkeit" genügt nicht (BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84 - SozR 3850 § 51 Nr. 9).
Die Klägerin war nach der Schädigung im erlernten und ausgeübten Beruf als Zahntechnikerin tätig. Die krankheitsbedingte Aufgabe des Berufes erfolgte nach den Feststellungen des Gutachtens des Dr. J. vom 05.04.2007, welches Grundlage für die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung war, infolge des Ellenbogentraumas rechts sowie der Belastungsstörungen der Hände und beider Ellenbogen. Diese schädigungsfremden Gesundheitsstörungen führten zu einer Aufhebung der Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Zahntechnikerin mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen. Infolgedessen kommt eine Anhebung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 1. Fall BVG nicht in Betracht.
Weiter ist ein besonderes berufliches Betroffensein nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BVG auszuschließen, da weder von der Klägerin vorgetragen noch erkennbar ist, dass die Klägerin durch die Schädigung am weiteren Aufstieg im Beruf gehindert war.
Eine besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 2. Fall BVG liegt ebenfalls nicht vor. Denn für das Gericht ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlich nachgewiesen, dass die Schädigungsfolgen dazu führten, dass die Klägerin den vermeintlich angestrebten Beruf als Zahnmedizinerin nicht aufnehmen konnte.
Von einem nachweislich angestrebten Beruf kann nur dann gesprochen werden, wenn sich der Ausbildungswille in Richtung auf das Berufsziel aus konkreten Gesichtspunkten ergibt; fehlt es am solchen, kann von einem nachweislich angestrebten Beruf nicht ausgegangen werden (Rohr/Sträßer/Dahm, BVG, Soziales Entschädigungsrecht und Sozialgesetzbücher, Kommentar - R/S/D - § 30-17 m.w.N.).
Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Klägerin den Berufswunsch der Zahnmedizinerin aufgrund der Schädigungsfolgen nicht weiter verfolgen konnte. Zum Nachweis genügt ihm nicht der Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen vom 10.09.1973, in welchem der Klägerin ein Studienplatz im Studiengang Zahnmedizin für die Freie Universität Berlin zugesagt wurde. Vielmehr geht das Gericht wie der Beklagte davon aus, dass diese aus schädigungsfremden Motiven von einem entsprechenden Studium Abstand nahm und den erlernten Beruf als Zahntechnikerin ausübte. So gab die Klägerin im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 03.02.1970 an, dass sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E. aufgenommen hat, um danach als zahntechnische Fachkraft arbeiten zu können. Während des Aufenthalts im Juli 1970 in Rumänien hatte sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten. Dieser hatte sich dann auch über Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin erkundigt. Dies spricht aus Sicht des Gerichts dafür, dass die Klägerin beabsichtigte, als Zahntechnikerin beschäftigt zu werden. Weiter erklärte die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. H. vom 25.07.2008, dass sie die Flucht in die BRD mit ihrem damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann geplant hatte, welcher den Malerbetrieb seines Vaters in A-Stadt übernehmen sollte. Vor diesem Hintergrund schließt das Gericht es aus, dass die Klägerin ernsthaft in Erwägung zog, ein Studium in Berlin aufzunehmen, während sich der Ehemann in A-Stadt befand; dies umso mehr, als die Klägerin ein kleines Kind zu versorgen hatte. Unabhängig davon ist für das Gericht entgegen der zahlreichen klägerfreundlichen Stellungnahmen und Atteste des Bezirkskrankenhauses A-Stadt überhaupt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt unter nennenswerten psychischen Störungen litt. Denn solche sind erst ab 2007 dokumentiert. Selbst die behandelnden Ärzte des Bezirkskrankenhauses A-Stadt müssen einräumen, dass die Klägerin die traumatisierenden Erlebnisse lange Zeit gut kompensieren konnte und keine klinisch relevanten Beeinträchtigungen zu beklagen hatte.
Aus dem vorgenannten Grund kommt auch eine Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BVG nicht in Betracht, da die psychischen Störungen die Berufsausübung als Zahntechnikerin nicht wesentlich beeinträchtigten.
Da weitere Gründe für eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG nicht gegeben sind, kommt eine Anhebung des GdS nicht in Betracht.
Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten BSA, § 30 Abs. 3 BVG. Es kommt somit auf die wesentliche Verursachung des Einkommensverlustes durch die Schädigungsfolgen an (BSG, Urteil vom 17.12.1997, 9 RV 23/96). Ein solcher ist hier aus den oben genannten Gründen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Im Übrigen wird aufgrund der zutreffenden Begründung des Beklagten im Bescheid vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 SGG abgesehen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Grundrente infolge besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA hat. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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