S 14 AS 720/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 AS 720/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 661/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 218/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Minderung des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.09.2016 in Höhe von 36,40 EUR monatlich.

Der 1983 geborene Kläger und die 1981 geborene Klägerin sind verheiratet und wohnen zusammen. Sie beziehen seit 09.01.2009 - mit kurzen Unterbrechungen - Arbeitslosengeld II vom Beklagten, zuletzt (wegen einer vom Kläger ausgeübten selbständigen Tätigkeit vorläufig) bewilligt mit Bescheiden vom 31.03.2016 (März bis August 2016) und 12.07.2016 (September 2016 bis Februar 2017) in monatlich unterschiedlicher Höhe.

Mit Folgeeinladung vom 05.04.2016, der Klägerin zugestellt am 08.04.2016, lud der Beklagte die Klägerin, die seit Beginn des Leistungsbezuges noch keinen einzigen Meldetermin beim Beklagten wahrgenommen hat, am 19.04.2016 um 8:45 Uhr ein, um mit ihr über ihre Mitarbeit im Betrieb des Klägers zu sprechen. Zuvor hatten die Kläger dem Beklagten wiederholt mitgeteilt, dass die Klägerin nun im "Betrieb" des Klägers mitarbeite. Nähere Angaben zu Art und Umfang der Mitarbeit haben sie trotz mehrfacher Nachfrage bisher nicht gemacht. Die Meldeaufforderung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung über eine mögliche weitere 10%-Sanktion für die Dauer von drei Monaten im Falle des Nichterscheinens ohne wichtigen Grund.

Mit Schreiben vom 09.04.2016 teilte der Kläger dem Beklagten sinngemäß mit, dass die Klägerin zum Meldetermin nicht erscheinen werde. Alle Informationen, die sie ohne Verstoß gegen Schutzrechte offerieren können, seien bereits übermittelt worden.

Zum Meldetermin am 19.04.2016 erschien die Klägerin nicht.

Auf die Anhörung vom 10.05.2016 zur beabsichtigten Sanktion vertrat die Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2016 die Ansicht, dass Bundessozialgericht - BSG - habe "geurteilt, dass Mehrfachsanktionen wegen ein und der selben Sache rechtswidrig" seien.

Mit Sanktionsbescheid vom 02.06.2016 stellte der Beklagte die Minderung des Arbeitslosengeld II-Anspruchs der Klägerin für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.09.2016 um 10 % der Regelleistung, also um 36,40 EUR monatlich, fest. Die Klägerin sei trotz Kenntnis der Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 19.04.2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

Hiergegen erhoben die Kläger am 04.06.2016 Widerspruch. Zur Begründung machten sie geltend, das BSG habe entschieden, dass die Klägerin "nicht mehrfach wegen der gleichen Sache sanktioniert werden darf". Die vorliegende sei aber alleine im laufenden Jahr bereits die sechste Sanktion wegen "der Kooperation" der Klägerin mit dem Kläger.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden; insbesondere stehe er im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG.

Hiergegen erhoben die Kläger am 30.06.2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Zur Begründung wiederholten sie sinngemäß ihr bisheriges Vorbringen.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden und auch nicht vertretenen Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß, den Bescheid vom 02.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2016 aufzuheben.

Der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht vertretene Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und wurden in der Ladung jeweils auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage des Klägers ist bereits unzulässig. Klagebefugt ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sanktionsbescheid nur die Klägerin, da nur ihre Leistungen aufgrund der Sanktion gemindert werden und deshalb nur sie hiervon beschwert ist.

Die Klage der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Sanktionsbescheid vom 02.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

§ 32 Abs. 1 SGB II regelt, dass bei Leistungsberechtigten, die trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen, sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 % des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs mindert. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

Vorliegend wurde die Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2016 zu einem Termin am 19.04.2016 eingeladen. Nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat sich der Leistungsberechtigte - und das ist die Klägerin auch im Falle einer Beschäftigung im Betrieb ihres Ehemannes, des Klägers, weiterhin - ab Antragstellung persönlich beim SGB-II-Leistungsträger zu melden, wenn der Leistungsträger ihn dazu auffordert. Die Meldeaufforderung muss sich auf einen in § 309 Abs. 2 SGB III aufgezählten Grund beziehen. Dies ist hier der Fall; der Meldezweck der Besprechung der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes dient sowohl der Prüfung von Leistungsvoraussetzungen (§ 309 Abs. 2 Nr. 5 SGB II) als der Klärung der Frage, ob und inwieweit weiterhin Leistungen des Beklagten zur Vermittlung der Klägerin in Arbeit erforderlich sind (§ 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).

Ein Meldeversäumnis liegt dann vor, wenn der Leistungsberechtigte sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Insofern liegt ein Meldeversäumnis vor, da die Klägerin am 19.04.2016 nicht beim Beklagten vorgesprochen hat. Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist der Klägerin auch subjektiv vorwerfbar. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Klägerin die Aufforderung des Beklagten vom 05.04.2016, am 19.04.2016 bei ihm vorzusprechen, erhalten hat. Dennoch hat die Klägerin den Termin nicht wahrgenommen.

Voraussetzung für eine Sanktionierung ist die vorherige schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis. Hier hatte der Beklagte die Klägerin mit Einladungsschreiben vom 05.04.2016 konkret, richtig, vollständig und zeitnah darüber belehrt, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für sie ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Die Klägerin wurde explizit auf die weitere Minderung ihrer Leistungen nach dem SGB II um 10 % des für sie maßgebenden Regelbedarfs für einen Zeitraum von drei Monaten hingewiesen.

Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen am 19.04.2016 liegt nicht vor. Als wichtige Gründe sind alle Umstände anzusehen, die eine Meldung unmöglich gemacht haben oder diese als unzumutbar erscheinen lassen, so dass ein anderes Verhalten billigerweise nicht zu erwarten war. Soweit die Kläger sich darauf berufen, das BSG habe "geurteilt, dass nicht mehrfach wegen der gleichen Begründung sanktioniert werden darf", ist dies schon nicht zutreffend. Vielmehr hat das BSG mit Urteil vom 29.04.2015 (Az.: B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, dort Rn. 45ff.) lediglich entschieden, dass ein Jobcenter ab der vierten ("nach der dritten") gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins Ermessen ausüben muss, ob die weitere - also die vierte - gleichlautende Meldeaufforderung den Leistungsbezieher noch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen kann oder ob sie nur noch der Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs dient. Der Meldezweck "Besprechung der Mitarbeit im Betrieb des Klägers" wurde vor der streitgegenständlichen Einladung vom 05.04.2016 erst einmal verfolgt (Einladung vom 11.12.2015). Das vorgenannte BSG-Urteil betrifft erst die vierte gleichlautende Meldeaufforderung und steht dem streitgegenständlichen Vorgehen des Beklagten, das auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist, nicht entgegen.

Der Beklagte hat Dauer und Umfang der Leistungsminderung gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II zutreffend bestimmt. Die Frist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II ist eingehalten.

Nach alledem ist die Klage mit der sich aus §§ 183, 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Angesichts der streitgegenständlichen Minderung von jeweils 36,40 EUR für drei Monate ist weder die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG erreicht, noch sind wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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