Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 P 26/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 (3) P 26/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von 10.225,80 Euro.
Der Kläger betreibt den "B". Mitgesellschafterin dieses Pflegedienstes war bis 24.01.1998 T und ist seit 01.01.2000 U. In der Zeit vom 25.01.1998 bis 31. 12.1999 war der Kläger Alleininhaber des B. Der B ist über Rahmen- und Versorgungsverträge Leistungserbringer der Beklagten für Leistungen der ambulanten Pflege im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung. Im Frühjahr 1998 wurden beim B Unstimmigkeiten in den Pflegedokumentationen und Abrechnungen bzgl. Mehrerer Versicherter festgestellt. Mit 2 Schreiben vom 12.06.1998 wurden dem Kläger die einzelnen Fälle und Beanstandungen dargelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schreiben vom 21.06.1998 räumte der Kläger Fehler in Pflegedokumentationen und in Abrechnungen ein, bestritt aber auch andere ihm vorgeworfene Abrechnungsfehler. Er bedauerte die Auffälligkeiten und verwies auf eine inzwischen durchgeführte Reorganisation des B. Am 27.08.1998 fand eine Sitzung des Vertragsausschusses statt. Der Kläger wurde angehört, die Angelegenheit wurde erörtert und es erging ein Beschluss. Ausweislich der Sitzungsniederschrift kam der Vertragsausschuss (u.a.) zum Ergebnis, dass die Pflegedokumentation des B lückenhaft und unzulänglich war, dass der Kläger die veränderte Personalsituation nach dem Ausscheiden der Pflegedienstleiterin T nicht mitgeteilt hatte und das keine auf die veränderte Gesellschafts- und Verantwortungssituation zutreffende Vertragssituation bestand; eine bewusste Falschabrechnung und eine damit verbundene Bereicherungsabsicht des Klägers schloss der Vertragsausschuss aus. Die Beteiligten kamen in der Sitzung u.a. überein, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und den Landesverbänden neu zu regeln waren, dass dem Kläger rückwirkend zum 01.02.1998 ein neuer Versorgungsvertrag für den Bereich der Pflegeversicherung erteilt wurde, dass der Kläger die personellen Voraussetzungen (Stellenbesetzung der Pflegedienstleitung und stellvertretenden Pflegedienstleitung) bis spätestens 31.12.1998 zu erfüllen hatte, andernfalls mit dem 01.01.1999 jegliche Verpflichtung zur Zahlung seitens der Rheinischen Krankenkassen entfiel, und dass nach Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen das Vertragsverhältnis auch für den Bereich der Krankenversicherung neu geregelt wurde. Abschließend wurde dem Kläger aufgegeben, an die Landesverbände der Rheinischen Pflege- und Krankenkassen eine Zahlung in Höhe von 20.000 DM vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 24.09.1998 wurde dem Kläger das Ergebnis der Vertragsausschusssitzung und mit Schreiben vom 12.10 ...1998 eine Zahlungsverpflichtungserklärung mit den näheren Zahlungsmodalitäten übersandt. Am 30.10.1998 unterschrieb der Kläger folgende Erklärung zur Zahlungsverpflichtung
Hiermit erkläre ich, Q, als Inhaber des Pflegedienstes B, T Straße, H, entsprechend der Anhörung und Erörterung vom 27.08.1998 an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen eine Zahlung in Höhe von
20.000,00 DM
zu leisten.
Die Zahlung erfolgt, beginnend ab 01.01.1999, in monatlichen Teilbeträgen von 2.000,00 DM.
und sandte diese Erklärung mit Schreiben vom 02.11.1998 an die AOK Rheinland zurück. Zugleich teilte er die neue Besetzung der Pflegedienstleitung mit und bat um Aufhebung der Abrechnungssperre für neue Patienten. In den Monaten Januar bis Oktober 1999 zahlte der Kläger jeweils 2.000,00 DM zur Begleichung der Schuld aus der eingegangenen Zahlungsverpflichtung.
Mit Schreiben vom 24.02.2003 erklärte der Kläger "die Anfechtung der Erklärung zur Zahlungsverpflichtung vom 30.10.1998 aufgrund von Drohung (i.S. von § 123 BGB) " und forderte die Rückzahlung von 10.225,80 Euro zuzüglich Zinsen. Er vertrat die Auffassung, bei der auferlegten Zahlung von 20.000,00 DM habe es sich um eine Vertragsstrafe gehandelt, zu deren Festsetzung die Beklagten nicht berechtigt gewesen seien. Vor dem Hindergrund der Streitigkeiten zwischen den Beteiligten hinsichtlich erbrachter pflegerischer Leistungen sei er am 27.08.1998 vor die Wahl gestellt worden, entweder 20.000,00 DM an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen zu zahlen oder aber den Versorgungsvertrag als Leistungserbringer (fristlos) gekündigt zu bekommen. Die Beklagten zahlten nicht.
Am 31.07.2003 hat der Kläger Zahlungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, bei dem Schriftstück vom 30.10.1998 handele es sich um die schriftliche Fixierung einer Vertragsstrafe; eine solche hätte, wenn sie zulässig gewesen wäre, durch die Beklagten im Wege eines Verwaltungsakts ausgesprochen werden müssen; der gewählte Weg sei eine unzulässige Umgehung der erforderlichen Vorgehensweise für die Verhängung von Vertragsstrafen. Der Kläger meint, er habe einen Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung; die Verpflichtung, 20.000,00 DM zu zahlen, sei eine Vertragsstrafe; dass er die Zahlungsverpflichtung durch Abgabe einer schriftlichen Willenserklärung selbst fixiert habe, ändere nichts am Vertragsstrafencharakter der Erklärung und gebe ihr keinen anderen Rechtsgrund, etwa den eines selbständigen Schuldanerkenntnisses. Der Kläger behauptet, dass Sozialgericht Düsseldorf habe im Urteil von 19.06.2000 (S 1 P 32/99) festgestellt, dass "für den Bereich der Leistungserbringung im SGB V - und SGB XI - Bereich die Festsetzung einer Vertragsstrafe unzulässig und damit rechtswidrig" sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, ihm gesamtschuldnerisch 10.225,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus EUR 1.022,58 für den Zeitraum 04.01.-01.02.1999 aus EUR 2.045,16 für den Zeitraum 02.02.-02.03.1999 aus EUR 3.067,74 für den Zeitraum 03.03.-05.04.1999 aus EUR 4.090,32 für den Zeitraum 06.04.-30.04.1999 in Höhe von 5 % -Punkten über den Basiszinssatz nach § 247 BGB aus EUR 4.090,32 für den Zeitraum 01.05.-02.05.1999 aus EUR 5.112,90 für den Zeitraum 03.05.-01.06.1999 aus EUR 6.135,48 für den Zeitraum 02.06.-04.07.1999 aus EUR 7.158,06 für den Zeitraum 05.07.-01.08.1999 aus EUR 8.180,64 für den Zeitraum 02.08.-01.09.1999 aus EUR 9.203,22 für den Zeitraum 02.09.-03.10.1999 und aus EUR 10.225,80 seit dem 04.10.1999 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie verweisen darauf, die Beteiligten hätten sich am 27.08.1998 zum Ausgleich der festgestellten Verfehlungen im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung auf die Zahlung eines Betrages in Höhe von 20.000,00 DM verständigt; darauf basierend sei der Kläger ergänzend aufgefordert worden, als Zeichen seines Schuldanerkenntnisses eine entsprechende Erklärung zu der von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtung abzugeben. Die Beklagten meinen, Rechtsgrundlage der Zahlungsverpflichtung des Klägers sei eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung sui generis, auf die sich die Beteiligten gemeinsam verständigt hätten. Die Zahlungsverpflichtung stehe weder mit Schadensersatzforderungen im Zusammenhang noch liege darin eine "geeignete Maßnahme" im Sinne von § 18 Abs. 1 des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI. Es sei rechtsmissbräulich und verstoße gegen Treu und Glauben, nach ca. 3 ½ Jahren Vereinbarungen und Verpflichtungserklärungen in Frage zu stellen; etwaige Rückforderungsrechte hätte der Kläger verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen und sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da zwischen dem Kläger und den Beklagten kein Über/Unterordnungsverhältnis besteht, die Klage auf Zahlung eines Geldbetrages aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnis erhoben worden ist, nachdem die Beklagten vorgerichtlich ihre Zahlungspflicht verneint haben, und ein Verwaltungsakt insofern nicht zu ergehen hatte. Insofern folgt die Kammer nicht der Auffassung des Klägers, er und die Beklagten stünden sich (damals wie heute) nicht als zwei gleichberechtigte Vertragsparteien, sondern in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber. Wäre dies so und hätte die Zahlungsverpflichtung, wie der Kläger meint, durch Verwaltungsakt ausgesprochen werden müssen, wäre die vorliegende Klage unzulässig, entweder weil es dann an einem vorgeschalteten Verwaltungs- und Vorverfahren fehlt oder weil, wenn man in dem Schreiben vom 24.09.1998 einen Verwaltungsakt sähe, dieser bestandskräftig wäre.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Dem Kläger steht wegen seiner Zahlung von 20.000,00 DM an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen in Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 kein Anspruch gegen die Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zu. Zwar handelt es sich bei der Zahlung um eine Leistung auf Kosten des Klägers, jedoch ist diese nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. Rechtsgrund der Zahlung ist die "Erklärung zur Zahlungsverpflichtung" über 20.000,00 DM, die der Kläger am 30.10.1998 abgegeben hat. Es handelt sich bei dieser Zahlungsverpflichtungserklärung um ein selbständiges konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB. Der Kläger ist diese Verpflichtung nach schriftlicher und mündlicher Anhörung und Erörterung seiner Angelegenheit eingegangen und ihr auch nachgekommen.
Die Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 ist nicht nichtig, weil sie nicht wirksam angefochten worden ist. Der Kläger hat die Erklärung vom 30.10.1998 erstmals durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.02.2003 unter Hinweis auf § 123 BGB angefochten. Nach den sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergebenden Umstände und dem Verlauf der Verhandlungen der Beteiligten im Jahre 1998 ist die Kammer der Auffassung, dass der Kläger nicht widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe der Zahlungsverpflichtungserklärung bestimmt worden ist. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil die Anfechtung jedenfalls nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 124 Abs. 1 BGB erfolgt ist. Die Frist beginnt im Fall einer Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (§ 124 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ausgehend davon, dass spätestens mit der Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen, die die Beteiligten in der Sitzung am 27.08.1998 eingegangen sind, d.h. spätestens mit dem Eingang der letzten Raten aus der Zahlungsverpflichtungserklärung im Oktober 1999 (zu diesem Zeitpunkt waren offensichtlich alle übrigen gegenseitigen Verpflichtungen erfüllt und es bestand wieder eine ordnungsgemäße Vertragssituation) die vom Kläger behauptete "Zwangslage" beendet war, begann die Jahresfrist im Oktober 1999 und endete demgemäss spätestens mit Ablauf des Oktober 2000. Innerhalb dieser Frist ist keine Anfechtung erfolgt.
Angesichts der von den Beteiligten gewählten Form einer eigenständigen Zahlungsverpflichtungserklärung als Rechtsgrund für die Zahlung von 20.000,00 DM in 10 Raten kann dahinstehen, ob es sich hierbei - wie der Kläger meint - um eine Vertragsstrafe handelt und ob eine solche unzulässig gewesen wäre. Für seine Auffassung kann sich der Kläger jedenfalls nicht auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.06.2000 (S 1 P 32/99) berufen. Denn dieses Urteil betraf ausschließlich die Leistungen eines Pflegedienstes im Bereich der Pflegeversicherung und den entsprechenden "Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Nordrhein-Westfalen". Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen lediglich festgestellt, dass § 18 Abs. 1 dieses Rahmenvertrages, wonach die Landesverbände der Pflegekassen bei Vertragsverstößen über "geeignete Maßnahmen" befinden können, keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Vertragsstrafe ist, weil sie nicht den Anforderungen an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatlichkeitsgrundsatzes nach Artikel 20 Abs. 3 GG genügt (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen: BVerwG, Urt. v. 06.03.1986 - 2 C 41/85 und OVG NW, Urt. 26.11.1996 - 14 A 1205/94). Anders als bei dem vom Sozialgericht Düsseldorf entschiedenen Fall ging es bei dem Kläger jedoch auch um Leistungen im Bereich der Krankenversicherung und galt zwischen den Beteiligten auch der Rahmenvertrag gemäß §§ 132, 132 a Abs. 2 SGB V vom 11.12.1997. Diesem Rahmenvertrag ist der ASFD durch schriftliche Erklärung des Klägers vom 09.01.1998 beigetragen. Der Rahmenvertrag sieht in § 19 Abs. 1 Satz 2 b ausdrücklich eine Vertragsstrafe bis 20.000,00 DM vor, wenn der Leistungserbringer seine gesetzliche oder vertraglichen Pflichten nicht in der gebotenen Weise beachtet. Die Landesverbände haben jedoch im Fall des Klägers von dieser Vertragsstrafenregelung des § 19 ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Dafür mag es verschiedene Gründe gegeben haben. Ein Grund mag gewesen sein, dass zum Zeitpunkt der Sitzung vom 27.08.1998 die formalen Voraussetzungen die Auferlegung einer Vertragsstrafe nicht erfüllt waren. Entscheidender aber dürfte nach Auffassung der Kammer gewesen sein, dass zum damaligen Zeitpunkt wegen des eingetretenen Wechsels in der Trägerschaft des B zwischen dem Kläger und den Landesverbänden keine Vertragsbeziehungen bestanden oder zumindest Unsicherheit über das Bestehen von Vertragsbeziehungen herrschte. Der Niederschrift über die Sitzung vom 27.08.1998 ist zu entnehmen, dass die Beteiligten offensichtlich eine einvernehmliche Erklärung der Angelegenheit wollten und die Vertragsbeziehungen für die Zukunft fortsetzen bzw. auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollten. Zu diesem Zweck haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass der Kläger verschiedene Erklärungen abgab, die Pflegedienstleitung neu bestimmte und 20.000,00 DM zahlte, die Beklagten im Gegenzug für den Bereich der Pflegeversicherung (rückwirkend!) zum 01.02.1998 einen neuen Versorgungsvertrag mit dem Kläger schloss und für den Bereich der Krankenversicherung die Neuregelung des Vertragsverhältnisses bei entsprechender Erfüllung der vom Kläger zu leistenden Voraussetzungen versprach. Als dies spricht dagegen, dass es sich bei der Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 um die Bestätigung einer Vertragsstrafe gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Absatz 1, 162 Absatz 1 VwGO.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von 10.225,80 Euro.
Der Kläger betreibt den "B". Mitgesellschafterin dieses Pflegedienstes war bis 24.01.1998 T und ist seit 01.01.2000 U. In der Zeit vom 25.01.1998 bis 31. 12.1999 war der Kläger Alleininhaber des B. Der B ist über Rahmen- und Versorgungsverträge Leistungserbringer der Beklagten für Leistungen der ambulanten Pflege im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung. Im Frühjahr 1998 wurden beim B Unstimmigkeiten in den Pflegedokumentationen und Abrechnungen bzgl. Mehrerer Versicherter festgestellt. Mit 2 Schreiben vom 12.06.1998 wurden dem Kläger die einzelnen Fälle und Beanstandungen dargelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schreiben vom 21.06.1998 räumte der Kläger Fehler in Pflegedokumentationen und in Abrechnungen ein, bestritt aber auch andere ihm vorgeworfene Abrechnungsfehler. Er bedauerte die Auffälligkeiten und verwies auf eine inzwischen durchgeführte Reorganisation des B. Am 27.08.1998 fand eine Sitzung des Vertragsausschusses statt. Der Kläger wurde angehört, die Angelegenheit wurde erörtert und es erging ein Beschluss. Ausweislich der Sitzungsniederschrift kam der Vertragsausschuss (u.a.) zum Ergebnis, dass die Pflegedokumentation des B lückenhaft und unzulänglich war, dass der Kläger die veränderte Personalsituation nach dem Ausscheiden der Pflegedienstleiterin T nicht mitgeteilt hatte und das keine auf die veränderte Gesellschafts- und Verantwortungssituation zutreffende Vertragssituation bestand; eine bewusste Falschabrechnung und eine damit verbundene Bereicherungsabsicht des Klägers schloss der Vertragsausschuss aus. Die Beteiligten kamen in der Sitzung u.a. überein, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und den Landesverbänden neu zu regeln waren, dass dem Kläger rückwirkend zum 01.02.1998 ein neuer Versorgungsvertrag für den Bereich der Pflegeversicherung erteilt wurde, dass der Kläger die personellen Voraussetzungen (Stellenbesetzung der Pflegedienstleitung und stellvertretenden Pflegedienstleitung) bis spätestens 31.12.1998 zu erfüllen hatte, andernfalls mit dem 01.01.1999 jegliche Verpflichtung zur Zahlung seitens der Rheinischen Krankenkassen entfiel, und dass nach Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen das Vertragsverhältnis auch für den Bereich der Krankenversicherung neu geregelt wurde. Abschließend wurde dem Kläger aufgegeben, an die Landesverbände der Rheinischen Pflege- und Krankenkassen eine Zahlung in Höhe von 20.000 DM vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 24.09.1998 wurde dem Kläger das Ergebnis der Vertragsausschusssitzung und mit Schreiben vom 12.10 ...1998 eine Zahlungsverpflichtungserklärung mit den näheren Zahlungsmodalitäten übersandt. Am 30.10.1998 unterschrieb der Kläger folgende Erklärung zur Zahlungsverpflichtung
Hiermit erkläre ich, Q, als Inhaber des Pflegedienstes B, T Straße, H, entsprechend der Anhörung und Erörterung vom 27.08.1998 an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen eine Zahlung in Höhe von
20.000,00 DM
zu leisten.
Die Zahlung erfolgt, beginnend ab 01.01.1999, in monatlichen Teilbeträgen von 2.000,00 DM.
und sandte diese Erklärung mit Schreiben vom 02.11.1998 an die AOK Rheinland zurück. Zugleich teilte er die neue Besetzung der Pflegedienstleitung mit und bat um Aufhebung der Abrechnungssperre für neue Patienten. In den Monaten Januar bis Oktober 1999 zahlte der Kläger jeweils 2.000,00 DM zur Begleichung der Schuld aus der eingegangenen Zahlungsverpflichtung.
Mit Schreiben vom 24.02.2003 erklärte der Kläger "die Anfechtung der Erklärung zur Zahlungsverpflichtung vom 30.10.1998 aufgrund von Drohung (i.S. von § 123 BGB) " und forderte die Rückzahlung von 10.225,80 Euro zuzüglich Zinsen. Er vertrat die Auffassung, bei der auferlegten Zahlung von 20.000,00 DM habe es sich um eine Vertragsstrafe gehandelt, zu deren Festsetzung die Beklagten nicht berechtigt gewesen seien. Vor dem Hindergrund der Streitigkeiten zwischen den Beteiligten hinsichtlich erbrachter pflegerischer Leistungen sei er am 27.08.1998 vor die Wahl gestellt worden, entweder 20.000,00 DM an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen zu zahlen oder aber den Versorgungsvertrag als Leistungserbringer (fristlos) gekündigt zu bekommen. Die Beklagten zahlten nicht.
Am 31.07.2003 hat der Kläger Zahlungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, bei dem Schriftstück vom 30.10.1998 handele es sich um die schriftliche Fixierung einer Vertragsstrafe; eine solche hätte, wenn sie zulässig gewesen wäre, durch die Beklagten im Wege eines Verwaltungsakts ausgesprochen werden müssen; der gewählte Weg sei eine unzulässige Umgehung der erforderlichen Vorgehensweise für die Verhängung von Vertragsstrafen. Der Kläger meint, er habe einen Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung; die Verpflichtung, 20.000,00 DM zu zahlen, sei eine Vertragsstrafe; dass er die Zahlungsverpflichtung durch Abgabe einer schriftlichen Willenserklärung selbst fixiert habe, ändere nichts am Vertragsstrafencharakter der Erklärung und gebe ihr keinen anderen Rechtsgrund, etwa den eines selbständigen Schuldanerkenntnisses. Der Kläger behauptet, dass Sozialgericht Düsseldorf habe im Urteil von 19.06.2000 (S 1 P 32/99) festgestellt, dass "für den Bereich der Leistungserbringung im SGB V - und SGB XI - Bereich die Festsetzung einer Vertragsstrafe unzulässig und damit rechtswidrig" sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, ihm gesamtschuldnerisch 10.225,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus EUR 1.022,58 für den Zeitraum 04.01.-01.02.1999 aus EUR 2.045,16 für den Zeitraum 02.02.-02.03.1999 aus EUR 3.067,74 für den Zeitraum 03.03.-05.04.1999 aus EUR 4.090,32 für den Zeitraum 06.04.-30.04.1999 in Höhe von 5 % -Punkten über den Basiszinssatz nach § 247 BGB aus EUR 4.090,32 für den Zeitraum 01.05.-02.05.1999 aus EUR 5.112,90 für den Zeitraum 03.05.-01.06.1999 aus EUR 6.135,48 für den Zeitraum 02.06.-04.07.1999 aus EUR 7.158,06 für den Zeitraum 05.07.-01.08.1999 aus EUR 8.180,64 für den Zeitraum 02.08.-01.09.1999 aus EUR 9.203,22 für den Zeitraum 02.09.-03.10.1999 und aus EUR 10.225,80 seit dem 04.10.1999 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie verweisen darauf, die Beteiligten hätten sich am 27.08.1998 zum Ausgleich der festgestellten Verfehlungen im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung auf die Zahlung eines Betrages in Höhe von 20.000,00 DM verständigt; darauf basierend sei der Kläger ergänzend aufgefordert worden, als Zeichen seines Schuldanerkenntnisses eine entsprechende Erklärung zu der von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtung abzugeben. Die Beklagten meinen, Rechtsgrundlage der Zahlungsverpflichtung des Klägers sei eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung sui generis, auf die sich die Beteiligten gemeinsam verständigt hätten. Die Zahlungsverpflichtung stehe weder mit Schadensersatzforderungen im Zusammenhang noch liege darin eine "geeignete Maßnahme" im Sinne von § 18 Abs. 1 des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI. Es sei rechtsmissbräulich und verstoße gegen Treu und Glauben, nach ca. 3 ½ Jahren Vereinbarungen und Verpflichtungserklärungen in Frage zu stellen; etwaige Rückforderungsrechte hätte der Kläger verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen und sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da zwischen dem Kläger und den Beklagten kein Über/Unterordnungsverhältnis besteht, die Klage auf Zahlung eines Geldbetrages aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnis erhoben worden ist, nachdem die Beklagten vorgerichtlich ihre Zahlungspflicht verneint haben, und ein Verwaltungsakt insofern nicht zu ergehen hatte. Insofern folgt die Kammer nicht der Auffassung des Klägers, er und die Beklagten stünden sich (damals wie heute) nicht als zwei gleichberechtigte Vertragsparteien, sondern in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber. Wäre dies so und hätte die Zahlungsverpflichtung, wie der Kläger meint, durch Verwaltungsakt ausgesprochen werden müssen, wäre die vorliegende Klage unzulässig, entweder weil es dann an einem vorgeschalteten Verwaltungs- und Vorverfahren fehlt oder weil, wenn man in dem Schreiben vom 24.09.1998 einen Verwaltungsakt sähe, dieser bestandskräftig wäre.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Dem Kläger steht wegen seiner Zahlung von 20.000,00 DM an die rheinischen Landesverbände der Pflege- und Krankenkassen in Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 kein Anspruch gegen die Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zu. Zwar handelt es sich bei der Zahlung um eine Leistung auf Kosten des Klägers, jedoch ist diese nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. Rechtsgrund der Zahlung ist die "Erklärung zur Zahlungsverpflichtung" über 20.000,00 DM, die der Kläger am 30.10.1998 abgegeben hat. Es handelt sich bei dieser Zahlungsverpflichtungserklärung um ein selbständiges konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB. Der Kläger ist diese Verpflichtung nach schriftlicher und mündlicher Anhörung und Erörterung seiner Angelegenheit eingegangen und ihr auch nachgekommen.
Die Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 ist nicht nichtig, weil sie nicht wirksam angefochten worden ist. Der Kläger hat die Erklärung vom 30.10.1998 erstmals durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 24.02.2003 unter Hinweis auf § 123 BGB angefochten. Nach den sich aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergebenden Umstände und dem Verlauf der Verhandlungen der Beteiligten im Jahre 1998 ist die Kammer der Auffassung, dass der Kläger nicht widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe der Zahlungsverpflichtungserklärung bestimmt worden ist. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil die Anfechtung jedenfalls nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 124 Abs. 1 BGB erfolgt ist. Die Frist beginnt im Fall einer Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (§ 124 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ausgehend davon, dass spätestens mit der Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen, die die Beteiligten in der Sitzung am 27.08.1998 eingegangen sind, d.h. spätestens mit dem Eingang der letzten Raten aus der Zahlungsverpflichtungserklärung im Oktober 1999 (zu diesem Zeitpunkt waren offensichtlich alle übrigen gegenseitigen Verpflichtungen erfüllt und es bestand wieder eine ordnungsgemäße Vertragssituation) die vom Kläger behauptete "Zwangslage" beendet war, begann die Jahresfrist im Oktober 1999 und endete demgemäss spätestens mit Ablauf des Oktober 2000. Innerhalb dieser Frist ist keine Anfechtung erfolgt.
Angesichts der von den Beteiligten gewählten Form einer eigenständigen Zahlungsverpflichtungserklärung als Rechtsgrund für die Zahlung von 20.000,00 DM in 10 Raten kann dahinstehen, ob es sich hierbei - wie der Kläger meint - um eine Vertragsstrafe handelt und ob eine solche unzulässig gewesen wäre. Für seine Auffassung kann sich der Kläger jedenfalls nicht auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.06.2000 (S 1 P 32/99) berufen. Denn dieses Urteil betraf ausschließlich die Leistungen eines Pflegedienstes im Bereich der Pflegeversicherung und den entsprechenden "Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Nordrhein-Westfalen". Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen lediglich festgestellt, dass § 18 Abs. 1 dieses Rahmenvertrages, wonach die Landesverbände der Pflegekassen bei Vertragsverstößen über "geeignete Maßnahmen" befinden können, keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Vertragsstrafe ist, weil sie nicht den Anforderungen an das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatlichkeitsgrundsatzes nach Artikel 20 Abs. 3 GG genügt (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen: BVerwG, Urt. v. 06.03.1986 - 2 C 41/85 und OVG NW, Urt. 26.11.1996 - 14 A 1205/94). Anders als bei dem vom Sozialgericht Düsseldorf entschiedenen Fall ging es bei dem Kläger jedoch auch um Leistungen im Bereich der Krankenversicherung und galt zwischen den Beteiligten auch der Rahmenvertrag gemäß §§ 132, 132 a Abs. 2 SGB V vom 11.12.1997. Diesem Rahmenvertrag ist der ASFD durch schriftliche Erklärung des Klägers vom 09.01.1998 beigetragen. Der Rahmenvertrag sieht in § 19 Abs. 1 Satz 2 b ausdrücklich eine Vertragsstrafe bis 20.000,00 DM vor, wenn der Leistungserbringer seine gesetzliche oder vertraglichen Pflichten nicht in der gebotenen Weise beachtet. Die Landesverbände haben jedoch im Fall des Klägers von dieser Vertragsstrafenregelung des § 19 ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Dafür mag es verschiedene Gründe gegeben haben. Ein Grund mag gewesen sein, dass zum Zeitpunkt der Sitzung vom 27.08.1998 die formalen Voraussetzungen die Auferlegung einer Vertragsstrafe nicht erfüllt waren. Entscheidender aber dürfte nach Auffassung der Kammer gewesen sein, dass zum damaligen Zeitpunkt wegen des eingetretenen Wechsels in der Trägerschaft des B zwischen dem Kläger und den Landesverbänden keine Vertragsbeziehungen bestanden oder zumindest Unsicherheit über das Bestehen von Vertragsbeziehungen herrschte. Der Niederschrift über die Sitzung vom 27.08.1998 ist zu entnehmen, dass die Beteiligten offensichtlich eine einvernehmliche Erklärung der Angelegenheit wollten und die Vertragsbeziehungen für die Zukunft fortsetzen bzw. auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollten. Zu diesem Zweck haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass der Kläger verschiedene Erklärungen abgab, die Pflegedienstleitung neu bestimmte und 20.000,00 DM zahlte, die Beklagten im Gegenzug für den Bereich der Pflegeversicherung (rückwirkend!) zum 01.02.1998 einen neuen Versorgungsvertrag mit dem Kläger schloss und für den Bereich der Krankenversicherung die Neuregelung des Vertragsverhältnisses bei entsprechender Erfüllung der vom Kläger zu leistenden Voraussetzungen versprach. Als dies spricht dagegen, dass es sich bei der Zahlungsverpflichtungserklärung vom 30.10.1998 um die Bestätigung einer Vertragsstrafe gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Absatz 1, 162 Absatz 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved