Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 81/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 222/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Berufung erledigt durch Rücknahme
Der Bescheid vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2004 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Minderung ihres Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin arbeitete von Juni 2001 bis zum 31.12.2002 als Lageristin bei der Firma X GmbH und zuletzt vom 25.08.2003 bis zum 29.02.2004 als Packerin bei der Firma V und Co. KG. Das Beschäftigungsverhältnis war von Beginn an bis zum 29.02.2004 befristet. Die Klägerin meldete sich am 18.02.2004 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, welches die Beklagte ab 01.03.2004 bewilligte.
Mit Bescheid vom 08.03.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Leistungen mindere sich in Höhe von 1050,00 EUR. Die Klägerin hätte sich spätestens am 02.12.2003 beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich habe sie sich erst am 18.02.2004 gemeldet. Die Meldung sei somit gemäß § 37b SGB III um 79 Tage zu spät erfolgt. Gemäß § 140 SGB III mindere sich der Anspruch der Klägerin auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage. Der Minderungsbetrag werde auf die halbe Leistung angerechnet. Die Anrechnung beginne am 01.03.2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 13.05.2004 beendet.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, der mit der Firma V abgeschlossene Zeitvertrag habe die Option einer Vertragsverlängerung über den 29.02.2004 erhalten. Als sie sich am 17.02.2004 bei ihrem Arbeitgeber erkundigt habe, ob ihr Arbeitsvertrag verlängert werde, sei dies verneint worden. Daraufhin habe sie sich am 18.02.2004 beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet. In dem Merkblatt für Arbeitslose, welches sie am 18.02.2004 erhalten habe, sei ausgeführt, dass eine Meldung der Arbeitslosigkeit einen Tag nach dem Beschäftigungsende ausreiche.
Mit Bescheid vom 08.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf §§ 37b, 140 SGB III.
Hiergegen richtet sich die am 20.04.2004 erhobene Klage. Die Klägerin hat den Arbeitsvertrag mit der Firma V vom 25.08.2003 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass dieser keine Belehrung über die Notwendigkeit unverzüglicher Arbeitslosmeldung beinhalte.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ein Muster des der Klägerin mit Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma V erteilten Aufhebungsbescheides vorgelegt, das den Hinweis enthält: "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden". Der Inhalt des am 18.02.2004 ausgehändigten Merkblatts spiele keine Rolle.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der Entscheidung der Beklagten fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage:
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird durch die Eigentumsgarantie im Sinne des Art. 14 GG geschützt (BVerfG, Beschluss vom 12.02.1986 - 1 BvL 39/83 -). Allerdings wird die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie erst durch die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist, bestimmt (BVerfG 53, 257). Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG schließt die Befugnis des Gesetzgebers ein, Ansprüche auf Arbeitslosengeld zu beschränken. Sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Ansprüche umzugestalten. Der Gesetzgeber muss bei der Wahrnehmung seines Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - dies gilt auch für Ansprüche auf Arbeitslosengeld uneingeschränkt - beachten, als auch sich im Einklang mit anderen Verfassungsnormen halten. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss dabei die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und notwendig sein; sie darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten und muss ihm zumutbar sein (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 BvL 15/83 m. w. N.).
Die Beklagte kann ihre Entscheidung nicht auf § 140 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 37b SGB III stützen.
Die Kammer hat bereits Zweifel, ob diese Norm jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Arbeitslose sich vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos gemeldet hat, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (vgl. hierzu ausführlich SG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 01.04.2004 - S 7 AL 42/04 -). Diese Frage kann indes für den vorliegenden Fall unbeantwortet bleiben, denn die von der Beklagten angeführten Normen tragen die Entscheidung bereits tatbestandlich nicht.
Gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III tritt die Minderung wegen verspäteter Meldung ein, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat. Gemäß § 37b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung gemäß § 37b Satz 2 "jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen".
Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen und sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen bestimmt § 37b Satz 1 SGB III hinreichend deutlich, wann die Arbeitslosmeldung zu erfolgen hat. Denn der Begriff "unverzüglich" ist so zu verstehen, dass sich der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern melden muss. Die in § 121 Abs. 1 Satz 1BGB enthaltene Legaldefinition für den Begriff "unverzüglich" gilt zwar grundsätzlich nur für den Bereich des Privatrechts, dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, diese Norm - wie andere allgemeine Normen des Zivilrechts auch - auf sozialrechtliche Vorschriften anzuwenden (vgl. hierzu Coseriu/Jakob in PK-SGB III, § 37b Rdnr. 8; Kruse in Gagel, § 37b Rdnr. 5). Demgegenüber legt § 37b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse lediglich fest, dass die Meldung "frühestens" drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen haben. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen hat, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen. Die von der Beklagten und auch in der Literatur (Coseriu/Jakob a. a. O. Rdnr 12) vertretene Auffassung, die Meldung habe genau drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen, findet im Gesetz keine Stütze (so auch SG Dortmund, Urteil vom 26.07.2004 - S 33 AL 127/04 -). Diese sich aus dem Wortlaut ergebene Interpretation wird durch Sinn und Zweck von § 37b SGB III gestützt. Personen, die versicherungspflichtig beschäftigt oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig zur Bundesagentur für Arbeit sind, sollen sich so früh wie möglich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, damit diese dann sofort mit den in § 35 SGB III vorgesehenen Maßnahmen beginnen kann. Insbesondere kann die Bundesagentur für Arbeit vor Eintritt des Versicherungsfalls feststellen, in welche beruflichen Tätigkeiten der Arbeitssuchende vermittelt werden kann (BT-Drs. 15/25 zu Nr. 6, S. 27). § 140 SGB III enthält als Sanktion für die Verletzung dieser Obliegenheit einen pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft (BT-Drs. 15/ 25 zu Nr. 19, S. 31). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass - wie dargestellt - der Anspruch auf Arbeitslosengeld verfassungsrechtlich geschützt ist und Eingriffe verhältnismäßig sein müssen, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit es zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten erforderlich und geeignet sein soll, dass der Arbeitslose sich genau an einem bestimmten Tag - drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, nicht früher und nicht später - arbeitslos melden soll.
Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts entnehmen, was zur Erhellung beiträgt, bis wann die Meldung soll erfolgen können. In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drs. 15/25 zu Nr. 6, S. 27) ist ebenfalls lediglich ausgeführt, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung nicht früher als drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses erfolgen soll. Es steht daher zu vermuten, dass der Gesetzgeber übersehen hat zu regeln, bis wann spätestens die Meldung zu erfolgen hat. Ein derartiges gesetzgeberisches Versehen ist jedoch keine geeignete Grundlage für einen verfassungsmäßigen Eingriff in ein gemäß Art. 14 geschütztes Eigentumsrecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat die Revision auf Antrag der Klägerin und mit Zustimmung der Beklagten zugelassen, weil die Voraussetzungen der §§ 160 Abs 2 S. 1, 160 Abs 2 Nr 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Minderung ihres Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin arbeitete von Juni 2001 bis zum 31.12.2002 als Lageristin bei der Firma X GmbH und zuletzt vom 25.08.2003 bis zum 29.02.2004 als Packerin bei der Firma V und Co. KG. Das Beschäftigungsverhältnis war von Beginn an bis zum 29.02.2004 befristet. Die Klägerin meldete sich am 18.02.2004 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, welches die Beklagte ab 01.03.2004 bewilligte.
Mit Bescheid vom 08.03.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Leistungen mindere sich in Höhe von 1050,00 EUR. Die Klägerin hätte sich spätestens am 02.12.2003 beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich habe sie sich erst am 18.02.2004 gemeldet. Die Meldung sei somit gemäß § 37b SGB III um 79 Tage zu spät erfolgt. Gemäß § 140 SGB III mindere sich der Anspruch der Klägerin auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage. Der Minderungsbetrag werde auf die halbe Leistung angerechnet. Die Anrechnung beginne am 01.03.2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 13.05.2004 beendet.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, der mit der Firma V abgeschlossene Zeitvertrag habe die Option einer Vertragsverlängerung über den 29.02.2004 erhalten. Als sie sich am 17.02.2004 bei ihrem Arbeitgeber erkundigt habe, ob ihr Arbeitsvertrag verlängert werde, sei dies verneint worden. Daraufhin habe sie sich am 18.02.2004 beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet. In dem Merkblatt für Arbeitslose, welches sie am 18.02.2004 erhalten habe, sei ausgeführt, dass eine Meldung der Arbeitslosigkeit einen Tag nach dem Beschäftigungsende ausreiche.
Mit Bescheid vom 08.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf §§ 37b, 140 SGB III.
Hiergegen richtet sich die am 20.04.2004 erhobene Klage. Die Klägerin hat den Arbeitsvertrag mit der Firma V vom 25.08.2003 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass dieser keine Belehrung über die Notwendigkeit unverzüglicher Arbeitslosmeldung beinhalte.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ein Muster des der Klägerin mit Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma V erteilten Aufhebungsbescheides vorgelegt, das den Hinweis enthält: "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden". Der Inhalt des am 18.02.2004 ausgehändigten Merkblatts spiele keine Rolle.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der Entscheidung der Beklagten fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage:
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wird durch die Eigentumsgarantie im Sinne des Art. 14 GG geschützt (BVerfG, Beschluss vom 12.02.1986 - 1 BvL 39/83 -). Allerdings wird die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie erst durch die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist, bestimmt (BVerfG 53, 257). Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG schließt die Befugnis des Gesetzgebers ein, Ansprüche auf Arbeitslosengeld zu beschränken. Sofern die Beschränkung einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Ansprüche umzugestalten. Der Gesetzgeber muss bei der Wahrnehmung seines Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG - dies gilt auch für Ansprüche auf Arbeitslosengeld uneingeschränkt - beachten, als auch sich im Einklang mit anderen Verfassungsnormen halten. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss dabei die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und notwendig sein; sie darf den Betroffenen nicht übermäßig belasten und muss ihm zumutbar sein (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 BvL 15/83 m. w. N.).
Die Beklagte kann ihre Entscheidung nicht auf § 140 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 37b SGB III stützen.
Die Kammer hat bereits Zweifel, ob diese Norm jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Arbeitslose sich vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos gemeldet hat, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (vgl. hierzu ausführlich SG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 01.04.2004 - S 7 AL 42/04 -). Diese Frage kann indes für den vorliegenden Fall unbeantwortet bleiben, denn die von der Beklagten angeführten Normen tragen die Entscheidung bereits tatbestandlich nicht.
Gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III tritt die Minderung wegen verspäteter Meldung ein, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet hat. Gemäß § 37b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung gemäß § 37b Satz 2 "jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen".
Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen und sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen bestimmt § 37b Satz 1 SGB III hinreichend deutlich, wann die Arbeitslosmeldung zu erfolgen hat. Denn der Begriff "unverzüglich" ist so zu verstehen, dass sich der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern melden muss. Die in § 121 Abs. 1 Satz 1BGB enthaltene Legaldefinition für den Begriff "unverzüglich" gilt zwar grundsätzlich nur für den Bereich des Privatrechts, dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, diese Norm - wie andere allgemeine Normen des Zivilrechts auch - auf sozialrechtliche Vorschriften anzuwenden (vgl. hierzu Coseriu/Jakob in PK-SGB III, § 37b Rdnr. 8; Kruse in Gagel, § 37b Rdnr. 5). Demgegenüber legt § 37b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse lediglich fest, dass die Meldung "frühestens" drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen haben. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen hat, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen. Die von der Beklagten und auch in der Literatur (Coseriu/Jakob a. a. O. Rdnr 12) vertretene Auffassung, die Meldung habe genau drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu erfolgen, findet im Gesetz keine Stütze (so auch SG Dortmund, Urteil vom 26.07.2004 - S 33 AL 127/04 -). Diese sich aus dem Wortlaut ergebene Interpretation wird durch Sinn und Zweck von § 37b SGB III gestützt. Personen, die versicherungspflichtig beschäftigt oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig zur Bundesagentur für Arbeit sind, sollen sich so früh wie möglich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, damit diese dann sofort mit den in § 35 SGB III vorgesehenen Maßnahmen beginnen kann. Insbesondere kann die Bundesagentur für Arbeit vor Eintritt des Versicherungsfalls feststellen, in welche beruflichen Tätigkeiten der Arbeitssuchende vermittelt werden kann (BT-Drs. 15/25 zu Nr. 6, S. 27). § 140 SGB III enthält als Sanktion für die Verletzung dieser Obliegenheit einen pauschalen Schadensausgleich der Versichertengemeinschaft (BT-Drs. 15/ 25 zu Nr. 19, S. 31). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass - wie dargestellt - der Anspruch auf Arbeitslosengeld verfassungsrechtlich geschützt ist und Eingriffe verhältnismäßig sein müssen, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit es zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten erforderlich und geeignet sein soll, dass der Arbeitslose sich genau an einem bestimmten Tag - drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, nicht früher und nicht später - arbeitslos melden soll.
Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich nichts entnehmen, was zur Erhellung beiträgt, bis wann die Meldung soll erfolgen können. In der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drs. 15/25 zu Nr. 6, S. 27) ist ebenfalls lediglich ausgeführt, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Meldung nicht früher als drei Monate vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses erfolgen soll. Es steht daher zu vermuten, dass der Gesetzgeber übersehen hat zu regeln, bis wann spätestens die Meldung zu erfolgen hat. Ein derartiges gesetzgeberisches Versehen ist jedoch keine geeignete Grundlage für einen verfassungsmäßigen Eingriff in ein gemäß Art. 14 geschütztes Eigentumsrecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat die Revision auf Antrag der Klägerin und mit Zustimmung der Beklagten zugelassen, weil die Voraussetzungen der §§ 160 Abs 2 S. 1, 160 Abs 2 Nr 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
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