S 12 VE 24/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 VE 24/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 5/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Zuerkennung von weiteren Schädigungsfolgen und die Gewäh-rung von Rentenleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für rehabilitierte Haftzeiten in der ehemaligen DDR.

Der am 1959 geborene Kläger wurde wegen des Vorwurfs eines versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts gemäß § 213 StGB/DDR vom 26.03. bis 10.07.1974 im Durchgangsheim Magdeburg untergebracht und war vom 11.07.1974 bis 10.09.1975 aufgrund des Urteils des Kreisgerichts Querfurt vom 11.07.1974 inhaftiert. Mit Be-schlüssen des Landgerichts Halle vom 12.04.2000 und 22.10.1997 wurde er im Hinblick auf die Zeit der Unterbringung im Durchgangsheim Magdeburg und die Haftzeit vom 11.07.1974 bis zum 10.09.1975 rehabilitiert. Ferner wurde der Kläger im Hinblick auf eine weitere Haftzeit im Zeitraum vom 22.08.1976 bis 20.01.1977 (Urteil des Kreisgerichts Querfurt vom 25.03.1976) mit Beschluss des Landgerichts Halle vom 16.04.1998 rehabilitiert.

Auf den Antrag vom 18.11.1997 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 21.09.2000 als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG den Verlust zweier Schneidezähne an und lehnte eine Rentenzahlung mit der Begründung ab, dass die Schädigungsfolgen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vom Hundert bedingten.

Am 25.05.2010 stellte der Kläger beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag auf Anerkennung insbesondere psychischer Gesundheitsstörungen als Folgen der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehungen. Er leide an einer Posttraumatischen Belas-tungsstörung, die insbesondere durch unmenschliche Haftbedingungen, sexuelle Nötigung und Morddrohungen durch Mitgefangene hervorgerufen sei. Dem Antrag waren u.a. Befunde der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J vom 22.01.2008 und der Vertragsärztin des Arbeitsamtes Dr. W vom 19.02.2008 beigefügt. Der Kläger teilte ferner mit, vom 7. oder 8. Lebensjahr an Schläge von seiner Mutter und seinem Stiefvater erhalten zu haben. Seine Mutter und sein Stiefvater hätten das Ziel verfolgt, ihn in ein Kinderheim zu stecken. Es sei ihnen gelungen, ihn im Jahre 1968 für kurze Zeit stationär in einer Kinderpsychiatrie unterzubringen. Er sei dann aber wieder nach Hause zurückgekehrt und wieder in die Schule gegangen. Der Beklagte zog neben den bereits vom Kläger eingereichten Befunden weitere medizinische Befunde des Allgemeinmediziners Dr. V vom 10.07.2010 und 08.02.2008, der Fachärzte für HNO-Heilkunde Dr. Z /DM B vom 16.11.2005, der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. B .../DM I /R /W vom 07.06.2007, der Fachklinik für Verhaltenstherapie, Verhaltensmedizin und psychosomatische Rehabilitation B vom 13.01.2009 sowie einen Rehabilitationsentlassungsbericht derselben Klinik vom 26.02.2009 bei und holte eine Gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsärztlichen Dienstes vom 17.05.2011 ein.

Mit Bescheid vom 27.05.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung ab. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei den geltend gemachten psychischen Beschwerden des Klägers um Folgen nachgewiesener schädigungsunabhängiger gestörter Beziehungserfahrungen im frühen bis mittleren Kindesalter handele. Typische Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung könnten nicht festgestellt werden. Brückensymptome zwischen dem Ereignis der Haft und den jetzt vorgetragenen Beschwerden hätten sich nicht feststellen lassen. Bei den weiterhin geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Kopfschmerzen, stressabhängige Magenbeschwerden, Refraktionsstörungen, Nasenpolypen und eine Coxarthrose) handele es sich um schicksalhafte bzw. anlagebedingte Gesundheitsstörungen und somit um keine Schädigungsfolgen verursacht durch die Jahrzehnte zurückliegenden Inhaftierungen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren Gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsärztlichen Dienstes vom 26.11.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012 als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, dass sich die beim Kläger unzweifelhaft vorliegende psychische Erkrankung nicht dem posttraumatischen Krankheitsbild zuordnen ließe. Demzufolge könne auch nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass diese psychische Beeinträchtigung infolge der unrechtmäßi-gen Inhaftierungen entstanden oder das Ausmaß durch haftbedingte Einwirkungen verschlimmert worden sei. Auch werde keine Notwendigkeit für die Einholung eines externen Fachgutachtens auf Grundlage einer Untersuchung und Begutachtung des Klägers gesehen, da daraus kein weiterer eine abweichende Beurteilung zulassender Erkenntnisgewinn zu erlangen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2012 Klage erhoben und trägt zur Begründung vor, dass er seit seiner ersten Inhaftierung, d.h. seit etwa 1974, an einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung infolge der traumatischen Erlebnisse während seiner rechtsstaatswidrigen Haftzeiten leide. Er habe sich als zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Inhaftierung gerade einmal Vierzehnjähriger während seiner rechtsstaats-widrigen Freiheitsentziehung einer Vielzahl unmenschlicher physischer und psychischer Misshandlungen durch Aufseher und Mitgefangene ausgesetzt gesehen. Dies habe schon mit der – unter Anwendung von seelischer und physischer Gewalt erfolgten – Vernehmung durch einen Beamten des Ministeriums für Staatssicherheit mit Anwendung von Foltermethoden am 26.03.1974 begonnen und sich bei der nachfol-genden Gerichtsverhandlung im September 1974 und den vielen Hafterlebnissen mit existentieller Bedrohung, Nötigung, sexuellem Missbrauch, Anwendungen körperlicher Gewalt in Form von Schlägen mit dem Schlagstock und anderen Gegenständen, Folter, Mordversuchen usw. fortgesetzt. Dies zugrunde gelegt könne die Argumentation des Beklagten, es sei eine Vorschädigung aufgrund frühkindlicher Erlebnisse im Elternhaus gegeben, die für sich allein nach einschlägigen, psychiatrischen Bewertungsfaktoren ausreiche, die jetzt als Haftfolge geltend gemachten psychischen Beschwerden zu verursachen, nicht überzeugen. Seit der ersten und den nachfolgenden Haftzeiten komme es zu wiederholten aufdringlichen Nachhallerinnerungen an die vorangegangenen Ereignisse, die oft in Schlüsselsituationen aufträten. Neben den Symptomen einer – bisher gänzlich unbehandelten – Posttraumatischen Belastungs-störung fänden sich auch Hinweise auf eine überdauernde Persönlichkeitsänderung infolge einer Reihe von Traumatisierungen und jahrzehntelanger Retraumatisierungen u.a. durch eine – als willkürlich erlebte – acht Jahre währende Strafverfolgung, die erst 2011 durch Einstellung des Verfahrens geendet habe. Es sei erforderlich, ein Sachver-ständigengutachten einzuholen. Hierzu werde als Sachverständigen Prof. Dr. med. F vorgeschlagen. Angesichts der Vorgeschichte sei eine Dokumentation der Begutach-tung mittels Videografie während der Exploration sinnvoll. Darüber hinaus lege er Wert darauf, von einer bestimmten Vertrauensperson begleitet zu werden.

Der Kläger beantragt schriftlich,

den Bescheid vom 27.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, haftbedingte psychi-sche Gesundheitsschäden im Sinne einer Posttraumatischen Belastungsstörung als gesundheitliche Schädigungsfolge anzuerkennen und dem Kläger eine Beschädigtenrente nach einem Gesamtgrad der Schädigungsfolgen in Höhe von mindestens 25 vom Hundert mit Wirkung vom 18.11.1997 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass das Vorbringen des Klägers bereits im Vorverfahren berücksichtigt worden sei und zu keiner anderen Bewertung führe.

Der Kläger hat eine psychologische Kurzstellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. R , Psychosoziale Beratung für SED-Verfolgte beim Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, vom 21.12.2013 vorgelegt. Danach müsse als dringende Verdachtsdiagnose bei dem Kläger eine Sequentielle Traumatisierung festgestellt werden, d.h. eine Abfolge seelisch schwer bis extrem belastender Lebenssequenzen vor einem politischen Verfolgungshintergrund. Die dazugehörenden Verdachtsdiagnosen nach ICD-10 lauteten: Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung im Sinne einer Posttraumatischen Belastungsstörung, spezifiziert durch eine Posttraumatische Verbitterungsstörung, anhaltende Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt sowie sonstige somatoforme Störung.

Mit Beweisanordnung vom 18.02.2014 hat das erkennende Gericht den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. B mit der Erstellung eines fachpsychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat mit Schreiben vom 04.03.2014 mitgeteilt, dass eine Videografie der Exploration des Klägers bei einer Fragestellung wie der vorliegend zur Diskussion stehenden mit Wahrscheinlichkeit eher schaden als nutzen würde und entsprechend eine derartige Vorgehensweise von ihm abgelehnt werde. Ein Ableh-nungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. med. B hat das Gericht mit Beschluss vom 14.03.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger hat ferner am 31.03.2014 einen Antrag auf Abänderung der Beweisanordnung dahingehend gestellt, den Sachverständigen Dr. med. B zu beauflagen, die Exploration des Klägers zu videografieren und die Anwesenheit eines für den Kläger gerichtlich bestellten Beistandes bei der Exploration zuzulassen. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, dass er ein tiefes Misstrauen gegenüber jedweder Form staatlich ausgeübter Gewalt entwickelt habe. Damit er sich dennoch einer umfassenden Exploration unterziehen könne, sei es für ihn eine wesentliche Voraussetzung, dass der gesamte Vorgang aufgezeichnet werde und im Beisein einer Vertrauensperson stattfinde. Mit Beschluss vom 02.04.2014 hat das Gericht u.a. den Antrag auf Abänderung der Beweisanordnung abgelehnt. Einen vom Sachverständigen Dr. med. B am 16.07.2014 festgelegten Begutachtungstermin hat der Kläger nicht wahrgenommen mit der Begründung, es sei nicht geklärt gewesen, ob er eine Vertrauensperson mit zur Untersuchung habe nehmen dürfen und ob die anfallenden Reisekosten einer solchen Vertrauensperson durch die Staatskasse übernommen würden. Mit Schreiben vom 11.08.2014 hat der Sachverständige Dr. med. B auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass seinerseits Bedenken gegen die Anwesenheit einer Begleitperson während der gutachtlichen Untersuchung des Klägers bestünden. Nach Aktenlage sei eine Begleitperson während der gutachtlichen Untersuchung nicht notwendig oder sachdienlich. Mit Verfügung vom 23.09.2014 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass der Sachverständige mit Verfügung vom gleichen Tage aufgefordert worden sei, mit der Ausführung der Beweisanordnung fortzusetzen und einen neuen Termin zur Exploration des Klägers zu bestimmen. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Erforschung des Sachverhalts verpflichtet seien. Die Mitwirkungspflicht bestehe immer dann, wenn das Gericht den Sachverhalt ohne Mitwirkung des Klägers nicht oder nicht selbständig erforschen könne. So liege es hier, weil ohne eine entsprechende fachärztliche Begutachtung des Klägers nicht ermittelt werden könne, ob der geltend gemachte Anspruch besteht. Die Verletzung der Pflicht, bei der Sachaufklärung mitzuwirken, könne im Rahmen der Beweiswürdigung dazu führen, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht als erwiesen anzusehen seien und dazu führen, dass die Klage bereits aus diesem Grund keinen Erfolg hat. Sollte der Kläger unbegründet der Einladung des Sachverständigen zum Untersu-chungstermin nicht Folge leisten, könne dies zur Abweisung der Klage führen. Mit Beschluss vom 02.01.2015 hat das Gericht nochmals Anträge des Klägers auf Abän-derung der Beweisanordnung, insbesondere die gerichtliche Beauflagung des Sach-verständigen, eine Vertrauensperson während der Begutachtung zuzulassen, sowie die Ernennung eines anderen Sachverständigen abgelehnt. Mit Schreiben vom 01.02.2015 hat der Kläger mitgeteilt, dass er die "sofortige Löschung unrichtiger, ihm betreffender, ein falsches Bild über ihn vermittelnder Daten" beantrage. Es gehe ihm um alle Gesundheitszeugnisse, "die in Ihrem Auftrag und in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit Dritter über ihn erstellt und an das Sozialgericht Halle überreicht wurden". Eine eventuell bestehende, vom ihm unterschriebene Schweigepflichtentbin-dung für Ärzte bzw. Gutachter verliere mit sofortiger Wirkung seine Gültigkeit.

Mit Schreiben vom 26.02.2015 hat der Sachverständige Dr. med. B mitgeteilt, dass der Kläger den Untersuchungstermin am 25.02.2015 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat. Das Gericht hat daraufhin mit Beschluss vom 28.04.2015 die Beweisanordnung vom 18.02.2014 aufgehoben und am 30.04.2015 eine Entscheidung nach § 105 SGG durch Gerichtsbescheid angekündigt und den Beteiligten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Anhörung gemäß § 105 Abs. 1 SGG im Wege des Gerichts-bescheides ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt zumindest im Sinne einer Beweislastentscheidung geklärt ist. Einer Zustimmung der Beteiligten bedarf es bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Ein Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie auf Beschädigtenren-te nach §§ 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG besteht nicht, da sich das Gericht mangels Mitwirkung des Klägers keine Überzeugung vom Vorliegen der gesetzlichen Voraus-setzungen verschaffen kann.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer für rechts-staatswidrig erklärten und daher aufgehobenen Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 08.05.1945 bis zum 02.10.1990 von einer Freiheits-entziehung betroffen gewesen ist und infolge dessen eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Während der schädi-gende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheits-störung nachgewiesen sein müssen, genügt nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrschein-lichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. auch § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Sie ist gemäß den AHP, zuletzt Teil C Nr. 36 Abs. 2 AHP 2008 (Seite 148), und in Teil C Nr. 1 b) der Anlage zu § 2 VersMedV (Seite 104) gegeben, wenn nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände und nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmei-nung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze ist die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen (und wie Ursachen zu werten), wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht hingegen regelmäßig nicht aus. Kommt einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechts.

Der Kläger gehört gemäß den Rehabilitierungsbeschlüssen des Landgerichts Halle vom 22.10.1997, 16.04.1998 und 12.04.2000 unstreitig zu dem nach § 21 Abs. 1 StrRehaG berechtigten Personenkreis.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob beim Kläger die geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen im Sinne einer Posttraumatischen Belastungsstö-rung vorliegen, ob ggf. psychische Gesundheitsstörungen mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit Folge/n der rehabilitierten Haftzeiten sind und mit welchem Grad der Schädigung (GdS) diese ggf. zu bewerten sind. Diese Unerweislichkeit geht zu Lasten des Klägers. Er hat mit Schreiben vom 01.02.2015 sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass er – bis auf die von ihm eingereichte Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. R vom 21.12.2013 - der Verwertung der beigezogenen medizinischen Befunde, Gutachten und (versorgungsärztlichen) Stellungnahmen nicht zustimmt. Nach der Stellungnahme von Dr. R bestand aber nur die Verdachtsdiagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Weitere aussagekräftige medizinische Befunde auf psychologisch-psychiatrischem Gebiet, deren Verwertung der Kläger zugestimmt bzw. nicht ausdrücklich widersprochen hat, liegen nicht vor. Darüber hinaus war - mangels Mitwirkung des Klägers - keine weitere medizinische Sachaufklärung möglich. Insbe-sondere war es nicht möglich, die o.g. Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs durch eine psychiatrische Untersuchung abzuklären. Dafür trägt der Kläger die Feststellungslast. Er ist trotz ausdrücklichem Hinweis auf die Konsequenzen nicht bereit gewesen, zu der angeordneten Untersuchung durch Dr. med. B am 25.02.2015 zu erscheinen. Eine Begutachtung nach Aktenlage war in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger der Verwertung der überwiegenden vorliegenden Befunde, Gutachten und Stellungnahmen und auch aufgrund des psychiatrischen Krankheitsbildes des Klägers offensichtlich nicht möglich bzw. nicht erfolgsversprechend. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts sind damit erschöpft.

Der Kläger ist damit seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Zwar erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), wobei die Beteiligten mit heranzuziehen sind (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Sie müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie Nachteile treffen. Das Gericht kann den Kläger nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung durch vom Gericht bestimmte neutrale Ärzte zu unterziehen. Verweigert er sich aber – wie im vorliegenden Fall – einer Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Hierauf ist der Kläger aus-drücklich hingewiesen worden. Die Mitwirkungspflichten sind durch die Anordnung einer Begutachtung auch nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Grundsätzen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 103 Rnr. 14a) des § 65 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) besteht eine Mitwirkungspflicht des Leistungsberechtigten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden bzw. wenn bei Untersuchungen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Gründe, die das verweigernde Verhalten des Klägers als berechtigt erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

Kein wichtiger Grund zur Verweigerung der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen ist vorliegend, dass der Kläger Dr. med. B für nicht fachlich geeignet gehalten, das Gutachten zu erstellen, auch wenn der Kläger sich bereit erklärt hat, sich von einem anderen Gutachter, vorzugsweise einem solchen, den er selbst ausgesucht hat, untersuchen zu lassen. Denn nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 404 Zivilprozessordnung (ZPO) steht die Auswahl des Sachverständigen im Ermessen des Gerichts. Diesem Ermessen des Gerichts unterliegt die Frage, welche Person zum Sachverständigen bestellt wird. Bei der Ausübung des Bestimmungsrechts hat das Gericht grundsätzlich auf die Kenntnisse des Sachverständigen auf dem betroffenen medizinischen Gebiet abzustellen. Weshalb die Auswahlentscheidung des Gerichts ermessensfehlerhaft gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Daran, dass es sich bei dem zum Sachverständigen ernannten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. B um einen fachkompetenten Gutachter handelt, hat das Gericht keine Zweifel. Dr. med. B hat bereits in zahlreichen Verfahren – auch auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechtes mit schwierigen Kausalitätsfragen gerade auch im Zusammenhang mit der im Raum stehenden Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung - seine Expertise als Gutachter – auch im Umgang mit Geschädig-ten - unter Beweis gestellt. Dass Dr. med. B keine theoretischen Kenntnisse als auch praktische Erfahrungen mit traumatisierten Personen hat, ist damit eine bloße Unterstellung des Klägers, die – was nach Vorgesagtem gerichtbekannt ist - nicht den Tatsachen entspricht. Dr. med. B verfügt gerade über eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Begutachtung von Anspruchsstellern nach dem StrRehaG sowie nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Es liegen auch keine Umstände vor, die bei objektiver Betrachtung schwerwiegende Zweifel an einer Unbefangenheit des Sachverständigen (vgl. hierzu auch Beschlüsse des erkennenden Gerichts vom 14.03.2014 und 02.01.2015) begründen könnten. Völlig neben der Sache liegen die aus der Luft gegriffenen Behauptungen oder Vermutungen des Klägers zu einer wie auch immer gearteten "geheimdienstlichen" Verquickung des Sachverständigen, der auch nicht verpflichtet war, irgendwelche Erklärungen zu diesem Kontext abzugeben. Auch war der Sachverständige nicht verpflichtet bzw. insbesondere auch nicht befugt, irgendwelchen außenstehenden, am Verfahren nicht beteiligten Personen, irgendwelche Informationen zukommen zu lassen bzw. mit diesen überhaupt in Kontakt zu treten.

Wenn der Kläger gleichwohl die Begutachtung durch einen anderen, von ihm bestimm-ten Sachverständigen wünschte, hätte er dies nach § 109 SGG beantragen können. Hierauf ist der Kläger auch durch das Gericht mit Schreiben vom 18.02.2014 hingewie-sen worden. Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger jedoch nicht gestellt. Gerade auch die Regelung des § 109 SGG macht deutlich, dass ein Kläger auf die Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht grundsätzlich keinen Einfluss hat.

Ebenso stellt die Tatsache, dass der Sachverständige Dr. med. B eine Videografie der Untersuchung bzw. die Anwesenheit einer Vertrauensperson des Klägers bei der Untersuchung abgelehnt hat, keinen Grund für die Weigerung des Klägers dar, an der Begutachtung mitzuwirken. Hierzu wird vollumfänglich auf die Beschlüsse des erken-nenden Gerichts vom 02.04.2014 und 02.01.2015 verwiesen. Der Sachverständige Dr. B hat sowohl eine Videografie der Exploration als auch die Anwesenheit einer Vertrauensperson während der Exploration abgelehnt und dies damit begründet, dass eine Videografie bei der vorliegenden Fragestellung eher schaden als nutzen würde und die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Untersuchung nach Aktenlage nicht notwendig oder sachdienlich sei. Diese Einschätzung des Sachverständigen ist nicht zu beanstanden. Ob und inwieweit die Anwesenheit einer Begleitperson während der Untersuchung des Klägers die ordnungsgemäße Durchführung der Begutachtung erschwert, ist eine Sachfrage, die primär der Sachverständige im Rahmen seiner fachlichen Kompetenz zu beurteilen hat. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass die Entscheidung des Sachverständigen fehlerhaft und eine Videografie oder eine Begleitperson zur Beantwortung der Beweisfragen erforderlich ist. Gerade im Hinblick darauf, dass sich der Sachverständige einen möglichst unmittelbaren und ungestörten Eindruck von dem Kläger machen muss, um die Beweisfragen korrekt beantworten zu können, erscheint die Besorgnis begründet, dass eine Videoaufzeichnung oder anwesende dritte Person in der Begutachtungssituation die Aufklärung des Sachver-halts zu beeinträchtigen geeignet ist. Eine derartige Untersuchungssituation kann zu Störungen der Unbefangenheit des Probanden und zu einer Anpassung an die durch die Ton- und Bildaufzeichnung oder die Anwesenheit einer dritten Person veränderten Bedingungen führen, die über die Beeinträchtigung durch die unmittelbare Untersu-chungssituation als solche hinausgehen und als unerwünschte Nebeneffekte die aus medizinischer Sicht angestrebte unbefangene Verhaltenssteuerung überlagern. Die Videografie oder die Anwesenheit einer Begleitperson ist – entgegen der Auffassung des Klägers – in Fällen wie dem Vorliegenden auch nicht nach allgemeiner medizini-scher Erfahrung unbedingt erforderlich. Auch wenn ein solches Vorgehen durch Wissenschaftler in Einzelfällen oder generell für sinnvoll gehalten werden mag, was hier nicht zu beurteilen ist, entspricht es jedenfalls nicht der Praxis der Begutachtung in derartigen sozialrechtlichen Rechtsstreitigkeiten, wie dem Gericht aus einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren bekannt ist. Von einem allgemeinen medizinisch-wissenschaftlichen Standard kann nicht die Rede sein. Es mag sein, dass der Kläger staatlichen Institutionen mit Misstrauen begegnet, was aus den lebensgeschichtlichen Umständen auch nachvollziehbar ist. Dies allein stellt jedoch keinen Grund dar, eine Begutachtung ohne Videografie oder eine Vertrauensperson als unzumutbar erscheinen zu lassen. Auch die Behauptung der Gefahr einer "Retraumatisierung" durch eine nicht an die Wünsche des Klägers angepasste Begutachtungssituation ist wohl nach der Einschätzung des Sachverständigen, der insbesondere die Anwesenheit einer Vertrauensperson nicht für (medizinisch) notwendig eingeschätzt hat, und auch sonst nicht erkennbar. Es bestehen keine Zweifel, dass der Sachverständige Dr. med. B als Facharzt für Psychiatrie und gerade auch als auf dem Gebiet der Zusammen-hangsbegutachtung erfahrener Sachverständiger besser als jede Videoaufzeichnung oder Vertrauensperson in der Lage ist, die Begutachtung so zu gestalten, dass eine vom Kläger befürchtete "Retraumatisierung" vermieden wird. Auch das sehr selbstbewusste und bisweilen forsche Auftreten des Klägers bei Gericht, wo er seine Anliegen, z.B. gegenüber der Geschäftsstelle oder der Vorsitzenden, stets mit Nachdruck vorgebracht und verfolgt hat, spricht nicht dafür, dass der Kläger nicht in der Lage wäre, eine Begutachtungssituation ohne eine Vertrauensperson zu bewältigen.

Da sich die bereits oben genannten Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG nicht feststellen lassen, geht die Nichter-weislichkeit nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast zu Lasten des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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