S 8 AS 1/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 1/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AS 37/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung.

Der am 00.00.1954 geborene Kläger leidet unter Hyperlipidämie und Hypertonie. Der Beklagte bewilligte bis zum 31.10.2005 Grundsicherungsleistungen einschließlich eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 36,00 EUR.

Mit Bescheid vom 06.10.2005 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006 in Höhe von 578,00 EUR monatlich. Einen Mehrbedarf erkannte der Beklagte nicht mehr an.

Mit Bescheid vom 07.11.2005 lehnte er die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ausdrücklich ab. Bei der Ernährung des Klägers entstünden keine deutlichen Mehrkosten.

Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger auf die Bewilligung des Mehrbedarfs bis Oktober 2005. Seither habe sich nichts geändert. Er müsse sich weiterhin fettarm ernähren. Die hierfür benötigten Lebensmittel seien wesentlich teurer. Der Kläger legte ein Attest der praktischen Ärztin T vor, wonach er wegen Alkoholabhängigkeit und Hyperlipidämie dort in ärztlicher Behandlung sei.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes wies der Beklagte – vertreten durch den Landrat des Kreises Düren – mit Bescheid vom 08.12.2005 den Widerspruch zurück. Er stützte die Entscheidung auf § 21 Abs. 5 SGB II. Die Hyperlipidämie erfordere keine kostenaufwändige Ernährung im Sinne dieser Vorschrift. Notwendig sei eine natürliche, fettarme und gesundheitsbewusste Ernährung. Aufgrund des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins seien viele der Erkrankung des Klägers zuträglichen Lebensmittel mittlerweile stark verbreitet und oft nicht teurer als Normalkost. Die Produkte seien sowohl in Supermärkten als auch in Lebensmittelgeschäften erhältlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 02.01.2006 erhobene Klage. Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Er stützt sich ergänzend auf den Beschluss des niedersächsischen OVG vom 13.10.2003 – 12 LA 385/03 –.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 07.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen für Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auch für die Zeit vom 01.11.2005 bis zum 30.06.2006 von monatlich 36,00 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er stützt sich ergänzend auf den Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.

Der Kläger leidet unter Hyperlipidämie und Hypertonie. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird durch die Bescheinigung von Frau T belegt. Keine dieser Erkrankungen führt zu einem ernährungsbedingten Mehrbedarf.

Eine Diät zur Linderung der Hyperlipidämie muss primär auf eine Gewichtsnormalisierung, auf verminderten Fettverzehr und auf verminderten Alkoholkonsum abzielen. Die hierbei erforderliche Kostform ist eine Reduktionskost in Form einer kalorienreduzierten ausgewogenen Mischkost mit Erhöhung der Anteile an Kohlehydraten und Ballaststoffen. Vor allem der Verzehr von tierischen Fetten wie in Wurst und Fleisch ist im Austausch mit pflanzlichen Fetten bei vergleichsweise hohem Ballaststoff- und Kohlenhydratanteil zu vermindern. Nach Beseitigung des Übergewichts und bei fettarmer Ernährung normali-sieren sich oftmals die Blutfette im Serum, die Einhaltung einer fettarmen Kost ist aller-dings auch bei Normalgewicht oder nach Normalisierung des Gewichts weiter erforderlich. Mehrkosten durch diese Diät entstehen nicht. Die Kammer entnimmt dies dem Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe. Die Kammer hat keine Bedenken, diese Ausführungen der Entscheidung zugrunde zu legen. Der Begutachtungsleitfaden wurde von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf erstellt. Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind Fachärzte für Innere Medizin, für Allgemeinmedizin und für öffentliches Gesundheitswesen. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Begutachtungsleitfaden von hierfür kompetenten Ärzten erstellt wurde. Zudem entsprechen die Ausführungen der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist keineswegs so, dass der Einkauf von Wurst und Fleisch gegenüber dem Einkauf von pflanzlichen Fetten sowie Nahrungsmitteln mit hohem Ballaststoff- und Kohlenhydratanteil höhere Kosten verursacht. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Auch der Bluthochdruck verursacht keine besonderen ernährungsbedingten Mehrkosten. Erforderlich ist alleine der Verzicht auf Zusalzen und das Vermeiden besonders salzreicher Speisen (z. B. Chips, Salzstangen, Würzmittel, Fertigsuppen, Salznüsse, bestimmte Konserven). Auch dies entnimmt die Kammer dem genannten Begutachtungsleitfaden. Eine weitere Beweiserhebung, beispielsweise durch Einholung eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens, hält die Kammer auch diesbezüglich nicht für erforderlich. Der Verzicht auf die erwähnten – für eine gesunde Ernährung in keiner Weise erforderlichen -Lebensmittel – verursacht von vorneherein keine Mehrkosten.

Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Niedersächsischen OVG überzeugt vor diesem Hintergrund nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht hat im Hinblick darauf, dass zum SGB II hinsichtlich der streitigen Frage noch keine obergerichtliche Entscheidung vorliegt, die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die grundsätzliche Bedeutung wird insbesondere auch in der Frage gesehen, inwieweit der genannte Begutachtungsleitfaden einer Entscheidung zugrunde gelegt werden kann.
Rechtskraft
Aus
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