Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 47/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 58/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2006 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 13.05.2006 bis zum 19.05.2006 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Die am 00.00.1966 geborene Klägerin arbeitete von 1992 bis zum 31.03.2006 als Datenerfasserin bei der A B für I GmbH in W. Am 24.02.2006 meldete sich sich arbeitsuchend; am 20.03.2006 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte holte eine Arbeitsbescheinigung ein, wonach die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 14.02.2006 zum 31.03.2006 gekündigt hatte.
Mit Bescheid vom 02.05.2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 13.05.2006 bis zum 19.05.2006 fest (nachdem bereits anderweitig eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe vom 01.04.2006 bis zum 12.05.2005 festgestellt worden war). Ihren am 24.05.2006 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe am 14.02.2006 (Tag der Kündigung) telefonisch bei der Agentur für Arbeit in C nachgefragt und die Auskunft erhalten, sie müsse sich Ende März nach dem beabsichtigten Umzug nach T bei der dortigen Arbeitsagentur melden. Auf diese Auskunft habe sie sich verlassen.Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.05.2006 mit der Begründung zurück, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich binnen dreier Tage nach der Kündigung arbeitsuchend zu melden.
Hiergegen richtet sich die am 20.06.2006 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, ihr Anruf bei der Arbeitsagentur in C sei hilfsweise als Arbeitsuchendmeldung zu werten; im Übrigen sei sie auch unrichtig beraten worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2006 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 13.05.2005 bis zum 19.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, eine telefonische Meldung sei nicht möglich und für eine Falschauskunft bei der Arbeitsagentur C habe die Klägerin keinen Beweis erbracht. Auf eine Kenntnis der Meldeobliegenheit komme es, anders als nach bisherigem Recht, nicht an.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es ist keine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten.
Auch nach Neufassung von § 37 b SGB III und nach Ersetzung der in § 140 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (a.F.) vorgesehenen Minderung des Alg durch die einwöchige Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III bliebt es nach Auffassung der Kammer dabei, dass eine Sanktion wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nur eintritt, wenn der Arbeitsuchende vorwerfbar (im Sinne zumindest fahrlässigen Verhaltens) gegen die Meldeobliegenheit in § 37 b SGB III verstoßen hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitslose sich nachvollziehbar darauf beruft, er habe die Meldeobliegenheit nicht gekannt.
Nach § 144 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 7, Abs. 6 2. Alt Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ruht der Alg-Anspruch für die Dauer einer einwöchigen Sperrzeit, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnis weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen, § 37 b Satz 2 SGB III.
Die Klägerin hat nicht gegen § 37 b SGB III verstoßen, da sie glaubhaft darlegen konnte, dass sie keine Kenntnis von der dort normierten "Meldepflicht" hatte.
Zu den Vorgängervorschriften §§ 37 b, 140 SGB III a.F. war zuletzt anerkannt, dass es auch bei Vorliegen der "objektiven" Voraussetzungen für eine frühzeitige Meldung nicht zu einer Minderung des Alg kommt, wenn dem Arbeitslosen die Nichterfüllung der "Verpflichtung" zur frühzeitigen Meldung nicht vorgeworfen werden kann (grundlegend in der höchsrichterlichen Rechtsprechung hierzu BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R). Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass das BSG bei dieser Auslegung der insoweit ausschlaggebenden Vorschrift des § 37 b SGB III a.F. (§ 140 SGB III a.F. knüpfte wie jetzt § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III lediglich an eine Verletzung von § 37 b SGB III an) zunächst auf das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" abgestellt hat (BSG, a.a.O.), das in der nunmehr anzuwendenden Fassung der Vorschrift durch die Frist von drei Monaten (Satz 1) bzw. drei Tagen (Satz 2) ersetzt worden ist.
Allerdings genügt die Ersetzung dieses Tatbestandsmerkmals (das in sich bereits ein Verschuldenserfordernis enthielt) durch feste Fristen nicht, um § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III zu einer völlig verschuldensabhängigen Sanktion zu machen. Mit der Neufassung des § 37 b SGB III hat der Gesetzgeber die dort normierte "Meldepflicht" nicht völlig unabhängig vom Verschulden, und somit von der Kenntnis der Meldepflicht, ausgestaltet (vgl. in diesem Zusammenhang auch Brand, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, § 37 b, Rn. 4, 7, 8, der bei § 37 b SGB III a.F. die Kenntnis von der Meldeobliegenheit als eigenständige Voraussetzung neben der Unverzüglichkeit im engeren Sinne ansieht).
Es kann dahinstehen, ob es nicht bereits dem Begriff der Rechtspflicht inhärent ist, dass der objektiv von ihr Betroffene nur dann gegen sie verstoßen kann, wenn er - nach den Maßstäben der sog. Parallelwertung in der Sphäre juristischer Laien - Kenntnis vom Inhalt der Verhaltensanforderung hat. Jedenfalls hat das BSG unabhängig vom Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit aus § 37 b SGB III a.F. festgestellt, dass insbesondere die systematische und teleologische Auslegung der §§ 37 b, 140 SGB III, beide a.F., gegen die Annahme eines Verstoßes gegen § 37 b SGB III sprach, wenn der Arbeitsuchende sich auf Grund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Arbeitsagentur gemeldet hatte (ausführlich BSG, a.a.O.). Mit der Neufassung von § 37 b SGB III hat der Gesetzgeber die Gründe hierfür nicht beseitigt. Insbesondere ist es auch nach Neufassung des § 37 b SGB III bei der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III normierten Obliegenheit der Arbeitgeber geblieben, über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung zu informieren und den Arbeitnehmer hierzu freizustellen.
Wenn das BSG (a.a.O.) weiter diese Informationspflicht in den Zusammenhang mit denjenigen Belehrungspflichten stellt, die der Gesetzgeber der Beklagten auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Alg eintreten können, so kommt diesem Argument nach der Umwandlung der Sanktion in einen Sperrzeittatbestand (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III) umso größere Bedeutung zu: Zwar enthält § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III selbst kein solches Erfordernis. Allen anderen Sperrzeittatbeständen ist indes gemeinsam, dass sie entweder (wie die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III) auf Verschulden abstellen oder aber eine Belehrung über die Rechtsfolgen des sanktionierten Verhaltens erfordern (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 SGB III, zum Erfordernis der Rechtsfolgenbelehrung beim Sperrzeittatbestand in § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 siehe BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 19 und Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2004, L 11 AL 247/02). Im Übrigen wurzeln, wie § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III zeigt, alle Sperrzeiten im Vorwurf versicherungswidrigen Verhaltens.
Als ebenfalls weitestgehend auf die neue Rechtslage übertragbar erachtet die Kammer auch die Argumentation des BSG (Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R), wonach Sinn und Zweck der Meldeobliegenheit gerade die Verhaltenssteuerung ist und Obliegenheiten ihre verhaltenssteuernde Funktion nur entfalten können, wenn dem Versicherten die Verhaltensnorm bekannt ist. Dass auch § 37 b SGB III in der nunmehr geltenden Fassung das Verhalten eines demnächst Arbeitslosen zu steuern sucht, bedarf keiner näheren Darlegungen.
Nicht zuletzt muss die Frage, wann versicherungswidriges Verhalten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III) vorliegt, vor dem Hintergrund beurteilt werden, dass der Alg-Anspruch von der von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) erfasst ist (BVerfGE 72, 9; BVerfG, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 BvL 15/83; ganz h.M.) und § 144 SGB III daher als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 GG fungiert. Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Eintritt einer Sperrzeit unter einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt steht (vgl. BVerfGE 72, 66, 77 f.). Eine Auslegung von § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III, die auch denjenigen Arbeitslosen mit einer Sanktion überzeiht, der keine Kenntnis von seiner Meldepflicht hatte oder aber ihr aus anderen, nicht verschuldeten, Gründen (z.B. Krankheit, Unerreichbarkeit der Arbeitsagentur etc.) nicht nachkommen konnte, erscheint gerade in Zusammenschau mit den anderen Sperrzeittatbeständen als ungewöhnlich und unangemessen einschneidend.
Nach alledem vermag das Gericht im Verhalten der Klägerin keinen Verstoß gegen § 37 b SGB III zu sehen. Dass die seit 1992 ununterbrochen beschäftigte Klägerin auf die Meldeobliegenheit aus § 37 b SGB III hingewiesen worden ist, ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Vorgängervorschrift seit Sommer 2004 wiederholt Gegenstand der Presseberichterstattung gewesen ist, ändert hieran nichts, denn auch einem Versicherten, der sich mit dem Gedanken trägt, seine Beschäftigung aufzugeben, ist nicht zuzumuten, die gesamt Presseberichterstattung unter diesem Aspekt duchzusehen. Auch der Umstand, dass die Klägerin sich noch vor der Arbeitlosmeldung arbeitsuchend gemeldet hat, lässt nicht auf eine zumindest vage Kenntnis der Meldeobliegenheit schließen. Die Klägerin hat ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung damit zu erklären vermocht, dass sie hiermit auf eine Auskunft reagiert habe, die ihr Lebensgefährte zwischenzeitlich erhalten hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Die am 00.00.1966 geborene Klägerin arbeitete von 1992 bis zum 31.03.2006 als Datenerfasserin bei der A B für I GmbH in W. Am 24.02.2006 meldete sich sich arbeitsuchend; am 20.03.2006 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte holte eine Arbeitsbescheinigung ein, wonach die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 14.02.2006 zum 31.03.2006 gekündigt hatte.
Mit Bescheid vom 02.05.2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 13.05.2006 bis zum 19.05.2006 fest (nachdem bereits anderweitig eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe vom 01.04.2006 bis zum 12.05.2005 festgestellt worden war). Ihren am 24.05.2006 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe am 14.02.2006 (Tag der Kündigung) telefonisch bei der Agentur für Arbeit in C nachgefragt und die Auskunft erhalten, sie müsse sich Ende März nach dem beabsichtigten Umzug nach T bei der dortigen Arbeitsagentur melden. Auf diese Auskunft habe sie sich verlassen.Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.05.2006 mit der Begründung zurück, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich binnen dreier Tage nach der Kündigung arbeitsuchend zu melden.
Hiergegen richtet sich die am 20.06.2006 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, ihr Anruf bei der Arbeitsagentur in C sei hilfsweise als Arbeitsuchendmeldung zu werten; im Übrigen sei sie auch unrichtig beraten worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2006 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 13.05.2005 bis zum 19.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, eine telefonische Meldung sei nicht möglich und für eine Falschauskunft bei der Arbeitsagentur C habe die Klägerin keinen Beweis erbracht. Auf eine Kenntnis der Meldeobliegenheit komme es, anders als nach bisherigem Recht, nicht an.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es ist keine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten.
Auch nach Neufassung von § 37 b SGB III und nach Ersetzung der in § 140 SGB III in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (a.F.) vorgesehenen Minderung des Alg durch die einwöchige Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III bliebt es nach Auffassung der Kammer dabei, dass eine Sanktion wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nur eintritt, wenn der Arbeitsuchende vorwerfbar (im Sinne zumindest fahrlässigen Verhaltens) gegen die Meldeobliegenheit in § 37 b SGB III verstoßen hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitslose sich nachvollziehbar darauf beruft, er habe die Meldeobliegenheit nicht gekannt.
Nach § 144 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 7, Abs. 6 2. Alt Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ruht der Alg-Anspruch für die Dauer einer einwöchigen Sperrzeit, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnis weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen, § 37 b Satz 2 SGB III.
Die Klägerin hat nicht gegen § 37 b SGB III verstoßen, da sie glaubhaft darlegen konnte, dass sie keine Kenntnis von der dort normierten "Meldepflicht" hatte.
Zu den Vorgängervorschriften §§ 37 b, 140 SGB III a.F. war zuletzt anerkannt, dass es auch bei Vorliegen der "objektiven" Voraussetzungen für eine frühzeitige Meldung nicht zu einer Minderung des Alg kommt, wenn dem Arbeitslosen die Nichterfüllung der "Verpflichtung" zur frühzeitigen Meldung nicht vorgeworfen werden kann (grundlegend in der höchsrichterlichen Rechtsprechung hierzu BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R). Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass das BSG bei dieser Auslegung der insoweit ausschlaggebenden Vorschrift des § 37 b SGB III a.F. (§ 140 SGB III a.F. knüpfte wie jetzt § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III lediglich an eine Verletzung von § 37 b SGB III an) zunächst auf das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" abgestellt hat (BSG, a.a.O.), das in der nunmehr anzuwendenden Fassung der Vorschrift durch die Frist von drei Monaten (Satz 1) bzw. drei Tagen (Satz 2) ersetzt worden ist.
Allerdings genügt die Ersetzung dieses Tatbestandsmerkmals (das in sich bereits ein Verschuldenserfordernis enthielt) durch feste Fristen nicht, um § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III zu einer völlig verschuldensabhängigen Sanktion zu machen. Mit der Neufassung des § 37 b SGB III hat der Gesetzgeber die dort normierte "Meldepflicht" nicht völlig unabhängig vom Verschulden, und somit von der Kenntnis der Meldepflicht, ausgestaltet (vgl. in diesem Zusammenhang auch Brand, in: Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, § 37 b, Rn. 4, 7, 8, der bei § 37 b SGB III a.F. die Kenntnis von der Meldeobliegenheit als eigenständige Voraussetzung neben der Unverzüglichkeit im engeren Sinne ansieht).
Es kann dahinstehen, ob es nicht bereits dem Begriff der Rechtspflicht inhärent ist, dass der objektiv von ihr Betroffene nur dann gegen sie verstoßen kann, wenn er - nach den Maßstäben der sog. Parallelwertung in der Sphäre juristischer Laien - Kenntnis vom Inhalt der Verhaltensanforderung hat. Jedenfalls hat das BSG unabhängig vom Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit aus § 37 b SGB III a.F. festgestellt, dass insbesondere die systematische und teleologische Auslegung der §§ 37 b, 140 SGB III, beide a.F., gegen die Annahme eines Verstoßes gegen § 37 b SGB III sprach, wenn der Arbeitsuchende sich auf Grund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Arbeitsagentur gemeldet hatte (ausführlich BSG, a.a.O.). Mit der Neufassung von § 37 b SGB III hat der Gesetzgeber die Gründe hierfür nicht beseitigt. Insbesondere ist es auch nach Neufassung des § 37 b SGB III bei der in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III normierten Obliegenheit der Arbeitgeber geblieben, über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung zu informieren und den Arbeitnehmer hierzu freizustellen.
Wenn das BSG (a.a.O.) weiter diese Informationspflicht in den Zusammenhang mit denjenigen Belehrungspflichten stellt, die der Gesetzgeber der Beklagten auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Alg eintreten können, so kommt diesem Argument nach der Umwandlung der Sanktion in einen Sperrzeittatbestand (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III) umso größere Bedeutung zu: Zwar enthält § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III selbst kein solches Erfordernis. Allen anderen Sperrzeittatbeständen ist indes gemeinsam, dass sie entweder (wie die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III) auf Verschulden abstellen oder aber eine Belehrung über die Rechtsfolgen des sanktionierten Verhaltens erfordern (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 SGB III, zum Erfordernis der Rechtsfolgenbelehrung beim Sperrzeittatbestand in § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 siehe BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 19 und Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2004, L 11 AL 247/02). Im Übrigen wurzeln, wie § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III zeigt, alle Sperrzeiten im Vorwurf versicherungswidrigen Verhaltens.
Als ebenfalls weitestgehend auf die neue Rechtslage übertragbar erachtet die Kammer auch die Argumentation des BSG (Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R), wonach Sinn und Zweck der Meldeobliegenheit gerade die Verhaltenssteuerung ist und Obliegenheiten ihre verhaltenssteuernde Funktion nur entfalten können, wenn dem Versicherten die Verhaltensnorm bekannt ist. Dass auch § 37 b SGB III in der nunmehr geltenden Fassung das Verhalten eines demnächst Arbeitslosen zu steuern sucht, bedarf keiner näheren Darlegungen.
Nicht zuletzt muss die Frage, wann versicherungswidriges Verhalten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III) vorliegt, vor dem Hintergrund beurteilt werden, dass der Alg-Anspruch von der von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) erfasst ist (BVerfGE 72, 9; BVerfG, Beschluss vom 10.02.1987 - 1 BvL 15/83; ganz h.M.) und § 144 SGB III daher als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 GG fungiert. Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Eintritt einer Sperrzeit unter einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt steht (vgl. BVerfGE 72, 66, 77 f.). Eine Auslegung von § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III, die auch denjenigen Arbeitslosen mit einer Sanktion überzeiht, der keine Kenntnis von seiner Meldepflicht hatte oder aber ihr aus anderen, nicht verschuldeten, Gründen (z.B. Krankheit, Unerreichbarkeit der Arbeitsagentur etc.) nicht nachkommen konnte, erscheint gerade in Zusammenschau mit den anderen Sperrzeittatbeständen als ungewöhnlich und unangemessen einschneidend.
Nach alledem vermag das Gericht im Verhalten der Klägerin keinen Verstoß gegen § 37 b SGB III zu sehen. Dass die seit 1992 ununterbrochen beschäftigte Klägerin auf die Meldeobliegenheit aus § 37 b SGB III hingewiesen worden ist, ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Vorgängervorschrift seit Sommer 2004 wiederholt Gegenstand der Presseberichterstattung gewesen ist, ändert hieran nichts, denn auch einem Versicherten, der sich mit dem Gedanken trägt, seine Beschäftigung aufzugeben, ist nicht zuzumuten, die gesamt Presseberichterstattung unter diesem Aspekt duchzusehen. Auch der Umstand, dass die Klägerin sich noch vor der Arbeitlosmeldung arbeitsuchend gemeldet hat, lässt nicht auf eine zumindest vage Kenntnis der Meldeobliegenheit schließen. Die Klägerin hat ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung damit zu erklären vermocht, dass sie hiermit auf eine Auskunft reagiert habe, die ihr Lebensgefährte zwischenzeitlich erhalten hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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