S 9 AS 68/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 AS 68/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Kosten sind nicht zu erstatten. 3.Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1951 geborene Kläger ist verheiratet, in seinem Haushalt lebt eine volljährige studierende Tochter.

Seinen Leistungsantrag nach dem SGB II lehnte die Beklagte ab, da das zu berücksichtigende Einkommen über dem Bedarf liege (Bescheid vom 06.09.2005, Widerspruchsbescheid vom 10.04.2006). Dem Hilfebedarf von 1195,49 Euro (2 x Regelsatz 311,00 Euro zuzüglich 2/3 Kosten der Unterkunft und Heizung – 1/3 entfällt auf die studierende Tochter) stehe das Einkommen der Ehefrau (netto: 1.602,50 Euro, bereinigt: 1.372,55 Euro) und ein Nebenverdienst des Klägers (bereinigt: 31,17 Euro), Gesamteinkommen dem-nach: 1.403,72 Euro gegenüber, so dass das Einkommen den Bedarf um 208,23 Euro übersteige.

Mit der Klage weist der Kläger darauf hin, er habe bis 02.08.2005 Arbeitslosengeld bezogen, weshalb ihm für den Fall des AlG-II-Bezuges ein Zuschlag nach § 24 SGB II zustehe. Dieser Zuschlag sei beim Bedarf zusätzlich zu berücksichtigen und führe zur Hilfebedürf-tigkeit, so dass ihm Leistungen zustünden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 06.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2006 aufzuheben und dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Zuschlag könne nur gewährt werden, wenn dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II beansprucht werden können.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Zuschlag nach § 24 SGB II ist dem Bedarf nicht hinzuzurechnen, so dass dem Kläger Arbeitslosengeld II nicht zusteht.

Leistungen nach dem SGB II erhalten nur Personen, die hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftigkeit liegt beim Kläger und seiner Ehefrau, die gemeinsam eine Bedarfsgemeinschaft bilden, nicht vor, da das zu berücksichtigende Einkommen den Bedarf um 208,23 Euro übersteigt.

Dass dem Kläger, bezöge er Arbeitslosengeld II, ein befristeter Zuschlag wegen seines vorherigen Arbeitslosengeldbezuges nach § 24 SGB II zustünde, führt nicht dazu, dass er hilfebedürftig wird und demgemäß Leistungen der Beklagten zu erhalten hätte. Denn der Zuschlag ist nur der Leistung, nicht aber dem Bedarf hinzuzurechnen.

Ob ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II nur in Betracht kommt, wenn ansonsten be-reits ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II besteht, ist umstritten (vgl. die Nachweise bei Söhngen, Anm. zu LSG Celle Bremen, Beschluss vom 05.07.2005, L 8 AS 71/05 ER im JurisPR-SozR 7/2006 Anm. 2). Für die Auffassung des Klägers wird dabei aufgeführt, dass der Anspruch auf den Zuschlag nach § 24 SGB II ganz allgemein den Bezug von Arbeitslosengeld II zur Voraussetzung habe und dass sich aus der aus § 19 SGB II erge-benden Definition des Arbeitslosengeldes II ergeben soll, dass der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II Bestandteil des Arbeitslosengeldes II sei und daher dem Grundbedarf zugerechnet werden müsse (LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 05.07.2005, L 8 AS 71/05 ER). Dieser Argumentation ist zumindest für die Zeit ab 01.08.2006 durch die Neufassung des § 19 SGB II der Boden entzogen, denn seit dem ist dort der Zuschlag nach § 24 SGB II nicht mehr als Bestandteil des Arbeitslosengeldes II erwähnt. Die Kammer geht aber davon aus, dass diese Rechtsänderung lediglich eine Klarstellung bedeutet und dass auch nach dem zuvor bestehenden Rechtszustand, wie er der angefochtenen Entscheidung der Beklagten zugrunde lag, der Zuschlag schon nur gezahlt werden konnte, wenn auch ohne ihn Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand (offen gelassen in LSG NRW, Beschluss vom 10.07.2006, L 19 B 30/06 AS ER; Beschluss vom 30.06.2006, L 19 B 41/06 AS ER).

Der Zuschlag nach § 24 SGB II wurde eingeführt vor dem Hintergrund der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 01.01.2005. Mit dem befristeten Zuschlag soll der Umstand berücksichtigt werden, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit vor dem Bezug des Arbeitslosengeldes II einen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung erworben hatte (Eicher/Stellbrink/Ricksen, SGB II, Rdnr. 1 zu § 24). Allerdings war die Arbeitslosenhilfe eine steuer-, keine beitragsfinanzierte Leistung, so dass die Regelung des § 24 SGB II nicht durch Erwägungen des Eigentumsschutzes geboten ist, vielmehr geht es um eine Abfederung von Einkommensverlusten beim Übergang von einer Sozialleistung in die andere (Bay. Landessozialgericht, Urteil vom 04.04. 2006, L 11 AS 81/05). Schon die Arbeitslosenhilfe war eine Leistung, die nur gezahlt wur-de, wenn entsprechende Bedürftigkeit bestand. Gleiches soll ersichtlich für den Zuschlag nach § 24 SGB II gelten, denn die Berechnung des befristeten Zuschlages nach Bezug von Arbeitslosengeld setzt voraus, dass der Unterschiedsbetrag zwischen dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld/Wohngeld und dem zu zahlenden Arbeitslosengeld II bekannt ist (§ 24 Abs. 2 SGB II). Nach dieser Vorschrift muss der Hilfebedarf also der Höhe nach feststehen, bevor der Zuschlag nach § 24 SGB II errechnet werden kann (a.A. LSG Niedersachsen Bremen a.a.O., dem aber die Berech-nung des Zuschlages nur mit Hilfe eines Kunstgriffes – fiktiver AlG-II-Zahlbetrag 0 Euro – gelingt). Folgerichtig bezeichnet der Gesetzgeber die Leistungen nach § 24 SGB II auch als Zuschlag und nicht als Mehrbedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Trotz der inzwischen erfolgten Gesetzesänderung hat die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da verschiedene obergerichtliche Entscheidungen existieren und offenbar noch zahlreiche gleichartige Fälle zu entscheiden sind.
Rechtskraft
Aus
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