Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 147/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2006 verurteilt, dem Kläger ab 01.12.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Aufrechnung mit der mit Bescheid vom 08.09.2005 festgesetzten Erstattungsforderung zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte gegen den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) mit einer Erstattungsforderung aufrechnen darf.
Der am 00.00.1970 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug. Mit (inzwischen bestandskräftigem) Bescheid vom 08.09.2005 machte die Beklagte ihm gegenüber eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.044,08 Euro wegen eines Anfang 2005 erfolgten Parallelbezugs von Alg II und Unterhaltsgeld (Uhg) geltend. Mit Bescheid vom 27.09.2006 rechnete sie mit dieser Erstattungsforderung gegen den Alg II-Anspruch des Klägers für die Zeit ab dem 01.12.2006 in Höhe von monatlich 34,50 Euro auf. Sie führte aus, der Kläger habe die Überzahlung durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständig Angaben veranlasst. Den am 09.10.2006 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2006 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 07.11.2006 erhobene Klage.
Der Kläger führt aus, der Parallelbezug resultiere allein aus einem Fehler der Beklagten. Er habe das Alg II bereits im August 2004 beantragt, als ihm die Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme ab Oktober 2004 nebst Bezug von Uhg noch nicht bekannt gewesen sei. Da er zunächst das Alg II und anschließend das Uhg bei der selben Behörde beantragt habe, die zwar seit Januar 2005 verschiedene Namen habe, aber im gleichen Gebäude säße und auf die selben Daten zugreife, sei er davon ausgegangen, dass der Beklagten der Bezug von Uhg in allein Einzelheiten bekannt gewesen sei. Jedenfalls aber habe die Beklagte ab dem 18.01.2005 vom Uhg-Bezug gewusst, so dass zumindest die (volle) Alg II-Zahlung für Februar 2005 allein der Beklagten anzulasten sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2006 zu verurteilen, ihm ab 01.12.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Aufrechnung mit der mit Bescheid vom 08.09.2005 festgesetzten Erstattungsforderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass das Uhg nicht von ihr, sondern von der Bundesagentur für Arbeit bewilligt und erbracht worden sei. Zwar habe sie bereits am 18.01.2005 vom Uhg-Bezug des Klägers erfahren, die Auszahlung des Alg II am 31.01.2005 für Februar 2005 aus verwaltungsorganisatorischen Gründen jedoch nicht mehr verhindern können. Im Übrigen müsse eine völlig unterlassene Mitteilung den unvollständigen Angaben i.S.d. § 43 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gleichstehen.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da er ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden und über die Folgen ihres Ausbleibens belehrt worden ist.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte darf nicht mit der mit Bescheid vom 08.09.2005 festgesetzten Erstattungsforderung gegen den Alg II-Anspruch des Klägers aufrechnen.
Es kann dahinstehen, ob eine Aufrechnung überhaupt durch Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vorgenommen werden darf oder ob es sich bei der Aufrechnung um eine schuldrechtliche Willenserklärung handelt (zum Streitstand vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2003, B 4 RA 60/02 R; Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 51 SGB I, Rn. 21; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.04.2006, L 8 RA 52/04, zur verwandten Frage der Verrechnung). Die Beklagte durfte deswegen nicht aufrechnen, weil die Voraussetzungen der besonderen Aufrechnungsmöglichkeit aus § 43 Satz 1 SGB II nicht vorliegen und der Beklagten die "allgemeine" Aufrechnungsmöglichkeit aus § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) wegen § 51 Abs. 2 SGB I nicht zusteht.
Die Beklagte kann sich nicht auf § 43 Satz 1 SGB II berufen. Nach dieser Vorschrift können Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom Hundert der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Leistungsträger nach dem SGB II aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadenersatz handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Der Kläger hat die Erstattungsforderung nicht durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst. Ausweislich der Akten der Beklagten hatte er bei Stellung des Alg II-Antrags im August 2004 noch keine Kenntnis vom Uhg-Bezug, der erst im Oktober 2004 einsetzte.
Dass der Kläger der Beklagten weder die erstmalige Bewilligung noch die spätere Verlängerung des Uhg mitgeteilt hat, erfüllt den Tatbestand von § 43 Satz 1 SGB II nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine unterlassene Veränderungsmitteilung der in § 43 Satz 1 SGB II vorausgesetzten Veranlassung des Erstattungsanspruchs durch unvollständige Angaben auch nicht im Wege eines erst-recht-Schlusses gleichzustellen. Indem § 43 Satz 1 SGB II gerade von der Veranlassung durch (unrichtige oder) unvollständige Angaben spricht, setzt die Vorschrift ein aktives Tun (im Sinne einer Mitteilung, die wesentliche Umstände verschweigt) voraus (Rixen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK SGB II, § 43, Rn. 12; Radüge, in: jurisPK-SGB II, § 43 Rn. 18; a.A. Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 43 Rn. 19, Pilz in: Gagel, SGB III, § 43 Rn. 13, jeweils m.w.N.). Ein erst-recht-Schluss, der das Unterlassen einer Änderungsmitteilung als besonders schwerwiegenden Fall unvollständiger Angaben auffasst, erscheint deswegen nicht zwingend, weil das Sozialrecht gerade in Vorschriften, die mit § 43 Satz 1 SGB II inhaltlich verwandt sind, zwischen beiden Sachverhalten differenziert. So lässt § 26 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), der im Übrigen weitgehend § 43 Satz 1 SGB II entspricht, die Aufrechnung ausdrücklich auch bei einer Veranlassung durch pflichtwidriges Unterlassen zu. Auch ein Vergleich von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X (dessen Tatbestand die Unterlassung oder Verweigerung von Angaben nicht erfüllt: Waschull, in: LPK-SGB X, § 45, Rn. 35 m.w.N.) zeigt, dass das Gesetz beide Lebenssachverhalte nicht notwendigerweise gleich behandelt. Schließlich spricht für eine enge Auslegung von § 43 Satz 1 SGB II, dass der Gesetzgeber trotz des Streits um die Auslegung des im Wesentlichen wortgleichen § 25 a Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) das Unterlassen der Veränderungsmitteilung nicht in den Wortlaut von § 43 Satz 1 SGB II aufgenommen hat (gegen eine extensive Auslegung von § 25 a Abs. 1 Satz 1 BSHG etwa VG München, Urteil vom 24.07.2002, M 18 K 00.3418; Niedersächsches OVG, Beschluss vom 27.06.1994, 4 M 2959/94; weitere Nachweise zum Streitstand bei Eicher, a.a.O.)
Angesichts dessen kann es dahinstehen, ob die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung, die durch die Überzahlung für den Monat Februar 2005 entstanden ist, auch unter Zugrundelegung einer extensiven Auslegung von § 43 Satz 1 SGB II an einer erheblichen Mitveranlassung der Beklagten (die nach eigenen Angaben am 18.01.2005 vom Uhg-Bezug Kenntnis erhielt) scheitert (zur Erheblichkeit behördlichen Mitverschuldens Eicher, a.a.O., Rn. 20).
Eine Aufrechnung nach § 51 SGB I scheitert an § 51 Abs. 2 SGB I, wonach der Leistungsberechtigte durch die nach dieser Vorschrift vorgenommene Aufrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II werden darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte gegen den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II (Alg II) mit einer Erstattungsforderung aufrechnen darf.
Der am 00.00.1970 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug. Mit (inzwischen bestandskräftigem) Bescheid vom 08.09.2005 machte die Beklagte ihm gegenüber eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.044,08 Euro wegen eines Anfang 2005 erfolgten Parallelbezugs von Alg II und Unterhaltsgeld (Uhg) geltend. Mit Bescheid vom 27.09.2006 rechnete sie mit dieser Erstattungsforderung gegen den Alg II-Anspruch des Klägers für die Zeit ab dem 01.12.2006 in Höhe von monatlich 34,50 Euro auf. Sie führte aus, der Kläger habe die Überzahlung durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständig Angaben veranlasst. Den am 09.10.2006 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2006 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 07.11.2006 erhobene Klage.
Der Kläger führt aus, der Parallelbezug resultiere allein aus einem Fehler der Beklagten. Er habe das Alg II bereits im August 2004 beantragt, als ihm die Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme ab Oktober 2004 nebst Bezug von Uhg noch nicht bekannt gewesen sei. Da er zunächst das Alg II und anschließend das Uhg bei der selben Behörde beantragt habe, die zwar seit Januar 2005 verschiedene Namen habe, aber im gleichen Gebäude säße und auf die selben Daten zugreife, sei er davon ausgegangen, dass der Beklagten der Bezug von Uhg in allein Einzelheiten bekannt gewesen sei. Jedenfalls aber habe die Beklagte ab dem 18.01.2005 vom Uhg-Bezug gewusst, so dass zumindest die (volle) Alg II-Zahlung für Februar 2005 allein der Beklagten anzulasten sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2006 zu verurteilen, ihm ab 01.12.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Aufrechnung mit der mit Bescheid vom 08.09.2005 festgesetzten Erstattungsforderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass das Uhg nicht von ihr, sondern von der Bundesagentur für Arbeit bewilligt und erbracht worden sei. Zwar habe sie bereits am 18.01.2005 vom Uhg-Bezug des Klägers erfahren, die Auszahlung des Alg II am 31.01.2005 für Februar 2005 aus verwaltungsorganisatorischen Gründen jedoch nicht mehr verhindern können. Im Übrigen müsse eine völlig unterlassene Mitteilung den unvollständigen Angaben i.S.d. § 43 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gleichstehen.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da er ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt worden und über die Folgen ihres Ausbleibens belehrt worden ist.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte darf nicht mit der mit Bescheid vom 08.09.2005 festgesetzten Erstattungsforderung gegen den Alg II-Anspruch des Klägers aufrechnen.
Es kann dahinstehen, ob eine Aufrechnung überhaupt durch Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vorgenommen werden darf oder ob es sich bei der Aufrechnung um eine schuldrechtliche Willenserklärung handelt (zum Streitstand vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2003, B 4 RA 60/02 R; Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 51 SGB I, Rn. 21; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.04.2006, L 8 RA 52/04, zur verwandten Frage der Verrechnung). Die Beklagte durfte deswegen nicht aufrechnen, weil die Voraussetzungen der besonderen Aufrechnungsmöglichkeit aus § 43 Satz 1 SGB II nicht vorliegen und der Beklagten die "allgemeine" Aufrechnungsmöglichkeit aus § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) wegen § 51 Abs. 2 SGB I nicht zusteht.
Die Beklagte kann sich nicht auf § 43 Satz 1 SGB II berufen. Nach dieser Vorschrift können Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom Hundert der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Leistungsträger nach dem SGB II aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadenersatz handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Der Kläger hat die Erstattungsforderung nicht durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst. Ausweislich der Akten der Beklagten hatte er bei Stellung des Alg II-Antrags im August 2004 noch keine Kenntnis vom Uhg-Bezug, der erst im Oktober 2004 einsetzte.
Dass der Kläger der Beklagten weder die erstmalige Bewilligung noch die spätere Verlängerung des Uhg mitgeteilt hat, erfüllt den Tatbestand von § 43 Satz 1 SGB II nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine unterlassene Veränderungsmitteilung der in § 43 Satz 1 SGB II vorausgesetzten Veranlassung des Erstattungsanspruchs durch unvollständige Angaben auch nicht im Wege eines erst-recht-Schlusses gleichzustellen. Indem § 43 Satz 1 SGB II gerade von der Veranlassung durch (unrichtige oder) unvollständige Angaben spricht, setzt die Vorschrift ein aktives Tun (im Sinne einer Mitteilung, die wesentliche Umstände verschweigt) voraus (Rixen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck-OK SGB II, § 43, Rn. 12; Radüge, in: jurisPK-SGB II, § 43 Rn. 18; a.A. Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 43 Rn. 19, Pilz in: Gagel, SGB III, § 43 Rn. 13, jeweils m.w.N.). Ein erst-recht-Schluss, der das Unterlassen einer Änderungsmitteilung als besonders schwerwiegenden Fall unvollständiger Angaben auffasst, erscheint deswegen nicht zwingend, weil das Sozialrecht gerade in Vorschriften, die mit § 43 Satz 1 SGB II inhaltlich verwandt sind, zwischen beiden Sachverhalten differenziert. So lässt § 26 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), der im Übrigen weitgehend § 43 Satz 1 SGB II entspricht, die Aufrechnung ausdrücklich auch bei einer Veranlassung durch pflichtwidriges Unterlassen zu. Auch ein Vergleich von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X (dessen Tatbestand die Unterlassung oder Verweigerung von Angaben nicht erfüllt: Waschull, in: LPK-SGB X, § 45, Rn. 35 m.w.N.) zeigt, dass das Gesetz beide Lebenssachverhalte nicht notwendigerweise gleich behandelt. Schließlich spricht für eine enge Auslegung von § 43 Satz 1 SGB II, dass der Gesetzgeber trotz des Streits um die Auslegung des im Wesentlichen wortgleichen § 25 a Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) das Unterlassen der Veränderungsmitteilung nicht in den Wortlaut von § 43 Satz 1 SGB II aufgenommen hat (gegen eine extensive Auslegung von § 25 a Abs. 1 Satz 1 BSHG etwa VG München, Urteil vom 24.07.2002, M 18 K 00.3418; Niedersächsches OVG, Beschluss vom 27.06.1994, 4 M 2959/94; weitere Nachweise zum Streitstand bei Eicher, a.a.O.)
Angesichts dessen kann es dahinstehen, ob die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung, die durch die Überzahlung für den Monat Februar 2005 entstanden ist, auch unter Zugrundelegung einer extensiven Auslegung von § 43 Satz 1 SGB II an einer erheblichen Mitveranlassung der Beklagten (die nach eigenen Angaben am 18.01.2005 vom Uhg-Bezug Kenntnis erhielt) scheitert (zur Erheblichkeit behördlichen Mitverschuldens Eicher, a.a.O., Rn. 20).
Eine Aufrechnung nach § 51 SGB I scheitert an § 51 Abs. 2 SGB I, wonach der Leistungsberechtigte durch die nach dieser Vorschrift vorgenommene Aufrechnung nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II werden darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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