Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (6) KR 59/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Kranken-und Pflegeversicherung der Landwirte versicherungspflichtig war. Die Beklagte fordert für diesen Zeitraum derzeit (Stand: 28.09.2006) noch Beiträge in Höhe von 5.839,75 EUR zuzüglich Nebenkosten (Säumnis- zuschläge, Mahngebühren, Kosten der Rechtsverfolgung), insgesamt 6.528,78 EUR.
Der 1950 geborene Kläger und seine Ehefrau waren in der Zeit vom 23.05.1980 bis zum 30.09.2005 Pächter einer landwirtschaftlichen Fläche von 16,95 ha Größe in B. Seit dem 01.10.1991 waren 4,5 ha unterverpachtet. Auf dem Grundstück betrieben der Kläger und seine Ehefrau eine Pferdepension. Sie betreuten ca. 25 Fremdpferde, die tagsüber auf der ca. 2,5 ha großen Hausweide grasten. Die Restfläche diente der Erwirtschaftung von Heu für die Grasfütterung. Zusätzlich musste Kraftfutter zugekauft werden. Seit 2001 half der Sohn des Klägers in der Pferdepension mit, ab Juli 2003 leitete er den Betrieb kommissarisch, ab 2004 flossen ihm die Gewinne der Pferdepension zu. Der Pachtvertrag wurde zum 01.10.2005 auf ihn umgeschrieben.
Der Kläger war seit 01.07.1974 bei der AOK Rheinland kranken- und - seit 1995 auch - pflegeversichert, und zwar bis 19.07.1999 als kaufmännischer Angestellter (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), bis 31.03.2003 als Arbeitsloser (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), ab 22.03.2003 als Rentenantragsteller bzw. Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V). Von dem ab 22.03.2003 geltenden Versicherungstatbestand erfuhr die Beklagte im Rahmen einer Überprüfung der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer im Juni 2005. Solche Überprüfungen mit Korrespondenz zwischen den Beteiligten hatten auch früher schon - konkret 1980 und 1993 - stattgefunden.
Durch Bescheid vom 08.08.2005 stellte die Beklagte die Mitgliedschaft des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 22.03.2003 fest; für die Zeit vom 22.03.2003 bis 31.07.2004 forderte sie die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 6.302,04 EUR und ab 01.08.2005 monatlich 194,52 EUR.
Dagegen legte der Kläger am 16.08.2005 Widerspruch ein.
Ein Antrag des Klägers auf vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutz blieb in der zweiten Instanz ohne Erfolg (Beschluss des LSG NRW vom 22.06.2006 - L 16 B 30/06 KR ER).
Im Hinblick auf die während dieses Eilverfahrens vom Kläger gemachten Angaben zur Unterverpachtung von 4,5 ha und zur Umschreibung des eigenen Pachtvertrags im Übrigen auf den Sohn ab 01.10.2005 reduzierte die Beklagte durch Bescheide vom 10.11.2005 die der Beitragsveranlagung ab 22.03.2003 zugrunde gelegten landwirtschaftlichen Flächen auf 12,45 ha und stellte das Ende der Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung zum 30.09.2005 fest. Zugleich bezifferte sie die Restforderung auf insgesamt 6.872,58 EUR.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 10.03.2006 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, im streitbefangenen Zeitraum kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne der einschlägigen Sozialversicherungsvorschriften gewesen zu sein. Er habe auf der gepachteten Fläche eine Pferdepension unterhalten. Er meint, nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei nur dann von einer landwirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen, wenn die Haupttätigkeit in der Bearbeitung des Bodens, der Aufzucht von Bodenerzeugnissen und der Verwertung dieser Bodenerzeugnisse bestehe; sofern der Hauptzweck - wie bei ihm - in der Weidetierhaltung liege, könne nur von einer versicherbaren Bodenbewirtschaftung ausgegangen werden, wenn die Weidetiere ausschließlich bzw. überwiegend durch die verwerteten Bodenerzeugnisse gefüttert würden. Dies sei bei ihm nicht der Fall gewesen. Er habe lediglich Boxen zur Unterbringung von Fremdpferden zur Verfügung gestellt; die Pferde hätten sich auch auf Weideflächen aufgehalten, seien jedoch überwiegend durch zugekauftes Kraftfutter versorgt worden. Allein von den Weideflächen hätten sich die Tiere nicht ernähren können.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2005 und 10.11.2005 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 13.02.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die vom Kläger im streitigen Zeitraum gepachteten 12,45 ha seien typischerweise dem Erscheinungsbild einer Pensionspferdehaltung zuzurechnen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sei der Kläger aufgrund der Bewirtschaftung dieser landwirtschaftlichen Flächen im streitbefangenen Zeitraum als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakte , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Kläger war in der Zeit vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 Mitglied der Beklagten und als solches beitragspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) in der Fassung des insoweit noch maßgeblichen Gesetzes vom 29.03.1994 (BGBl. I S. 1890) sind in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig Unternehmer der Landwirtschaft, deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erreicht. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften.
Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtssprechung herausgestellt, dass sich die unternehmerische Tätigkeit als Landwirtschaft im Sinne einer Bodenbewirtschaftung darstellen muss. Es hat den Begriff "Bodenbewirtschaftung" als einen Inbegriff zahlreicher auf einen wirtschaftlichen Zweck gerichteter Tätigkeiten verstanden. Als eine Haupttätigkeit hat es die Bearbeitung des Bodens, die Aufzucht von Bodenerzeugnissen und als eine weitere herausragende Tätigkeit die Verwertung dieser Bodenerzeugnisse, meist in Form der Aberntung, gerechnet. Landwirtschaftlich tätig ist auch derjenige, bei dem die Erzeugung nicht dem Verkauf oder Eigenverbrauch und damit in einem engeren Sinne der menschlichen Ernährung dient. Die Tätigkeiten in der Landwirtschaft weisen eine solche Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit auf, dass sie auch die Zucht und Pflege von Haustieren umfassen können, wenn es sich um eine auf eigener Bodenbewirtschaftung beruhende Tierhaltung, also eine Verbindung der Tierhaltung mit einer Bodenbewirtschaftung auf einer landwirtschaftlichen Fläche handelt (BSG, Urteil vom 30.03.2006 - B 10 KR 2/04 R; BSG, Urteil vom 10.05.1979 - 11 RLw 7/78 = BSGE 48,181 = SozR 58,50 § 1 Nr. 3; Beschluss vom 29.09.1997 - 10 BK 1/97; ebenso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.1996 - L 4 Kr 32/94). Diese Kriterien hat der Kläger im streitigen Zeitraum erfüllt. Er hat u.a. Grünflächen unterhalten, die der Abweidung durch Pferde dienten; dies stellt eine natürliche Aufzucht von Futtermitteln dar. Der Kläger verwertete diese Bodenerzeugnisse durch Abweidung. Zusätzlich nutzte er Grünland, indem er die darauf wachsenden Pflanzen (insbesondere Gras) als Futter (Heu) für die Pferde seiner Pferdepension erntete. Dem steht nicht entgegen, dass die Pferde auch durch zugekauftes Kraftfutter ernährt wurden. Die beschriebene landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit "Bodenbewirtschaftung" ist nicht erst dann erfüllt, wenn die Weidetiere ausschließlich oder überwiegend mit Weidegras oder Heu gefüttert werden.
Das danach vom Kläger betriebene landwirtschaftliche Unternehmen erreichte auch die Mindestgröße. Diese richtet sich grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 5 ALG nach dem Wirtschaftswert. Die landwirtschaftlichen Alterskassen können jedoch als Maßstab für die Festlegung der Mindestgröße statt des Wirtschaftswertes den Flächenwert oder den Arbeitsbedarf zugrunde legen (§ 84 Abs. 5 Satz 2 ALG). Hiervon hat die landwirtschaftliche Alterskasse Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht. Für den Betriebssitz des Klägers in Aachen sind 3 ha Flächengröße für die landwirtschaftliche Nutzung als Mindestgröße festgesetzt. Diese Mindestgröße überschreitet die seinerzeit vom Kläger bewirtschaftete Fläche bei weitem.
Der Beginn der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer ergibt sich aus dem Vorrang der Versicherungspflicht nach dem KVLG 1989 gegenüber anderen Versicherungspflichttatbeständen ab dem 22.03.2003. In § 3 KVLG 1989 ist das Verhältnis der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz zur Versicherungs- pflicht nach anderen Gesetzen geregelt. Bis 21.03.2003 war die Versicherungspflicht des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB V vorrangig; dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 KVLG 1989. Soweit die AOK Rheinland den Kläger vom 22.03.2003 bis 30.09.2005, dem Zeitpunkt der Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit, gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SGB V als versicherungspflichtigen Rentner bzw. Rentenantragsteller geführt hat, entsprach dies nicht den rentenrechtlichen Konkurrenzregelungen. Denn nach § 5 Abs. 8 Satz 1 ist nicht nach Absatz 1 Nr. 12, d.h. als Rentner bzw. Rentenantragsteller versicherungspflichtig, wer (u.a.) nach Absatz 1 Nr. 3 (als Landwirt nach näherer Bestimmung des KVLG 1989) versicherungspflichtig ist. Dementsprechend war im Zeitpunkt vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 die Versicherungs- pflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer nach dem KVLG 1989 eine ausschließliche.
Die Forderung der Beklagten ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Beiträge und der Nebenkosten nicht zu beanstanden und wird vom Kläger insoweit auch nicht bestritten.
Der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung steht keine schwere Störung des Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzips entgegen. Im Sozialversicherungsrecht ist allgemein anerkannt, dass Beitrag und Leistung bei einem Versicherungsverhältnis in einer engen gegenseitigen wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeit stehen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, Versicherungsleistungen und Versicherungsbeiträge seien aufeinander bezogen und stünden in einem "Gegenleistungsverhältnis", soweit das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit keine Abweichungen erfordere. Deshalb hat das BSG in der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden, dass eine Krankenkasse für die zurückliegende Zeit keine Beiträge fordern kann, wenn der Versicherte ihm zustehende Leistungen nicht in Anspruch nehmen konnte. Es widerspreche der Wechselbeziehung zwischen Beitragspflicht und Leistungsansprüchen sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Krankenkasse für zurückliegende Zeiträume Beiträge beanspruchen könne, in denen der Versicherte Leistungsansprüche nicht haben realisieren können, weil er über seine Pflichtmitgliedschaft nicht ausreichend aufgeklärt worden sei oder überhaupt keine Kenntnis vom bestehenden Versicherungsschutz gehabt habe (vgl. BSG Urteil vom 04.10.1988 - 4/11a RK 2/87 = SozR 2200 § 182 Nr. 113; Urteil vom 04.06.1991 - 12 RK 52/90 = BSGE 69,20 = SozR 3-2200 § 381 Nr. 2; Urteil vom 18.08.1992 - 12 RK 37/89 = SozR 3-4100 § 168 Nr. 10, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine derartige nicht tolerierbare Äquivalenzstörung lag für den streitigen Zeitraum beim Kläger nicht vor. Zum einem war er durch den Schriftverkehr mit der Beklagten in den Jahren 1980 und 1993 anlässlich der Überprüfung einer Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer über die entsprechende Krankenversicherungspflicht informiert. Zum anderen hat er bei der Meldung zur Krankenversicherung der Rentner im Jahre 2000 seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer verneint; die daraus resultierenden Folgen der falschen Versicherung bei der AOK Rheinland bzw. Nichtversicherung bei der Beklagten hat der Kläger zu tragen. Letztlich entscheidend dafür, dass bei ihm keine Störung des Äquivalenzprinzips gegeben war, ist die Tatsache, dass er bei der AOK Rheinland als kranken- und pflegeversichert geführt worden ist und mit diesem Status Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) in Anspruch nehmen konnte bzw. in Anspruch genommen hat. Soweit die AOK Rheinland als unzuständiger Versicherer solche Leistungen erbracht hat, muss der Kläger diese nicht erstatten. Denn seine entsprechenden Ansprüche gegenüber der Beklagten sind durch die Leistungen der AOK Rheinland gemäß § 7 SGB X erfüllt worden. Gegebenenfalls hätte die AOK Rheinland insofern einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 105 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Kranken-und Pflegeversicherung der Landwirte versicherungspflichtig war. Die Beklagte fordert für diesen Zeitraum derzeit (Stand: 28.09.2006) noch Beiträge in Höhe von 5.839,75 EUR zuzüglich Nebenkosten (Säumnis- zuschläge, Mahngebühren, Kosten der Rechtsverfolgung), insgesamt 6.528,78 EUR.
Der 1950 geborene Kläger und seine Ehefrau waren in der Zeit vom 23.05.1980 bis zum 30.09.2005 Pächter einer landwirtschaftlichen Fläche von 16,95 ha Größe in B. Seit dem 01.10.1991 waren 4,5 ha unterverpachtet. Auf dem Grundstück betrieben der Kläger und seine Ehefrau eine Pferdepension. Sie betreuten ca. 25 Fremdpferde, die tagsüber auf der ca. 2,5 ha großen Hausweide grasten. Die Restfläche diente der Erwirtschaftung von Heu für die Grasfütterung. Zusätzlich musste Kraftfutter zugekauft werden. Seit 2001 half der Sohn des Klägers in der Pferdepension mit, ab Juli 2003 leitete er den Betrieb kommissarisch, ab 2004 flossen ihm die Gewinne der Pferdepension zu. Der Pachtvertrag wurde zum 01.10.2005 auf ihn umgeschrieben.
Der Kläger war seit 01.07.1974 bei der AOK Rheinland kranken- und - seit 1995 auch - pflegeversichert, und zwar bis 19.07.1999 als kaufmännischer Angestellter (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), bis 31.03.2003 als Arbeitsloser (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), ab 22.03.2003 als Rentenantragsteller bzw. Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V). Von dem ab 22.03.2003 geltenden Versicherungstatbestand erfuhr die Beklagte im Rahmen einer Überprüfung der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer im Juni 2005. Solche Überprüfungen mit Korrespondenz zwischen den Beteiligten hatten auch früher schon - konkret 1980 und 1993 - stattgefunden.
Durch Bescheid vom 08.08.2005 stellte die Beklagte die Mitgliedschaft des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 22.03.2003 fest; für die Zeit vom 22.03.2003 bis 31.07.2004 forderte sie die Zahlung von Beiträgen in Höhe von 6.302,04 EUR und ab 01.08.2005 monatlich 194,52 EUR.
Dagegen legte der Kläger am 16.08.2005 Widerspruch ein.
Ein Antrag des Klägers auf vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutz blieb in der zweiten Instanz ohne Erfolg (Beschluss des LSG NRW vom 22.06.2006 - L 16 B 30/06 KR ER).
Im Hinblick auf die während dieses Eilverfahrens vom Kläger gemachten Angaben zur Unterverpachtung von 4,5 ha und zur Umschreibung des eigenen Pachtvertrags im Übrigen auf den Sohn ab 01.10.2005 reduzierte die Beklagte durch Bescheide vom 10.11.2005 die der Beitragsveranlagung ab 22.03.2003 zugrunde gelegten landwirtschaftlichen Flächen auf 12,45 ha und stellte das Ende der Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung zum 30.09.2005 fest. Zugleich bezifferte sie die Restforderung auf insgesamt 6.872,58 EUR.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 10.03.2006 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, im streitbefangenen Zeitraum kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne der einschlägigen Sozialversicherungsvorschriften gewesen zu sein. Er habe auf der gepachteten Fläche eine Pferdepension unterhalten. Er meint, nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei nur dann von einer landwirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen, wenn die Haupttätigkeit in der Bearbeitung des Bodens, der Aufzucht von Bodenerzeugnissen und der Verwertung dieser Bodenerzeugnisse bestehe; sofern der Hauptzweck - wie bei ihm - in der Weidetierhaltung liege, könne nur von einer versicherbaren Bodenbewirtschaftung ausgegangen werden, wenn die Weidetiere ausschließlich bzw. überwiegend durch die verwerteten Bodenerzeugnisse gefüttert würden. Dies sei bei ihm nicht der Fall gewesen. Er habe lediglich Boxen zur Unterbringung von Fremdpferden zur Verfügung gestellt; die Pferde hätten sich auch auf Weideflächen aufgehalten, seien jedoch überwiegend durch zugekauftes Kraftfutter versorgt worden. Allein von den Weideflächen hätten sich die Tiere nicht ernähren können.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2005 und 10.11.2005 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 13.02.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die vom Kläger im streitigen Zeitraum gepachteten 12,45 ha seien typischerweise dem Erscheinungsbild einer Pensionspferdehaltung zuzurechnen. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sei der Kläger aufgrund der Bewirtschaftung dieser landwirtschaftlichen Flächen im streitbefangenen Zeitraum als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakte , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Der Kläger war in der Zeit vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 Mitglied der Beklagten und als solches beitragspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) in der Fassung des insoweit noch maßgeblichen Gesetzes vom 29.03.1994 (BGBl. I S. 1890) sind in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig Unternehmer der Landwirtschaft, deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) erreicht. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften.
Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtssprechung herausgestellt, dass sich die unternehmerische Tätigkeit als Landwirtschaft im Sinne einer Bodenbewirtschaftung darstellen muss. Es hat den Begriff "Bodenbewirtschaftung" als einen Inbegriff zahlreicher auf einen wirtschaftlichen Zweck gerichteter Tätigkeiten verstanden. Als eine Haupttätigkeit hat es die Bearbeitung des Bodens, die Aufzucht von Bodenerzeugnissen und als eine weitere herausragende Tätigkeit die Verwertung dieser Bodenerzeugnisse, meist in Form der Aberntung, gerechnet. Landwirtschaftlich tätig ist auch derjenige, bei dem die Erzeugung nicht dem Verkauf oder Eigenverbrauch und damit in einem engeren Sinne der menschlichen Ernährung dient. Die Tätigkeiten in der Landwirtschaft weisen eine solche Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit auf, dass sie auch die Zucht und Pflege von Haustieren umfassen können, wenn es sich um eine auf eigener Bodenbewirtschaftung beruhende Tierhaltung, also eine Verbindung der Tierhaltung mit einer Bodenbewirtschaftung auf einer landwirtschaftlichen Fläche handelt (BSG, Urteil vom 30.03.2006 - B 10 KR 2/04 R; BSG, Urteil vom 10.05.1979 - 11 RLw 7/78 = BSGE 48,181 = SozR 58,50 § 1 Nr. 3; Beschluss vom 29.09.1997 - 10 BK 1/97; ebenso: LSG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.1996 - L 4 Kr 32/94). Diese Kriterien hat der Kläger im streitigen Zeitraum erfüllt. Er hat u.a. Grünflächen unterhalten, die der Abweidung durch Pferde dienten; dies stellt eine natürliche Aufzucht von Futtermitteln dar. Der Kläger verwertete diese Bodenerzeugnisse durch Abweidung. Zusätzlich nutzte er Grünland, indem er die darauf wachsenden Pflanzen (insbesondere Gras) als Futter (Heu) für die Pferde seiner Pferdepension erntete. Dem steht nicht entgegen, dass die Pferde auch durch zugekauftes Kraftfutter ernährt wurden. Die beschriebene landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit "Bodenbewirtschaftung" ist nicht erst dann erfüllt, wenn die Weidetiere ausschließlich oder überwiegend mit Weidegras oder Heu gefüttert werden.
Das danach vom Kläger betriebene landwirtschaftliche Unternehmen erreichte auch die Mindestgröße. Diese richtet sich grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 5 ALG nach dem Wirtschaftswert. Die landwirtschaftlichen Alterskassen können jedoch als Maßstab für die Festlegung der Mindestgröße statt des Wirtschaftswertes den Flächenwert oder den Arbeitsbedarf zugrunde legen (§ 84 Abs. 5 Satz 2 ALG). Hiervon hat die landwirtschaftliche Alterskasse Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht. Für den Betriebssitz des Klägers in Aachen sind 3 ha Flächengröße für die landwirtschaftliche Nutzung als Mindestgröße festgesetzt. Diese Mindestgröße überschreitet die seinerzeit vom Kläger bewirtschaftete Fläche bei weitem.
Der Beginn der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer ergibt sich aus dem Vorrang der Versicherungspflicht nach dem KVLG 1989 gegenüber anderen Versicherungspflichttatbeständen ab dem 22.03.2003. In § 3 KVLG 1989 ist das Verhältnis der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz zur Versicherungs- pflicht nach anderen Gesetzen geregelt. Bis 21.03.2003 war die Versicherungspflicht des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB V vorrangig; dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 KVLG 1989. Soweit die AOK Rheinland den Kläger vom 22.03.2003 bis 30.09.2005, dem Zeitpunkt der Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit, gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SGB V als versicherungspflichtigen Rentner bzw. Rentenantragsteller geführt hat, entsprach dies nicht den rentenrechtlichen Konkurrenzregelungen. Denn nach § 5 Abs. 8 Satz 1 ist nicht nach Absatz 1 Nr. 12, d.h. als Rentner bzw. Rentenantragsteller versicherungspflichtig, wer (u.a.) nach Absatz 1 Nr. 3 (als Landwirt nach näherer Bestimmung des KVLG 1989) versicherungspflichtig ist. Dementsprechend war im Zeitpunkt vom 22.03.2003 bis 30.09.2005 die Versicherungs- pflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer nach dem KVLG 1989 eine ausschließliche.
Die Forderung der Beklagten ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Beiträge und der Nebenkosten nicht zu beanstanden und wird vom Kläger insoweit auch nicht bestritten.
Der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung steht keine schwere Störung des Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzips entgegen. Im Sozialversicherungsrecht ist allgemein anerkannt, dass Beitrag und Leistung bei einem Versicherungsverhältnis in einer engen gegenseitigen wirtschaftlichen und rechtlichen Abhängigkeit stehen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, Versicherungsleistungen und Versicherungsbeiträge seien aufeinander bezogen und stünden in einem "Gegenleistungsverhältnis", soweit das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit keine Abweichungen erfordere. Deshalb hat das BSG in der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden, dass eine Krankenkasse für die zurückliegende Zeit keine Beiträge fordern kann, wenn der Versicherte ihm zustehende Leistungen nicht in Anspruch nehmen konnte. Es widerspreche der Wechselbeziehung zwischen Beitragspflicht und Leistungsansprüchen sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Krankenkasse für zurückliegende Zeiträume Beiträge beanspruchen könne, in denen der Versicherte Leistungsansprüche nicht haben realisieren können, weil er über seine Pflichtmitgliedschaft nicht ausreichend aufgeklärt worden sei oder überhaupt keine Kenntnis vom bestehenden Versicherungsschutz gehabt habe (vgl. BSG Urteil vom 04.10.1988 - 4/11a RK 2/87 = SozR 2200 § 182 Nr. 113; Urteil vom 04.06.1991 - 12 RK 52/90 = BSGE 69,20 = SozR 3-2200 § 381 Nr. 2; Urteil vom 18.08.1992 - 12 RK 37/89 = SozR 3-4100 § 168 Nr. 10, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine derartige nicht tolerierbare Äquivalenzstörung lag für den streitigen Zeitraum beim Kläger nicht vor. Zum einem war er durch den Schriftverkehr mit der Beklagten in den Jahren 1980 und 1993 anlässlich der Überprüfung einer Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer über die entsprechende Krankenversicherungspflicht informiert. Zum anderen hat er bei der Meldung zur Krankenversicherung der Rentner im Jahre 2000 seine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer verneint; die daraus resultierenden Folgen der falschen Versicherung bei der AOK Rheinland bzw. Nichtversicherung bei der Beklagten hat der Kläger zu tragen. Letztlich entscheidend dafür, dass bei ihm keine Störung des Äquivalenzprinzips gegeben war, ist die Tatsache, dass er bei der AOK Rheinland als kranken- und pflegeversichert geführt worden ist und mit diesem Status Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) in Anspruch nehmen konnte bzw. in Anspruch genommen hat. Soweit die AOK Rheinland als unzuständiger Versicherer solche Leistungen erbracht hat, muss der Kläger diese nicht erstatten. Denn seine entsprechenden Ansprüche gegenüber der Beklagten sind durch die Leistungen der AOK Rheinland gemäß § 7 SGB X erfüllt worden. Gegebenenfalls hätte die AOK Rheinland insofern einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 105 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved