S 9 U 18/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 9 U 18/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Beklagten, den Sachverständigen Dr. C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

In der Hauptsache wird um Folgen eines Arbeitsunfalles gestritten. Zur Aufklärung des Sachverhaltes ordnete das erkennende Gericht eine neurologisch/psychiatrische Begutachtung des Klägers durch Dr. C. an (Beweisanordnung vom 04.01.2007), wobei u.a. auch eine Auseinandersetzung mit dem Vorgutachten von Dr. W. verlangt war. Die Beweisanordnung ging beim Sachverständigen am 09.01.2007 ein.

Am 28.02.2007 teilte der Sachverständige mit, er habe bereits am 23.01.2007 ein Gutachten für eine andere Kammer des Sozialgerichtes in einem parallelen Klageverfahren wegen Schwerbehinderung erstellt und bitte um Prüfung, ob ein weiteres Gutachten nötig sei.

Unter dem 15.03.2007 übersandte das Gericht das im Parallelverfahren erstattete Gutachten von Dr. C. an die Beklagte, außerdem erteilte es Dr. C. den Auftrag, das angeforderte Gutachten unter Verwendung der bereits bei ihm erhobenen Befunde nach Aktenlage zu erstellten und sich unter anderem mit dem Gutachten von Dr. W. auseinander zusetzen. In dem zunächst dem Gericht übersandten Gutachten von Dr. C. (Eingang 25.04.2007) fehlte diese Auseinandersetzung mit dem nur in der Aktenlage erwähnten Gutachten von Dr. W., so dass das Gericht Nachbesserung forderte, wovon die Beteiligten unter dem 26.04.2007 Kenntnis erhielten.

Am 09.05.2007 ging das berichtigte Gutachten von Dr. C. bei Gericht ein und wurde der Beklagten unter dem 10.05.2007 unter Aufgabe einer Stellungnahme binnen 4 Wochen übersandt.

Diese Stellungnahme erreichte das Gericht am 06.06.2007. Darin führte die Beklagte aus, es stelle sich die Frage, ob der Sachverständige noch objektiv in der Sache habe urteilen können. Auch die Auswahl des Sachverständigen sei zu beanstanden. Denn Dr. C. habe bereits unter dem 07.02.2007 in einer Schwerbehindertenangelegenheit ein Gutachten im Auftrag des Sozialgerichtes erstattet, in dem er schon eine Kausalitätskette der Ausbildung anhaltend schwerer depressiver Episoden zu dem streitigen Unfall am 00.00.0000 hergestellt habe. Er habe sich damit bereits festgelegt und sein Gutachten deshalb nicht mehr unbefangen erstatten können. Dem Gutachten sei inhaltlich nicht zu folgen, da es von falschen medizinischen Annahmen ausgehe. Hingegen sei das zuvor eingeholte Gutachten von Dr. W. richtig.

Zwar habe die Kammer zwar zunächst offenbar von der Beauftragung des Dr. C. im Parallelverfahren nichts gewusst. In dem dort erstatteten Gutachten habe aber Dr. C. das erst später vorgelegte Gutachten von Dr. W. nicht berücksichtigen können. Trotz ausdrücklichen Auftrages durch das erkennende Gericht sei eine Stellungnahme hierzu in Dr. C. Gutachten völlig unterblieben, was das Gericht auch zum Anlass genommen habe, Nachbesserung zu fordern. Dies habe Dr. C. nur sehr kursorisch getan. Angesichts der Verschiedenheit der Befunde und Diagnosen sei es aber notwendig gewesen, den Kläger nochmals einzuladen und zu untersuchen und das eigene Gutachten zu hinterfragen. Dr C. habe sich bei der Erstattung seines Gutachtens vom 07.05.2007 nicht von objektiver Urteilsfindung leiten lassen, sondern nur versucht, seine Ergebnisse verteidigend zu untermauern.

Die Beklagte beantragt,

den Sachverständigen Dr. C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Der Sachverständige hat sich zu dem Befangenheitsantrag im wesentlichen medizinisch-argumentativ geäußert. Er habe lediglich den Auftrag für ein Aktengutachten aufgrund der bereits erhobenen Befunde gehabt.

II.

Soweit sich die Beklagte gegen die Auswahl des Sachverständigen wendet, ist der Befangenheitsantrag bereits unzulässig. Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen 2 Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 2 S. 1 u. 2 ZPO). Das von Dr. C. im Parallelverfahren erstattete Gutachten ist der Beklagten am 15.03.2007 übermittelt worden. Soweit die Beklagte empfand, dass darin eine Kausalitätskette entwickelt sei, mit der der Sachverständige sich bereits festgelegt habe, wäre demnach der vermutete Ablehnungsgrund unverzüglich nach Übersendung des Gutachtens im Prallelverfahren geltend zu machen gewesen und nicht erst drei Monate später. Dieses Bedenken der Beklagten trifft aber auch inhaltlich nicht zu, denn an keiner Stelle im Parallelgutachten ist eine kausale Verknüpfung angesprochen, lediglich ein zeitlicher Zusammenhang wird beschrieben. Eine Festlegung des Sachverständigen ist insoweit nicht ersichtlich. Selbst wenn aber eine Festlegung erfolgt wäre - was , wie gesagt, nicht der Fall ist - , wäre aber zu beachten, dass der Sachverständige zur Zeit der Untersuchung des Klägers und seiner Erstattung des Gutachtens im Parallelverfahren die Akten der Beklagten bereits vor Wochen vom erkennenden Gericht zugesandt bekommen hatte, also über den Sachverhalt umfassend informiert war.

Soweit im übrigen die Beklagte aus dem Inhalt des Gutachtens von Dr C. Befangenheitsgründe herleiten will, mag der Befangenheitsantrag noch zulässig sein. Denn er ging innerhalb der Stellungnahmefrist zum Gutachten von Dr. C. ein (vgl. LSG NRW, L 1 B 7/07 AL, Beschluss vom 04.06.2007). Es ergeben sich aber aus dem Inhalt des Gutachtens keine Hinweise auf eine Befangenheit des Sachverständigen.

Soweit die Beklagte rügt, Dr. C. habe den Kläger untersuchen müssen und das Gutachten nicht nach Aktenlage erstellen dürfen, wäre dies kein Befangenheitsgrund, sondern allenfalls ein Qualitätsmangel. Auch dies ist es aber nicht, da Dr. C. damit dem Auftrag des Gerichtes entsprach, der nur ein Aktengutachten vorsah.

Eine Vorfestlegung des Sachverständigen ohne Kenntnis des von der Beklagten bevorzugten Gutachtens von Dr. W. kann die Kammer nicht erkennen. In dem Gutachten im Schwerbehindertenverfahren ist sie nicht erfolgt, wäre im übrigen aus der Sicht der Kammer aber ohnehin auch unschädlich, da das Gericht ohne weiteres auch dieses frühere Gutachten zu Beweiszwecken hätte beiziehen können, mit dem Ergebnis, dass eine evtl. Festlegung des Sachverständigen in das Verfahren zulässig hätte eingeführt werden dürfen. Dort ist aber nur zu einem zeitlichen Zusammenhang Stellung genommen. Später hat zwar Dr. C. die Frage des Gerichtes nach der Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. W. nicht beantwortet, jedoch im Aktenauszug seines Gutachtens das Gutachten von Dr. W. erwähnt, so dass er seine Schlussfolgerungen in Kenntnis des Gutachtens von Dr. W. getroffen hat.

Diese letzteren und alle übrigen Einwendungen der Beklagten betreffen aber ohnehin die Frage, ob das Gutachten von Dr. C. richtig und überzeugend ist. Im Ablehnungsverfahren ist aber die Frage, ob die Feststellungen des Sachverständigen in der Sache zutreffend sind nicht zu prüfen (LSG NRW, a.a.O.), sachliche Fehler in Gutachten sind im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, eine Befangenheit des Sachverständigen begründen sie nicht (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.08.2007, L 2 B 169/07 U).
Rechtskraft
Aus
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